Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2705 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2534 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Gabriela König und Jörg Bode (FDP), eingegangen am 03.12.2014 Trotz gesetzlichen Mindestlohns Ärger über Billiglöhne in Niedersachsen? Für Aufträge öffentlicher Auftraggeber gilt in Niedersachsen seit dem 01.01.2014 ein Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde. Die Stadt Oldenburg hat bereits in der Ratssitzung am 28.10.2013 einen Mindestlohn von 8,50 Euro für städtische Aufträge beschlossen, damit kein Arbeitsverhältnis im Niedriglohnbereich unterstützt wird. Auftragnehmer städtischer Aufträge müssen folglich verbindlich erklären, dass sie ihren Beschäftigten einen Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro zahlen. Der- zeit gibt es mit dem Neubau der Berufsbildenden Schule an der Maastrichter Straße (BBS III) in der Stadt Oldenburg eine städtische 27 Millionen-Euro-Großbaustelle. Diese geriet Ende Oktober 2014 mit „Ärger über Billig-Löhne für Rumänen“, „Arbeitern auf der Baustelle werde der Mindestlohn vorenthalten . Den Behörden sind die Hände gebunden“ und „Billiglöhne - Beraterin der Landesregie- rung beklagt eklatante Missstände auf Großbaustelle für Schule“ in die Schlagzeilen. Gemäß der Berichterstattung hat das Hauptzollamt die Baustelle und die vorherrschenden Beschäftigungsver- hältnisse kontrolliert. Dabei sei nichts zu beanstanden gewesen. Anders lesen sich die Ausführun- gen eines Gewerkschaftsvertreters, der davon spricht, dass Bestimmungen zum Mindestlohn um- gangen würden. Auch über die Unterbringung der betroffenen Arbeiter aus Rumänien ist ausführlich berichtet wor- den. Demnach lagen Mängel in Sachen Brandschutz und ungesunde Wohnverhältnisse vor. Das zuständige Ordnungsamt in Berne sah nach Aussage der Beraterin der Landesregierung keinen Grund einzuschreiten (NWZ Oldenburger Nachrichten, 31.10.2014). Die Unterkunft ist am 03.11.2014 von der Bauaufsicht des Landkreises Wesermarsch wegen Mängeln geschlossen wor- den. Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung zu den Vorkommnissen/Missständen auf der Großbaustelle in Oldenburg? 2. Hat die Landesregierung durch die Beratungsstelle für mobile Beschäftigte in Niedersachsen, Beratungsstelle Oldenburg, Erkenntnisse über die Arbeits-, Entlohnungs- und Unterbrin- gungsverhältnisse bekommen? 3. Zu 2.: Wenn ja, was wurde wann an die Landesregierung herangetragen? 4. Zu 2.: Wenn nein, weshalb nicht, und wem ist die Beraterin der Landesregierung berichts- pflichtig? 5. Nachdem die Servicestelle im MW bezüglich der Großbaustelle in Oldenburg Hinweise wegen Verstößen gegen das Niedersächsische Tariftreue- und Vergabegesetz erhalten hat, z. B. durch die Beraterin der Landesregierung oder durch die einschlägige Presseberichterstattung, in welcher Form ist sie in ihrer Eigenschaft als Anlaufstelle gegen Verstöße tätig geworden? 6. Ist die Auftragsvergabe einschließlich der erforderlichen An- und Nachmeldungen für Subun- ternehmer für den Neubau der Berufsbildenden Schule an der Maastrichter Straße (BBS III) gemäß den einschlägigen gesetzlichen Vorgaben erfolgt? 7. Wenn nein, an welchen Stelle der Vergabe wurde weshalb verstoßen? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2705 2 8. Wann erfolgte auf welchem Weg die Auftragsvergabe an die 18 selbstständigen rumänischen Arbeiter, sodass das Hauptzollamt keine Beanstandungen an der rechtlichen Konstruktion der Beschäftigungsverhältnisse hatte? 9. Auf welcher gesetzlichen Grundlage erfolgte die Beschäftigung der 18 rumänischen Arbeiter? 10. Gab es An- oder Nachmeldungen an den Auftraggeber durch Subunternehmer oder durch den Generalunternehmer zur Beschäftigung der 18 rumänischen Arbeiter? 