Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2855 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2380 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Thomas Adasch, Rudolf Götz, Horst Schiesgeries und Jo- hann-Heinrich Ahlers (CDU), eingegangen am 19.11.2014 Funklöcher im Digitalfunknetz - Spart Minister Pistorius zulasten der Sicherheit von Poli- zisten? Am 28. Oktober 2014 berichtete die Neue Osnabrücker Zeitung: „Funklöcher im Digitalfunknetz plagen die Einsatzkräfte in Niedersachsen. Auf Nachfrage unserer Zeitung bestätigte das Innenmi- nisterium in Hannover, dass landesweit noch 40 Funkmasten fehlten, um die angestrebte Netzqua- lität zu erreichen. (…) Gewerkschafter Schilff fordert ‚schnelle Lösungen, damit polizeiliche Arbeit nicht erschwert wird oder Kolleginnen und Kollegen gefährdet werden‘.“ Wir fragen die Landesregierung: 1. Was ist genau bei dem in den Medien beschriebenen Vorfall in der Nacht zum 27. September 2014 im Wallenhorster Ortsteil Hollage passiert? 2. Wie groß ist der Zeitverlust durch die Nutzung des privaten Mobiltelefons und das Anwählen der Notrufnummer 110 insgesamt gegenüber der Nutzung des Digitalfunks gewesen? 3. Wie viele ähnliche Vorfälle sind der Landesregierung aus den Jahren 2013 und 2014 be- kannt? 4. Erwächst der Landesregierung aufgrund ihrer Fürsorgepflicht für die Polizeibeamtinnen und -beamten die Aufgabe zum Schutz ihrer körperlichen Unversehrtheit? 5. Ist es aus der Sicht der Landesregierung für die Polizeibeamtinnen und -beamten im Einsatz zumutbar, Verstärkung über die Notrufnummer 110 anzufordern? 6. Ist es aus der Sicht der Landesregierung für die Polizeibeamtinnen und -beamten im Einsatz zumutbar, ein privates Mobiltelefon für die polizeiinterne Kommunikation zu nutzen? 7. Sind mobile Funkstationen aus der Sicht der Landesregierung eine geeignete vorübergehen- de Alternative? 8. Wie viele Funklöcher gibt es in Niedersachsen? 9. Wo sind diese jeweils verortet? 10. Wie teuer ist das Schließen der bestehenden Funklöcher? 11. Wie viele Fälle sind der Landesregierung bekannt, in welchen ein privates Mobiltelefon im Po- lizeieinsatz genutzt werden musste, weil das Digitalfunknetz der Polizei nicht funktionierte? 12. Seit wann wusste Minister Pistorius von Funklöchern im polizeilichen Digitalfunk in Nieder- sachsen? 13. Was hat er daraufhin veranlasst? 14. Stimmt die Landesregierung der Aussage des Landesvorsitzenden der GDP in Niedersachsen Dietmar Schilff in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 28. Oktober 2014 zu, dass eine Er- reichbarkeit überall in Niedersachsen gewährleistet sein müsse? 15. Werden aus der Sicht der Landesregierung Polizeibeamtinnen und -beamte bei ihren Einsät- zen durch Probleme mit dem Digitalfunk in ihrer Sicherheit zusätzlich gefährdet? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2855 2 16. Wird aus der Sicht der Landesregierung die polizeiliche Arbeit durch Probleme mit dem Digi- talfunk erschwert? 17. Sind der Landesregierung Hinweise darauf bekannt, der Digitalfunk sei bei Einsätzen in Ge- bäuden anfälliger? 18. Wenn ja, erwächst daraus aus der Sicht der Landesregierung eine besondere Gefährdungs- lage? 19. Ist es richtig, dass vier weitere Basisstationen installiert werden sollen? 20. Wenn ja, aus welchem Grund werden sie installiert? 21. Wie viele Basisstationen gibt es bislang und wo? 22. Wann rechnet die Landesregierung mit dem Abschluss der Nachrüstungen? 