Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2653 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2339 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegan- gen am 10.11.2014 Korruptionsverdacht im LJPA - eine lückenhafte Aufklärung durch das Justizministerium? Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den beschuldigten Richter L. sind abgeschlossen. Am 7. November 2014 wurde gegen ihn eine Anklage erhoben. Zuvor hatte das Nachrichtenmaga- zin Der Spiegel in seiner Novemberausgabe berichtet, dass noch vor Ende dieses Jahres eine An- klage erhoben werden sollte. In dem Artikel wird unter Berufung auf einen polizeilichen Ermittlungsbericht von zahlreichen ver- meintlichen Käufern von Lösungen der Examensklausuren berichtet. Der beschuldigte Richter soll auch sexuelle Dienste als Gegenleitung angenommen haben. Weiterhin sollen Ermittlungen auch gegen einen weiteren Repetitor aus Hamburg aufgenommen worden sein, und der nun beschuldigte Richter soll zunächst bei der Aufklärung einer vermuteten „undichten Stelle“ im Landesjustizprüfungsamt (LJPA) beteiligt gewesen war. Ferner kann es aufgrund eines Austauschprogrammes unter den LJPÄ nicht ausgeschlossen wer- den, dass andere Bundesländer vom diesem Skandal ebenfalls betroffen sind. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Warum wurden die Mitglieder des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen (AfRuV) nicht über den bevorstehenden Abschluss der Ermittlungen unmittelbar durch die Landesre- gierung informiert? 2. Gegen wie viele ehemalige Referendare besteht ein hinreichender Tatverdacht, Klausurlö- sungen gekauft zu haben? 3. Wie viele davon sind gegenwärtig im öffentlichen Dienst des Landes Niedersachsen, eines anderen Landes oder des Bundes beschäftigt? 4. Gegen wie viele weitere Personen wird im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen den be- schuldigten Richter strafrechtlich ermittelt, und wie ist jeweils der Ermittlungsstand? 5. Seit wann und durch wen wurde der beschuldigte Richter L. damit beauftragt, bei der Auffin- dung der vermuteten „undichten Stelle“ im LJPA tätig zu werden? 6. Warum wurden die Mitglieder des AfRuV über diesen Umstand zu keinem Zeitpunkt infor- miert? 7. Welche Prüfungsämter der anderen Länder wurden im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen involviert, und was wurde in dem jeweiligen Bundesland konkret veranlasst? (An die Staatskanzlei übersandt am 17.11.2014) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2653 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Justizministerium Hannover, den 18.12.2014 - 4107 E - 401.29/14 (SH 6) - Das Landgericht Lüneburg hat die am 7. November 2014 von der Staatsanwaltschaft Verden erho- bene Anklage gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesjustizprüfungs- amtes zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung beginnt am 17. De- zember 2014, Fortsetzungstermine sind anberaumt bis zum 30. Juni 2015. Gegenstand der Hauptverhandlung werden die in der Anklage erhobenen Vorwürfe sein, der Ange- klagte habe Prüfungsinhalte für die zweite juristische Staatsprüfung an elf Rechtsreferendare verra- ten oder ihnen die Weitergabe angeboten. Wegen der Einzelheiten der Anklageschrift wird auf die Presseinformation der Staatsanwaltschaft Verden Nr. 12/14 vom 7. November 2014 Bezug ge- nommen, in der es u. a. heißt: „Am heutigen Freitag hat die Staatsanwaltschaft Verden gegen einen 48-jährigen ehemaligen Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesjustizprüfungsamts Anklage wegen Bestechlichkeit im be- sonders schweren Fall, Verletzung des Dienstgeheimnisses und versuchter Nötigung bei dem Landgericht Lüneburg erhoben. Er soll Prüfungsinhalte für die zweite juristische Staatsprüfung an elf Rechtsreferendare verraten oder ihnen die Weitergabe angeboten haben. Der aus dem Wendland stammende Angeschuldigte war in Niedersachsen als Richter tätig und seit dem Jahre 2011 Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamts in Celle. Laut der 52-seitigen Anklage- schrift der Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen der Staatsanwaltschaft Verden soll er über zwei Jahre bis zum März dieses Jahres allein sechs Referendaren die Inhalte von Prüfungsklausuren oder Vorträgen mit Lösungshinweisen gegen teilweise fünfstellige Bargeldbeträge angeboten ha- ben. Einer der Prüfungskandidaten soll nach Zahlung der vereinbarten Gegenleistung Sachver- haltsdarstellungen und Lösungsskizzen erhalten haben. In fünf weiteren Fällen besteht der Ver- dacht, dass der Angeschuldigte die Inhalte von Aktenvorträgen, Klausuren und mündlichen Prüfun- gen oder entsprechende Lösungshinweise dazu Prüfungskandidaten überlassen hat. Da nicht er- mittelt werden konnte, ob und in welchem Umfang Gegenleistungen erfolgt sind, besteht in diesen Fällen lediglich der Verdacht der Verletzung von Dienstgeheimnissen. Der Angeschuldigte soll Prüfungskandidaten, die bereits einmal durch das zweite Staatsexamen durchgefallen waren, von sich aus angesprochen haben. Vier Referendaren, von denen er laut An- klage erhebliche Geldbeträge verlangt hatte, soll er gedroht haben, sie wegen übler Nachrede an- zuzeigen, falls diese sein Angebot verraten würden. Da die so Bedrohten aber gegenüber den Er- mittlungsbehörden ihr Wissen preisgegeben haben, besteht insofern nur der Verdacht der versuch- ten Nötigung. Die