Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2623 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2343 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Uwe Schwarz, Holger Ansmann, Marco Brunotte, Imma- colata Glosemeyer, Dr. Christos Pantazis, Andrea Schröder-Ehlers und Dr. Thela Wernstedt (SPD), eingegangen am 12.11.2014 Wie sicher ist die Arzneimittelversorgung in Niedersachsen? Die Rückrufe von illegalen Medikamenten sollen nach Schätzungen weltweit bereits ein Ausmaß von über 25 % erreicht haben. Nach einem Bericht des ARD-Magazins „Plusminus“ vom 24.09.2014 sind in Deutschland insbesondere Impfstoffe, Blutdrucksenker, Schmerz- und Krebsmit- tel betroffen. Die Apothekerkammer Niedersachsen sorgt sich in diesem Zusammenhang bereits in- tensiv um die Medikamentensicherheit und fordert die Abschaffung der Bevorzugung von Reimpor- ten. So sieht das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch eine bevorzugte Abgabe von preisgünstigen Im- portarzneimitteln vor, die die Apotheken dazu verpflichtet, einen festgelegten Anteil preisgünstige- rer EU-Medikamente zu importieren. Auch hierzulande gibt es Fälle, in denen gefälschte oder ver- unreinigte Medikamente in Apotheken auftauchten. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Liegen den Gesundheitsbehörden Kenntnisse über Rückrufe von illegalen, gefälschten oder verunreinigten Medikamenten in niedersächsischen Krankenhäusern und Apotheken vor? Wenn ja, wie haben sich die Zahlen innerhalb der letzten fünf Jahre in Niedersachsen entwi- ckelt? 2. Welche Qualitätskontroll- und Überwachungsmaßnahmen können die zuständigen Behörden bei sich häufenden Verdachtsfällen treffen, um den Handel mit gefälschten, verunreinigten oder illegalen Medikamenten zu unterbinden? 3. Welche Vorsichtsmaßnahmen können Kliniken und Apotheken treffen, um dem Handel mit il- legalen, gefälschten oder verunreinigten Medikamenten zu entgehen? 4. Wie beurteilt die Landesregierung das Problem? 5. Sind der Landesregierung Bemühungen der Bundesebene bekannt, die Medikamentensicher- heit zu erhöhen? (An die Staatskanzlei übersandt am 18.11.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 15.12.2014 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 402.3 - Das Arzneimittelgesetz dient dem Zweck, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversor- gung von Mensch und Tier für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel nach Maßgabe der darin enthaltenden Vorschriften, zu sorgen. Die für die Durchführung dieses Gesetzes zuständigen Behörden und Stel- len des Bundes und der Länder haben sich bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften des Arzneimittelrechts unverzüglich zu unterrichten und gegenseitig zu unterstützen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2623 2 Im Jahr 2013 wurden vermehrt Arzneimittel (bevorzugt hochpreisige Arzneimittel) in Italien aus Krankenhäusern und während des Transports gestohlen. Diese Arzneimittel wurden über illegale Großhändler mit Sitz in anderen EU-Mitgliedstaaten in die legale Lieferkette eingebracht. Die illega- len Arzneimittel wurden sowohl direkt an Parallelimporteure/-vertreiber in Deutschland als auch über legale Großhändler in Italien und anderen EU-Ländern nach Deutschland verbracht. Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes gilt ein Arzneimittel bereits als gefälscht, wenn in den Lieferdokumenten falsche Angaben über seine Identität, Herkunft und den Vertriebsweg gemacht werden. Insbesondere diese Art der Arzneimittelfälschung - illegale Vertriebswege - ist in letzter Zeit verstärkt aufgetreten. Die Arzneimittelqualität ist dadurch nicht mehr sichergestellt. Bei dem Parallelimport von Arzneimitteln handelt es sich um die „Einfuhr“ von Arzneimitteln aus anderen EU-Mitgliedstaaten, die identisch sind zu den Originalarzneimitteln und parallel zum Origi- nalpräparat in Deutschland in den Verkehr gebracht werden. Sie benötigen