23. Wann werden die Funklöcher im polizeilichen Digitalfunk vollständig geschlossen? (An die Staatskanzlei übersandt am 26.11.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 28.01.2015 für Inneres und Sport - 2 / 26-KSDN-0265/D01/16-02 - Die Entwicklung, Einführung und der Betrieb eines bundesweit einheitlichen digitalen Sprech- und Datenfunksystems für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) - also ne- ben der Polizei auch für die Feuerwehren, die Rettungs- und Hilfsdienste sowie Justizvollzugs- und Zollkräfte - ist ein ausgesprochen ambitioniertes Gemeinschaftsprojekt von Bund und Ländern. Es war und ist eines der größten und sicherlich komplexesten IT-Projekte im Bereich der Inneren Si- cherheit der Bundesrepublik. Das BOS-Digitalfunknetz setzt sich nach aktuellem Stand bundesweit im Wesentlichen aus rund 4 500 Basisstationen sowie 64 Kernnetzstandorten (Vermittlungsstellen, Transitvermittlungsstellen, Netzverwaltungszentren) zusammen. Die Errichtung des Digitalfunknetzes erfolgt in verschiedenen, zwischen dem Bund und den 16 Bundesländern abgestimmten Schritten. In einem ersten Schritt werden die für das Digitalfunk- netz erforderlichen Basisstationen auf der Grundlage einer theoretischen Funknetzplanung aufge- baut und in Betrieb genommen. Ausgangspunkt sind die spezifischen Anforderungen der einzelnen Länder. An die Aufbauphase in den einzelnen Netzabschnitten - in Niedersachsen entsprechen sie den räumlichen Grenzen der sechs Flächenpolizeidirektionen - schließt sich ein sechsmonatiger erwei- terter Probebetrieb an, in dem das Digitalfunknetz und speziell die Funkversorgungsgüte durch die Nutzerinnen und Nutzer der Polizei, der Feuerwehr und des Rettungsdienstes „auf Herz und Nieren “ geprüft wird. Darüber hinaus erfolgen Überprüfungen der tatsächlich erreichten Funkversor- gungsqualität durch den landeseigenen Funkmessdienst, bei denen insbesondere die Feststellun- gen der Nutzerinnen und Nutzer im Rahmen des Probebetriebes Berücksichtigung finden. Die Ergebnisse dieser Überprüfungen münden in sogenannte Feinjustierungsberichte, in denen Be- reiche mit mangelnder Funkversorgung lokalisiert und ausgewiesen sowie Lösungsansätze für die Beseitigung von Mängeln (z. B. Neubau weiterer Basisstationen) vorgeschlagen werden. Diese mit den Polizeibehörden abgestimmten Berichte werden der Bundesanstalt für den Digitalfunk der BOS (BDBOS) bzw. dem Bundesministerium des Innern (BMI) zur weiteren Prüfung vorgelegt. Erst nach entsprechender Zustimmung durch das BMI und die BDBOS kann das Land Niedersachsen in en- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2855 3 ger Abstimmung mit dem Staatlichen Baumanagement Niedersachsen die baulich-technischen Umsetzungsplanungen aufnehmen. Die zwischen den Ländern, der BDBOS und dem BMI sowohl für den Netzaufbau als auch für Netzänderungsmaßnahmen abgestimmten Prozesse sowie notwendige Planungs- und Bauzeiten führen mitunter dazu, dass die geplante Funkversorgung nicht immer zeitnah an jedem Ort zur Ver- fügung gestellt werden kann. So muss im Einzelfall damit gerechnet werden, dass punktuelle Ver- besserungen der Funkversorgungsgüte erst mit Inbetriebnahme neuer Basisstationen erzielt wer- den können. Eine auf theoretischen Grundlagen beruhende Funknetzplanung kann nie alle tatsächlichen Gege- benheiten vor Ort vollumfänglich berücksichtigen. Insoweit muss auch nach Erreichen der geplan- ten Funkversorgungsgüte damit gerechnet werden, dass nicht an jedem Ort Niedersachsens eine