Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2914 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2281 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Axel Miesner (CDU), eingegangen am 30.10.2014 Ist die Aussage „keine Wiedervernässung landwirtschaftlicher Flächen ohne Zustimmung der Eigentümer“ eine reine Worthülse? Im Weser-Kurier vom 20. Oktober 2014 ist Folgendes zu lesen: „Niedersachsens SPD macht ge- gen die Moor-Pläne von Agrarminister Christian Meyer (Grüne) mobil. ‚Mit der SPD-Landtagsfraktion wird es keine rechtlichen Einschränkungen der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung im Landes-Raumordnungsprogramm geben‘, heißt es in einem Zehn-Punkte-Papier der Fraktion, das dem Weser-Kurier vorliegt. Eine Wiedervernässung von Mooren dürfe nur erfolgen, ‚wenn die ausdrückliche Zustimmung des Eigentürmers erfolgt‘“. In der Antwort auf die Mündliche Anfrage des Abg. Axel Miesner vom 24.10.2014 wird hingegen Folgendes ausgeführt: „Die Änderung des LROP sieht u. a. vor, insbesondere aus Gründen des Klimaschutzes Vorranggebiete Torferhaltung und Moorentwicklung festzulegen.“ Weiter heißt es in der Antwort: „Veränderungen des Wasserstands bedürfen sowohl einer Genehmigung als auch der Zustimmung des Eigentümers der Fläche. Eine Wiedervernässung ohne Zustimmung des Eigen- tümers ist daher nicht möglich.“ Sowie: „Eine Anhebung des Wasserstands kann durch das LROP nicht bewirkt werden. Vielmehr handelt es sich um eine Freihalteplanung gegenüber Vorhaben und Maßnahmen, die einer Wiedervernässung dauerhaft entgegenstehen würden. Die Planung ist da- bei, wie in der Raumordnung üblich, auf langfristige Zeiträume (Jahrzehnte) ausgerichtet.“. In der Antwort verweist die Landesregierung auf eine „Nutzung von Mooren durch nicht angepasste Landwirtschaft“. Im Entwurf einer Verordnung zur Änderung über das Landes-Raumordnungsprogramm (LROP) wird unter e) aufgeführt: „In Abschnitt 3.1.1 (Elemente und Funktionen des landesweiten Freiraum- verbundes, Bodenschutz) werden die folgenden Ziffern 05 und 06 angefügt: ,05 1 Böden mit hohen Kohlenstoffgehalten sollen in ihrer Funktion als natürliche Speicher für klimarele- vante Stoffe erhalten werden. 2 Moore sollen dahin gehend entwickelt werden, dass sie ihre natürliche Funktion als Kohlenstoff- speicher wahrnehmen können (Moorentwicklung) sowie nach Möglichkeit ihren weiteren natürli- chen Funktionen im Naturhaushalt, wie Artenschutz, gerecht werden. 06 1 In den in Anlage 2 festgelegten Vorranggebieten Torferhaltung und Moorentwicklung sind die vor- handenen Torfkörper in ihrer Funktion als Kohlenstoffspeicher zu erhalten. 2 Torfkörper in Vorranggebieten Torferhaltung und Moorentwicklung, die bereits die Funktion einer natürlichen Senke für klimaschädliche Stoffe wahrnehmen, sind in dieser Funktion zu sichern. 3 Torfkörper in Vorranggebieten Torferhaltung und Moorentwicklung, die diese Senkenfunktion noch nicht erfüllen, aber aus naturschutzfachlichen, klimaökologischen und bodenkundlichen Gründen dafür geeignet sind, sollen zu natürlichen Senken für klimaschädliche Stoffe entwickelt werden.‘“ Ich frage die Landesregierung: 1. Was versteht die Landesregierung unter der Aussage „Nutzung von Mooren durch nicht an- gepasste Landwirtschaft“, und welche Folgen wird dieses für die Landwirtschaft haben? 