Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2868 neu*) 1 _________________ *) Die Drucksache 17/2868 - ausgegeben am 10.02.2015 - ist durch diese Fassung zu ersetzen. In der Antwort zu Frage 3 wurde im letzten Absatz der fünfte Spiegelstrich gestrichen Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2443 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat, Thomas Schremmer, Belit Onay, Julia Willie Hamburg und Meta Janssen-Kucz (Bündnis 90/Die Grünen), eingegangen am 27.11.2014 Flächendeckende Versorgung mit Sprachmittlungsdiensten für Flüchtlinge Die meisten Flüchtlinge kommen ohne ausreichende deutsche Sprachkenntnisse nach Deutsch- land und stehen damit vor großen Integrationshürden. Mangelnde Deutschkenntnisse sowie das Fehlen von Dolmetscherinnen und Dolmetschern führen dazu, dass sie ihnen zustehende Leistun- gen nicht in Anspruch nehmen oder nur unzureichend medizinisch versorgt werden können. Gera- de bei traumatisierten Flüchtlingen sind umfassende Verständigungsmöglichkeiten zwischen Ärz- tinnen und Ärzten und Patientinnen und Patienten unerlässlich, was ohne Dolmetscherinnen und Dolmetscher nicht möglich ist. Jede Interaktion mit Behörden, im Gesundheits-, Bildungs- oder So- zialwesen wird zur Herausforderung. Stehen jedoch keine Dolmetscherinnen und Dolmetscher zur Verfügung oder werden die Kosten nicht von Sozialämtern oder anderen Trägern übernommen, sind die Flüchtlinge auf ehrenamtliche Hilfe und die Unterstützung von Freunden und Verwandten angewiesen. Ehrenamtliche Hilfe kann aber professionelle, kultursensible Sprachmittlung nicht er- setzen. Zudem reichen die vorhandenen Strukturen aufgrund der derzeit wachsenden Anzahl an Flüchtlingen nicht aus. Wir fragen die Landesregierung: 1. In welchen Fällen haben Flüchtlinge einen Anspruch auf Dolmetscherinnen und Dolmetscher bzw. Kostenübernahme von Dolmetscherdiensten (bitte nach Aufenthaltsstatus und Leis- tungsberechtigung aufschlüsseln)? 2. Welche Möglichkeiten haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheits-, Bildungs- oder Sozialwesen, die Hilfe von Dolmetscherinnen und Dolmetschern in Anspruch zu neh- men? Welche Rechtsgrundlagen gibt es hierfür? 3. Welche zentralen Vermittlungsdienste für Dolmetscherinnen und Dolmetschern, auf die Flüchtlinge und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheits-, Bildungs- oder Sozialwesen oder anderen Behörden und staatlichen Institutionen bei der Suche nach Dolmetscherinnen und Dolmetschern zurückgreifen können, sind der Landesregierung bekannt? Wie werden diese Vermittlungsdienste finanziert, und gibt es durch das Land eine Kofinanzierung? 4. Was unternimmt die Landesregierung, um den Bedarf an professionellen, kultursensiblen Dolmetscherinnen und Dolmetschern und Vermittlungsdiensten für Dolmetscherinnen und Dolmetscher angesichts der derzeit wachsenden Anzahl an Flüchtlingen sicherzustellen? 5. Welche Qualifikationen und Fortbildungsmöglichkeiten gibt es für Dolmetscherinnen und Dol- metscher, um den besonderen Anforderungen des Dolmetschens bei psychotherapeutischen Behandlungen gerecht zu werden? (An die Staatskanzlei übersandt am 02.12.2014) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2868 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 30.01.2015 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 301 - Die zuständigen Personen in den Erstaufnahmestellen, den Ausländerbehörden, in der vom Bund finanzierten Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE), den Jugendmigrationsdiensten und den vom Land finanzierten Beratungsstellen unterstützen und beraten die nach Niedersachsen kommenden Menschen und sind ihnen bei der Orientierung in der für sie fremden Umgebung be- hilflich. Professionelle Übersetzer- und Dolmetscherdienste stehen aus Kostengründen nicht, auch nicht im Rahmen der MBE, zur Verfügung. Nur bei besonderer Fallkonstellation wird davon Gebrauch ge- macht. Stattdessen wird meist auf ehrenamtliche Sprachmittler zurückgegriffen, sofern diese vor Ort zur Verfügung stehen. Alternativ übersetzen auch Familienangehörige, andere Klienten in der Beratung oder es gibt Unterstützungsmöglichkeiten im Rahmen des KMN 1 -Regionalverbundes. Hilfsweise werden auch Sprachprogramme im Internet genutzt oder es erfolgt