ebenfalls eine Zulas- sung. Beim Parallelvertrieb handelt es sich um zentral in allen EU-Mitgliedstaaten zugelassene Arzneimit- tel, die - entsprechend dem Parallelimport - aus anderen EU-Mitgliedstaaten nach Deutschland „eingeführt“ werden. Da diese bereits auch für Deutschland zugelassen sind, spricht man hier von Parallelvertrieb. In der Regel handelt es sich gerade beim Parallelvertrieb um hochpreisige Arznei- mittel mit neuen Wirkstoffen oder gentechnologisch hergestellten Wirkstoffen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Arzneimittelrückrufe werden vom pharmazeutischen Unternehmer (hier Parallelvertreiber) in Ab- stimmung mit der jeweils zuständigen Landesbehörde veranlasst und erfolgen bundes- und gege- benenfalls EU-weit. Der Rückruf wird von der zuständigen Behörde überwacht. Bei Arzneimittel- rückrufen wird nicht danach unterschieden, ob es sich um eine Arzneimittelfälschung handelt oder einen anderen Qualitätsmangel, sondern nach dem Gefahrenpotenzial (Risikoklassen). Daher lie- gen den Gesundheitsbehörden keine differenzierten Zahlen zu Arzneimittelrückrufen von gefälsch- ten Arzneimitteln und der Betroffenheit der einzelnen Bundesländer vor. In Bezug auf die Betroffenheit Niedersachsens kann keine Angabe gemacht werden, weil nach der- zeitigem Kenntnisstand kein Parallelvertreiber mit Sitz in Niedersachsen von den Fälschungen be- troffen war. Daher wurde aus Niedersachsen kein Rückruf veranlasst. Es kann jedoch davon aus- gegangen werden, dass mit den veranlassten Rückrufen auch Arzneimittel aus niedersächsischen Apotheken und Krankenhäusern zurückgerufen wurden. Im Jahresbericht zur Arzneimittelüberwachung der Länder wird von der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) die Gesamtzahl der bundeswei- ten Arzneimittelrückrufe veröffentlicht 1 . Danach gab es 2010 insgesamt 76 Arzneimittelrückrufe, 2011: 73, 2012: 141 und 2013: 141. Die Zahlen für 2014 liegen noch nicht vor. Zu 2: Betriebe und Einrichtungen, die Großhandel mit Arzneimitteln betreiben, benötigen eine Großhan- delserlaubnis. Weiterhin dürfen Lieferungen von Arzneimitteln nur an Betriebe und Einrichtungen erfolgen, die ebenfalls über eine Großhandelserlaubnis oder Herstellungserlaubnis verfügen oder die zur Abgabe an den Endverbraucher befugt sind (Apothekenbetriebserlaubnis). Betriebe und Einrichtungen, in denen Arzneimittel u. a. in den Verkehr gebracht werden oder in de- nen sonst mit ihnen Handel getrieben wird, unterliegen nach Arzneimittelgesetz der Überwachung durch die zuständige Behörde. Diese hat in regelmäßigen Abständen die Betriebe zu besichtigen. Die zuständigen Behörden können unangekündigte Inspektionen durchführen, Arzneimittelproben entnehmen und untersuchen und bei Verstößen die Großhandelserlaubnis entziehen. Bei Verdacht auf Straftatbestände muss die zuständige Polizeidienststelle einbezogen werden und eine Abgabe an die Staatsanwaltschaft erfolgen. 1 Online unter: https://www.zlg.de/arzneimittel/deutschland/jahresberichte-statusbericht.html. Der Jahresbericht 2013 wurde bislang noch nicht veröffentlicht. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2623 3 In Niedersachsen stehen dazu die zuständigen Arzneimittelüberwachungsbehörden mit dem Lan- deskriminalamt in engem Kontakt. Zu 3: Kriminelles Handeln kann durch gesetzliche Regelungen nicht grundsätzlich verhindert werden. Daher können hier nur eine Vielzahl von Maßnahmen, wie u. a. gesetzliche Vorgaben, Überwa- chungsmaßnahmen durch die zuständigen Behörden und Qualitätssicherungsmaßnahmen auf je- der Stufe der Arzneimittelherstellung und des Arzneimittelhandels dazu beitragen, die Arzneimittel- sicherheit zu gewährleisten: – Seit August 2004 ist der Großhandel mit Arzneimitteln nur noch mit einer Erlaubnis nach § 52 a Arzneimittelgesetz (AMG) zulässig. Lieferungen von Arzneimitteln dürfen nach der Arzneimittel- handelsverordnung nur an Betriebe und Einrichtungen erfolgen, die über eine