Funkversorgung gegeben ist. So können sich, wie übrigens auch bei der Nutzung des Analogfunks oder kommerzieller Mobilfunknetze, insbesondere bauliche und geografische Bedingungen (z. B. hohe Stahlbetonbauten, Berge zwischen Sendemast und Funkgerät) oder besondere Wetterlagen (z. B. Starkregen) negativ auf die Funkverbindung auswirken. Ursächlich hierfür sind physikalische Gesetzmäßigkeiten der Funkwellenausbreitung, die ähnlich wie Licht abgeschattet oder reflektiert werden können. Gleichwohl lässt sich für den Aufbau und Betrieb des Digitalfunks BOS feststellen, dass bereits heute eine bessere Funkversorgung als im Analogfunk besteht. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Im Rahmen eines Polizeieinsatzes am 27.09.2014 anlässlich einer Ruhestörung wurde ein 55-jähriger Polizeibeamter durch einen Messerstich an der linken Schulter schwer verletzt. Im wei- teren Verlauf der Einsatzmaßnahmen wurden neun weitere Polizeibeamtinnen und -beamte durch Anspucken und die Auswirkungen des Einsatzes von Pfefferspray sowie Widerstandshandlungen bei der Festnahme des Beschuldigten leicht verletzt. Der Beschuldigte wurde bei der Festnahme ebenfalls leicht verletzt. Das anhängige Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des versuchten Mordes gem. § 211 StGB wird durch die Staatsanwaltschaft Osnabrück unter dem Aktenzeichen 720Js43834/14 ge- führt. Am 27.09.2014, um 03:16 Uhr, wurde durch den Bewohner eines Mehrfamilienhauses in Wallen- horst, Ortsteil Hollage, dem Polizeikommissariat in Bramsche fernmündlich mitgeteilt, dass ein Nachbar im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses lärmen würde und gegen eine Wohnungstür ge- treten habe. Die Beamten trafen gegen 03:20 Uhr am Ereignisort ein. Nachdem im Zuge der ersten Kontaktauf- nahme mit dem Verursacher vor Ort davon auszugehen war, dass die Beamten die Lage nicht al- lein bewältigen konnten, zogen sie sich zunächst zurück, um Verstärkung anzufordern. Dabei stell- ten die eingesetzten Beamten fest, dass der Funkkontakt in dem Gebäude nicht dauerhaft gewähr- leistet war. Ein Funkkontakt zur Dienststelle in Bramsche bzw. zur Leitstelle der Polizei in Osna- brück konnte nur zeitweise hergestellt werden. Um 03:25 Uhr erfolgte die Anforderung von Verstär- kungskräften über Funk beim Polizeikommissariat Bramsche. Ein Kontakt zur Leitstelle in Osna- brück kam dabei ebenfalls zustande. Anschließend warteten die Beamten vor dem Gebäude auf das Eintreffen der zuvor angeforderten Verstärkungskräfte. Zu diesem Zeitpunkt kam der Verursa- cher in Begleitung einer weiteren Person aus dem Haus. Kurze Zeit später wurde einer der Polizei- beamten durch einen Messerstich an der linken Schulter schwer verletzt. Gegen 03:28 Uhr versuchte die unverletzte Polizeibeamtin über Funk die Leitstelle in Osnabrück zu kontaktieren. Nachdem ein verlässlicher Funkkontakt nicht zustande kam, setzte sie um 03:29 Uhr über ihr Mobiltelefon einen Notruf an die Leitstelle ab und teilt den Messerangriff mit. Gegen 03:30 Uhr trafen die um 03:25 Uhr angeforderten Unterstützungskräfte am Ereignisort ein. Um 03:32 Uhr forderten die Beamten vor Ort einen Notarzt zur Versorgung einer stark blutenden Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2855 4 Stich- bzw. Schnittwunde über den Notruf an. Um 03:36 Uhr erfolgte ein weiterer Anruf vom Mobil- telefon über Notruf mit weiteren Lagedarstellungen. Die weitere Kommunikation zwischen Einsatzkräften vor Ort und der Leitstelle in Osnabrück