Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2866 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2691 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Gabriela König, Jörg Bode und Christian Grascha (FDP), eingegangen am 18.12.2014 Auswirkungen der Gewerbesteuerhinzurechnung auf die Touristikindustrie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat sich im Verlauf des Jahres 2014 wiederholt dafür ausgesprochen, die im Jahr 2008 novellierten Vorschriften zur Gewerbesteuer nicht konträr zur In- tention des Bundesgesetzgebers zu interpretieren, damit Zehntausende Arbeitsplätze gesichert und Schäden von der Tourismusbranche abgewendet werden können. Grund für den Vorstoß des Mi- nisters ist die verbreitete Praxis der Finanzverwaltungen, von Reiseunternehmen im Ausland ge- buchte Hotelleistungen wie angemietete Gewerbeflächen und Büros zu behandeln und der Gewer- besteuerhinzurechnung zu unterwerfen. Durch diese Auslegung drohen den deutschen Reisever- anstaltern Nachforderungen in Milliardenhöhe. Experten schätzen, dass in wirtschaftlich schwachen Jahren die fälligen Steuern die Gewinne komplett aufzehren und die Unternehmen in die Insolvenz treiben. Wir fragen die Landesregierung: 1. Inwiefern teilt die Landesregierung die Bedenken des Bundeswirtschaftsministers in Bezug auf die Anwendung der Gewerbesteuerhinzurechnung auf Reiseveranstalter? 2. Wie hoch sind die erwarteten Mehreinnahmen durch die Ausdehnung der Gewerbesteuerhin- zurechnung auf Reiseveranstalter, wie viele Unternehmen sind innerhalb Niedersachsens von der Neuregelung betroffen, und mit welchen zusätzlichen Lasten müssen die Reiseveranstal- ter im Durchschnitt rechnen? 3. Wie bewertet die Landesregierung die Relation zwischen den durch Ausdehnung der Gewer- besteuerhinzurechnung generierten Mehreinnahmen für Land und Kommunen und den durch die Neuregelung entstehenden Mehrbelastungen für Reiseveranstalter? 4. Inwiefern sind im Ausland ansässige Reiseveranstalter ähnlichen Belastungen unterworfen? Falls dies nicht der Fall sein sollte, kann und will die Landesregierung Wettbewerbsnachteile für in Niedersachsen beheimatete Reiseveranstalter ausschließen? 5. Wie bewertet die Landesregierung die Sorgen der Reiseveranstalter, dass im Zuge der steu- erlichen Mehrbelastung ein Abbau an Arbeitsplätzen droht? 6. Wird sich die Landesregierung dafür einsetzen, dass die Mehrbelastung der Reiseveranstalter zurückgenommen wird und die Vorschriften zur Gewerbesteuerhinzurechnung der ursprüngli- chen Intention des Bundesgesetzgebers folgen? 7. Wird die Landesregierung einen Vorstoß zur Entlastung der Reiseveranstalter auf Ebene der Landesfinanzminister mittragen? Wie werden die Chancen erachtet, dass auf Länderebene eine entsprechende Einigung erzielt wird? 8. Inwiefern sieht die Landesregierung den Bundesgesetzgeber, die Bundesregierung und ins- besondere den Bundesfinanzminister in der Verantwortung, die Vorgaben mit Blick auf die Gewerbesteuerhinzurechnung so zu definieren, dass der Interpretationsspielraum hinsichtlich der Behandlung von Reiseveranstaltern der ursprünglichen Intention des Bundesgesetzge- bers folgt? (An die Staatskanzlei übersandt am 13.01.2015) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2866 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Finanzministerium Hannover, den 03.02:2015 - G 1422 - 119 - 31 3 - Die Erweiterung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungstatbestände des § 8 GewStG erfolgte im Rahmen der umfassenden Unternehmensteuerreform 2008, mit der u. a. der Körperschaftsteuer- satz von 25 % auf 15 % gesenkt wurde. In den Hinzurechnungen des § 8 GewStG kommt der Ob- jekt- bzw. Realsteuercharakter der Gewerbesteuer zum Ausdruck. Als solche knüpft die Gewerbe- steuer nicht an persönliche Merkmale (z. B. persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen), sondern an die objektivierte Ertragskraft des stehenden Gewerbebetriebs an. Die Hinzurechnungen dienen insoweit auch der Verstetigung der Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen. Aufgrund der Neuausrichtung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen durch die Unternehmen- steuerreform 2008 hat sich eine Vielzahl steuerlicher Zweifelsfragen ergeben, die zwischen Bund und Ländern abzustimmen waren. Dazu gehörten auch diverse Rechtsfragen, die maßgeblich dafür sind, ob und inwieweit Aufwendungen eines Reiseveranstalters für gebuchte Hotelunterkünfte im In- und Ausland der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG unter- liegen. Nach dieser Vorschrift sind bei Nutzung von unbeweglichem Anlagevermögen, welches im Eigentum eines anderen steht, 12,5 % der vom Gewinn abgesetzten Miet- und Pachtzinsen als pauschalierter Finanzierungsanteil wieder hinzuzurechnen, soweit dieser zusammen mit anderen Finanzierungsanteilen den Freibetrag von 100 000 Euro übersteigt. Nach