11. Falls nein, kann der Auftraggeber die Ausführung der Gewerke durch die 18 Subunternehmer aufgrund eines Verstoßes gegen das Vergabegesetz untersagen bzw. Sanktionen ausspre- chen? 12. Falls eine Meldung über die Vergabe eines Gewerkes an 18 Subunternehmer erfolgt ist, hat der Auftraggeber eine Prüfung der 18 Subunternehmer durchgeführt? 13. Falls ja, warum wurde die Beauftragung der 18 Subunternehmer durch den Auftraggeber tole- riert? 14. Zu welchem Zeitpunkt haben die 18 rumänischen Arbeiter ihre Tätigkeit auf der Großbaustelle in Oldenburg aufgenommen? 15. Wie erklärt sich die Landesregierung, dass Auftragnehmer öffentlicher Aufträge in Nieder- sachsen offensichtlich immer noch gegen Mindestlöhne und Arbeitszeitvorgaben (täglich mehr als zehn Stunden an sechs Tagen die Woche) verstoßen können, obwohl diverse Behörden mit den Vorgängen beschäftigt sind? 16. Wie erklärt sich die Landesregierung, dass das Ordnungsamt in Berne nach den Hinweisen der Beraterin der Landesregierung keine Veranlassung sah, tätig zu werden, die Bauaufsicht des Landkreises aber binnen weniger Tage die Unterkunft geschlossen hat? 17. Hat die Landesregierung Erkenntnisse über den Verbleib der 18 rumänischen Arbeiter bezüg- lich des Arbeitsplatzes und der Unterbringung? (An die Staatskanzlei übersandt am 11.12.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 07.01.2015 für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Z3-01424/0020/2534/Billiglöhne - Die Landesregierung hat in der niedersächsischen Arbeitsmarktpolitik seit 2013 einen Paradigmen- wechsel vollzogen. Durch zahlreiche Maßnahmen wurden der Wert der Arbeit und die Qualität der Beschäftigung in den Mittelpunkt der niedersächsischen Arbeitsmarktpolitik gerückt. Die wesentli- chen Ziele der Landesregierung bestehen so insbesondere in der Zurückdrängung des Niedrig- lohnsektors und der prekären Beschäftigung. Vor allem das mit dem Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetz (NTVergG) eingeführte und bei der Erfüllung öffentlicher Bau- und Dienstleis- tungsaufträge zu zahlende Mindestentgelt von 8,50 Euro/Stunde sowie die Arbeit der vom Land Niedersachsen geförderten Beratungsstellen für mobile Beschäftigte in Oldenburg, Hannover und ab 02.01.2015 auch in Braunschweig dokumentieren die Anstrengungen und den Erfolg der Lan- desregierung bei der Umsetzung des Leitbildes „Gute Arbeit“. Bei beiden Maßnahmen handelt es sich um wirksame Mittel für die Durchsetzung von fairen und angemessenen Arbeitsbedingungen. Der vom Bund eingeführte gesetzliche Mindestlohn unter- stützt diese Aktivitäten des Landes für gute Arbeitsbedingungen. Der in der Anfrage bezeichnete Fall aus Oldenburg zeigt in diesem Zusammenhang die Notwen- digkeit verstärkter Schutz- und Kontrollmechanismen auf. Insoweit ist auf die Zuständigkeit des Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2705 3 Bundes und die bei ihm eingerichtete Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollbehörden hinzuweisen, deren Personal noch aufgestockt werden soll. Die Bundesregierung hat im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Tarifautonomiestärkungsgesetzes und zuletzt in der Antwort auf eine Kleine Anfrage von Abgeordneten der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen vom 24.11.2014 angekündigt, den Zoll bis 2019 um 1 600 Stellen, d. h. jährlich um 320 Stellen, aufzustocken. Ob dies ausreicht, eine wirksame Kontrolle des Mindestlohns sicherzustellen, muss abgewartet werden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1 bis 4: Die Fragen 1 bis 4 werden im Zusammenhang beantwortet. Die Landesregierung hat durch die Presseberichterstattung von den Vorkommnissen auf der Groß- baustelle in Oldenburg erfahren. Im Nachgang dazu hat die Landesregierung mit der Beratungsstel- le für mobile Beschäftigte Kontakt aufgenommen und sich über den aktuellen Sachstand informiert. Anzumerken ist, dass die Beratungsstellen für mobile Beschäftigte in Hannover und Oldenburg