entsprechende Erlaubnis oder eine Herstellungserlaubnis verfügen oder die zur Abgabe an den Endverbrau- cher (Apotheken) befugt sind. – Apotheken, krankenhausversorgende Apotheken und Krankenhausapotheken müssen sich da- von überzeugen, dass der Lieferant der Arzneimittel im Besitz einer gültigen Großhandelser- laubnis oder Herstellungserlaubnis ist. Bei einem Verdacht auf gefälschte Erlaubnisse kann eine Abfrage bei der für den Sitz des Großhändlers zuständigen Behörde erfolgen. Demnächst werden alle Großhändler EU weit in einer Datenbank (Eudra-GMDP-Datenbank) erfasst, die zum Teil auch öffentlich zugänglich sein wird. – Der Gesetzgeber prüft zurzeit die Änderung der gesetzlichen Vorgaben in Bezug auf die Forde- rung des lückenlosen Nachweises der gesamten Lieferkette vom Originalhersteller bis zur Apo- theke. Bisher musste „nur“ der jeweilige Vorlieferant dokumentiert werden. – Nach Apothekenbetriebsordnung ist die stichprobenweise Prüfung von Fertigarzneimitteln vor- geschrieben. Diese Prüfung kann in Eigenverantwortung der Apothekerin oder des Apothekers bei Verdacht gegebenenfalls auch als Eingangsprüfung bei Parallelimportarzneimittel als Quali- tätssicherungsmaßnahme ausgeweitet und verstärkt werden. Zu 4: Die Zunahme von Arzneimittelfälschungen ist insgesamt zu beobachten, insbesondere, weil auch die organisierte Kriminalität in diesem Bereich eine lukrative Einnahmequelle gefunden hat. Daher ist es besonders von Bedeutung, dass die zuständigen Arzneimittelüberwachungsbehörden und die Strafvollzugsbehörden eng miteinander zusammen arbeiten. Das ist in Niedersachsen durch gemeinsame Besprechungen und Veranstaltungen sichergestellt. Zu 5: Wie in der Unterrichtung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) (Anlage) dargestellt, wur- den auf Bundesebene bereits verschiedene Maßnahmen angestoßen: – Die betroffenen Behörden von Bund und Ländern (BMG, die zuständigen Bundesoberbehörden, das Bundeskriminalamt, das Zollkriminalamt und Vertreter der zuständigen Landesbehörden) haben die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu Arzneimittelfälschungen beschlos- sen, die bereits einmal getagt hat. – Das BMG hat sich mit Schreiben an die Europäische Kommission gewandt, um den Rechts- rahmen für den Parallelhandel in Europa zu überprüfen und diesen insgesamt sicherer zu ge- stalten. – Im Rahmen der o. g. Arbeitsgruppe soll auch die Überprüfung und gegebenenfalls Ergänzung der nationalen rechtlichen Vorgaben erfolgen. Auf der Grundlage der EU-Fälschungsrichtlinie 2011/62/EU erarbeitet zurzeit die EU-Kommission im Rahmen einer Delegierten Rechtsakte Details zur Ausgestaltung von Sicherheitsmerkmalen für Arzneimittel. Ab 2018 müssen verschreibungspflichtige Arzneimittel und auch einige nicht ver- schreibungspflichtige Arzneimittel die geforderten Sicherheitsmerkmale tragen. Es ist vorgesehen, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2623 4 die Arzneimittelsicherheit zu erhöhen, indem jede Packung mit einem individuellen Code (Serialisie- rung) gekennzeichnet und der Packungsinhalt vor Manipulation mit einem Sicherungsverschluss geschützt wird. Mit diesen Maßnahmen soll zukünftig das Eindringen von Fälschungen in die legale Lieferkette verhindert werden. Cornelia Rundt Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2623 5 Anlage Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2623 6 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2623 7 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2623 8 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2623 9 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2623 10 (Ausgegeben am 06.01.2015) Drucksache 17/2623 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2343 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Uwe Schwarz, Holger Ansmann, Marco Brunotte, Immacolata Glosemeyer, Dr. Christos Wie sicher ist die Arzneimittelversorgung in Niedersachsen? Antwort der Landesregierung Anlage