Referendare, denen der Angeschuldigte tatsächlich Prüfungsinhalte verraten haben soll, waren entweder bereits einmal durch die Prüfung durchgefallen oder wollten sich in einem Wiederho- lungsversuch verbessern. In einem Fall dürfte allein der Wunsch nach einer besonders guten Prü- fungsleistung Auslöser für die Nutzung der illegal erlangten Lösungshinweise gewesen sein. Der Angeschuldigte befindet sich seit Juni dieses Jahres in Haft in einer deutschen Untersu- chungshaftanstalt. Er war aufgrund eines Europäischen Haftbefehls im März 2014 in Mailand von der italienischen Polizei festgenommen und drei Monate später nach Deutschland ausgeliefert wor- den. Mit der Anklage, die sich nur gegen ihn richtet, werden ihm insgesamt elf einzelne Straftaten vor- geworfen. Soweit der Verdacht der Bestechung oder der Beihilfe dazu gegen andere Personen be- steht, werden die Ermittlungen gesondert fortgeführt. Dies gilt insbesondere für die Referendare, die die Lösungshilfen von dem Angeschuldigten angenommen haben sollen.“ Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2653 3 Mit der Erhebung der vorgenannten Anklage sind die Ermittlungen in dem Gesamtkomplex Landes- justizprüfungsamt indessen noch nicht abgeschlossen. Insbesondere gegen Referendare, die im Verdacht stehen, Lösungshilfen von dem Angeklagten angenommen zu haben, dauern die Ermitt- lungen an. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Nach § 170 StPO endet das Ermittlungsverfahren mit der Entscheidung der Staatsanwaltschaft über die Erhebung der Anklage oder die Einstellung des Verfahrens. Die Staatsanwaltschaft Ver- den hat am 7. November 2014 Anklage erhoben und mit vorstehend auszugsweise wiedergegebe- ner Presseerklärung die Öffentlichkeit informiert. Das zuständige Landgericht Lüneburg hat noch am selben Tag die Zustellung der Anklageschrift an den Verteidiger des nunmehrigen Angeschul- digten veranlasst. Das Niedersächsische Justizministerium hat daraufhin unverzüglich eine Unter- richtung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen angeboten. Dieser hat die Tages- ordnung seiner nächsten turnusmäßigen Sitzung am 12. November 2014 entsprechend erweitert. Die Unterrichtung ist an diesem Tag durch Herrn Staatssekretär Scheibel erfolgt. Die Landesregierung hat damit eine Unterrichtung über den Abschluss des Ermittlungsverfahrens zum frühestmöglichen Zeitpunkt angeboten und den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen am 12. November 2014 ausführlich unterrichtet. Zu 2: Die Staatsanwaltschaft Verden hat bislang gegen insgesamt 17 Prüflinge Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechung im Zusammenhang mit der Weitergabe von Prüfungsinformationen ein- geleitet. In einem Fall ist das Verfahren zwischenzeitlich gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wor- den. In den übrigen 16 Fällen sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen, sodass bislang in keinem Fall ein hinreichender Tatverdacht bejaht worden ist. Zu 3: Derzeit liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Examenskandidaten, gegen die ein Ermitt- lungsverfahren geführt wird, im öffentlichen Dienst beschäftigt sind. Im Übrigen erfolgt eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft an den jeweiligen Arbeitgeber aus Grün- den der Unschuldsvermutung grundsätzlich erst mit Anklageerhebung. Zu 4: Soweit die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in dem Komplex „Landesjustizprüfungsamt“ noch nicht abgeschlossen sind, richten sich diese vornehmlich noch gegen die vormals 17, jetzt 16 ehe- maligen Prüflinge. Weitergehende Auskünfte lässt der derzeitige Ermittlungsstand nicht zu. Zu 5: Ende Februar/Anfang März 2013 fielen im Zusammenhang mit Prüfungsleistungen eines Kandida- ten Unregelmäßigkeiten auf, die den Verdacht eines Sicherheitsvorfalls im Landesjustizprüfungs- amt begründeten. Die Staatsanwaltschaft Verden ist seinerzeit um Prüfung des Sachverhalts gebe- ten worden. Zu dieser Zeit gab es keine Hinweise auf einen Korruptionsfall im Landesjustizprü- fungsamt. Das Verfahren ist durch die Staatsanwaltschaft gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. In der Folgezeit zielten alle Bemühungen im Landesjustizprüfungsamt darauf ab, die organisatori- schen und technischen Sicherheitsstrukturen zu verbessern. An diesen Vorkehrungen waren alle Führungskräfte im Landesjustizprüfungsamt einschließlich des Angeklagten beteiligt. Eine geson- derte Beauftragung des Angeklagten ist in dieser Angelegenheit nicht erfolgt. Der damals nicht ver- dächtige Angeklagte war im Rahmen seiner Funktion in die Aufarbeitung des Vorgangs eingebun- den. Zu 6: Auf die Antwort zu Frage 5 wird verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2653 4 Zu 7: Der Präsident des Landesjustizprüfungsamtes hat die Landesjustizprüfungsämter der anderen Bundesländer über den Korruptionsverdacht unterrichtet. Gegenwärtig liegen der Staatsanwalt- schaft Verden keine Hinweise darauf vor, dass Prüfungsaufgaben anderer Bundesländer betroffen sind. Antje Niewisch-Lennartz (Ausgegeben am 08.01.2015) Drucksache 17/2653 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2339 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Dr. Marco Genthe und Dr. Stefan Birkner (FDP), eingegangen am 10.11.2014 Korruptionsverdacht im LJPA - eine lückenhafte Aufklärung durch das Justizministerium? Antwort der Landesregierung