erfolg- te über Funk. Gegen 05:30 Uhr konnte der Verursacher durch Polizeikräfte überwältigt und festgenommen wer- den. Zu 2: Ein Zeitverlust ist nicht objektiv belegbar, da der Zeitraum der versuchten Kontaktaufnahme zur Leitstelle der Polizei mittels Handfunksprechgerät nicht bekannt ist. Die Polizeibeamtin versuchte um 03:28 Uhr über Funk, die Leitstelle in Osnabrück zu kontaktieren. Da ein verlässlicher Funkkontakt nicht zustande kam, setzte sie um 03:29 Uhr, also eine Minute später, über ihr Mobiltelefon einen Notruf ab. Im Übrigen siehe Beantwortung der Frage 1. Zu 3: In den Jahren 2013 und 2014 wurden bei der für den Betrieb des Digitalfunks in Niedersachsen verantwortlichen Autorisierten Stelle für den Digitalfunk Niedersachsen (ASDN) bei der Zentralen Polizeidirektion (ZPD NI) drei Vorfälle bekannt, bei denen Polizeibeamte in bedrohlicher Lage wa- ren bzw. verletzt wurden und es in diesen Einsätzen zu Problemen bei der Funkkommunikation ge- kommen ist. Zu 4: Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses die Pflicht, für das Wohl der Beamtinnen und Beamten zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung (§ 45 BeamtStG, Fürsorgepflicht). Aufgrund der Fürsorgepflicht ist der Dienstherr gehalten, die Rechte und Rechtsgüter der Beamtin- nen und Beamten zu schützen. Dies beinhaltet auch den Schutz der körperlichen Unversehrtheit. Zu 5: Die Polizeibehörden sind im Rahmen des Probebetriebes an Teststellungen zur Funkversorgungs- güte und Verfügbarkeit des Digitalfunknetzes beteiligt. Die im Probe- und Alltagsbetrieb gewonne- nen Ergebnisse und Erfahrungen der Polizeibeamtinnen und -beamten werden dokumentiert und fließen in sogenannte Berichte zur Feinjustierung ein. Diese enthalten auch Hinweise zu Versor- gungslücken, die nicht mit dem geplanten Versorgungsgrad übereinstimmen. In dieses Verfahren sind die Polizeibehörden eingebunden und daher über bestehende „Funklöcher“ informiert, sodass entsprechende Informationen in Einsatzplanungen einfließen können. In besonderen Ausnahmefällen kann es daher geboten sein, dass die Einsatzkräfte ein Mobiltelefon für die polizeiinterne Kommunikation, im Einzelfall auch zur Wahl der Notrufnummer 110, nutzen. Dies erscheint zumutbar und wurde auch während der Nutzung des Analogfunks nicht anders ge- handhabt. Im Übrigen siehe Vorbemerkungen. Zu 6: Siehe Antwort zu 5. Zu 7: Die Prozesse für die Planung, die Beschaffung und den Aufbau sogenannter mobiler Basisstatio- nen (mBS) als vorübergehende „Feststation“ unterscheiden sich nicht signifikant von den Verfahren zur Errichtung stationärer Anlagen. Insofern ergeben sich auch nicht zwangsläufig die erwünschten zeitlichen Vorteile im Vergleich zur Errichtung einer stationären Anlage. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2855 5 Zudem entspricht der technische Standard von mBS nicht denen fester Basisstationen. Insbeson- dere hinsichtlich der erforderlichen Kapazität können durch mBS die taktischen Anforderungen von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst nicht umfänglich erfüllt werden. In absoluten Ausnahmefällen kann - so wie bereits auch schon umgesetzt - die Errichtung und In- tegration einer mBS in das Digitalfunknetz eine Zwischenlösung darstellen, soweit technischer und taktischer Nutzen sowie Kosten in einem vertretbaren Verhältnis stehen. Als generelle und vielfach genutzte Lösung sind sie ungeeignet. Niedersachsen zählt zu den wenigen Ländern, das über mehrere