eine telefonische Übersetzung. Das Risiko einer nicht gesicherten und missverständlichen Kommunikation ist somit manchmal nicht ganz auszuschließen. Das Problem stellt sich insbesondere auch bei der medizinischen Versorgung. Eine Kostenüber- nahme von Dolmetscherleistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung kann nicht erfolgen, da diese nicht Inhalt des Leistungskataloges des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SBG V) 2 ist. Mit der Übernahme von Dolmetscherkosten im Rahmen der ärztlichen Behandlung hat sich das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 10. Mai 1995 (1 RK 20/94) befasst. Es kommt zu dem Ergebnis, dass sich aus der Vorschrift des § 28 Abs. 1 SGB V kein Anspruch auf Übernahme der Kosten eines Dolmetschers ableiten lasse. Zwar gehöre zur ärztlichen Behandlung auch die Hilfeleistung anderer Personen; allerdings muss es sich hier um Tätigkeiten handeln, die Behandelnde aufgrund des Fachwissens leiten und verantworten müssen. Hierunter fällt nach Auf- fassung des BSG nicht die Tätigkeit des Dolmetschers. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Kostenträgerschaft sowie die Kostenerstattung für herangezogene Dolmetscherleistungen ste- hen im Sozialleistungsrecht in Zusammenhang mit den unterschiedlichen Rechtsgrundlagen zur Existenzsicherung von Flüchtlingen in Deutschland. Hierbei greifen - in Abhängigkeit vom Aufent- haltsstatus der Flüchtlinge - unterschiedliche Rechtskreise ineinander. Im Einzelnen handelt es sich bei dem in Rede stehenden Personenkreis in erster Linie um Leistungen der Existenzsicherung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) 3 sowie der Grundsicherung für Arbeitsuchende 1 Kooperativen Migrationsarbeit Niedersachsen 2 Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477, 2482) zuletzt geändert durch Artikel 5 des Gesetzes vom 2. Dezember 2014 (BGBl. I S. 1922) 3 Asylbewerberleistungsgesetz vom 5. August 1997 (BGBl. I S. 2022), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. November 2011 (BGBl. I S. 2258) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2868 3 nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) 4 und der Sozialhilfe nach dem Sozialgesetz- buch Zwölftes Buch (SGB XII) 5 . Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) 6 ist für das Verwaltungsverfah- ren im Sozialleistungsrecht als Amtssprache grundsätzlich die deutsche Sprache einschlägig. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 haben hörbehinderte Menschen einen Rechtsanspruch darauf, in der Amtsspra- che einen Gebärdendolmetscher zu verwenden und die hierfür entstehenden Kosten von der zu- ständigen Behörde bzw. dem Sozialleitungsträger erstattet zu bekommen. Mit Ausnahme dieses Personenkreises besteht für einen vonseiten der antragstellenden Person im Verwaltungsverfahren für erforderlich erachteten und von ihr veranlassten Einsatz einer Dolmetscherin oder eines Dol- metschers kein Rechtsanspruch auf Erstattung bzw. Übernahme der entstandenen Kosten durch den Sozialleistungsträger, soweit nicht spezialgesetzliche Bestimmungen in einzelnen Sozialleis- tungsgesetzen eine abweichende Regelung treffen. Werden bei einer Behörde in einer fremden Sprache Anträge gestellt oder Eingaben, Belege, Ur- kunden oder sonstige Dokumente vorgelegt, soll die Verwaltungsbehörde gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 SGB X unverzüglich die Vorlage einer Übersetzung innerhalb einer von ihr zu setzenden angemessenen Frist verlangen, sofern sie nicht in der Lage ist, die Anträge oder Dokumente zu verstehen. In begründeten Fällen kann die Vorlage einer beglaubigten oder von einem öffentlich bestellten oder beeidigten Dolmetscher oder Übersetzer angefertigten Übersetzung verlangt wer- den. Wird die verlangte Übersetzung nicht innerhalb einer gesetzten Frist vorgelegt, kann die Behörde eine Übersetzung beschaffen und hierfür Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen. Der insoweit bestehende Ermessenspielraum der Behörde bezüglich des Tätigwerdens ist von der Eilbedürftigkeit der Angelegenheit und dem Umfang des übersetzungsbedürftigen Tex- tes abhängig. Der Ermessensspielraum, ob von der Behörde ein Aufwendungsersatz gegenüber der antragstellenden Person hierfür geltend gemacht