Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2644 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2316 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 04.11.2014 „Die Ministerin hat einen starken Willen zur Gestaltung, einen langen Atem und preußisches Stehvermögen.“ - Verlorengegangener Gestaltungswille einer Justizministerin? In der Koalitionsvereinbarung (KV) der rot-grünen Niedersächsischen Landesregierung wurden Re- formvorschläge im Justizbereich auf drei Seiten formuliert. Ich frage die Landesregierung: 1. Nach der KV sollen die Sicherheitsbedürfnisse der Bediensteten in der Justiz und der Rechts- suchenden ernst genommen werden. Was hat die Landesregierung bislang konkret in diesem Bereich unternommen? 2. Nach der KV sollen das Niedersächsische Richtergesetz reformiert und Richterwahlaus- schüsse eingerichtet werden. Was hat die Landesregierung bislang konkret in diesem Bereich unternommen? 3. Nach der KV sollen die Schwächen der Juristenausbildung analysiert und beseitigt werden. Was hat die Landesregierung bislang konkret in diesem Bereich unternommen? 4. Nach der KV soll das Widerspruchsverfahren ausgedehnt werden. Was hat die Landesregie- rung bislang konkret in diesem Bereich unternommen? 5. Nach der KV soll ein Resozialisierungsgesetz für den Justizvollzug eingebracht werden. Was hat die Landesregierung bislang konkret in diesem Bereich unternommen? 6. Nach der KV soll das Justizvollzugsgesetz reformiert werden, ein eigenes Jugendstrafvoll- zugs- und ein Jugendarrestvollzugsgesetz eingebraucht werden und der Untersuchungshaft- vollzug soll in einem eigenständigen Untersuchungshaftvollzugsgesetz geregelt werden. Was hat die Landesregierung bislang konkret in diesem Bereich unternommen? 7. Nach der KV sollen die sozialen Dienste der Justiz weiterentwickelt werden. Was hat die Lan- desregierung bislang konkret in diesem Bereich unternommen? 8. Nach der KV soll der Bekämpfung von Wirtschafts- und Steuerkriminalität ein stärkeres Ge- wicht gegeben werden. Was hat die Landesregierung bislang konkret in diesem Bereich un- ternommen? 9. Nach der KV beabsichtige die Landesregierung, sich auf der Bundesratsebene für eine Re- form des Strafgesetzesbuches und des Jugendgerichtsgesetzes einzusetzen. Was hat die Landesregierung bislang konkret in diesem Bereich unternommen? 10. Nach der KV beabsichtige die Landesregierung, sich für eine bundeseinheitliche Eigenbe- darfsgrenze für den Besitz geringer Mengen von Cannabis einzusetzen. Was hat die Landes- regierung bislang konkret in diesem Bereich unternommen? (An die Staatskanzlei übersandt am 13.11.2014) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2644 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Justizministerium Hannover, den 17.12.2014 - LMB 1240/1.27 - Der Fragesteller nimmt Bezug auf den Koalitionsvertrag zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Landesverband Niedersachsen, und Bündnis 90/Die Grünen, Landesverband Niedersachsen, für die 17. Wahlperiode des Niedersächsischen Landtages und greift einzelne der dort genannten justizpolitischen Themen auf. Folglich beschränkt sich die Antwort auf die nachge- fragten justizpolitischen Themen und lässt weitere Bereiche, in denen der Gestaltungswille der Jus- tizministerin zum Ausdruck kommt, außer Betracht. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Landesregierung nimmt die Sicherheitsbedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie der Rechtsuchenden sehr ernst. Bei weiterhin offenen und für jedermann zugänglichen Gerichten trägt das Justizministerium diesem Sicherheitsbedürfnis mit der Weiterentwicklung des bisherigen Sicherheitskonzepts zum „SICHERHEITSKONZEPT 2014“ Rechnung. Das neue Konzept geht davon aus, dass die Sicherheit in den Justizgebäuden ein zentrales Anlie- gen aller Justizangehörigen und Rechtssuchenden ist. Es widmet sich daher ganzheitlich den Si- cherheitsbedürfnissen der Gerichte und Staatsanwaltschaften in Niedersachsen und legt einen be- sonderen Schwerpunkt auf den „Faktor Mensch“. Das „SICHERHEITSKONZEPT 2014“ umfasst dazu folgende Handlungsschwerpunkte: 1. Das Aus- und Fortbildungskonzept für den Justizwachtmeisterdienst wird durch die Koordinie- rungsstelle bei dem Oberlandesgericht Oldenburg, die die landesweite Einheitlichkeit der praktischen Ausbildung sowie der Weiter- und Fortbildung im Justizwachtmeisterdienst si- cherstellt, evaluiert. Derzeit bereitet die Organisationsabteilung des Oberlandesgerichts Oldenburg den Start der Befragung vor, der für Januar 2015 geplant ist. Die Ergebnisse der Evaluation sollen u. a. Aufschluss darüber geben, ob die Aus- und Fortbildung im Justiz- wachtmeisterdienst einer Veränderung bedarf. Sicherheitsaspekte werden dabei besonders in den Blick genommen. 2. Künftig sollen bei größeren Gerichten und Staatsanwaltschaften Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in Sicherheitsfragen gewonnen werden und durch die jeweiligen Fachbe- reichsleiter Sicherheit der örtlichen Justizvollzugsanstalt geschult werden. Diese Ansprech- partnerinnen und Ansprechpartner sollen nicht aus dem Kreis der Wachtmeisterinnen und Wachtmeister stammen, sondern aus den anderen Diensten, weil sie für alle Justizangehöri- gen als Beraterinnen und Berater in Sicherheitsfragen zur Verfügung stehen und als Schar- nier zwischen der Wachtmeisterei und den anderen Diensten fungieren sollen. In Betracht kommen dafür deshalb neben den Geschäftsleiterinnen und Geschäftsleitern andere Verwal- tungsbeamtinnen und -beamte, aber auch Richterinnen und Richter. 3. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Einlasskontrollen durchführen, soll künftig ein Er- fahrungsaustausch im Rahmen einer eintägigen Fortbildung ermöglicht werden. In den Mona- ten Oktober/November 2014 hat bereits jedes Oberlandesgericht behördenübergreifend je ei- ne Veranstaltung ausgerichtet. Hierfür konnte ein Referent des Landeskriminalamtes gewon- nen werden. Eine Fortsetzung im Jahr 2015 ist geplant. 4. In den Gerichtsstandorten selbst werden eintägige, regionale Fortbildungsveranstaltungen angeboten mit dem Ziel, die Sensibilität aller Bediensteten für kritische Situationen sowie die Handlungskompetenzen in Gefährdungssituationen zu verbessern. Die Teilnehmerinnen und Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2644 3 Teilnehmer sollen in die Lage versetzt werden, kritische und gefährliche Situationen im Ge- richtsalltag zu erkennen bzw. zu vermeiden. Dazu werden Kenntnisse zur zweckmäßigen Verhaltensweise in gefährlichen Situationen vermittelt sowie das Verhalten im realitätsnahen Situativtraining geübt. 2014 wurden bzw. werden 15 Veranstaltungen durchgeführt. Für 2015 sind weitere 15 Veranstaltungen geplant. 