der bundeseinheitlich abgestimmten Verwaltungsauffassung (niedergelegt in den Rz. 29 ff. der gleich lautenden Ländererlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 2. Juli 2012 - BStBl. I 2012, Seite 654) unterliegen die Aufwendungen eines Reiseveranstalters für gebuchte Ho- telunterkünfte im In- und Ausland der Hinzurechnung, soweit das Entgelt mit der Überlassung der Hotelunterkunft im Zusammenhang steht. Das Entgelt für mit der Hotelunterkunft üblicherweise zu- sammenhängende Nebenleistungen gehört dazu und wird daher grundsätzlich mit hinzugerechnet. Das Entgelt unterliegt nur insoweit keiner Hinzurechnung, als es auf Leistungskomponenten ent- fällt, denen ein eigener wirtschaftlicher Gehalt beizumessen ist (insbesondere Verpflegung, speziel- le Wellnessleistungen, Animation, Unterhaltung der Gäste etc.). Die niedersächsischen Finanzämter sind an diese abgestimmte Verwaltungsauffassung gebunden. Beim Finanzgericht Münster ist bereits ein Musterklageverfahren zu der Frage anhängig, ob der Hoteleinkauf eines Reiseveranstalters der Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG unter- liegt. Die Finanzämter lassen entsprechende Einspruchsverfahren von Reiseveranstaltern derzeit mit Zustimmung der Reiseveranstalter ruhen und gewähren auf Antrag Aussetzung der Vollzie- hung. Wie die übrigen Regelungen in § 8 Nr. 1 GewStG zur Hinzurechnung von Finanzierungsanteilen unterscheiden auch die Regelungen zur Hinzurechnung pauschalierter Finanzierungsanteile in Mie- ten und Pachten (§ 8 Nr. 1 Buchst. e und d GewStG) nicht nach der Belegenheit des Mietgegen- standes. In die Hinzurechnung sind demnach sowohl Entgelte für Hotelunterkünfte im In- als auch im Ausland einzubeziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 28. März 1985, BStBl. II 1985, Seite 405) begründen die Reiseveranstalter mit den Unterkunftsleistungen auch keine (in- oder ausländischen) Betriebsstätten am Belegenheitsort der Hotels. Wäre von einer Betriebsstätte auszugehen, wäre der Gewerbeertrag gemäß § 9 Nr. 3 GewStG um den Teil zu kür- zen, der auf die ausländischen Betriebsstätten entfiele. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die teilweise Hinzurechnung der Aufwendungen eines Reiseveranstalters für gebuchte Hotelunter- künfte im In- und Ausland ist das Ergebnis einer Abstimmung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder, an die die niedersächsische Steuerverwaltung im Sinne eines bundesein- heitlichen Steuervollzuges gebunden ist. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2866 3 Zu 2: Der Landesregierung liegt kein belastbares Zahlenmaterial über die erwarteten Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer oder die Zahl der betroffenen niedersächsischen Unternehmen vor. Die Höhe der durchschnittlichen Mehrbelastung dieser Unternehmen beträgt ca. 2 % der hinzu- rechnungspflichtigen Entgelte für den Hoteleinkauf. Ob und in welchem Umfang dies bei den ein- zelnen Unternehmen zu einem relevanten Anstieg der steuerlichen Gesamtbelastung führt, ist ab- hängig von den Umständen des Einzelfalles. Zu 3: Rechtmäßig erhobene Steuern dienen dazu, dem Staat einschließlich der Kommunen die oblie- genden Aufgaben in möglichst optimaler Weise zu erfüllen. Für die Betroffenen bedeuten sie natur- gemäß eine (steuerliche) Belastung. Der Landesregierung liegen, wie bereits zu Frage 2 ausgeführt, keine belastbaren Erkenntnisse über die monetären Auswirkungen der Gewerbesteuerhinzurechnung vor. Zu 4: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen gelten für alle im Bundesgebiet ansässigen Reiseveranstalter die Regelungen zur Ge- werbebesteuerung einschließlich der Hinzurechnungen und Kürzungen gleichermaßen. Das Ge- werbesteuergesetz ist ein Bundesgesetz, sodass ein Ausschluss von eventuellen Wettbewerbs- nachteilen nur für in Niedersachsen beheimatete Reiseveranstalter per se ausscheidet. Zu 5: Die deutschen Reiseveranstalter bieten rund 32 000 Arbeitsplätze. Der Deutsche Reiseverband erwartet eine Zusatzbelastung i. H. v. 1,4 Milliarden Euro bei rückwirkender Anwendung ab 2008 und schließt auch eine Gefährdung dieser Arbeitsplätze durch drohende Insolvenzen insbesondere kleinerer Reiseveranstalter nicht aus. Der Landesregierung liegen keine eigenen Erkenntnisse dar- über vor, ob und inwieweit diese Einschätzung realistisch ist. Zu 6 bis 8: Nach der auf Bund/Länder-Ebene abgestimmten Vorgehensweise soll zunächst der Ausgang des beim Finanzgericht Münster anhängigen Musterklageverfahrens abgewartet werden. Peter-Jürgen Schneider (Ausgegeben am 10.02.2015) Drucksache 17/2866 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2691 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Gabriela König, Jörg Bode und Christian Grascha (FDP), eingegangen am 18.12.2014 Auswirkungen der Gewerbesteuerhinzurechnung auf die Touristikindustrie Antwort der Landesregierung