wird, ist u. a. davon abhängig, ob ohne Initia- tive der Behörde andernfalls die antragstellende Person aufgrund ihrer finanziellen und wirtschaftli- chen Situation davon abgehalten wird, die erforderlichen Übersetzungen einzuholen und hierdurch einen wesentlichen Verlust sozialleistungsrechtlicher Ansprüche erleidet. Für Leistungsberechtigte nach dem SGB XII kann sich in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls ein Anspruch auf Übernahme bzw. Erstattung von Dolmetscherkosten aus der Ermes- sensvorschrift des § 73 Satz 1 SGB XII ergeben. Die Ermessensvorschrift bestimmt als Auffangtat- bestand, dass Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden können, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Eine solche sonstige Lebenslage liegt vor, wenn die be- darfsauslösende Lebenslage weder innerhalb des SGB XII noch in anderen Bereichen des Sozial- rechts geregelt wird und sie ihrer atypischen Art nach geeignet ist, zur Sicherung der Ziele der So- zialhilfe nach § 1 SGB XII eine Bedarfsdeckung unter Einsatz öffentlicher Mittel zu decken. Das Sozialgericht Hildesheim hat in einem Einzelfall beispielsweise eine Übernahme von Dolmetscher- kosten je nach Schwere, Dringlichkeit und Bewertung der Behandlungsbedürftigkeit der zugrunde- liegenden Erkrankung nach § 73 SGB XII bejaht, wenn die von der Krankenkasse bewilligte Leis- tung (Psychotherapie) nur mittels eines Dolmetschers wirksam in Anspruch genommen werden kann (Urteil vom 1. Dezember 2012, S 34 SO 217/10, juris). Die vorstehende Anspruchsgrundlage wird vom Anspruchausschluss des § 5 Abs. 2 SGB II bzw. § 21 SGB XII nicht erfasst. Sie kann daher - im Gegensatz zu dem von Leistungen des SGB XII ausgeschlossenen leistungsberechtigten Personenkreis nach dem AsylbLG (vergleiche insoweit § 23 Abs. 2 SGB XII und § 9 Abs. 1 AsylbLG) - dem Grunde nach auch auf leistungsberechtigte Personen der Grundsicherung für Arbeitsuchende SGB II nach dem Anwendung finden. 4 Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 2. Dezember 2014 (BGBl. IS. 1922) 5 Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022, 3023), zuletzt geändert durch Artikel 9 des Gesetzes vom 21. Juli 2014 (BGBl. I S. 1133) 6 Das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130), zuletzt geändert durch Artikel 10 des Gesetzes vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348) geändert worden ist Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2868 4 Asylbewerber, ebenso Geduldete, ausreisepflichtige Personen und Menschen mit einer Aufent- haltserlaubnis aus humanitären Gründen, deren Aufenthalt zunächst nur von vorübergehender Dauer ist, sind grundsätzlich leistungsberechtigt nach dem AsylbLG. Bezüglich der Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Sprachmittlungsdiensten ist zwischen zwei Fallkonstellationen zu unterscheiden: Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG können sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhalts oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtli- chen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. Im Rahmen der Ermessensausübung nach § 6 AsylbLG ist somit eine sachgerechte (Einzelfall-)Entscheidung zu fällen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, inwieweit zunächst die Möglichkeiten einer unentgeltlichen Sprachvermittlung durch Verwandte, Bekannte oder sonstige nahe stehende Personen ausgeschöpft werden können. Nach § 2 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte, die über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten sogenannte Grundleistungen erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmiss- bräuchlich selbst beeinflusst haben, Leistungen analog des SGB XII. Auf die entsprechenden Aus- führungen hierzu wird insoweit verwiesen. Zu 2: Im sozialleistungsrechtlichen Verwaltungsverfahren gilt gemäß § 20 Abs. 1 SGB X das Amtsermitt- lungsprinzip, wonach die zuständige Sozialleistungsbehörde den Sachverhalt von Amts wegen er- mittelt. Die Behörde bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen. Sie hat alle für den Einzelfall be- deutsamen sowie die für die Beteiligten begünstigenden Umstände zu berücksichtigen. An das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten ist sie jedoch nicht