Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2842 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2444 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Sylvia Bruns und Christian Dürr (FDP), eingegangen am 26.11.2014 Personalstrukturen an den niedersächsischen Grundschulen Gegenwärtig gibt es in Niedersachsen 1 648 Grundschulen mit rund 19 544 Lehrerinnen und Leh- rern. Die jeweiligen Anteile weiblicher und männlicher Lehrkräfte sind Berichten zufolge nicht aus- geglichen. In einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung unter dem Titel „Herr Lehrerin“ geht es um einen jungen Grundschullehrer aus Wolfenbüttel, der dem Bericht zufolge die Ausnahme bil- det. „Im Schuljahr 2010/2011 lag der Anteil männlicher Grundschullehrer bei 13 %. Im Gymnasiallehramt ist mit 43 % der höchste Männeranteil in allen Schulformen vertreten.“ Weiter heißt es: „Im Schnitt aller Schulformen sind sieben von zehn Lehrkräften weiblich.“ Einer Untersuchung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zufolge, sind Rollenbilder in unserer Gesellschaft heute noch eindeutig: Männer sollten einen Beruf haben, in dem sie viel Geld verdienen, Karriere machen und die Familie ernähren. Diese Vorstellungen sind dem Artikel zufolge nicht kompatibel mit dem Beruf des Grundschullehrers: „Von allen Lehrerberufen gehört der in der Grundschule in die niedrigste Besoldungsgruppe (…), Aufstiegschancen bestehen praktisch keine, und das Basteltanten-Klischee tut sein Übriges.“ Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie viele männliche Lehrkräfte unterrichten gegenwärtig an den niedersächsischen Grund- schulen, und gibt es Landkreise bzw. kreisfreie Städte, in denen der Anteil weiblicher Lehr- kräfte signifikant hoch ist? 2. Wie bewertet die Landesregierung das Argument, der Beruf des Grundschullehrers sei nicht attraktiv genug für Männer? 3. Was sind nach Meinung der Landesregierung die Gründe für die geringe Zahl männlicher Lehrkräfte an den Grundschulen in Niedersachsen? 4. Welche Planungen verfolgt die Landesregierung, um den Beruf des Grundschullehrers für Männer attraktiver zu gestalten, erwägt sie insbesondere eine Besoldungserhöhung für weib- liche und männliche Lehrkräfte? 5. Hat die geringe Zahl männlicher Lehrkräfte an Grundschulen nach Meinung der Landesregie- rung Auswirkungen auf die Entwicklung von Jungen und Mädchen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass zunehmend Kinder ohne Vater aufwachsen und es an männlichen Rollen- vorbildern fehlt? 6. Kann sich die Landesregierung vorstellen, eine gesetzliche Quote für Männer an den Grund- schulen einzuführen? (An die Staatskanzlei übersandt am 02.12.2014) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2842 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Kultusministerium Hannover, den 28.01.2015 - 01-0 420/5-2444 - Ziel der Landesregierung ist es, eine geschlechtergerechte Schule zu gestalten, in der Mädchen und Jungen gleichermaßen ihre Lern- und Leistungspotenziale entwickeln und ausschöpfen kön- nen. Das Kultusministerium hat im Zusammenhang mit dem von den Fragestellern angesproche- nen Themenkomplex eine Internetseite zum Thema „Geschlechtersensible Arbeit in der Schule“ eingerichtet (http://www.mk.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=28533&article_ id=99125&_psmand=8). Im Rahmen von Schulleistungsstudien sind in der Vergangenheit auch geschlechtsbezogene Dis- paritäten untersucht worden. Es gibt allerdings keine Studie, die wissenschaftlich seriös belegen kann, dass die Bildungsbiografie für Jungen durch männliche Lehrkräfte eindeutig positiver verlau- fen würde. Empirisch gut nachgewiesen ist hingegen, dass Schülerinnen und Schüler von der Fachkompetenz der Lehrkräfte profitieren. Kategorien wie soziale Herkunft und Migration haben ei- nen weitaus größeren Einfluss auf schulische Leistungen als das Geschlecht. Eine Erhöhung des Anteils an männlichen Lehrkräften wird durch flankierende Maßnahmen unter- stützt; z. B. gibt es diesbezüglich das Projekt „Männer und Grundschullehramt“ der Universität Hil- desheim. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt: Zu 1: Zum Stichtag 22.09.2014 unterrichten landesweit 22 882 Lehrkräfte an öffentlichen Grundschulen oder Grundschulzweigen, davon 2 694 männliche Lehrkräfte. Dies entspricht einem Anteil von 11,77 % männlichen Lehrkräften und 88,23 % weiblichen Lehrkräften in diesem Bereich. Unter der Annahme, dass eine Abweichung von mehr als 2 % vom landesweiten Durchschnitt als signifikant zu bezeichnen ist, haben folgende Landkreise bzw. kreisfreie Städte einen signifikant hohen Anteil weiblicher Lehrkräfte: Braunschweig (91,64 %), Gifhorn (91,30 %), Wolfenbüttel (90,36 %), Hannover (Region) (90,64 %), Harburg (91,03 %), Osterholz (91,71 %), Verden (92,42 %) und Vechta (90,99 %). Zu 2: Die Aussage, dass der Beruf des Grundschullehrers nicht attraktiv genug für Männer sei, ist kein Argument, sondern ein Erklärungsversuch für den zurückgehenden Männeranteil in den Grund- schulkollegien Niedersachsens. Dieser ist von 18,2 % zum 21.09.1989 auf 11,77 % zum 22.09.2014 gesunken. Die Landesregierung sieht diese Entwicklung kritisch und strebt einen höhe- ren Anteil von männlichen Lehrkräften in Grundschulen an. Zu 3: Es gibt unterschiedliche Gründe, die für den geringen Anteil an männlichen Lehrkräften ursächlich sind: – Der hohe fachliche Anspruch des Berufs wird nicht erkannt. – Es fehlt den männlichen Jugendlichen und jungen Männern, die vor der Berufswahl stehen, an männlichen Vorbildern im Grundschullehramt. – Potenziellen Bewerbern für das Lehramt könnte die Bezahlung der Grundschullehrkräfte im Vergleich mit dem gymnasialen Lehramt als zu niedrig erscheinen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2842 3 Zu 4: Die verstärkte Bewerbung des Grundschullehrerberufs bei männlichen Jugendlichen durch die Landesregierung muss bei den Gründen für die niedrige Zahl männlicher Lehrkräfte ansetzen und ihnen gezielt entgegenwirken durch: – die Betonung der hohen fachlichen Anforderungen, die der Beruf an die Lehrkräfte stellt, – die Verbreitung von männlichen Vorbildern im Grundschullehramt (Erfolgsgeschichten), – den Vergleich der Bezüge mit denen in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes (Polizei, Verwaltung) und der sozialen Arbeit (Erzieher, Sozialarbeiter). Darüber hinaus kann mit der Sicherheit geworben werden, die die Beschäftigung als Beamter im öf- fentlichen Dienst bietet. Eine Initiative „Grundschullehrer: Das passt zu mir!“, die diese Strategie verfolgt, ist in Vorberei- tung. Die Besoldung der Lehrkräfte erfolgt lehramtsbezogen. Eine Erhöhung der Besoldung für einzelne Gruppen würde eine Neuordnung des Besoldungsgefüges nach sich ziehen, die - namentlich im Hinblick auf die Anforderungen der Schuldenbremse - derzeit haushalterisch nicht darstellbar ist. Zu 5: Es gibt keinen belastbaren empirischen Beleg dafür, dass Jungen durch einen hohen Anteil von Frauen im Bildungssystem in ihrem Kompetenzerwerb benachteiligt würden. Auch ein überwiegend weibliches Lehrerkollegium umfasst sehr unterschiedliche Persönlichkeitsprofile und stellt entspre- chend vielfältige Vorbilder bereit. Darüber hinaus bietet die Zusammenarbeit mit außerschulischen Partnern - vor allem im Ganz- tagsbereich - die Möglichkeit, mehr Männer in das Schulleben einzubinden, z. B. im Zusammen- hang mit Sportangeboten. Schließlich besteht die Möglichkeit, im Rahmen der Elternarbeit Väter ebenso stark wie Mütter anzusprechen und eine entsprechend hohe Beteiligung von Vätern zu er- halten. Zu 6: Eine gesetzliche Quote für Männer an den Grundschulen ist nicht zielführend, da die Bewerberzah- len für eine Sicherstellung der Unterrichtsversorgung nicht ausreichen würden. Entsprechend den derzeit geltenden Regelungen des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes ist es jedoch Praxis, dass bei der Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern um freie Stellen an Grundschulen männliche Bewerber bei gleicher Eignung bevorzugt beschäftigt werden, um den Anteil männlicher Lehrkräfte zu erhöhen. In Vertretung des Staatssekretärs Michael Markmann (Ausgegeben am 04.02.2015) Drucksache 17/2842 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2444 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Björn Försterling, Almuth von Below-Neufeldt, Sylvia Bruns und Christian Dürr (FDP), eingegangen am 26.11.2014 Personalstrukturen an den niedersächsischen Grundschulen Antwort der Landesregierung