Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2563 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2260 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 22.10.2014 Geparkt, gefilmt, gespeichert - Big Brother in den Parkhäusern, auch in Niedersachsen? Nach Recherchen von NDR und Süddeutscher Zeitung werden bundesweit u. a. bei Zufahrten zu Parkhäusern, Flughäfen oder Freizeitsparks Kennzeichenerfassungssysteme eingesetzt. Eine Ka- mera erfasst und speichert alle Nummernschilder inklusive Datum und Uhrzeit. Die Datenschützer der Bundesländer monieren die Praxis der Betreiber von Kennzeichenerfas- sungssystemen. Eine Großzahl der Kunden bemerkt die Kameras nicht und weiß auch nicht, wo und wie lange die Daten gespeichert werden und wer darauf Zugriff hat. Das Vorgehen verstößt gegen das verfassungsrechtlich verankerte Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Hat die Landesregierung Kenntnis davon, ob derartige Kennzeichenerfassungssysteme auch in Niedersachsen eingesetzt werden? 2. Falls ja, wo und seit wann werden diese eingesetzt? 3. Werden derartige Kennzeichenerfassungssysteme auch auf dem Messegelände in und auf dem Flughafengelände in Hannover eingesetzt? 4. Wie bewertet die Landesregierung den Einsatz von Kennzeichenerfassungssystemen durch Private? 5. Beabsichtigt die Landesregierung, gegen diese Praxis vorzugehen, um die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger besser zu schützen? 6. Wie viele Beschwerden gingen in den letzten fünf Jahren beim Landesbeauftragten für Daten- schutz gegen Maßnahmen von derartigen durch Private betriebenen Kennzeichenerfassungs- systemen ein? (An die Staatskanzlei übersandt am 30.10.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 08.12.2014 für Inneres und Sport - 34.26-01425/N - Der Einsatz sogenannter Kennzeichenerfassungssysteme erfolgt immer häufiger in unterschiedli- chen Bereichen und zu unterschiedlichen Zwecken. Bei diesem Verfahren werden die Kfz-Kenn- zeichen beim Einfahren eines Pkw in einen bestimmten Bereich von einer Kamera erfasst und Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2563 2 gespeichert. Für die Bewertung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit sind die konkreten Gege- benheiten sowie der Zweck der jeweiligen Datenverarbeitung zu prüfen. 1 Soweit die Kleine Anfrage konkrete Maßnahmen der Kontrolle durch den Landesbeauftragten für Datenschutz (LfD) betrifft, erfolgt die Beantwortung der Kleinen Anfrage in dessen Zuständigkeit und Verantwortung. Dessen Beiträge sind in Absprache mit dem LfD in die Antwort integriert und als solche gekennzeichnet. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Ein Kennzeichenerfassungssystem wird am Parkhaus auf dem Flughafengelände des Flughafens Hannover/Langenhagen eingesetzt. Der Einsatz weiterer Systeme in Niedersachsen ist der Lan- desregierung derzeit nicht bekannt. Zu 2: Siehe Antwort zu Frage 1. Das Kennzeichenerfassungssystem am Parkhaus auf dem Flughafenge- lände des Flughafens Hannover wurde seit Anfang des Jahres 2014 betrieben. Der Betrieb wurde im Sommer 2014 eingestellt. Zu 3: Auf dem Messegelände in Hannover wird kein Kennzeichenerfassungssystem eingesetzt. Im Übri- gen siehe Antwort zu Frage 1. Zu 4: Über ein vollständiges Pkw-Kennzeichen kann der Halter des Fahrzeugs ermittelt werden, sodass es sich hier um ein personenbezogenes Datum handelt. Sofern Kennzeichenerfassungssysteme von privaten Stellen eingesetzt werden, bemisst sich die Zulässigkeit der Maßnahmen nach dem Bundesdatenschutzgesetz. Danach ist der Einsatz zulässig, sofern dies zur Wahrung berechtigter Interessen der Betreiber für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen (hier der