5. Für Richterinnen und Richter werden zukünftig spezielle Sicherheitsschulungen angeboten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltungen „Deeskalation im Strafverfahren“ sollen auf Gefahrensituationen aufmerksam gemacht werden, die sich in der Vorbereitung auf die Verhandlung erkennen lassen. Geeignete Maßnahmen, um Gefahren im Vorfeld entge- genzuwirken, werden erörtert. Darüber hinaus werden die Richterinnen und Richter für Signa- le sensibilisiert, die im Verlauf einer Verhandlung auf eine Eskalation hinweisen. Geeignete sprachliche und nichtsprachliche Kommunikationsmittel werden anschaulich erläutert. Gleich- zeitig werden juristische Mittel der Verfahrenslenkung aufgezeigt. In kleinen Übungssequen- zen werden die theoretischen Inhalte vertieft und angewandt. Die erste Veranstaltung wird im März 2015 in Oldenburg stattfinden. Nach einer Evaluation der Veranstaltung sollen weitere Seminare angeboten werden. 6. Eine wesentliche Änderung des SICHERHEITSKONZEPTS 2014 gegenüber dem bisherigen Zeit- und Stufenplan besteht hinsichtlich der Einlasskontrollen darin, dass die Priorität künftig bei der konsequenten Anordnung anlassbezogener Einlasskontrollen liegen soll, die durch flexible, nach Weisung der jeweiligen Behördenleitung durchgeführte anlassunabhängige Ein- lasskontrollen ergänzt werden. Immer und überall dort, wo es einen - aus dem Aktenstudium, aus der Sitzungsvorbereitung, aus anderen Hinweisen oder aus beobachtetem Verhalten Beteiligter resultierenden - Anlass gibt, eine Einlasskontrolle anzuordnen, darf nicht nur, sondern muss eine solche angeordnet werden. Mit anderen Worten: Eine anlassbezogene Einlasskontrolle darf niemals und nir- gends unterbleiben, obwohl sie notwendig wäre. Das setzt voraus, dass sich die Vorsitzenden vor Ort selbstverständlich darauf verlassen können müssen, dass eine entsprechende Anord- nung auch umgesetzt werden kann. Die mit den bisherigen anlassunabhängigen Einlasskontrollen verfolgten Zwecke der Präven- tion und Abschreckung sind damit aber nicht obsolet, sondern stellen eine sinnvolle Ergän- zung zu den anlassbezogenen Kontrollen dar. Sie sollen allerdings nicht mehr - wie bislang - nach landesweit vorgeschriebenen Intervallen durchgeführt werden. Kontrolldichte und -intensität sollen vielmehr flexibel nach Weisung der Behördenleitung vor Ort geregelt werden, weil diese verlässlicher einschätzen kann, mit welchen konkreten Maßnahmen eine bestmög- liche Erreichung der mit den Kontrollen verfolgten Ziele möglich ist. Die im Rahmen der Evaluation des bisherigen Zeit- und Stufenplans mitgeteilte, mit dem vor- handenen Personal innerhalb eines Jahres erreichte Summe an anlassbezogenen und an- lassunabhängigen Einlasskontrollen insgesamt soll auf der Ebene der Mittelbehörden nicht mehr unterschritten und bis Ende 2015 durch ein Zusammenwirken der im Haushaltsplanent- wurf 2015 vorgesehenen Personalverstärkung im Wachtmeisterdienst um insgesamt 20 VZE einerseits, der Flexibilisierung der anlassunabhängigen Einlasskontrollen andererseits suk- zessiv um 10 % gesteigert werden. 7. Weiter wichtiger Handlungsschwerpunkt des Sicherheitskonzepts ist die Beschaffung techni- scher Sicherheitseinrichtungen sowie die Gewährleistung von Baumaßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit. Für die Beschaffung von Metalldetektorrahmen, Gepäckdurchleuchtungsanla- gen, Videoüberwachungs- und Notrufsystemen werden Gerichten und Staatsanwaltschaften jährlich 750 000 Euro zur Verfügung gestellt. Des Weiteren werden 2015 voraussichtlich 2 700 000 Euro für Baumaßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit in Gerichten und Staatsanwaltschaften bereitgestellt werden (2 035 000 Euro aus dem KNUE-Kontingent sowie 675 000 Euro aus dem Sondervermögen zur Nachholung von Investitionen durch energetische Sanierung und Infrastruktursanierung von Landesver- mögen). Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2644 4 8. Sicherheit für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Justiz ist auch im Justizvollzug ein beson- deres Anliegen der Landesregierung. Zur Abwehr von Gefahren für die körperliche und seeli- sche Unversehrtheit ist im geschlossenen Vollzug für Bedienstete eine funktionsfähige Si- cherheitstechnik unverzichtbar. In einigen Justizvollzugsanstalten sind die eingesetzten Per- sonalnotrufanlagen veraltet und in zwei Abteilungen bisher überhaupt noch nicht vorhanden. Für die nachhaltige Finanzierung der vorhandenen Sicherheitstechnik wurde 2009 ein Son- dertitel (711 01) mit einem Ansatz von zunächst 0,5 Millionen Euro eingerichtet. Im Haus- haltsplan 2013 wurde der Ansatz auf 1 Million Euro erhöht. Die Landesregierung hat auf den Umstand reagiert, dass dieser Ansatz nicht auskömmlich ist. Sie hat im Mipla-Zeitraum 2014 bis einschließlich 2017 den Ansatz daher auf jährlich 2,5 Millionen Euro erhöht. Bis ein- schließlich 2017 stehen damit für notwendige investive Maßnahmen in die Sicherheitstechnik 6 Millionen Euro zur Verfügung. Dadurch wird es gelingen, die veralteten und abgängigen Personennotrufanlagen u. a. in der Jugendanstalt Hameln, den Justizvollzugsanstalten Uel- zen, Vechta und Wolfenbüttel und perspektivisch Meppen durch neue Systeme zu ersetzen. Die Abteilung Hildesheim JVA für Frauen Vechta wird erstmals mit einer Personennotrufanla- ge ausgestattet werden können. Zu 2: Nach der Koalitionsvereinbarung der Landesregierung wird die Eigenverantwortlichkeit einer unab- hängigen Justiz durch die sukzessive Ausweitung eigener personal- und budgetrechtlicher Hand- lungsspielräume der Gerichte und Staatsanwaltschaften gestärkt werden. Hierfür soll u. a. das Nie- dersächsische Richtergesetz reformiert werden, um die Mitbestimmungsrechte innerhalb der Justiz insbesondere in den Bereichen Ernennung, Beförderung und Budget zu stärken. Darüber hinaus sollen unter Beteiligung der Justizverbände und Gewerkschaften zur Einstellung und Beförderung von Richterinnen und Richtern Richterwahlausschüsse eingerichtet werden. 