Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2725 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2504 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP), eingegangen am 03.12.2014 Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Das Bundeskabinett hat am 24. September 2014 den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften beschlossen. Mit Beschluss des Bundesrates vom 7. November 2014 (Empfehlungsdrucksache 432/14) nimmt die Länderkammer zu diesem Gesetzentwurf u. a. wie folgt Stellung: „In Artikel 4 ist nach der neuen Nummer 2 b folgende Nummer 2 c einzufügen: 2 c. In § 8 wird dem Absatz 1 folgender Satz angefügt: ‚Zu den Einnahmen in Geld gehören auch Vorteile, die nicht in Geld bestehen, aber auf einen Geldbetrag lauten, sowie zweckgebundene Geldzuwendungen. Entsprechendes gilt für Ausgaben, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters, des Todes oder gegen andere Risiken abzusichern.‘“ Laut Stellungnahme des Bundesrats soll diese gesetzliche Neuregelung erreichen, dass Gutschei- ne, die auf einen Geldbetrag lauten, zweckgebundene Geldzahlungen sowie Beiträge zu einer Ver- sicherung zugunsten des Arbeitnehmers nicht unter den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 EStG fallen. Hierzu sollen diese Leistungen als „Einnahmen‚ die in Geld bestehen“ definiert werden. Vor dem Hintergrund, dass auch die Bundesregierung einer solchen Gesetzesänderung aufge- schlossen gegenübersteht und den Ländervorschlag prüfen will, wird eine heimliche Steuererhö- hung für hunderttausende Arbeitnehmer befürchtet. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Position vertritt die Landesregierung gegenüber der in der Stellungnahme des Bun- desrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Drucksache 432/14 (Be- schluss)) unter Ziffer 11 aufgeführten Änderungswünsche? 2. Inwieweit hat sich diese Haltung der Landesregierung in ihrem Abstimmungsverhalten zur o. g. Ziffer 11 ausgedrückt? 3. Wie hoch ist die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Niedersachsen, die durch die vorgesehene Gesetzesänderung in Form finanzieller Mehrbelastung potenziell betroffen wären? Wie hoch fällt diese Mehrbelastung im Durchschnitt aus? 4. Voraussichtlich wie hoch sind die durch die Gesetzesänderung eintretenden steuerlichen Mehreinnahmen für das Land Niedersachsen? 5. Inwieweit fällt unter die geplante Neuregelung das von vielen Arbeitnehmern genutzte Ange- bot eines Jobtickets? (An die Staatskanzlei übersandt am 10.12.2014) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2725 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Finanzministerium Hannover, den 07.01.2015 - S 1900-461 und O 1000-6/280 - Es besteht seit jeher ein steuerlicher Unterschied zwischen Einnahmen, die in Geld bestehen, und Einnahmen, die in Geldeswert bestehen (sogenannte Sachbezüge), auch wenn sich dies nicht im Wortlaut der hier einschlägigen Vorschrift des § 8 des Einkommensteuergesetzes widerspiegelt. Dort sind exemplarisch „Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge“ aufgeführt . Es steht außer Frage, dass Sachbezüge steuerlich erfasst und zu diesem Zweck bewertet werden müssen. Den dabei auftretenden Problemen der betragsmäßigen Zurechnung von „Bagatellbeträgen “ ist man (seit 1996) durch eine monatliche Freigrenze in Höhe von aktuell 44 Euro begegnet. Sinn und Zweck der 44-Euro-Freigrenze waren nach dem Willen des Gesetzgebers, das Besteue- rungsverfahren zu vereinfachen, nämlich Arbeitgeber (und Verwaltung) bei der streitanfälligen steuerlichen Bewertung von Sachbezügen mit geringem Wert zu entlasten. Bei Warengutscheinen, die auf einen Geldbetrag lauten, treten naturgemäß keine Probleme bei der Bewertung auf, sodass auch die Vereinfachungsregelung der monatlichen 44-Euro-Freigrenze kei- ne Anwendung fand. Die Rechtsprechung hat bei der Beantwortung der Frage, ob Barlohn oder Sachbezüge vorliegen, in den letzten Jahren allerdings eine Kehrtwende vollzogen und der 44-Eu- ro-Freigrenze für Sachbezüge sogar dann Geltung verschafft, wenn der Arbeitnehmer einen Geld- betrag mit der Auflage erhalten