gebunden. Im Zuge pflicht- gemäßen Ermessens bedient sie sich der Beweismittel, die sie für erforderlich hält. Insoweit kann sie insbesondere Auskünfte einholen, Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder deren schriftliche Äußerung einholen sowie Urkunden und Akten beiziehen oder Zeugen und Sachverständige im Fall der Auskunftsverweigerung durch das Sozial- oder Verwaltungsgericht vernehmen lassen. Im Zuge dieser verfahrensrechtlichen Grundsätze kann die Sozialleistungsbe- hörde im Rahmen der Aufklärung des Sachverhalts unter den in der Beantwortung zu Frage 1 ge- schilderten Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 SGB X die unverzügliche Vorlage einer Übersetzung der in einer fremden Sprache gestellten Anträge oder eingereichten Eingaben, Belege, Urkunden verlangen. Dies schließt in begründeten Fällen die Vorlage einer beglaubigten oder von ei- ner/einem öffentlich bestellten oder beeidigten Dolmetscherin bzw. Dolmetscher oder Übersetzerin bzw. Übersetzer angefertigten Übersetzung ein. Für den Bereich des SGB II hat die Bundesagentur für Arbeit als Träger der Leistungen in der ge- meinsamen Einrichtung mit der Handlungsempfehlung und Geschäftsanweisung (HEGA) 05/11 - 08 - allgemeine Hinweise zur Inanspruchnahme von Dolmetscher- und Übersetzungsdiensten ge- geben. Auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Azize Tank, Sabine Zimmermann (Zwickau), Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE., BT-Drucksache 18/2726 - zu der Frage: „Wie stellt die Bundesagentur für Arbeit sicher, dass die ,HEGA 05/11 - 08 - Inanspruchnahme von Dolmetscher- und Übersetzungsdiensten‘ auch tatsächlich zur Anwendung kommt?“ wird insoweit hingewiesen. Auf die Antwort der Bundesregierung hierzu, BT-Drucksache 18/2965, wird Bezug genommen. Die Bundesagentur für Arbeit weist in ihrer o. g. HEGA u. a. ebenfalls da- rauf hin, dass die Amtssprache deutsch ist (§ 19 Abs. 1 SGB X, § 87 Abs. 1 Abgabenordnung - AO). Gleichzeitig nimmt sie aber auch auf die EG-Verordnung Nr. 883/2004 des Europäischen Par- laments und des Rates zur Koordinierung der Sozialen Sicherheit Bezug, die in Artikel 76 Abs. 7 klarstellt, dass Anträge oder Schriftstücke nicht zurückgewiesen werden dürfen, die in einer als Amtssprache der EU anerkannten Sprache eines Mitgliedstaates eingereicht werden. Weitere Re- gelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt (§ 30 Abs. 2 SGB I, § 2 AO). Weiter stellt die Bundesagentur für Arbeit klar, dass Kundinnen und Kunden mit unzureichenden Deutsch-Kenntnissen zur Vermeidung von Verständnisschwierigkeiten in erster Linie eine Person mit entsprechenden Sprachkenntnissen mitbringen sollen. Ist dies nicht möglich, sind für Überset- zungen und Dolmetscherdienste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit entsprechenden Sprach- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2868 5 kenntnissen zu betrauen. Deren Vergütung orientiert sich an Regelungen der §§ 9 bis 11 Justizver- gütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) 7 . Sofern diese nicht verfügbar sind, sollen soziale Verbände bzw. ehrenamtliche Einrichtungen u. ä. - soweit die Übersetzungs- und Dolmetscher- dienste im Zusammenhang mit ihren Aufgaben stehen - hierfür gewonnen werden. Bei Erstkontak- ten (schriftlich und mündlich) sind notwendige Übersetzungen bzw. Dolmetscherdienste in jedem Fall von der Bundesagentur für Arbeit bzw. dem jeweiligen Jobcenter zu veranlassen und zu erstat- ten. Krankenhäuser führen Listen über Fremdsprachenkenntnisse ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter. Aufgrund verschiedener Sprachen und Dialekte in den Heimatländern der Flüchtlinge reichen die vorhandenen Kenntnisse nicht immer aus. In diesen Fällen wird hinsichtlich qualifizierter Dol- metscherinnen bzw. Dolmetscher häufig auf das Ethno-Medizinische Zentrum e. V. (EMZ) zurück- gegriffen. Eine Kostenübernahme durch die Krankenkassen bezüglich der Dolmetschertätigkeit er- folgt häufig nicht, da die Rechtsgrundlage hierfür fehlt. Zu 3: Als zentraler Vermittlungsdienst für Dolmetscherinnen und Dolmetscher ist hier das EMZ zu nen- nen. Das EMZ, das vom Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung institutionell ge- fördert wird, ist eine bundesweit einmalige