1. Um eine weitere Stärkung der Mitwirkungsbestimmungsrechte der Gerichte und Staatsan- waltschaften vorzubereiten evaluierte das Justizministerium die im Jahr 2010 eingeführten Änderungen der richterlichen und staatsanwaltlichen Mitbestimmungstatbestände im Nieder- sächsischen Richtergesetz anhand eines an die Leiter der Obergerichte und Generalstaats- anwaltschaften und Richter- und Staatsanwaltsvertretungen versandten Fragebogens. Zu- gleich wurde den Adressaten des Fragebogens die Möglichkeit zur Stellungnahme einge- räumt, in welchen Bereichen die Ausweitung der Mitbestimmung begrüßt und für sinnvoll er- achtet werde. Zusätzlich fand im Herbst 2013 im Justizministerium eine Besprechung mit den Amtsgerichtsrichtervertretungen statt, um mit ihnen vor dem Hintergrund ihrer gesammelten praktischen Erfahrungen zu erörtern, inwieweit ein gesetzgeberischer Nachbesserungsbedarf bestehe. Auf der Grundlage der Evaluierung der bestehenden Mitbestimmungsrechte und der Erörterung mit den Amtsgerichtsrichtervertretungen fand Ende 2013 im Justizministerium eine Besprechung mit den Leitern der Obergerichte und Generalstaatsanwaltschaften und den Richter- und Staatsanwaltsvertretungen statt, in deren Rahmen der Handlungs- und Prü- fungsbedarf analysiert worden ist. Das Ergebnis dieser Analyse dient der Festlegung von Eckpunkten für die Stärkung der Mitbestimmungsrechte, die gegenwärtig vorbereitet wird. 2. Die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung in Bezug auf die Einrichtung von Richterwahlaus- schüssen ist ebenfalls weit vorangeschritten. Im Mai letzten Jahres traf sich das Justizministe- rium mit den Obergerichtspräsidenten und Generalstaatsanwälten, den Richter- und Staats- anwaltsvertretungen und den Verbänden, um über den Zweck und die Zuständigkeiten, über die Zusammensetzung und das Entscheidungsverfahren eines Richterwahlausschusses zu diskutieren. Nachdem alle Beteiligten anschließend die Gelegenheit hatten, schriftlich zu der Diskussion Stellung zu nehmen, fanden sich die Beteiligten im Februar dieses Jahres erneut im Justizministerium zusammen. Zu diesem Treffen eingeladen waren dabei auch Gäste aus Hamburg, Thüringen und Baden-Württemberg, um über ihre Erfahrungen mit den Richter- wahlausschüssen in ihren Ländern zu berichten. Die Obergerichtspräsidenten und der Vorsit- zende des Präsidialrats der ordentlichen Gerichtsbarkeit entwickelten im Anschluss ein Modell eines Richterwahlausschusses, das sie in einem Papier skizzierten. Dieses Modell wurde am 7. April 2014 im Justizministerium mit den Generalstaatsanwaltschaften, den Richter- und Staatsanwaltsvertretungen und Verbänden diskutiert. Die Obergerichtspräsidenten und Gene- ralstaatsanwälte, die Richter- und Staatsanwaltsvertretungen und die Verbände hatten zudem Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2644 5 nochmals die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Erfahrungsberichten aus den anderen Ländern und zu dem Modell der Obergerichtspräsidenten und des Vorsitzenden des Präsidial- rats der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Anfang Oktober 2014 sind sämtliche angekündigten Stellungnahmen zu diesem Modell eingegangen und im Niedersächsischen Justizministerium ausgewertet worden. Die daraus resultierenden Überlegungen sind in einem ersten Eck- punktpapier über die Zusammensetzung, die Arbeitsweise und die Zuständigkeiten eines Richterwahlausschusses skizziert worden. Die Erörterung ist nicht abgeschlossen. 3. Das Eckpunktpapier sieht neben der Einrichtung eines Richterwahlausschusses auch eine wesentliche Stärkung der Mitwirkung des Präsidialrats bei der Ernennung und Beförderung von Richtern und damit eine erhebliche Ausweitung der Mitbestimmungsrechte innerhalb der Justiz vor. Zu 3: Die wesentliche Analysearbeit zur Reform der Juristenausbildung, einschließlich der juristischen Prüfungen, findet in der Arbeitsgruppe des Ausschusses der Konferenz der Justizministerinnen und -minister (JuMiKo) zur Koordinierung der Juristenausbildung mit dem Berichtsauftrag „Annäherung der juristischen Ausbildungs- und Prüfungsbedingungen in den Ländern“ statt. Das Justizministerium nimmt an dem Koordinierungsausschuss teil. Auf Grundlage des Beschlusses der JuMiKo vom 15. November 2012 hat der Koordinierungsaus- schuss im Rahmen des Berichtsauftrags den Ist-Zustand der Ausbildungs- und Prüfungsbedingun- gen mit dem Ziel erfasst, Vorschläge für eine weitere Annäherung dieser Bedingungen herauszuar- beiten. Der Ausschuss hat dabei die Ausgestaltung der universitären Schwerpunktbereichsprüfung und die Festlegung des Katalogs des Pflichtstoffs in den juristischen Prüfungen nur eingeschränkt in den Blick genommen, da hierzu ein breit angelegter Diskurs vor allem mit den Universitäten not- wendig ist, der gesondert zu führen sein wird. Daneben sind in der konkreten Ausgestaltung der staatlichen juristischen Prüfungen einige Punkte (s. u.) festgestellt worden, in denen der Koordinie- rungsausschuss eine Harmonisierung empfiehlt. Der Bericht des Koordinierungsausschusses lag der JuMiKo in der Sitzung am 6. November 2014 vor, die den Koordinierungsausschuss mit der weitergehenden Untersuchung, welche Vor- und Nachteile die divergierenden Regelungen in den Ländern bieten und ob Angleichungsmöglichkeiten bestehen, beauftragt hat. Die zu untersuchenden Regelungen sind: – Zusammenhang zwischen staatlichem und universitärem Prüfungsteil, – Freiversuchsregelungen, – Abschichtung von Prüfungsteilen, – landesweite Querkorrektur, – Zulassungsvoraussetzungen zur mündlichen Prüfung, – Gewichtung der Prüfungsteile, – Punktedifferenz zwischen Erst- und Zweitkorrektur, – Notenverbesserungsversuch, – Meldefrist zur staatlichen Pflichtfachprüfung, – Gestaltung der universitären Schwerpunktbereichsprüfung, – zweiter Wiederholungsversuch im Rahmen der 2. Juristischen Staatsprüfung, – Prüfungsstoff. Das Justizministerium wird auch in der Arbeitsgruppe zur Abarbeitung dieses Folgeauftrages an den Koordinierungsausschuss vertreten sein. Das Justizministerium hat außerdem die Ausgestaltung der Referendarzeit verbessert. In der ersten Jahreshälfte 2013 wurde der Ergänzungsvorbereitungsdienst (Referendarzeit nach nicht bestandenen ersten Versuchs im Rahmen der Zweiten Juristischen Staatsprüfung) mit dem Ziel reformiert, die Vorbereitung der Kandidatinnen und Kandidaten bedarfsgerecht und effizient Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2644 6 auszugestalten. Seit Juni 2013 findet im Rahmen des Ergänzungsvorbereitungsdienstes quartals- weise ein zehnwöchiger Examens- und Klausurenkurs statt. Der verpflichtende Kurs bietet jeweils an einem Tag pro Woche Unterricht über examensrelevante Themen. Am Folgetag wird eine fünf- stündige Klausur geschrieben, die unmittelbar am Nachmittag mit den Referendarinnen und Refe- rendaren besprochen wird. Dieser Examens- und Klausurenkurs setzt bei den erkannten Defiziten der Referendarinnen und Referendare an, nämlich einer in der Regel unzureichenden Klausuren- praxis und „Klausurentechnik“. Im Zuge der Reform ist der Ergänzungsvorbereitungsdienst von i. d. R. sieben Monaten auf i. d. R. vier Monate verkürzt worden. Neben den Fortbildungen für Prüferinnen und Prüfer des Landesjustizprüfungsamts sind Fortbil- dungen für Arbeitsgemeinschaftsleiterinnen und Arbeitsgemeinschaftsleiter des Vorbereitungs- dienstes umfangreich intensiviert worden. So wurden u. a. als neue Fortbildungsformate angebo- ten: – Die Prüfung - ein Spiegel der Ausbildung? Übereinstimmungen und Divergenzen zwischen Referendarausbildung und Prüfungsinhalten in