Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2517 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/1904 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Ansgar Focke (CDU), eingegangen am 26.08.2014 Werden christliche Asylbewerber in Niedersachsen von Extremisten bedroht? In ihrer Ausgabe vom 12.08.2014 berichtet Die Welt („Verfolgte finden auch in Deutschland keine Ruhe“) über Angriffe gegen Christen und insbesondere vom Islam konvertierte Christen in Flücht- lingsheimen. Laut dem Bericht gingen die meisten dieser Angriffe zumeist von islamistischen Flüchtlingen aus Afghanistan aus. Aussagekräftige amtliche Zahlen zu Angriffen und Anfeindungen gebe es allerdings nicht. Ein Experte der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte wird je- doch in dem Artikel mit den Worten zitiert: „Bei christlichen Konvertiten geht die Wahrscheinlichkeit, Opfer von Übergriffen oder Mobbing zu werden, gegen 100 Prozent.“ Die Welt schildert mehrere Beispiele von christlichen Konvertiten aus islamischen Ländern, die in Flüchtlingsheimen von muslimischen Asylbewerbern ausgegrenzt, beleidigt und sogar bedroht wur- den. Der Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung fordere daher eine nach Religio- nen getrennte Unterbringung. Der Leiter einer gemeinnützigen Sprachschule für Asylbewerber schildert in der Welt seine Be- obachtung, „dass es Flüchtlinge, die als Christen zum Beispiel in Syrien oder im Iran verfolgt wurden , sehr irritiert, mit welchen Vorbehalten hierzulande dem Christentum in Wort und Tat begegnet wird, wo sie doch Verständnis und Hilfe erwartet hätten.“ Ich frage die Landesregierung: 1. Sind der Landesregierung Fälle aus Niedersachsen bekannt, wo es zu Konflikten zwischen christlichen und muslimischen Asylbewerbern in Sammelunterkünften gekommen ist? 2. Welche Schwierigkeiten sieht die Landesregierung bei der gemeinsamen Unterbringung von christlichen Konvertiten aus muslimischen Ländern gemeinsam mit muslimischen Asylbewer- bern? 3. Wie wird die Konversion vom Islam zum Christentum von den unterschiedlichen Glaubens- richtungen und Rechtsschulen des Islam (Hanafiten, Malikiten, Hanbaliten, Wahhabiten, Schaafiten und Schiiten) beurteilt? 4. Werden besondere Schutzmaßnahmen für christliche Konvertiten aus mehrheitlich muslimi- schen Ländern in niedersächsischen Aufnahmestellen und Sammelunterkünften getroffen? 5. Welche Statistiken werden zur Unterbringung von Asylbewerbern geführt? 6. Wie hoch ist die Zahl der Asylbewerber in Niedersachsen, die zum Christentum konvertiert sind? (An die Staatskanzlei übersandt am 02.09.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 02.12.2014 für Inneres und Sport - 62.21 - 01425 - In der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) und auch in den Flüchtlingsunterkünften der niedersächsischen Gemeinden sind Flüchtlinge aus einer Vielzahl von Herkunftsländern unter- gebracht. So sind allein am Standort Braunschweig der LAB NI Asylsuchende aus fast 40 Her- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2517 2 kunftsländern mit unterschiedlichen Religionen und Glaubensrichtungen wohnhaft. Die in Nieder- sachsen für die Aufnahme und Unterbringung zuständigen Stellen berücksichtigen im Rahmen der Möglichkeiten die besonderen Belange und Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner. Dies gilt etwa für alleinerziehende Frauen, Flüchtlinge mit besonderen gesundheitlichen Einschrän- kungen und selbstverständlich auch für Personen, die aufgrund ihrer Religion einer besonderen Unterbringung bedürfen. Ein zielgerichtetes auf die Belange der Bewohnerschaft ausgerichtetes Belegungsmanagement trägt im Übrigen auch maßgeblich dazu bei, Spannungen innerhalb der Bewohnerschaft möglichst zu vermeiden. Dies setzt aber voraus, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner den für die Unterbringung und soziale Betreuung zuständigen Stellen auch offenbaren und mitteilen, welche persönlichen Belange bei der Unterbringung berücksichtigt werden sollen. Dies ist in der Praxis nicht immer der Fall. Auch die aufgrund der hohen Asylzugänge angespannte Belegungssituation schränkt die Möglichkeiten, allen Interessen der Bewohnerinnen und Bewoh- nern zu entsprechen, erheblich ein. Sofern Bedrohungsszenarien bekannt werden, werden die be- troffenen Personen unverzüglich innerhalb der LAB NI auf andere Standorte oder auf die nieder- sächsischen Gemeinden verteilt. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Nach Abfrage bei den Aufnahmeeinrichtungen ist vereinzelt von Bewohnerinnen mitgeteilt worden, dass sie auf dem Gelände von Mitbewohnern dahin gehend angesprochen worden sind, ihre Be- kleidung und ihre Verhaltensweise zu verändern. Beim Sozialdienst des Standortes Bramsche sprachen vereinzelt Asylbewerber christlichen Glaubens vor und wiesen auf ihre Ängste und das Unwohlsein hin, mit muslimischen Asylbewerbern zusammen in der Einrichtung zu wohnen bzw. im gleichen Unterkunftshaus untergebracht zu sein. Konkrete Bedrohungsszenarien, unterhalb der strafrechtlichen Relevanz, lagen, soweit sie bekannt wurden, nur in zwei Fällen vor. So wurden ein syrischer Flüchtling und eine syrische Familie christlichen Glaubens, die schilderten, von Mitbe- wohnern aufgrund ihres Glaubens bedroht zu werden, unverzüglich aus der Aufnahmeeinrichtung verteilt. Zu 2: Der Landesregierung ist bewusst, dass sich im Einzelfall für christliche Konvertiten Schwierigkeiten bis hin zu Bedrohungsszenarien ergeben könnten. Sollte dies eintreten, wird seitens der LAB NI mit entsprechenden Maßnahmen reagiert. Insoweit wird auf die Beantwortung der Fragen 1 und 4 ver- wiesen. Zu 3: Basierend auf der Prophetentradition und dem Konsens der Rechtsgelehrten gehen die vier sunni- tischen Rechtsschulen (die hanafitische, die malikitische, die hanbalitische und die schafiitische), die auf der hanbalitischen Rechtsschule basierende Bewegung des Wahhabismus sowie die schii- tischen Rechtsschulen der Dschafariyya und Zaidiyya grundsätzlich davon aus, dass eine Person, die vom Islam zum Christentum konvertiert, hinzurichten sei. Jedoch gibt es Einschränkungen. Überwiegend ist es Lehrmeinung, dass der Apostat die Möglichkeit zur Reue (Istitāba) eingeräumt bekommen solle. Wenn er bereue, werde er nicht bestraft. Als Apostat gelte auch nicht derjenige, der zum Zeitpunkt seines Abfalls vom Islam noch minderjährig war oder an einer Geisteskrankheit litt. Zu der Frage, ob ein Abfall vom Islam im Zustande der Trunkenheit als ein mit dem Tode zu be- strafendes Verbrechen gilt, herrscht zwischen den Rechtsschulen kein Einvernehmen. Ergänzend ist festzustellen, dass die Umsetzung dieser Rechtstheorie im Alltag der Muslime in Deutschland faktisch keine Rolle spielt. Lediglich einige Extremisten des salafistischen Spektrums verweisen auf ihre angebliche Gültigkeit. Ebenso ist festzuhalten, dass die überwiegende Zahl is- lamischer Länder, wie beispielsweise die Türkei als säkularer Staat, die oben erwähnten Rechts- vorschriften nicht in ihre Strafgesetze übernommen haben. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2517 3 Zu 4: Sofern den Aufnahmeeinrichtungen bekannt ist, dass es sich um christliche Konvertiten handelt, werden deren Belange berücksichtigt und eine Unterbringung gemeinsam mit muslimischen Be- wohnerinnen und Bewohnern vermieden. Zu 5: Im Ausländerzentralregister werden gemäß § 3 Satz 1 Nr. 5 des Gesetzes über das Ausländerzen- tralregister nur freiwillig gemachte Angaben zur Religionszugehörigkeit gespeichert. Hierbei wird nicht nach Glaubensrichtungen oder Rechtsschulen des Islam differenziert. Entsprechendes gilt für die in der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen zum Zwecke der Aufnahme, Unterbringung, Verteilung und weiteren aufenthaltsrechtlichen Bearbeitung gespeicherten Daten. Zu 6: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Boris Pistorius (Ausgegeben am 16.12.2014) Drucksache 17/2517 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/1904 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Ansgar Focke (CDU), eingegangen am 26.08.2014 Werden christliche Asylbewerber in Niedersachsen von Extremisten bedroht? Antwort der Landesregierung