Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2610 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/1937 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Heiner Schönecke (CDU), eingegangen am 08.09.2014 Welchen Einfluss haben die Ausweisung von Schutzgebieten und die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen auf die Preise für Acker- und Grünland? In den vergangenen 20 Jahren wurden in Niedersachsen mehr als 72 000 ha neue Naturschutzge- bietsfläche ausgewiesen. http://www.nlwkn.niedersachsen.de/naturschutz/schutzgebiete/statistischer_ueberblick/naturschutz gebiete/anteil_an_landesflaeche_seit_1981/prozentanteil-der-naturschutzgebiete-an-der- landesflaeche-niedersachsens-seit-1981-122086.html Darüber hinaus existieren weitere Schutzkategorien, die Bewirtschaftungseinschränkungen für die Landwirtschaft mit sich bringen. Zusätzlicher Flächenentzug erfolgt zudem durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen, die geleistet werden müssen, wenn durch Bauprojekte Fläche versiegelt wird. Ich frage die Landesregierung: 1. In welchem Umfang wurden in den letzten 20 Jahren (bitte Aufstellung nach Jahren) landwirt- schaftliche Nutzflächen aus der Bewirtschaftung genommen für a) die Ausweisung von Schutzgebieten, b) zur Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen? 2. In welchem Umfang wurden in den vergangenen 20 Jahren landwirtschaftliche Nutzflächen mit Bewirtschaftungsauflagen belegt? Welcher Art waren diese Auflagen? 3. Welchen Einfluss hat dieser Flächenentzug auf die Kauf- und Pachtpreise für Ackerland und Grünland? 4. Wie bewertet die Landesregierung diese Zahlen, und welche Konsequenzen zieht sie daraus? (An die Staatskanzlei übersandt am 15.09.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 03.12.2014 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 304-01425-211 - Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die erbetene, auch über die letzten 20 Jahre differenzierte Auswertung ist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und Ressourcen nicht zu erstellen, denn die erbetenen Informationen können nicht bei der für Schutzgebietsdokumentation zuständigen Stelle computergestützt generiert wer- den. Demzufolge wäre (ohne die Berücksichtigung der Zeitreihen) zunächst eine Einzelauswertung jeder einzelnen Schutzgebietsnorm erforderlich. Die Erhebung dieser Daten würde bei über Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2610 2 2 000 bestehenden Schutzgebietsverordnungen (hier nur Naturschutzgebiete, Landschaftsschutz- gebiete) einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellen. Grundsätzlich ist zu der aufgeworfenen Frage aber Folgendes auszuführen: Durch die Ausweisung von Naturschutz- und auch Landschaftsschutzgebieten werden i. d. R. keine landwirtschaftlichen Flächen vollständig aus der Nutzung genommen. Vielmehr enthalten z. B. die Naturschutzgebiets- verordnungen vielfach eine Reglung zur Freistellung der landwirtschaftlichen Bodennutzung. In Schutzgebieten gelegene Flächen der öffentlichen Hand werden i. d. R. mit Nutzungsauflagen (z. B. einer extensiven Bewirtschaftung) verpachtet. Im Gesetz über das Biosphärenreservat „Nie- dersächsische Elbtalaue“ (NElbtBRG) ist in § 7 Abs. 2 bestimmt, dass im Gebietsteil C des Bio- sphärenreservats mindestens 3 % der Fläche des Biosphärenreservats als Naturdynamikbereiche zu bestimmen sind. Für die hierfür erforderlichen ca. 1 700 ha kommen gemäß § 7 Abs. 2 NElbtBRG nur landeseigene Flächen in Betracht. Zur Realisierung dieser Naturdynamikbereiche stehen nach einem Konzept der Biosphärenreservatsverwaltung aus dem Jahr 2012 derzeit insge- samt 1 435 ha grundsätzlich geeigneter Flächen zur Diskussion, von denen 811 ha Eigentum der Anstalt Niedersächsische Landesforsten sind. Die vorgesehenen Flächen der Landesnaturschutz- verwaltung befinden sich weit überwiegend im Überschwemmungsgebiet der Elbe. Aktuell ist aus Gründen des Hochwasserschutzes noch nicht absehbar, ob und gegebenenfalls wo eine Auswei- sung als Naturdynamikbereich im Elbvorland tatsächlich möglich ist. Auf Teilflächen vorhandene Pachtverträge mit Landwirten werden daher bis auf Weiteres fortgeführt. Im Bereich des National- parks „Niedersächsisches Wattenmeer“ befindet sich der überwiegende Teil der landwirtschaftli- chen Flächen im Landeseigentum. Aufgrund des Nationalparkgesetzes „Niedersächsisches Wat- tenmeer“ (NWattNPG) hat es keine angeordneten Nutzungsaufgaben auf landwirtschaftlichen Nutzflächen gegeben. Im Nationalpark „Harz (Niedersachsen)“ ist aufgrund der Nationalparkausweisung keine angeordnete Flächenstilllegung landwirtschaftlicher Nutzflächen (im Nationalpark