den Bereichen Strafrecht und Öffentliches Recht, – „Die Rechtsgestaltende Anwaltsklausur“ für Arbeitsgemeinschaftsleiterinnen und -leiter der 4. Pflichtstation (sogenannte Rechtsanwaltsstation), – Erfahrungsaustausch für Arbeitsgemeinschaftsleiterinnen und -leiter der 3. Pflichtstation (Ver- waltungsrecht), – Interdisziplinäre Tagung für Referendarinnen und Referendare in der Wahlstation; Die mündliche Prüfung. Um den Referendarinnen und Referendaren im juristischen Vorbereitungsdienst den Einstieg zu er- leichtern, wird in Kürze für die ersten beiden Ausbildungsstationen (Zivilgericht und Staatsanwalt- schaft) ein neues Lernmedium zum Einsatz kommen. Es handelt sich um eine elektronische Aus- bildungsplattform „ELAN-REF“ (Elektronisches Lernen Ausbildung am Netz). Dort wird ein komple- xes interaktives Lernprogramm zur Verfügung stehen, das neben systematischen Erläuterungen und Übersichten, bildhaften Darstellungen, gesprochenen Texten und Videosequenzen auch viele Übungen zur Selbstkontrolle enthält. Der hierfür erforderliche Beitritt Niedersachsens zu einem Verbund mehrerer Bundesländer und der Erwerb der entsprechenden Lizenzrechte stehen bevor. Zu 4: Die Landesregierung hat in ihrem im Juni 2014 eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung von Vorschriften über die Justiz (Drs. 17/1585) erste Vorschläge zur Ausdehnung des Widerspruchsverfahrens unterbreitet. Diese Vorschläge hat der Ausschuss für Rechts- und Verfas- sungsfragen des Niedersächsischen Landtages in seiner Sitzung am 19. November 2014 einstim- mig gebilligt. Eine mögliche darüber hinausgehende Ausdehnung des Widerspruchsverfahrens auf weitere Be- reiche wird derzeit in Abstimmung mit den Ressorts geprüft. Zu 5: Straffällig gewordene Menschen beim Übergang von der Haft in die Freiheit bestmöglich zu unter- stützen und ihnen den Weg in ein straffreies Leben zu ebnen, ist die zentrale Aufgabe des Über- gangsmanagements. Für dieses Ziel setzen sich täglich mit hohem Engagement Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizvollzuges, des Ambulanten Justizsozialdienstes Niedersachsen (AJSD), der Anlaufstellen für Straffälligenhilfe und einer Vielzahl weiterer Partner ein. Sie unterstützen Strafgefangene und Sicherungsverwahrte bereits vor der Entlassung und beraten Entlassene und deren Angehörige insbesondere bei der Arbeits- und Wohnungssuche sowie bei der Bewältigung von Schulden oder Suchtproblemen. Die Landesregierung setzt sich fortlaufend dafür ein, das Übergangsmanagement qualitativ fortzu- entwickeln. Auf der Grundlage der bestehenden gesetzlichen und verwaltungsrechtlichen Vorgaben greift sie Impulse aus der Praxis auf und setzt diese mit dem Ziel einer Optimierung der bestehen- den Strukturen um. Hierdurch trägt sie zu einer noch besseren Vernetzung der beteiligten Akteure Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2644 7 auf regionaler Ebene bei und fördert die Wiedereingliederung entlassener Gefangener und Siche- rungsverwahrter als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Gesetzliche Regelungen zum Übergangsmanagement finden sich in den Justizvollzugsgesetzen des Landes, insbesondere im Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz (NJVollzG) und im Nieder- sächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz (Nds. SVVollzG). Regelungen zur Vorberei- tung auf die Wiedereingliederung, zur Vorbereitung auf die Entlassung und zum Übergangsma- nagement ziehen sich als „roter Faden“ durch die Justizvollzugsgesetze des Landes. Sie finden sich zum Vollzug der Freiheitsstrafe in einer Reihe von Regelungen des NJVollzG wieder. Zum Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung sind Fragen der „durchgängigen Be- treuung“ in dem am 1. Juni 2013 in Kraft getretenen Nds. SVVollzG sehr detailliert geregelt worden. So ist es nach § 69 Abs. 2 Nds. SVVollzG Aufgabe der Vollzugsbehörden, darauf hinzuwirken, dass eine durchgängige Betreuung der Sicherungsverwahrten sichergestellt ist, die ihnen auch nach der Entlassung hilft, in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Die Rege- lungen in den Absätzen 3 bis 5 dieser Vorschrift enthalten Vorgaben für die Zusammenarbeit auch mit Personen und Stellen außerhalb des Vollzuges und binden diese - unter Beachtung daten- schutzrechtlicher Vorgaben - in die durchgängige Betreuung ein. § 72 Abs. 2 Nds. SVVollzG sieht für den Justizvollzug erstmals eine eigene forensische Ambulanz nach Maßgabe der §§ 68 a und 68 b des Strafgesetzbuches (StGB) vor. Die Landesregierung hat für den Strafvollzug Maßnahmen zur Verbesserung des Übergangsmana- gements ergriffen und bestehende Einrichtungen ausgebaut und optimiert. Beispielhaft ist die web- basierte Info-Datenbank für Netzwerkpartner des Übergangsmanagements im Internet zu nennen. Die Info-Datenbank stellt für die am Übergangsmanagement beteiligten Stellen Kontaktdaten und Informationen bereit und ermöglicht eine problemlose Kontaktaufnahme zwischen den jeweiligen Netzwerkpartnern. Herausragend und bundesweit wegweisend konnte im Oktober 2014 mit der Deutschen Renten- versicherung Oldenburg-Bremen sowie mit der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Han- nover eine Kooperationsvereinbarung über die Kostenübernahme bei Suchtentwöhnungstherapien unterzeichnet werden. Als weiteren Baustein zur Verbesserung der Wiedereingliederung entlassener Gefangener hat sich die 85. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 25./26. Juni 2014 in Binz darauf verständigt, dass eine länderübergreifende Arbeitsgruppe im Auftrag des Strafvollzugsausschusses eine Übersicht über die konkreten Problemstellungen, Lösungsmöglichkeiten, Zuständigkeiten für die Gesetzgebung sowie die Art und Weise der Beteiligung anderer Ressorts und Institutionen zur Verbesserung der Resozialisierung entlassener Gefangener und Sicherungsverwahrter erarbeitet. An dieser Arbeitsgruppe beteiligt sich die niedersächsische Landesregierung aktiv. Es werden fol- gende Regelungsbedarfe gesehen, um die erreichten Behandlungs- und Therapieerfolge langfristig zu sichern: – Eine Leistungsbescheidung von Ansprüchen des SGB II, III und XII vor der Entlassung muss gesetzlich gewährleistet sein, um insbesondere eine finanzielle Absicherung der Entlassenen ab dem ersten Tag sicherzustellen. Auch notwendige Eingliederungshilfen gemäß §§ 53, 67 SGB XII müssen vor der Entlassung geprüft und verbindlich beschieden werden. – Die arbeitsmarktorientierte Beratung, Berufsorientierung und Qualifizierung von Gefangenen ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Justizvollzug, der Agenturen für Arbeit und der Jobcenter. Ent- sprechende Beratungsleistungen der Agenturen für Arbeit und der Jobcenter müssen bereits in den Justizvollzugseinrichtungen verbindlich angeboten