Fahrzeughalter) überwiegen. In jedem Einzelfall muss vor dem Einsatz der Technik eine Abwägung zwischen diesen Interessen er- folgen. Die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten stellt grundsätzlich einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf Selbstbestimmung über die Preisgabe und Verwendung der persönlichen Daten dar (Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grund- gesetz). Die gewonnenen Daten können in vielfältiger Weise ausgewertet, bearbeitet und mit ande- ren Daten verknüpft und auch zur Erstellung von Bewegungsprofilen genutzt werden. Die Daten un- terliegen daher einem besonderen Schutz. Das berechtigte Interesse der Betreiber der Erfassungssysteme kann neben einem rechtlichen Inte- resse auch ein ideelles oder wirtschaftliches sein, das allerdings objektiv begründbar sein muss. Die gesetzlich geforderte Rechtsgüterabwägung kann dabei nicht abstrakt erfolgen, sondern nur unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalles. Im Übrigen müssen die beabsichtigten Maßnahmen erforderlich und verhältnismäßig sein. Zur Er- reichung des verfolgten Zweckes sind die mildesten, aber trotzdem wirkungsvollen Maßnahmen zu ergreifen. Im Falle der Marktforschung wird die Erfassung der Besucherinnen und Besucher über 1 Der Europäische Gerichtshof hatte mit dem Urteil vom 9. März 2010 in der Rechtssache C-518/07 festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die seinerzeit geltende Regelung zur Datenschutzaufsicht im nicht öffentlichen Bereich gegen die Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr verstieß, da die Unabhängigkeit der Kontrollstellen nicht hinreichend gewährleistet war. Die erforderlichen Anpassungen des Niedersächsischen Datenschutzgesetzes an das Urteil sind mit Gesetz vom 30. Juni 2011 erfolgt (Nds. GVBl. Seite 210). Der LfD ist gemäß Artikel 62 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung i. V. m. § 21 Abs. 3 NDSG gemäß dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 9. März 2010 inzwischen völlig unabhängig und unterliegt keiner staatlichen Aufsicht mehr. Die Landesregierung darf parlamentarische Anfragen nach Artikel 24 Abs. 1 NV, soweit sie den Tätigkeitsbereich des LfD betreffen, nicht mehr im Rahmen von Fachaufsichtsbefugnissen gegenüber dem Landtag beantworten. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2563 3 die Erfassung des Teilkennzeichens (Buchstaben für die Stadt/den Landkreis) ausreichen. Auch kann eine persönliche Befragung der Besucherinnen und Besucher bei Zahlung des Eintrittspreises erfolgen. Eine vollständige Kennzeichenerfassung wäre hier unverhältnismäßig und somit unzuläs- sig. Zu 5: Die Beurteilung, ob die Erfassung und Verarbeitung von Kfz-Kennzeichen zulässig ist, beurteilt sich, wie zu 4. ausgeführt, nach dem jeweiligen konkreten Einzelfall. Nach Auffassung der Landes- regierung sind die bestehenden Rechtsvorschriften ausreichend, um die Betroffenen vor unzulässi- gen Datenverarbeitungen zu schützen. Die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften über den Da- tenschutz obliegt dem LfD. Zu 6. Antwort des Landesbeauftragten für den Datenschutz: In den letzten fünf Jahren wurde nur eine Beschwerde gegen ein durch Private betriebenes Kenn- zeichenerfassungssystem eingelegt. Diese betraf das Parkhaus auf dem Flughafengelände des Flughafens Hannover. Der Einsatz des Kennzeichenerfassungssystems wurde vom LfD daraufhin überprüft. Boris Pistorius (Ausgegeben am 05.01.2015) Drucksache 17/2563 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2260 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 22.10.2014 Geparkt, gefilmt, gespeichert - Big Brother in den Parkhäusern, auch in Niedersachsen? Antwort der Landesregierung