zwar vom Land Niedersachsen finanziell gefördert werden, jedoch in Trägerschaft der Bildungsver- einigung Arbeit und Leben Niedersachsen e. V. tätig sind. Sie sind somit dem Land Niedersachsen gegenüber weder berichtspflichtig noch weisungsgebunden. Die Beschäftigten der mobilen Bera- tungsstelle sind nur gegenüber dem zuständigen Geschäftsführer, der gleichzeitig Projektleiter ist, berichtspflichtig. Ziel der Einrichtung der Beratungsstellen ist es, den Arbeitsmigranten direkt und umgehend und un- ter Vermeidung bürokratischer Strukturen zu helfen. Ihre Aufgabe ist es, den oft von ausbeuteri- schen Arbeitssituationen betroffenen ausländischen Beschäftigten durch eine niedrigschwellige Hil- festellung Wege zur Verbesserung ihrer Arbeitssituation aufzuzeigen. Dabei ist die Frage der Kon- taktaufnahme und die Beratung über die konkrete Arbeitssituation ein sensibler Punkt. Viele ratsu- chende Beschäftigte fürchten Konflikte mit ihrem Arbeitgeber oder sogar den Verlust ihres Arbeits- platzes. Daher ist Vertraulichkeit eine zwingende Voraussetzung für die Beratungstätigkeit. Vor die- sem Hintergrund wäre eine Berichtspflicht gegenüber einer Landesbehörde für die Arbeit der Bera- tungsstellen kontraproduktiv. Durch die Aufklärungsarbeit und Vernetzung der Beratungsstellen mit den zuständigen Behörden will die Landesregierung viel mehr und vom Einzelfall unabhängig systematischeren Einblick in den Bereich der prekären Beschäftigung erhalten, um so gegebenenfalls weitere notwendige Maßnah- men ergreifen zu können. Ein Austausch hierüber findet in dem für die Beratungsstellen eingerichteten Beirat statt. Zu 5: Nach der Berichterstattung in der Presse und nach Rücksprache mit der Beratungsstelle in Olden- burg wegen der bereits vom insoweit zuständigen Zoll ergriffenen Maßnahmen hat für die Landes- regierung keine Veranlassung bestanden, die Vorfälle erneut bei der Bundeszollverwaltung anzu- zeigen. Zu 6 bis 10: Der Landesregierung liegen zu diesen Fragen keine Erkenntnisse vor. Zu 11: Die konkrete Ausgestaltung und Abwicklung des Vertragsverhältnisses zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer ist der Landesregierung nicht bekannt; ebenso wenig, ob der zugrundeliegende Auf- trag nach dem ab 01.01.2014 geltenden NTVergG oder noch aufgrund des Landesvergabegeset- zes erteilt wurde, das mit Ablauf des 31.12.2013 außer Kraft trat. Beide landesgesetzliche Rege- lungen lassen jedoch grundsätzlich den Einsatz von Nachunternehmern zu. Zu 12 und 13: Der Landesregierung liegen zu diesen Fragen keine Erkenntnisse vor. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2705 4 Zu 14: Nach Auskunft der Beratungsstelle hat diese im Oktober 2014 erfahren, dass die rumänischen Ar- beitnehmer Ende August 2014 ihre Tätigkeit in Oldenburg aufgenommen haben. Zu 15: Die Landesregierung hat mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz, das zum 01.01.2014 in Kraft ge- treten ist, die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen, dass die Zahlung von Mindestentgelten zur Bedingung für die Auftragserteilung gemacht wird und damit Eingang in die abzuschließenden Ver- träge findet. Die Durchführung der zivilen Verträge obliegt den Vertragspartnern. Zu 16: Hierzu kann die Landesregierung keine Auskunft geben. Eine gesicherte Auskunft ist nur durch das Ordnungsamt in Berne möglich. Zu 17: Nach Auskunft der Beratungsstelle haben die rumänischen Arbeitnehmer Tätigkeiten an unter- schiedlichen Orten in Süddeutschland aufgenommen. Nähere Erkenntnisse liegen der Landesregierung nicht vor. Olaf Lies (Ausgegeben am 13.01.2015) Drucksache 17/2705 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2534 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Gabriela König und Jörg Bode (FDP), eingegangen am 03.12.2014 Trotz gesetzlichen Mindestlohns Ärger über Billiglöhne in Niedersachsen? Antwort der Landesregierung