werden. Die finanzielle Förderung beruf- licher Qualifizierungsmaßnahmen durch die Agenturen für Arbeit während der Haft muss ge- setzlich gewährleistet werden. Auch die Fortsetzung von Ausbildungs- und Qualifizierungsmaß- nahmen nach der Entlassung muss gesichert werden. – Ein wesentlicher Faktor zur Rückfallvermeidung ist die Entlassung in geeigneten Wohnraum. Innerhalb des Justizvollzuges müssen Beratungs- und Vermittlungsangebote für geeigneten Wohnraum durch kommunale Einrichtungen vorgehalten werden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2644 8 – Bereits vor der Entlassung sind die versicherungsrechtlichen Ansprüche auf suchttherapeutische Maßnahmen für die Zeit nach der Entlassung durch die jeweiligen Versicherungsträger festzustellen. – Es muss gesetzlich geregelt werden, dass die krankenversicherungsrechtlichen Zuständigkeiten bereits vor der Entlassung zu entscheiden sind. – Die Bereitstellung von Personalausweisen und anderen Ausweispapieren muss bundesweit einheitlich ohne eine persönliche Vorstellung außerhalb des Vollzuges erfolgen. Die Ergebnisse sollen der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Frühjahr 2015 vorgestellt werden. Grundlage des Übergangsmanagements im ambulanten Bereich ist die Anordnung über Organisa- tion, Aufgaben und Dienstbetrieb des Ambulanten Justizsozialdienstes der Strafrechtspflege in Niedersachsen und der Führungsaufsichtsstellen sowie über die Wahrnehmung der Aufgaben der Opferhilfe im Rahmen der Stiftung Opferhilfe und der AussteigerhilfeRechts (AV AJSD) - AV d. MJ. vom 28. Januar 2009 (4263 - 403.141). Die AV AJSD regelt Organisation, Aufgaben und Dienstbe- trieb der vorbezeichneten Stellen und enthält Regelungen zu den Aufgabenbereichen Bewäh- rungshilfe, Führungsaufsicht, Gerichtshilfe, Täter-Opfer-Ausgleich, Übergangsmanagement, Opfer- hilfe und der AussteigerhilfeRechts. Sie wird ergänzt durch die Regelungen der AV „Übergangsma- nagement zwischen den Justizvollzugsanstalten, dem Ambulanten Justizsozialdienst Niedersach- sen, den Staatsanwaltschaften und den freien Trägern der Straffälligenhilfe“ (AV Übergangsmanagement ) - AV d. MJ vom 12. Juli 2011 (4260 403.116), die insbesondere Vorschriften über die rechtzeitige Vorbereitung der Entlassung von Gefangenen enthält. Sie gewährleitet eine enge und partnerschaftliche Zusammenarbeit der Justizvollzugsanstalten, des AJSD und der Anlaufstellen für Straffälligenhilfe, um eine durchgängige Betreuung zur Erreichung des Resozialisierungszieles zu ermöglichen. Der Vernetzung der beteiligten Partner dient auch der jährlich stattfindende „Praxisworkshop Übergangsmanagement “, in dem sich alle sozialarbeiterischen und sozialpädagogischen Fachkräfte über aktuelle Frage- und Problemstellungen austauschen. Hieran wirken insbesondere auch die in Niedersachsen ansässigen Anlaufstellen für Straffälligenhilfe mit, deren wichtige und qualitativ hochwertige Arbeit das Niedersächsische Justizministerium aktuell mit insgesamt 1,5 Millionen Eu- ro jährlich fördert. Neben den so geförderten 14 Anlaufstellen erhalten acht Wohnraum- und Be- schäftigungsprojekte Zuwendungen des Landes in Höhe von weiteren 257 000 Euro. Die bestehenden, gewachsenen Strukturen des Übergangsmanagements in einem Landesresozia- lisierungsgesetz fortzuschreiben, stellt eine komplexe und umfangreiche Aufgabe dar. Die konkrete Ausgestaltung eines solchen Gesetzentwurfs muss auf verschiedenen Ebenen umfassend entwi- ckelt werden. Diese Prüfung dauert an. Zu 6: Die Landesregierung ist bestrebt, den Justizvollzug weiter zu verbessern. Bedeutsam dafür sind geeignete gesetzliche Grundlagen. Diese sind zum Teil unzureichend. So erfolgt der Vollzug des Jugendarrestes bislang auf Grundlage einer Rechtsverordnung des Bundes aus dem Jahre 1976, der Jugendarrestvollzugsordnung, obgleich den Bundesländern seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Rechtlich problematisch ist dies u. a. bei der An- ordnung von Sicherungsmaßnahmen, z. B. der Unterbringung in einem besonders gesicherten Ar- restraum, und bei der Anordnung von Disziplinarmaßnahmen. Die damit verbundenen Grund- rechtseingriffe erfordern eine gesetzliche Regelung. Im engen Zusammenwirken mit der vollzugli- chen Praxis ist deshalb der Entwurf eines Jugendarrestvollzugsgesetzes erarbeitet worden, der zu- vorderst auf Förderung und Unterstützung der Arrestantinnen und Arrestanten zielt. Der Referen- tenentwurf des Gesetzes befindet sich derzeit in der Schlussabstimmung in der Fachabteilung des Justizministeriums. Es ist beabsichtigt, den Gesetzentwurf bis Mitte 2015 in den Landtag einzubrin- gen. Darüber hinaus ist es der Landesregierung ein Anliegen, die bestehenden gesetzlichen Grundla- gen, also insbesondere das NJVollzG, weiterzuentwickeln. Anlass dazu geben insbesondere Erfah- rungen in der Anwendung der bestehenden gesetzlichen Regelungen (vgl. dazu auch § 189 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2644 9 NJVollzG „Evaluation“) und Erfahrungen anderer Bundesländer mit den dortigen Regelungen, die zum Teil von den niedersächsischen Regelungen abweichen. Nicht bewährt haben sich z. B. die Regelungen im NJVollzG, die eine unterschiedliche Höhe der Arbeitsvergütung für Untersuchungsgefangene und Strafgefangene festlegen. Die unterschiedliche Vergütung von Untersuchungsgefangenen und Strafgefangenen für ein- und dieselbe Tätigkeit ist sachlich nicht gerechtfertigt und geeignet, das geordnete Zusammenleben der Gefangenen zu stö- ren. Es ist deshalb beabsichtigt, die Vergütung für Untersuchungsgefangene an die höhere Vergü- tung für Strafgefangene anzupassen. Gesetzliche Änderungsbedarfe in anderen Bereichen werden derzeit gemeinsam mit der vollzugli- chen Praxis erhoben. Die Justizvollzugseinrichtungen hatten Gelegenheit, zu etwaigen gesetzli- chen Änderungsbedarfen bis zum 10. November 2014 zu berichten. Derzeit erfolgt die Auswertung der eingegangenen Berichte. Eine Erörterung der vorgeschlagenen und etwaigen weiteren gesetz- lichen Änderungen mit der vollzuglichen Praxis soll im ersten Quartal 2015 erfolgen. Sobald Inhalt und Umfang der erforderlichen gesetzlichen Änderungen feststehen, wird zu entscheiden sein, ob diese Änderungen eine Trennung einzelner Vollzugsarten in eigenständige Gesetze erfordern könnte oder an der bestehenden Struktur des NJVollzG festgehalten werden soll. Die Einbringung eines Änderungsgesetzes in den Landtag ist für die zweite Hälfte der Legislaturperiode vorgese- hen. Zu 7: Die sozialen Dienste der Justiz sind in Niedersachsen im AJSD zusammengefasst. Der AJSD erfüllt die gesetzlichen Aufgaben der Bewährungshilfe und der Gerichtshilfe sowie im Auftrag der Füh- rungsaufsichtsstellen die sozialarbeiterischen Überwachungs- und Betreuungsaufgaben im Rah- men der