hat, diesen in bestimmter Weise zu verwenden, z. B. um in diesem Umfang zu tanken. De facto hat sich die Freigrenze unter dieser Rechtsprechung immer mehr zu einem (vom Gesetzgeber nie beabsichtigten) „Freibetrag für Gutscheine“ entwickelt - mit der Folge von Steuerausfällen, Mindereinnahmen in der gesetzlichen Sozialversicherung und Wegfall der Vereinfachung. Ausgehend von einem Antrag des Landes Hessen hat sich der Bundesrat mit den Stimmen aller Länder im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens für ein „Gesetz zur Anpassung der Abgaben- ordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ mit Be- schluss vom 07.11.2014 (BR-Drs. 432/14) für die Wiederherstellung der ursprünglichen Funktion der 44-Euro-Freigrenze eingesetzt. Anders ausgedrückt: Auch in Zukunft soll z. B. ein Gutschein über „20 Liter Benzin“ unversteuert bleiben, während ein Gutschein über 30 Euro wie die Hingabe von Bargeld normal versteuert wird. Dies ist auch eine Frage der Steuergerechtigkeit, denn warum soll ein Gutschein über 30 Euro steuer- und sozialversicherungsrechtlich anders behandelt werden als 30 Euro Barlohn. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung vom 12.11.2014 (BT-Drs. 18/3158) zugesagt, den Vorschlag zu prüfen. Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz am 05.12.2014 (BR-Drs. 592/14) ohne den Vorschlag des Bundesrates beschlossen. Der Bundesrat hat dem „Zoll- kodex-Anpassungsgesetz“ am 19.12.2014 (BR-Drs. 592/14 [Beschluss]) zugestimmt. Es bleibt daher offen, inwieweit und wann es zu der von den Ländern angestrebten Gesetzesänderung kom- men kann und wird. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Position der Landesregierung ergibt sich aus der Vorbemerkung. Zu 2: Durch Zustimmung. Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2725 3 Zu 3: Grundsätzlich kann jeder Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber einen Gutschein über einen Geld- betrag erhalten. Insoweit könnte jeder Beschäftigte in Niedersachsen potenziell betroffen sein (nach Angaben des Landesamtes für Statistik Niedersachsen waren 2013 2 633 743 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt). Wie viele Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern tatsächlich entsprechende Leistungen erhalten und in welcher Form die Vorteilsgewährung jeweils erfolgt, ist nicht bekannt. Die Höhe der Mehrbelastung in den in der Vorbemerkung dargelegten Fällen hängt von den indivi- duellen Verhältnissen des jeweiligen Arbeitnehmers ab. Daten zur durchschnittlichen Mehrbelas- tung eines Arbeitnehmers liegen nicht vor. Zu 4: Zu den Auswirkungen der vom Bundesrat vorgeschlagenen Neuregelung auf das Steueraufkom- men liegen keine Informationen vor. Zur Höhe möglicherweise eintretender Steuermehreinnahmen kann daher keine Aussage getroffen werden. Im Übrigen wird durch den Ausschluss der in der Vorbemerkung dargelegten, auf Geldzahlung hin- auslaufenden Gutscheine eine Ausschöpfung der Freigrenze von 44 Euro durch „echte“ Sachbezüge erst wieder ermöglicht. Steuerliche Mehreinnahmen zulasten der Arbeitnehmer werden also kei- neswegs notwendig generiert. Zu 5: Das typische Jobticket wäre von einer möglichen Neuregelung nicht betroffen. Überlässt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer ein Jobticket zu dem mit dem Verkehrsträger ver- einbarten (oder höheren) Preis, entsteht erst gar kein zu besteuernder geldwerter Vorteil. Wird der Preis unterschritten (z. B. bei einem unentgeltlichen Jobticket), ist auf den dadurch eintretenden geldwerten Vorteil auch zukünftig die 44-Euro-Freigrenze anwendbar. Die anders lautende Aussa- ge in der von der FDP-Fraktion im Niedersächsischen Landtag veröffentlichten Presseinformation (Nr. 381/2014) vom 17.11.2014 ist schlicht falsch. Für Sachlohn bleibt die 44-Euro-Freigrenze un- angetastet. Peter-Jürgen Schneider (Ausgegeben am 15.01.2015) Drucksache 17/2725 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2504 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP), eingegangen am 03.12.2014 Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Antwort der Landesregierung