funktionstüchtige mobile Basis- stationen verfügt. Gleichwohl ließen sich damit die punktuellen Probleme nicht lösen. Im Übrigen werden die vorhandenen mBS für ad-hoc-Einsatzlagen benötigt. Zu 8: Auf der Grundlage der bisher gewonnenen Erkenntnisse schätzt die ASDN aktuell, dass im Rah- men der Feinjustierung landesweit insgesamt noch ca. 40 neue Basisstationen benötigt werden, um die geplante Funkversorgungsgüte zu erreichen. Bei der Umsetzung der Feinjustierungsmaß- nahmen handelt es sich um einen Standardprozess im Rahmen der Netzerrichtung und des Fein- ausbaus. Insofern kann von „Funklöchern“ im Sinne einer lückenhaften Funknetzplanung oder unzureichenden Berücksichtigung der taktischen Bedarfe der Polizei nicht gesprochen werden. Die nachträglich zu errichtenden Basisstationen verteilen sich auf alle sechs Netzabschnitte Nie- dersachsens. Im Hinblick auf ihre Einstufung als Kritische Infrastruktur (KRITIS) ist von der Benen- nung einzelner Digitalfunk-Standorte an dieser Stelle abzusehen. Den Polizeibehörden ist dies be- kannt. Zu 9: Siehe Antwort zu Frage 8. Zu 10: Mit Beschluss der Landesregierung vom 31.05.2005 wurden dem MI für die Einführung und die In- betriebnahme des Digitalfunks für die BOS in Niedersachsen rund 279 Millionen Euro bewilligt. Die Mittelverwaltung erfolgt als Projektbudget über die Titelgruppe 71 im Haushaltsplan 03 20. Die Maßnahmen der Feinjustierung werden aus Mitteln des Projektbudgets finanziert. Das Schließen von Funkversorgungslücken ist durch unterschiedliche Maßnahmen realisierbar, die unterschiedliche Aufwände nach sich ziehen können. Die Neuausrichtung von Antennen ist z. B. mit geringem zeitlichen und finanziellen Aufwand zu realisieren. Die Inbetriebnahme der aktuell vorzusehenden ca. 40 zusätzlichen Basisstation in Niedersachsen stellt sich sowohl zeitlich als auch finanziell aufwändiger dar. Die Kosten sind stark vom jeweiligen Einzelfall abhängig und be- wegen sich einmalig (Investitionskosten) zwischen ca. 200 000 und 500 000 Euro und jährlichen Betriebskosten zwischen ca. 5 000 und 15 000 Euro pro Standort. Das Kostenvolumen ist dabei ganz wesentlich davon abhängig, ob die Mitnutzung eines vorhandenen Sendemastes möglich oder durch das Land ein kompletter Neubau für eine Basisstation zu realisieren ist. Losgelöst von der Kostenseite erfordert das Schließen von Funkversorgungslücken immer dann, wenn sich Netzänderungsmaßnahmen und zumeist auch bauliche Maßnahmen daraus ergeben, das Durchlaufen des mit BDBOS und BMI sowie anderen Beteiligten abgestimmten Prozesses, der bislang regelmäßig einige Monate bis hin zu mehreren Jahren erfordern kann und durch in Nieder- sachsen zu treffende Maßnahmen nur sehr begrenzt verkürzbar ist. Zu 11: Eine Erfassung und Auswertung zur Nutzung privater Mobiltelefone im Polizeieinsatz wird in Nie- dersachsen nicht durchgeführt. Gesicherte Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor. Ungeachtet dessen sind seit dem 18.06.2011 bis heute über den in Rede stehenden Vorfall in Osnabrück hinaus bei der ASDN vier Meldungen mit dem Hinweis auf die Nutzung eines privaten Mobiltelefons zur Einsatzkommunikation als Ersatz für den BOS-Digitalfunk eingegangen: Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2855 6 – 14.05.2012 in Hannover (Netzabschnitt Hannover), – 15.05.2013 in Langenhagen (Netzabschnitt Hannover), – 20.05.2014 in Filsum (Netzabschnitt Osnabrück), – 06.09.2014 in Friedland (Netzabschnitt Göttingen). Zu 12: Wie bereits