Führungsaufsicht. Darüber hinaus vermittelt und überwacht er die Durchführung gemein- nütziger Arbeit - zum einen zur Abwendung von Ersatzfreiheitsstrafe nach der Verordnung über die Abwendung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen durch freie Arbeit vom 19. April 1996 (Nds. GVBl. Seite 215) und zum anderen im Falle entsprechender Auflagen, z. B. im Rahmen von Strafaussetzungen zur Bewährung oder von Einstellungen von Ermittlungsverfahren. Auch führt der AJSD im Auftrag der Justizbehörden den Täter-Opfer-Ausgleich durch. Diese Aufgaben werden in elf Bezirken an 52 Standorten in ganz Niedersachsen durch insgesamt 355 Justizsozialarbeiterin- nen und Justizsozialarbeiter wahrgenommen. Nach Abschluss der Strukturreform „JustuS“ im Jahr 2009 befindet sich der AJSD nunmehr im fünften Jahr der Umsetzung der Projektergebnisse sowie der neuen Organisationsstruktur. Maßgeblich für die heutige Arbeit der Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeiter ist neben der vorge- nannten Strukturreform das Projekt „QueSD“ als wissenschaftlich begleiteter Qualitätsentwicklungsprozess . Mit der auf dieser Grundlage im Jahr 2011 erarbeiteten 4. Auflage des Qualitäts- handbuchs erfolgt seit dem Jahr 2012 die verbindliche Anwendung der fachlichen Standards im ge- samten Dienst. Nimmt man den Resozialisierungsgedanken ernst, bedarf es einer stetigen Fortentwicklung der so- zialen Dienste. Dieser Aufgabe hat sich die Landesregierung im Rahmen der fortlaufenden fachli- chen Begleitung des AJSD angenommen. Gemeinsam mit der beim Oberlandesgericht Oldenburg angesiedelten leitenden Abteilung des AJSD wurden bereits im Jahr 2013 im Rahmen einer Ge- samtbetrachtung des Dienstes die bestehenden Strukturen und Inhalte bewertet und Handlungs- schwerpunkte identifiziert, um nachhaltige Lösungsstrategien zu entwickeln. Zur Erreichung dieses Ziels haben unter kontinuierlicher Beteiligung der betroffenen Berufsverbände zahlreiche Dialoge, Workshops und Veranstaltungen stattgefunden, die einen Austausch auf allen Ebenen des Diens- tes bewirkt haben. Hierdurch konnte eine offene, transparente und fachlich fundierte Diskussion begonnen werden. Aufgrund der vorgenannten Maßnahmen ist bereits jetzt festzustellen, dass eine erhebliche Ver- besserung und Intensivierung der Kommunikation innerhalb des Dienstes eingetreten ist. Das Ge- lingen eines fortwährenden Qualitätsentwicklungsprozesses erfordert die Einbindung aller Mitarbei- terinnen und Mitarbeiter und darf nicht vom Engagement Einzelner abhängen. Dies stellt aufgrund der Größe des Dienstes sowie der Verteilung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im gesamten Land eine besondere Herausforderung dar. Die leitende Abteilung des AJSD nimmt sich deshalb in Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2644 10 Abstimmung mit dem Justizministerium mit Nachdruck der Aufgabe an, fachliche Nähe zur Mitar- beiterschaft zu gewährleisten und im ständigen Austausch mit ihr zu bleiben. Durch regelmäßige Bereisungen der einzelnen Bezirke, der Einrichtung turnusgemäß stattfindender Gremien und der noch stärkeren Nutzung vorhandener Gremien als Multiplikatoren für Rückmeldungen aus der Mit- arbeiterschaft erhalten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Gelegenheit, sich und das bei ihnen vorhandene Fachwissen fortwährend aktiv in den Qualitätsentwicklungsprozess einzubringen. Eine unmittelbare Einbindung der Mitarbeiterschaft soll darüber hinaus durch ein sogenanntes „Rückmeldesystem“ gewährleistet werden, welches für das Jahr 2015 avisiert ist. Hierdurch soll je- de Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter die Gelegenheit erhalten, in standardisierter Form Verbesse- rungsvorschläge im Rahmen der fachlichen Arbeit mitzuteilen. Es ist geplant, die Vorschläge an- schließend durch eine eigens für diesen Zweck gebildete Kommission zu bewerten und zu bündeln. Die Anregungen der Mitarbeiterschaft sollen sodann in geeigneter Form in eine Neufassung der Qualitätsstandards des AJSD Eingang finden. Unter Berücksichtigung der Risikoorientierung sollen zukünftige Qualitätsstandards gefasst werden, die ein Betreuungsmodell zur Durchführung adäqua- ter und bedarfsgerechter Interventions- und Kontrollmaßnahmen sowie eine sinnvolle Steuerung von Klientenzahlen, Personalressourcen, Leistungsangebot und -qualität beinhalten. Jede Mitarbei- terin und jeder Mitarbeiter wird im Laufe dieses Mitbestimmungsprozesses eine Rückmeldung zu den eigenen Vorschlägen erhalten. Auch die Berufsverbände werden in den Prozess einbezogen. Derzeit wird hierzu ein umfassendes Konzept entwickelt. Neben fachlichen Inhalten soll auch die persönliche Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter des AJSD erhoben und bei den weiteren Überlegungen zur Fortentwicklung des Dienstes be- rücksichtigt werden. Zu diesem Zweck ist die Durchführung einer Mitarbeiterbefragung geplant, de- ren Umsetzung zurzeit ebenfalls konzeptionell vorbereitet wird. Die beiden vorgenannten Befra- gungen bilden die Arbeits- und Entscheidungsgrundlage für alle weiteren Maßnahmen zur Fortent- wicklung des AJSD. Zur Weiterentwicklung des Dienstes trägt auch die Optimierung der im AJSD landesweit verbindlich genutzten IuK-Fachanwendung „SoDA“ bei. Diese wurde eigens für den Dienst geschaffen und dient der Datenverwaltung in elektronischer Form. Sie ermöglicht den Justizsozialarbeiterinnen und Justizsozialarbeitern eine fachgerechte Arbeit, indem sie Dokumentationserfordernisse vereinheit- licht sowie den Zugriff und den Austausch von Daten erleichtert. Das Justizministerium hat sich da- bei seit dem Jahr 2013 mit Erfolg dafür eingesetzt, dass die zur Beseitigung von Hemmnissen und zur Erweiterung der Fachanwendung erforderlichen Entwicklerkapazitäten aufgestockt werden konnten. Hierdurch ist bereits eine spürbare Verbesserung erreicht und die Anwendung noch bes- ser an die Erfordernisse des Arbeitsalltags der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angepasst worden. Das Justizministerium wird sich aber auch zukünftig intensiv darum bemühen, den Justizsozialar- beiterinnen und Justizsozialarbeitern eine bestmögliche technische Infrastruktur als Unterstützung für ihre verantwortungsvolle fachliche Aufgabe zur Verfügung zu stellen. Dabei werden auch die Er- fordernisse neu gefasster Qualitätsstandards in geeigneter Form technisch und anwendergerecht in die Fachanwendung einzupflegen sein. Auch die Entwicklung des im AJSD beschäftigten, hoch qualifizierten Personals ist der Landesre- gierung ein besonderes Anliegen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Dienstes sollen im Rahmen der Personalentwicklung geeignete Perspektiven aufgezeigt und damit die Fachlichkeit und Eigen- verantwortung im gesamten Dienst gestärkt werden. Aus