Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2824 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2045 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen und Björn Försterling (FDP), einge- gangen am 17.09.2014 Fusion der Stadt Helmstedt und der Samtgemeinde Nord-Elm Mit dem im Jahr 2009 von der schwarz-gelben Landesregierung aufgelegten und von der rot- grünen Landesregierung fortgeführten Zukunftsvertrag sollten die Gebietskörperschaften auf der ersten und zweiten Stufe der kommunalen Selbstverwaltung die Möglichkeit erhalten, effizientere Verwaltungsstrukturen aufzubauen. Während sich das Land im Zukunftsvertrag verpflichtet, 75 % der aufgelaufenen Kassenkredite als Zins- und Tilgungshilfe zu übernehmen, verpflichten sich die Fusionspartner zu vertraglich fixierten Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung. Die Stadt Helmstedt und die Samtgemeinde Nord-Elm befinden sich seit 18 Monaten in Fusions- verhandlungen. Beide Gebietskörperschaften und die entsprechenden Mitgliedsgemeinden haben Beschlüsse zum Zukunftsvertrag, zum Gebietsänderungsvertrag und zur Einleitung des Gesetzge- bungsverfahrens gefasst. Mit der Stadt Helmstedt und den Gemeinden Barmke, Emmerstedt, Frellstedt, Süpplingenburg, Warberg und Wolsdorf haben sieben Fusionspartner für die Fusion und mit dem Gemeinderat Räbke und Süpplingen sowie dem Rat der Samtgemeinde Nord-Elm drei Fusionspartner gegen die Fusion votiert. Die Kommunalaufsicht hat bereits in einer Antwort an die Verwaltung der Samtgemeinde Nord-Elm bestätigt, dass die Fusion auch trotz der Gegenstimmen aus den Gemeinden Räbke und Süpplin- gen sowie aus dem Samtgemeinderat Nord-Elm rechtlich möglich ist. Dies sei eine rein politische Entscheidung der Landesregierung. Darüber hinaus haben die Gemeinden Wolsdorf und Warberg Initiativen zum Austritt aus der Samt- gemeinde Nord-Elm im Rahmen ihrer letzten Ratssitzungen forciert, sofern eine Genehmigung der Fusion durch das Land versagt wird. Ferner planen mehrere Bürgergruppen, kassierende Bürger- begehren gegen die ablehnenden Beschlüsse der Gemeinde Räbke und Süpplingen sowie der Samtgemeinde Nord-Elm zu initiieren. Insbesondere diese Bürgergruppen verlangen nun nach ver- bindlichen Aussagen, um abschätzen zu können, ob die Fusion auch ohne Bürgerentscheid ge- nehmigt wird und ob - im Falle einer Versagung durch das Land - die Entschuldungshilfe im Falle eines positiven Bürgerentscheids dennoch ausgezahlt wird. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Ist sie ebenso wie die Kommunalaufsicht der Auffassung, dass eine Fusion der Stadt Helm- stedt und der Samtgemeinde Nord-Elm trotz der Gegenstimmen dreier Gremien rechtlich möglich ist? Ist die Fusion der Stadt Helmstedt und der Samtgemeinde Nord-Elm damit ledig- lich eine politische Entscheidung der Landesregierung? 2. Welche Gründe sprechen nach Auffassung der Landesregierung für und welche gegen eine Genehmigung der Fusion zwischen der Stadt Helmstedt und der Samtgemeinde Nord-Elm? 3. Ist die Landesregierung der Auffassung, dass alle Beschlüsse der zehn beteiligten Gremien gleichrangig sind, und ist sie der Auffassung, dass ein Beschluss des Rates der Samtgemein- de Nord-Elm für eine Fusion zwingend erforderlich war? 4. Wird sie die Fusion zwischen der Stadt Helmstedt und der Samtgemeinde genehmigen? 