Einrichtung zur Unterstützung einer bürgernahen Ge- sundheitsversorgung von zugewanderten Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Das EMZ bietet eine individuelle Beratung für Menschen mit eigener oder familiärer Zuwande- rungsgeschichte an und nimmt psychosoziale Integrations- und Betreuungsaufgaben wahr. Das EMZ unterstützt eine bürgernahe Gesundheitsversorgung der zugewanderten Mitbürgerinnen und Mitbürger in Gesundheitsämtern, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen der Gesund- heitsversorgung. Die Unterstützung besteht im Wesentlichen in der Vermittlung von Kommunikati- onshilfen und in der Sensibilisierung von im Gesundheitswesen Tätigen für migrationsbedingte be- sondere Problemlagen: – Sprachmittlerdienst für Gemeindedolmetscher, – Vernetzung von Integrations- und Gesundheitsfragen, – Mediatorenschulung (u. a. im Gesundheitswesen). Ziel ist die verbesserte gesamtgesellschaftliche Integration von Migrantinnen und Migranten. Die Teilhabe an den Angeboten des Gesundheitswesens stellt davon einen Aspekt dar. Ethnomedizin ist als Teil der Integrationspolitik für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger als sozialkompensatorische Maßnahme zu verstehen, um Defiziten in der gesundheitlichen Versor- gung der Migrantinnen und Migranten vorzubeugen bzw. entgegenzuwirken. Das EMZ vermittelt speziell geschulte, zumeist muttersprachliche Dolmetscherinnen und Dolmet- scher, die über Sprachkenntnisse und das kulturelle Hintergrundwissen verfügen. Folgende weitere Dienste können angesprochen werden: – Kargah in Hannover, – Sprach- und Kulturmittlung Osnabrück SPuK Os, – Interkulturelles Übersetzen und Vermitteln für das Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen in Braunschweig, – Dolmetscherdienst des Gesundheitsamts Bremen, – Kulturmittlerdienst in Lüneburg. Zur Finanzierung dieser Dienste liegen der Landesregierung im Einzelnen keine Erkenntnisse vor. 7 Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2868 6 Zu 4: Die institutionelle Förderung des EMZ ist in der mittelfristigen Planung weiterhin vorgesehen. Die Kommunikation im Rahmen der Flüchtlingssozialarbeit und der Integrationsberatung ist, abgesehen von den bereits oben genannten Einschränkungen, unabhängig von der Frage des Einsatzes von Dolmetscherinnen und Dolmetschern sichergestellt, da die Beraterinnen und Berater die Gesprä- che mit Klientinnen und Klienten entweder in der Muttersprache (soweit entsprechende Kenntnisse vorhanden sind) oder auf Englisch oder Französisch führen. Zu 5: Das Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen e. V. (NTFN) hat Leitlinien zum Ein- satz von Dolmetschenden in der Psychotherapie erstellt, die Dolmetschenden, die neu in diesem Arbeitsbereich eingesetzt werden, zur Orientierung an die Hand gegeben werden. Darüber hinaus hat das NTFN mehrfach selbst entsprechende eintägige Schulungen bzw. Fortbil- dungen angeboten. Im ersten Quartal des Jahres wird eine Schulung in Braunschweig für das psy- chologische Institut angeboten, da diese Einrichtung diagnostische Aufgaben für die Landesauf- nahmebehörde für Flüchtlinge wahrnehmen wird. Eine Schulung in Osnabrück ist ebenfalls geplant. Der Reader „Psychotherapie zu dritt“ wurde 2009 vom NTFN zusammen mit dem Flüchtlingsrat herausgegeben und soll im kommenden Jahr aktualisiert neu aufgelegt werden. Dieser Reader wird bundesweit und aus dem deutschsprachigen Ausland von Fachkräften bestellt, da es wenig Litera- tur zu diesem Handlungsfeld gibt. Darin finden sich auch Erfahrungsberichte und Leitlinien, da die Anforderungen an Dolmetscher in der Psychotherapie oder psychosozialen Beratung anders sind, als in allgemeinen aufenthaltsrechtlichen oder sozialen Beratungssituationen (Stichworte sind: Schweigen aushalten, absolutes 1:1-Übersetzen - keinerlei Zusammenfassung, Distanz aushalten). Cornelia Rundt (Ausgegeben am 29.05.2015) Drucksache 17/2868 neu Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2443 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Filiz Polat, Thomas Schremmer, Belit Onay, Julia Willie Hamburg und Meta Janssen-Kucz (Bündnis 90/Die Grünen), eingegangen am 27.11.2014 Flächendeckende Versorgung mit Sprachmittlungsdiensten für Flüchtlinge Antwort der Landesregierung