diesem Grund werden zurzeit die vorhan- denen Personalentwicklungskonzepte überprüft und weitere Modelle der Personalentwicklung kon- zipiert. Dies betrifft insbesondere die Ebene der Bezirksleiterinnen und Bezirksleiter im AJSD. Aber auch für die mittlerweile 88 Verwaltungsmitarbeiterinnen sollen in Umsetzung des Personalentwick- lungskonzeptes für Tarifbeschäftigte, Bek. d. MJ vom 7. Februar 2013 (2060 / 3 PE - 101.7) - Nds. Rpfl. Seite 74 -, die Arbeitsplätze attraktiver und nachhaltiger gestaltet werden. Besondere Bedeutung misst die Landesregierung darüber hinaus dem Opferschutz bei, für den sich zahlreiche, durch den AJSD der Stiftung Opferhilfe Niedersachsen zugewiesene Mitarbeiterin- nen und Mitarbeiter täglich auf hohem Niveau einsetzen. Die Stiftung unterhält flächendeckend an elf Standorten in ganz Niedersachsen Opferhilfebüros, in denen Opfer von Straftaten professionell von qualifizierten, hauptamtlich tätigen Opferhelferinnen und Opferhelfern unterstützt werden. Die Betroffenen erhalten je nach ihrem individuellen Bedarf eine umfangreiche Betreuung und Bera- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2644 11 tung, werden auf weitergehende Hilfs- und Betreuungsangebote aufmerksam gemacht, zu Ge- richts-, Behörden-, Anwalts- und Arztterminen begleitet und bei Antragstellungen unterstützt. Durch finanzielle Hilfen und das Angebot der Krisenintervention zur psychischen Stabilisierung wird den Betroffenen auch in akuten Notlagen eine erste Hilfe gewährt. Im Jahr 2013 hat die Stiftung Opfer- hilfe Niedersachsen insgesamt 1 545 Opfer dabei unterstützt, ihr Leben nach einer Straftat wieder in den Griff zu bekommen, und finanzielle Hilfen in Höhe von insgesamt 521 078 Euro geleistet. Ein besonderer Schwerpunkt der Stiftung Opferhilfe liegt in der psychosozialen Prozessbegleitung. Bei diesem Angebot handelt es sich um eine umfassende Begleitung für Opfer schwerer Straftaten, die infolgedessen besonders schwerwiegenden Belastungen ausgesetzt sind. Die psychosoziale Prozessbegleitung wird seit dem Jahr 2013 nach landeseinheitlichen fachlichen Standards und durch in einer eigenen Ausbildungsmaßnahme qualifizierte Fachkräfte durchgeführt. Um ein flä- chendeckendes Angebot in ganz Niedersachsen zur Verfügung stellen zu können, hat die Stiftung Opferhilfe das entsprechende Angebot freier Träger im Jahr 2014 mit einem Betrag von insgesamt 82 731,65 Euro gefördert. Auch im Jahr 2015 wird eine Förderung freier Träger erfolgen. Mit einem derart fundierten und fachlich hinterlegten Angebot nimmt die Stiftung Opferhilfe Niedersachsen bundesweit eine Vorreiterrolle ein. Um dieser Rolle auch zukünftig gerecht werden zu können, hat die Landesregierung das Personal der Stiftung Opferhilfe zur Durchführung der psychosozialen Prozessbegleitung im Jahr 2014 mehr als verdoppelt. Zu 8: Die Landesregierung misst der effektiven Bekämpfung, Aufklärung und Ahndung von Straftaten der Wirtschafts- und Steuerkriminalität besondere Bedeutung bei. Seit 2013 beteiligt sich die Justizministerin deshalb intensiv an der Diskussion um die Frage nach der Erforderlichkeit eines Verbandsstrafrechts. Den von Nordrhein-Westfalen vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit von Unternehmen und sons- tigen Verbänden bezeichnete sie auf der Justizministerkonferenz im November 2013 als wegwei- sende Diskussionsgrundlage für eine effektivere und nachhaltigere Bekämpfung von Wirtschafts- kriminalität und Korruption. Die Landesregierung begrüßt es ausdrücklich, dass auch die Bundesregierung sich der Thematik angenommen hat. Mit der Aussage in der Koalitionsvereinbarung von CDU, CSU und SPD für die 18. Legislaturperiode: „Mit Blick auf strafbares Verhalten im Unternehmensbereich bauen wir das Ordnungswidrigkeitenrecht aus. Wir brauchen konkrete und nachvollziehbare Zumessungsregeln für Unternehmensbußen. Wir prüfen ein Unternehmensstrafrecht für multinationale Konzerne“ ist der Bundesregierung aufgegeben worden zu prüfen, in welcher Weise dies konkret zu erfolgen soll. Zur Umsetzung der genannten Vorgaben ermittelt das Bundesministerium der Justiz und für Ver- braucherschutz (BMJV) in einem ersten Schritt aktuell, welche Defizite auf der Grundlage des gel- tenden Ordnungswidrigkeitenrechts in der justiziellen Praxis bestehen und welche gesetzgeberi- schen Maßnahmen zu ihrer Beseitigung am besten geeignet erscheinen. Es hat dazu die Landes- justizverwaltungen, den Bundesgerichtshof und den Generalbundesanwalt beteiligt. Das Justizministerium, das seinerseits die niedersächsische Justizpraxis um Stellungnahmen gebe- ten hat, wird deren Erfahrungen auswerten und u. a. auf dieser Grundlage gegenüber dem BMJV ausführlich Stellung nehmen. Im Anschluss daran soll nach den Vorstellungen des BMJV in einem zweiten Schritt geprüft werden, ob eine Beseitigung der Defizite durch einen Ausbau des Ord- nungswidrigkeitenrechts erfolgen kann oder ob es der Einführung eines eigenständigen Unterneh- mensstrafrechts bedarf. Nachdem der Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz Heiko Maas sehr frühzeitig eine breite Diskussion angestrebt hatte, veranstaltete sein Haus am 1. Dezember 2014 schließlich ein Symposium zur Verbandsverantwortlichkeit, an dem auch eine Vertreterin des Niedersächsischen Justizministeriums teilnahm. Die Landesregierung und die Justizministerin werden sich in ein Gesetzgebungsvorhaben so inten- siv wie in die bisherige und anstehende Diskussion einbringen. Die niedersächsische Justizpraxis selbst hat sich, nicht zuletzt aufgrund der Diskussion auf politi- scher Ebene, der Problematik und des Erfordernisses der konsequenten Anwendung des gelten- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2644 12 den Ordnungswidrigkeitenrechts ebenfalls angenommen: Die Zentralstelle für Korruptionsbekämp- fung der Staatsanwaltschaft Verden hat deshalb im Sommer des Jahres einen Leitfaden zur Unter- nehmensgeldbuße gemäß § 30 OWiG erarbeitet. Darüber hinaus hat sich die Landesregierung zu der vom Landtag in seiner 29. Sitzung am 26. Feb- ruar 2014 gefassten Entschließung „Missbrauch von Werkverträgen bekämpfen“ (Drs. 17/1253) er- klärt (Drs. 17/1933). Mit Blick auf die Intensivierung der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität wurde in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass im Falle einer personellen Verstärkung der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) mit einem Anstieg der staatsanwaltschaftlichen Verfahren zu rechnen sei und die quantitativen und qualitativen Entwicklungen in diesem Bereich deshalb sorg- fältig beobachtet werden. Ergänzend dazu betont die Landesregierung insoweit ausdrücklich, dass etwa erforderliche personalwirtschaftliche Maßnahmen zu gegebener Zeit selbstverständlich ergrif- fen