5. Haben die Beschlüsse der Gemeinden Wolsdorf und Warberg, die im Falle eines Scheiterns der Fusion aus der Samtgemeinde Nord-Elm austreten möchten, Auswirkungen auf die Ent- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2824 2 scheidungsfindung der Landesregierung ? Würde die Landesregierung einen solchen Schritt im Falle eines Scheiterns der Fusionsverhandlungen vor dem Hintergrund genehmigen, dass beide Gemeinden Ortsteile der Stadt Helmstedt würden und die Einwohnerzahl der Samtge- meinde Nord-Elm dann unter 4 000 Einwohner fiele? 6. Hätte ein erfolgreicher Abschluss eines oder mehrerer Bürgerbegehren durch einen positiven Bürgerentscheid in der Gemeinde Räbke und/oder Süpplingen sowie in der Samtgemeinde Nord-Elm Auswirkungen auf die Genehmigung der Fusion durch die Landesregierung? 7. Würde das Land die Entschuldungshilfe in Höhe von rund 12 Millionen Euro auch im Falle ei- nes erfolgreichen Abschlusses des Bürgerbegehrens durch einen Bürgerentscheid auszahlen, wenngleich dieser (durch das gesetzlich festgelegte Quorum und die gesetzlich fixierte Frist von sechs Monaten) erst im Januar 2015 abgeschlossen wäre? 8. Schließt die Landesregierung eine Fusion von oben aus, sofern der freiwillige Zusammen- schluss zwischen der Stadt Helmstedt und der Samtgemeinde Nord-Elm scheitern sollte? 9. Sieht sie einen Zusammenhang zwischen einem möglichen Scheitern der Fusionsverhand- lungen zwischen der Stadt Helmstedt und der Samtgemeinde Nord-Elm und dem Erhalt des Leistungsangebotes (z. B. Amtsgericht, Arbeitsagentur, Finanzamt) der Kreisstadt Helmstedt? 10. Sieht sie einen Zusammenhang zwischen einem möglichen Scheitern der Fusionsverhand- lungen zwischen der Stadt Helmstedt und der Samtgemeinde Nord-Elm und einer etwaigen Aufteilung des Landkreises Helmstedt? 11. Würde sie eine Fusion der Stadt Wolfsburg mit dem Landkreis Helmstedt mit weiteren Einge- meindungen durch die Stadt Wolfsburg genehmigen? 12. Welche Rolle soll in zukünftigen Fusionsverhandlungen der zuständige Regionalbeauftragte Matthias Wunderling-Weilbier spielen? (An die Staatskanzlei übersandt am 24.09.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 22.01.2015 für Inneres und Sport - 31.1 - Zu Beginn des Jahres 2013 nahmen die Stadt Helmstedt und die Samtgemeinde Nord-Elm Ver- handlungen über einen gebietlichen Zusammenschluss auf. Verhandelt wurden ein Gebietsände- rungsvertrag (Entwurf Stand: 04.09.2014) und - unter Beteiligung des Ministeriums für Inneres und Sport - der Entwurf eines Zukunftsvertrages mit dem Land (Stand: 07.08.2014). Im Ergebnis der Verhandlungen sprachen sich die Räte der Stadt Helmstedt und der Mitgliedsgemeinden Frellstedt, Süpplingenburg, Warberg und Wolsdorf für den Zusammenschluss aus. Die Räte der Samtgemein- de Nord-Elm sowie der Mitgliedsgemeinden Süpplingen und Räbke votierten mehrheitlich gegen den Zusammenschluss. Mit Schreiben vom 29.09.2014 an das Ministerium für Inneres und Sport regten die Stadt Helmstedt und die Mitgliedsgemeinden Frellstedt, Warberg und Wolsdorf der Samtgemeinde Nord-Elm die Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens zur Fusion der Samtgemeinde Nord-Elm und ihrer Mit- gliedsgemeinden mit der Stadt Helmstedt an. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Kommunale Gebietsänderungen, wie insbesondere kommunale Zusammenschlüsse, bedürfen nach Artikel 59 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung (NV) eines formellen Gesetzes Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2824 3 und sind nach Artikel 59 Abs. 1 NV nur aus Gründen des Gemeinwohls zulässig. Die Zustimmung der Vertretungen der beteiligten Kommunen zu einem Zusammenschluss ist im Rahmen der Fest- stellung der Gründe des Gemeinwohls ein wichtiger abwägungserheblicher Belang. Sie kann aber die Abwägung des Gesetzgebers und die dem vorgelagerte, ebenfalls an Artikel 59 NV auszurich- tende verfassungspolitische Entscheidung der Landesregierung über die Einbringung eines diesbe- züglichen Gesetzentwurfs nicht ersetzen. Zu 2: Für eine Fusion der Stadt Helmstedt und der Samtgemeinde Nord-Elm sprechen vor allem deren Potenzial zur Steigerung der kommunalen Leistungs- und Finanzkraft sowie die demografische Entwicklung. Vergleichbar gewichtige Sachgründe, die gegen eine Fusion sprechen, sind der Lan- desregierung gegenwärtig nicht bekannt. Zu 3: Die verfassungsrechtlich gebotene Abwägung zur Bestimmung der Gründe des Gemeinwohls nach Artikel 59 Abs. 1 NV erfordert eine Berücksichtigung aller für eine konkrete Gebietsänderung erheb- lichen Belange. Außerhalb dieser Gesamtabwägung können einzelne Belange weder in eine Rang- folge gebracht werden noch in absoluter Weise einer Gebietsänderung entgegenstehen. Zu 4: Das Land hat über den Antrag der Stadt Helmstedt, für deren Zusammenschluss mit der Samtge- meinde Nord-Elm gesetzesinitiativ zu werden, noch nicht entschieden. Zu 5: Mögliche Eingemeindungen einzelner Mitgliedsgemeinden der Samtgemeinde Nord-Elm in die Stadt Helmstedt setzen eine zukunftsgerechte Lösung für die Samtgemeinde Nord-Elm insgesamt voraus. Im Übrigen wird auf die Antwort zur Frage 3 verwiesen. Zu 6: Auf die Antwort zur Frage 3 wird verwiesen. Zu 7: Die Zahlung einer Entschuldungshilfe setzt den Abschluss eines Zukunftsvertrages mit dem Land voraus. Entsprechende Verpflichtungsermächtigungen stehen voraussichtlich auch im Haushalts- jahr 2015 zur Verfügung. Zu 8: Die Freiwilligkeit kommunaler Zusammenschlüsse ist für die Landesregierung bekanntlich eine Grundbedingung. Dies gilt auch für eine mögliche Fusion der Samtgemeinde Nord-Elm und ihrer Mitgliedsgemeinden mit der Stadt Helmstedt. Zu 9: Nein. Zu 10: Nein. Die Landkreise Helmstedt und Wolfenbüttel führen zurzeit Vorgespräche über einen mögli- chen Zusammenschluss beider Kommunen mit jeweils allen ihnen angehörenden Gemeinden. Die Landesregierung befürwortet grundsätzlich einen solchen Zusammenschluss. Zu 11: Die Frage nach einer derartigen Gesetzesinitiative der Landesregierung stellt sich derzeit nicht. Zum einen will der Landkreis Helmstedt nur mit allen ihm angehörenden Gemeinden in eine mögli- che neue Struktur gehen. Zum anderen hat das bekannte Gutachten der Professoren Mehde und Hagebölling auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber einer solchen neuen kom- munalen Struktur hingewiesen. Diese Bedenken werden von der Landesregierung geteilt. Darüber hinaus wird auf die Antwort zur Frage 10 verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2824 4 Zu 12: Die Landesbeauftragten für regionale Landesentwicklung unterstützen und beraten die Kommunen auf deren Antrag u. a. in einzelnen Aspekten von Fusionsangelegenheiten. Dies kann auch die Teilnahme an Fusionsverhandlungen umfassen. Boris Pistorius (Ausgegeben am 29.01.2015) Drucksache 17/2824 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2045 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen und Björn Försterling (FDP), eingegangen am 17.09.2014 Fusion der Stadt Helmstedt und der Samtgemeinde Nord-Elm Antwort der Landesregierung