erwähnt, ist die Funkversorgung heute bereits besser als zu Zeiten des Analogfunks. Der Landesregierung ist die Gewährleistung der Inneren Sicherheit für seine Bürgerinnen und Bür- ger eine besondere Verpflichtung. Der Innenminister setzt sich daher kontinuierlich und intensiv für die Verbesserung der Sicherheitsarbeit in unserem Land ein. Eine bedeutsame Rolle spielt dabei insbesondere eine leistungsfähige Informations- und Kommunikationstechnik der Polizeikräfte. In Kenntnis der wesentlichen Funktion des bundeseinheitlichen digitalen Sprech- und Datenfunk- systems für die Aufgabenerfüllung von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst wird der Minister re- gelmäßig allgemein über die Entwicklungen im Digitalfunk BOS informiert. Der Bund und die Länder sind mit den Staatssekretärinnen und -sekretären bzw. Staatsrätinnen und -räten der Innenressorts im Verwaltungsrat der BDBOS vertreten und damit unmittelbar in stra- tegische Entscheidungen zur Errichtung, zum Betrieb und zur Weiterentwicklung des Digitalfunks BOS eingebunden. Aktuell werden auf Bund-Länder-Ebene insbesondere die Prozesse der Netzerrichtungs- bzw. Netzänderungsmaßnahmen mit dem Ziel der Vereinfachung und Beschleunigung überprüft und op- timiert. Im Übrigen werden durch die ZPD NI auf Landesebene alle erdenklichen Maßnahmen im eigenen Zuständigkeitsbereich getroffen, die eine Beschleunigung der Prozessabläufe unterstützen. Zu 13: Siehe Antwort zu Frage 12. Zu 14: Die Erwartung einer möglichst lückenlosen Funkversorgung für die BOS-Kräfte ist nachvollziehbar und entspricht auch der grundsätzlichen Zielausrichtung, soweit es sich um die Funkversorgung im Freifeld handelt. Gleichwohl ist eine hundertprozentige Funkversorgung, insbesondere unter tech- nischen und topografischen Aspekten mit vertretbarem Aufwand, nicht realistisch. Gleiches gilt im Übrigen auch für die Netzversorgung im kommerziellen Mobilfunk. Niedersachsen geht mit der von ihm beschlossenen und in der Umsetzung befindlichen Funkver- sorgungsgüte bereits über die bundesweit einheitlich abgestimmte Grundversorgung hinaus. Schon heute liegt die tatsächliche Funkversorgung im Digitalfunk deutlich über der im Analogfunk jemals realisierten Versorgungsgüte. Die Landesregierung tritt im Interesse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst dafür ein, die Versorgung des Digitalfunks dort zu optimieren, wo dies zur Erfül- lung ihrer Aufgaben und zu ihrem eigenen Schutz erforderlich ist. Hierfür stellt sie insoweit auch die notwendigen Haushaltsmittel zur Verfügung. Zu 15: Fehlende oder plötzlich und unerwartet funktionsgestörte Führungs- und Einsatzmittel können bei gefahrengeneigten polizeilichen Einsatzsituationen grundsätzlich eine zusätzliche Gefährdung dar- stellen. Hinweise auf konkrete Gefährdungslagen von Polizeibeamtinnen und -beamten im Zusam- menhang mit der Nutzung des Führungs- und Einsatzmittels Digitalfunk liegen jedoch nicht vor. Zu 16: Nein. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2855 7 Die polizeiliche Arbeit wird durch den Digitalfunk nicht erschwert sondern wesentlich verbessert. Er bietet einen taktischen Mehrwert durch die Nutzung von Diensten wie z. B. Positionsdatenübermitt- lung, die im Analogfunk nicht zur Verfügung standen, und es besteht im Land bereits jetzt eine hö- here Funkabdeckung als im Analogfunk. Für beide Techniken bestehen identische physikalische Rahmenbedingungen. Steht den Einsatz- kräften im Einzelfall der Digitalfunk