werden. Das Justizministerium war zudem in der durch Kabinettsbeschluss vom 23. Juli 2013 eingesetzten interministeriellen Arbeitsgruppe gegen den Missbrauch von Werkverträgen unter Federführung des MW vertreten. Weiterhin hat die Landesregierung im Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhü- tung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates eingebracht, der die Anwendung des § 233 StGB - Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft -, der bislang praktisch kaum zur Anwendung kommt, vereinfachen und dazu führen soll, dass er aus seinem bisherigen Schattenda- sein heraustritt (BR-Drs. 528/13). Schließlich ist die Landesregierung auch im Kampf gegen Steuerhinterziehung bereits aktiv gewor- den: Verwiesen wird insoweit zunächst auf die Antwort des Justizministeriums auf die Mündliche Anfra- ge „Maßnahmen gegen Wirtschaftskriminalität“ vom 27. Februar 2014, Drs. 17/1250. Aus heutiger Sicht ist dies um die folgenden Aspekte zu ergänzen: Dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung, mit dem die Regelungen der strafbefreienden Selbstanzeige und zum Absehen zur Verfolgung in besonde- ren Fällen zwecks konsequenter Bekämpfung der Steuerhinterziehung verschärft werden sollen, hat Niedersachsen im Bundesrat am 7. November 2014 zugestimmt. Im März des Jahres hat Nie- dersachsen gemeinsam mit Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen dem Bundesrat den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Steuerstraftaten im Bankenbereich zugeleitet, dessen Einbringung der Bundesrat in seiner Sitzung vom 11. April 2014 beschlossen hat. Zu 9: Die Landesregierung hat sich frühzeitig für eine Reform des Sexualstrafrechts ausgesprochen. Von einer eigenen Bundesratsinitiative hat sie im Hinblick auf das von der Bundesregierung angestreng- te Gesetzesvorhaben abgesehen. Die von der Bundesregierung und der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vorgelegten Entwürfe eines Gesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts (Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht) sind einer sorgfältigen Prüfung unterzogen worden. Ebenso wie die Bundesregierung spricht sich die Landesregierung für eine grundlegende Reform der Tötungsdelikte aus. Die von dem Bundesminister für Justiz und Verbraucherschutz im Mai 2014 eingesetzte Expertengruppe zur Überarbeitung der Tötungsdelikte soll in den kommenden Monaten einen umfassenden Bericht mit Empfehlungen für eine Reform der Tötungsdelikte vorlegen. Damit wird eine fundierte Grundlage für eine länderübergreifende Diskussion und zielführende Mitarbeit an dem Reformvorhaben geschaffen. Um den Diskussionsprozess voranzutreiben, hat die Justiz- ministerin zusammen mit ihrer Amtskollegien aus Schleswig-Holstein am 5. Juni 2014 in Kooperati- on mit dem Deutschen Juristentag eine Veranstaltung in Berlin zu diesem Themenkomplex durch- geführt, an der Experten aus der Politik, der Wissenschaft, den Verbänden und der Justiz teilge- nommen haben. Im Jugendstrafrecht gebietet es insbesondere der Erziehungsgedanke, die gesetzlichen Grundla- gen einer ständigen Überprüfung mit Blick auf ihre Wirksamkeit, ihre Akzeptanz aber auch ihre Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2644 13 Verständlichkeit zu unterziehen. Die Niedersächsische Landesregierung hat deshalb die Forderung nach einer Überarbeitung der Tatbestandsvoraussetzung der „schädlichen Neigungen“ aus § 17 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz unterstützt und sich im Rahmen der Konferenz der Justizministerin- nen und Justizminister hierfür eingesetzt. Mit der Stimme Niedersachsens hat die 85. Konferenz Ende Juni 2014 eine entsprechende Neuformulierung gefordert und den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz gebeten, einen Formulierungsvorschlag vorzulegen. Dieser hat unter dem 4. November 2014 mitgeteilt, dass er dieser Bitte im Rahmen der Umsetzung der zu erwarten- den EU-Richtlinie über Verfahrensgarantien in Strafverfahren für verdächtige oder beschuldigte Kinder nachkommen werde. Die Landesregierung wird diesen Prozess weiterhin aktiv begleiten und darüber hinaus auch an der Neuformulierung weiterer nationalsozialistisch geprägter Begriff- lichkeiten mitwirken. Darüber hinaus hat sich die Landesregierung im Rahmen der Sitzung des Strafrechtsausschusses der Justizministerkonferenz am 13. bis 15. Oktober 2014 für die Überarbeitung der Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz eingesetzt. Die bundeseinheitlichen Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz bedürfen einer grundlegenden Neufassung, die die Landesregierung gemeinsam mit den Regie- rungen der übrigen Bundesländer vornehmen wird. Zu 10: Mit Schreiben vom 26. April 2014 hat die Justizministerin zur 84. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister am 12./13. Juni 2013 in Perl-Nennig das Thema „Betäubungsmittelstrafrecht - Angleichung der Richtlinien nach § 31 a BtMG“ angemeldet und einen entsprechenden Beschluss- vorschlag erarbeitet. Ziel dieses Vorschlages war die bundesweite Vereinheitlichung der gesetzlich nicht definierten „geringen Menge“ bei Cannabisprodukten. Obwohl der entsprechende Antrag seinerzeit die Mehrheit der Justizministerinnen und Justizminister noch nicht überzeugen konnte, sag- te die Niedersächsische Justizministerin zu, die Diskussion fortzuführen. Hierzu war zunächst eine Auswertung der Richtlinien sämtlicher Länder unter der Prämisse vorgenommen worden, dass sich eine Angleichung der Einstellungspraxis nach § 31 a Abs. 1 des Betäubungsmittelgesetzes im Hin- blick auf Cannabis nicht auf eine Angleichung der Grammzahl beschränken muss. Da diese erge- ben hat, dass neben der unterschiedlichen Grenzen für „geringe Mengen“ für den Besitz von Cannabis insbesondere im Umgang mit Wiederholungstätern deutliche Unterschiede vorhanden sind und somit die vom Bundesverfassungsgericht in der sogenannten Cannabis-Entscheidung (2 BvL 43/92) geforderte einheitliche Einstellungspraxis nicht vorhanden ist, muss die Diskussion zwingend fortgeführt werden. Dies gilt umso mehr, als mittlerweile mehr als hundert deutsche Straf- rechtsprofessoren („Schildower Kreis“) eine Resolution unterzeichnet haben, in der diese fordern, die Geeignetheit, Erforderlichkeit und normative Angemessenheit des Betäubungsmittelstrafrechts zu überprüfen und hierzu eine Enquetekommission einzurichten. Antje Niewisch-Lennartz (Ausgegeben am 07.01.2015) Drucksache 17/2644 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2316 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 04.11.2014 „Die Ministerin hat einen starken Willen zur Gestaltung, einen langen Atem und preußisches Stehvermögen.“ - Verlorengegangener Gestaltungswille einer Justizministerin? Antwort der Landesregierung