Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2815 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2596 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg, Belit Onay (GRÜNE) und Marco Brunotte (SPD), eingegangen am 09.12.2014 Strafverfolgung von NS-Verbrechen Mord verjährt in der Bundesrepublik Deutschland nicht. Deshalb können auch heute noch NS- Verbrecher wegen begangener Morde vor Gericht gestellt und verurteilt werden. Die Verurteilung von John Demjanjuk im Jahr 2011 wegen Beihilfe zum Mord in Tausenden Fällen ließ eine bereits in den 50er- und 60er-Jahren bestehende Rechtsprechung wiederaufleben, nach der Wächter in Vernichtungslagern auch ohne Nachweis eines einzelnen konkreten Tatbeitrags wegen Beihilfe zum Mord verurteilt werden können. Auch vor diesem Hintergrund recherchierte die Zentralstelle der Staatsanwaltschaften zur Verfolgung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg gezielt nach früheren Wachleuten aus Konzentrationslagern. Mehrere der gefundenen Fälle betrafen auch Niedersach- sen. Nach weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover hat diese schließlich Anklage gegen den sogenannten Buchhalter von Auschwitz erhoben. Die übrigen Fälle mussten wegen Ver- fahrenshindernissen eingestellt werden. Immer wieder berichteten Medien über einen früheren Angehörigen der SS-Division „Hermann Göring “, Alfred L., der in Italien wegen Kriegsverbrechen in Abwesenheit verurteilt wurde. In der Folge liefen auch in Deutschland Ermittlungen gegen den Mann, der im Landkreis Stade lebt. Im August 2014 berichtete der NDR über Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Lüneburg wegen ei- nes Mordes im Jahr 1945, kurz vor Kriegsende, an einem abgeschossenen US-amerikanischen Pi- loten. Dieser soll den Absturz zunächst überlebt haben, danach aber hinterrücks ermordet und in der Nähe des Dorfes Rosien verscharrt worden sein. Im Juni 2014 berichtete der NDR außerdem über das Gerücht, 1945 seien Zwangsarbeiter in Müh- len (Landkreis Vechta) ermordet worden. Die Staatsanwaltschaft ging dem nach. Der Verdacht er- härtete sich aber nicht. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie viele Ermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen werden gegenwärtig bei niedersächsi- schen Staatsanwaltschaften geführt? 2. Wie ist der jeweilige Verfahrensstand in den oben aufgeführten Ermittlungsverfahren? 3. Hat die Landesregierung Erkenntnisse über weitere Ermittlungsverfahren wegen ermordeter Kampfpiloten oder ermordeter Zwangsarbeiter im 2. Weltkrieg in Niedersachsen? (An die Staatskanzlei übersandt am 17.12.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Justizministerium Hannover, den 16.01.2015 - 4010 I – 402. 163 - Der Landesregierung ist sowohl die historische als auch die strafrechtliche Aufarbeitung der Ver- brechen des Nationalsozialismus ein wichtiges Anliegen. Das Justizministerium unterrichtet den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen deshalb fort- laufend über den Stand der Verfolgung und Aufklärung von NS-Verbrechen in Niedersachsen. Dadurch wird dem Informationsbedürfnis des Landtages kontinuierlich Rechnung getragen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2815 2 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Gegenwärtig wird in Niedersachsen ein Ermittlungsverfahren wegen NS-Verbrechen geführt. Er- gänzend wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen. Zu 2: Gegen den als „Buchhalter von Auschwitz“ bekannten Beschuldigten, einen ehemaligen Angehöri- gen der Kommandantur des Konzentrationslagers, hat die Staatsanwaltschaft Hannover am 28.08.2014 Anklage wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300 000 rechtlich zusammentreffen- den Fällen vor dem Schwurgericht des Landgerichts Lüneburg erhoben. Das Gericht hat das Hauptverfahren am 09.12.2014 eröffnet. Die Hauptverhandlung soll im April 2015 beginnen. Zwei Beschuldigte, denen zur Last gelegt worden ist, Wachdienst im Konzentrationslager Auschwitz versehen zu haben, sind nach amtsärztlicher Feststellung dauerhaft verhandlungsunfä- hig. Die gegen sie gerichteten Ermittlungsverfahren sind daher am 18.08.2014 bzw. 19.08.2014 von der Staatsanwaltschaft Hannover eingestellt worden. Ein weiterer Beschuldigter, ebenfalls ein ehemaliger Bediensteter im Konzentrationslager Auschwitz, ist am 14.10.2013 verstorben. Das gegen ihn geführte Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft Hannover am 15.01.2014 eingestellt. Gegen den in der Kleinen Anfrage genannten früheren Angehörigen der Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“ wurden die Ermittlungen in Italien geführt. Die Staatsanwaltschaft Stade hat die italienischen Behörden jedoch dabei im Wege der Rechtshilfe unterstützt. Am 18.06.2014 entdeckte ein Team der amerikanischen Organisationen JPAC (Joint POW/MA Ac- counting Command) und M:A:A:C:R.T. (Missing Allied Air Crew Research Team) im Bezirk Amt Neuhaus in einem Waldstück Bohldamm/Gudow das Grab eines amerikanischen Piloten, der am 18.04.1945 mit seinem Flugzeug nach Beschuss abgestürzt war. Die Obduktion der Leiche ergab, dass die verstorbene männliche Person zu Lebzeiten erhebliche Knochenfrakturen (mutmaßlich aufgrund des Absturzes) erlitten hatte. Todesursächlich soll jedoch ein Kopfschuss gewesen sein. Da ein Täter nicht ermittelt werden konnte, ist das Verfahren am 12.08.2014 von der Staatsanwalt- schaft Lüneburg eingestellt worden. Aufgrund der Presseberichterstattung über mehrere mögliche Tötungsdelikte in Mühlen (Landkreis Vechta) wurde von der Staatsanwaltschaft Oldenburg am 07.05.2014 ein Verfahren gegen Unbe- kannt wegen des Verdachts des Mordes eingeleitet. In diesem Verfahren wurden Ermittlungen we- gen zweier, möglicherweise zusammenhängender, Geschehnisse im Mai 1945 geführt. Es handelte sich hierbei um die angebliche Tötung von Zwangsarbeitern sowie die angebliche Tötung einer Person durch Zwangsarbeiter. Da ein hinreichend konkreter Sachverhalt nicht ermittelt werden konnte, ist das Verfahren von der Staatsanwaltschaft Oldenburg eingestellt worden. Zu 3: Die Staatsanwaltschaft Aurich geht derzeit einem Hinweis über mögliche Kriegsverbrechen an Zwangsarbeitern in der Gemeinde Filsum (Landkreis Leer) nach. Weitere Erkenntnisse liegen der- zeit nicht vor. Antje Niewisch-Lennartz (Ausgegeben am 26.01.2015) Drucksache 17/2815 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2596 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg, Belit Onay (GRÜNE) und Marco Brunotte (SPD), eingegangen am 09.12.2014 Strafverfolgung von NS-Verbrechen Antwort der Landesregierung