nur Berg- wiesen) erfolgt. Unabhängig hiervon ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Anlage 5 Nr. 9 zum Ge- setz über den Nationalpark „Harz (Niedersachsen)“ (NPGHarzNI) vom 19. Dezember 2005 die der guten fachlichen Praxis entsprechende Bewirtschaftung von Grünlandflächen in der Nutzungszone freigestellt ist, sofern die Flächen 1994 bereits Wiesen waren. Es liegen nach hiesiger Kenntnis keine umfassenden und belastbaren Untersuchungen darüber vor, inwieweit die Ausweisung a) eines Naturschutzgebietes den Preis einer darin gelegenen land- wirtschaftliche Nutzfläche im welchem Umfang tatsächlich monetär beeinflusst und b) inwieweit die Ausweisung von Naturschutzgebieten in Niedersachsen die Preisbildung für landwirtschaftlicher Nutzflächen außerhalb der Schutzgebiete in Niedersachsen insgesamt berührt. Es ist jedoch anzu- nehmen, dass die Bodenpreise primär durch andere Faktoren gesteuert werden, zumal z. B. durch Naturschutzgebiete in Niedersachsen 3,81 % der Landesfläche (einschließlich der Zwölf-Seemei- lenzone) eingenommen werden (Stand: 31. Dezember 2013; http://www.nlwkn.niedersachsen.de/ naturschutz/schutzgebiete/statistischer_ueberblick/statistischer-ueberblick-ueber-schutzgebiete- und--objekte-in-niedersachsen-122067.html ). Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass naturschutzrechtliche Regelungen zur Nutzung von Grundstücken grundsätzlich als Ausdruck der Situationsgebundenheit des Grundeigentums hinzu- nehmen sind. Diese Regelungen stellen Bestimmungen von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Artikel 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die vom Eigentümer im Rahmen der in Artikel 14 Abs. 2 GG verankerten Sozialbindung des Eigentums entschädigungslos hinzunehmen sind. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen ist besonderer Ausdruck der Sozialbindung des Eigen- tums. Durch Nutzungsverbote und Nutzungsbeschränkungen aus Gründen des Naturschutzes werden grundsätzlich keine eigentumsrechtlich geschützten Rechtspositionen entzogen, sondern lediglich die Art und Weise der Nutzung des Eigentums näher geregelt. Welche Beschränkungen dem Eigentümer entschädigungslos auferlegt werden können, ist situationsabhängig (s. auch Ge- meinschaftskommentar Bundesnaturschutzgesetz (GK-BNatSchG), Köln 2012, Steinhoff § 68 Rdnr. 6). In welchem Umfang in den letzten 20 Jahren landwirtschaftliche Nutzflächen in Niedersachsen zur Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aus der Bewirtschaftung genommen wur- den, ist nicht bekannt, weil es darüber keine Aufzeichnungen gibt. Es ist allerdings davon auszuge- hen, dass der Umfang der für die Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aus der Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2610 3 Bewirtschaftung genommenen Flächen eher gering sein dürfte. Hierfür sprechen folgende Erwä- gungen bzw. Feststellungen: a) Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung verpflichtet seit 1976 unter bestimmten Vorausset- zungen zu Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Die seitdem mit solchen Maßnahmen belegte Fläche schätzen Fachleute des Naturschutzes und der Landschaftspflege auf deutlich weniger als 1 % der Fläche des Bundesgebietes. Darin sind auch solche Flächen eingeschlossen, die dazu nicht eigens aus der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung genommen wurden. b) Einen Anteil von Flächen mit Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen von zumeist deutlich weniger als 1 % an der Landfläche bestätigt für den Freistaat Bayern die Antwort des Staatsministeri- ums für Umwelt und Gesundheit vom 14. Dezember 2011 (Bayerischer Landtag 16. Wahlperio- de Drs. 16/10836). Für Bayern liegen exakte Zahlen vor, weil Bayern anders als Niedersachsen ein landesweites Kompensationsflächenkataster eingerichtet hat, welches entsprechende Aus- wertungen erlaubt. c) Die Antwort der rheinland-pfälzischen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage aus dem Jahr 2013 dürfte nicht nur die Lage in Rheinland-Pfalz zutreffend zusammenfassen: „Ein Verbrauch landwirtschaftlicher Nutzfläche erfolgt durch Siedlungs- und Infrastrukturprojekte, ein Verbrauch von Fläche für Kompensationsmaßnahmen ist demgegenüber nicht bekannt und auch statis- tisch nicht belegt“ (Landtag Rheinland-Pfalz 16. Wahlperiode Drs. 16/3165). d) Für eine eher geringe Flächeninanspruchnahme für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen spricht auch der Umstand, dass die Landesbehörden für Statistik diese Flächen nicht erfassen. e) Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind nicht in jedem Fall mit einer Aufgabe der