punktuell nicht zur Verfügung, liegen dem häufig die gleichen Ursachen wie im Analogfunk zu Grunde. Zu 17: Die Funktionalität des Digitalfunks in Gebäuden (und im Freien) unterliegt, wie auch der Analogfunk und der kommerzielle Mobilfunk, verschiedenen Rahmenbedingungen. Diese sind im Einzelfall zu prüfen. Eine besondere Anfälligkeit des Digitalfunks in Gebäuden kann daraus nicht abgeleitet wer- den. Bereits heute ist auf über 80 % der Fläche des Landes eine Versorgung nach der sogenannten Ka- tegorie 3 (in Kopfhöhe getragene Handfunkgeräte) gegeben. Nach dieser Kategorie ist grundsätz- lich auch eine Funkversorgung bis hinter die erste Wand eines Gebäudes gegeben. Eine Objekt- funkversorgung für eine gesicherte Kommunikation in Gebäuden ist nicht Gegenstand des Versor- gungsauftrages. Die tatsächliche Funktionalität des Digitalfunks sowohl innerhalb als auch außerhalb von Gebäuden ist von den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten, wie etwa den topologischen Verhältnissen, der Art und Dichte der Bebauung, den Witterungsverhältnissen und weiteren Faktoren abhängig. Daneben spielt auch die Art des eingesetzten Funkgerätes und dessen Handhabung eine Rolle. Insoweit sind insbesondere auch technisch und bauartbedingte Unterschiede der Antennentechnik, der Sende- und Empfangsleistung der Geräte und die Dämpfung durch den menschlichen Körper von Relevanz. Zu 18: Siehe Antwort zu Frage 17. Zu 19: Siehe Antwort zu Frage 8. Zu 20: Siehe Antwort zu Frage 8. Zu 21: Mit Stand Ende Oktober 2014 sind alle 440 ursprünglich geplanten Basisstationen aufgebaut und in den Betrieb genommen worden. Damit geht die bisher erreichte Funkversorgungsgüte bereits deut- lich über den Versorgungsgrad hinaus, wie er über rund 30 Jahre im Analogfunk entwickelt wurde. Die Basisstationen verteilen sich wie folgt auf die sechs niedersächsischen Netzabschnitte (NA): NA Lüneburg: 97, NA Oldenburg: 93, NA Osnabrück: 74, NA Hannover: 30, NA Braunschweig: 54, NA Göttingen: 92. Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 8. Zu 22. Feinjustierungsmaßnahmen wie z. B. Antennenausrichtungen werden fortlaufend vollzogen, soweit sie keine Netzänderungsmaßnahmen erfordern. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2855 8 Mit einer weiteren grundlegenden Verbesserung der Versorgungsqualität ist mit Errichtung der ers- ten zusätzlichen Basisstationen gegen Ende 2015 zu rechnen. Nach heutiger Einschätzung werden insbesondere die Maßnahmen für die erst in diesem Jahr in den Betrieb genommenen Netzabschnitte Braunschweig und Göttingen nicht vor Ende 2019 abge- schlossen sein, da dort die Überprüfung der Funkversorgung durch den Funkmessdienst noch an- dauert und sich Planungen, Genehmigungsverfahren und bauliche Ertüchtigungen hieran anschlie- ßen. Eine Optimierung und Beschleunigung der Prozesse im Zusammenwirken der verschiedens- ten Beteiligten auf Bund-Länder-Ebene wird zurzeit insbesondere durch Niedersachsen vorange- trieben. Zu 23: Siehe Antworten zu den Fragen 14 und 22. Im Übrigen verweise ich auf die Vorbemerkungen. Boris Pistorius (Ausgegeben am 09.02.2015) Drucksache 17/2855 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2380 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Thomas Adasch, Rudolf Götz, Horst Schiesgeries und Johann-Heinrich Ahlers (CDU), eingegangen am 19.11.2014 Funklöcher im Digitalfunknetz - Spart Minister Pistorius zulasten der Sicherheit von Polizisten? Antwort der Landesregierung