landwirt- schaftlichen Nutzung der betreffenden Grundflächen verbunden. In bestimmten Fällen setzen die Maßnahmen eine Fortsetzung der landwirtschaftlichen Nutzung, allerdings unter stärkerer Integration von Zielen des Naturschutzes und der Landespflege, voraus (sogenannte produkti- onsintegrierte Kompensationsmaßnahmen). Diese Flächen mit Ausgleichs- und Ersatzmaß- nahmen werden also gerade nicht der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen. Zu 2: Die erbetene Auswertung ist mit den zur Verfügung stehenden Mitteln und Ressourcen nicht zu er- stellen, denn die erbetenen Informationen können nicht bei der für Schutzgebietsdokumentation zuständigen Stelle computergestützt generiert werden. Es wäre zunächst eine Einzelauswertung jeder einzelnen Schutzgebietsnorm (auch unter Berücksichtigung gegebenenfalls erfolgter Ände- rung der Norm in den letzten 20 Jahren) erforderlich. Die Erhebung dieser Daten würde eine länge- re Zeit in Anspruch nehmen. Mit Blick auf beispielhafte Auflagen im Bereich des Grünlandes wird auf die Formulierungen der Erschwernisausgleichsverordnung-Grünland - EA-VO-Grünland vom 21. Februar 2014 (Nds. GVBl. 2014, Seite 61) verwiesen. Hier genannt sind: – Keine maschinelle Bodenbearbeitung vom 1. März bis 15. Juni, – Keine maschinelle Bodenbearbeitung vom 1. März bis 30. Juni, – Keine chemischen Pflanzenschutzmittel, – Keine Grünlanderneuerung, – Keine Umwandlung von Grünland in Ackerland, – Keine Einebnung oder keine Planierung, – Keine Düngung, – Maximal zwei Weidetiere/ha vom 1. Januar bis 30. Juni, – Maximal zwei Weidetiere/ha vom 1. Januar bis 21. Juni, – Keine Mahd vom 1. Januar bis 30. Juni, – Mahd maximal zwei Mal je Jahr, – Düngung max. 80 kg N je ha/Jahr, – Keine Mahd vom 1. Januar bis 15. Juni, – Keine Portions- und Umtriebsweide, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2610 4 – Keine organische Düngung, – Mahd: – einseitig, – von innen nach außen oder – 2,5 m Randstreifen ohne Mahd vom 1. Januar bis 31. Juli an einer Längsseite Zu 3: Die Preise für Acker- und Grünland sind in Niedersachsen in den vergangenen Jahren landesweit zum Teil deutlich gestiegen. Dabei zeigen sich regional sehr unterschiedliche Entwicklungen. In demografisch wachsenden Gebieten ist seit rund drei Jahren eine verstärkte Bautätigkeit im Eigen- heimbau festzustellen. Durch Verkäufe von Flächen für künftige Baugebiete wird i. d. R. ein Preis deutlich oberhalb des Preisniveaus landwirtschaftlicher Flächen erzielt, sodass die Veräußerer (i. d. R. Landwirte) infolgedessen diese höhere Kaufpreissumme für Reinvestitionen nutzen. Wei- terhin werden verstärkt Flächen zur Energieerzeugung insbesondere für Biogasanlagen in An- spruch genommen, was somit zu einer weiteren Verknappung landwirtschaftlicher Flächen führt. Durch diese Nutzungsmöglichkeiten haben die landwirtschaftlichen Betriebe eine bessere wirt- schaftliche Grundlage (Diversifikation) erhalten. Ein deutschlandweiter Vergleich der Preisentwick- lungen landwirtschaftlicher Flächen zeigt, dass die Preissteigerungen insbesondere in den nord- deutschen Ländern zu verzeichnen sind. Die Ausweisung von Schutzgebieten kann für die Preis- entwicklung allenfalls regional bedeutsam sein, ist insgesamt aber untergeordnet. Zu 4: Die Ziele einer Ausweisung von Schutzgebieten oder der Durchführung von Ausgleichsmaßnah- men leiten sich in der Regel aus dem Bundesnaturschutzgesetz ab. Wie die Beantwortung der Fra- gen 1 bis 3 zeigt, ist bei der Umsetzung dieser Ziele in Niedersachsen auf die Belange landwirt- schaftlicher Nutzflächen Rücksicht genommen worden. Vieles spricht dafür, dass der Umfang der für die Durchführung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen aus der Bewirtschaftung angenom- menen landwirtschaftlichen Produktionsflächen eher gering sein dürfte. Der seit einigen Jahren zu beobachtende Anstieg der Preise für Acker- und Grünland hat vielfältige wirtschaftliche Gründe und hängt allenfalls regional mit der Ausweisung von Schutzgebieten zusammen. Die Landesregierung wird auch in Zukunft die Erfordernisse des Natur- und Umweltschutzes sowie die Interessen der Landwirtschaft bei der Ausweisung von Schutzgebieten und der Durchführung von Ausgleichsmaß- nahmen angemessen berücksichtigen. Christian Meyer (Ausgegeben am 06.01.2015) Drucksache 17/2610 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/1937 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Heiner Schönecke (CDU), eingegangen am 08.09.2014 Welchen Einfluss haben die Ausweisung von Schutzgebieten und die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen auf die Preise für Acker- und Grünland? Antwort der Landesregierung