2. Welchen Schutz gegen die Wiedervernässung von Flächen, die sich neben bzw. zwischen Flächen befinden, für die die Eigentümer einer Wiedervernässung zugestimmt haben, gibt es nach Ansicht der Landesregierung vor dem Hintergrund des Umstandes, dass Wasserbewe- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2914 2 gungen nicht parzellenscharf beeinflusst werden können, und welche konkreten Maßnahmen plant die Landesregierung diesbezüglich? 3. Welche Rechte haben nach Ansicht der Landesregierung die Eigentümer von entsprechenden Flächen, die einer Wiedervernässung und Anhebung der Wasserstände generell nicht zu- stimmen? 4. Welche Überlegungen und Programme verbindet die Landesregierung mit der Aussage: „Vielmehr handelt es sich um eine Freihalteplanung gegenüber Vorhaben und Maßnahmen, die einer Wiedervernässung dauerhaft entgegenstehen würden. Die Planung ist dabei, wie in der Raumordnung üblich, auf langfristige Zeiträume (Jahrzehnte) ausgerichtet.“? 5. Warum spricht die Landesregierung von einer Freiwilligkeit einer Wiedervernässung, wenn in der Verordnung zur Änderung über das Landes-Raumordnungsprogramm die klare Vorstel- lung von einem Erhalt und einer Sicherung der Torfkörper formuliert wird, dieses aber nach Ansicht der Landesregierung nicht im Einklang mit der jetzigen Bewirtschaftung der Flächen steht? 6. Was sind nach Ansicht der Landesregierung „Vorhaben und Maßnahmen, die einer Wieder- vernässung dauerhaft entgegenstehen würden“? 7. Welche Auswirkungen werden nach Ansicht der Landesregierung die Vorranggebiete Torfer- halt und Moorentwicklung auf Vorhaben außerhalb dieser Vorranggebiete haben? 8. Welche Auswirkungen werden nach Ansicht der Landesregierung die Vorranggebiete Torfer- halt und Moorentwicklung auf die Siedlungsentwicklung (Wohnen, Gewerbe usw.) haben? 9. Welche langfristigen Perspektiven bietet die Landesregierung den Landwirten und hier vor al- lem der Milchwirtschaft in den sogenannten Moordörfern? 10. Wie aktuell sind die Pläne, die als Basis der Beratungen über die Aktualisierung des LROP dienen? (An die Staatskanzlei übersandt am 04.11.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 02.02.2015 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 303 01425-24 - Ein Punkt des derzeit laufenden Änderungsverfahrens des Landes-Raumordnungsprogramms (LROP) befasst sich aus Gründen des Klimaschutzes mit der Erhaltung kohlenstoffhaltiger Böden. Mit der im LROP-Entwurf 2014 dargestellten Vorranggebietskulisse ist keine flächendeckende Wie- dervernässung vorgesehen, eine zwangsweise Wiedervernässung ist ausgeschlossen. Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: In den Empfehlungen für eine niedersächsische Klimaschutzstrategie (2012) wird in Kapitel V „Landwirtschaft und Erhalt organischer Böden“ (Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz und Regierungskommission Klimaschutz, Februar 2012, S. 68 ff.) dargelegt, „dass die CO2-Emissionen aus der Nutzung organischer Böden den größten Anteil an der Treibhaus- gasemission der niedersächsischen Landwirtschaft haben. Aufgrund der großen Moorflächen in Niedersachsen (38 % der gesamtdeutschen Moorfläche) und der überwiegend intensiven landwirt- schaftlichen Nutzung der Moore ist dieser Bereich von besonderer Bedeutung.“ Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2914 3 Weiter heißt es (S. 73): „In der Landwirtschaft treten Verluste an organischer Bodensubstanz insbesondere durch die Entwässerung hydromorpher Böden (z. B. Moore) sowie durch die Umwand- lung von Dauergrünland auf. Der Erhalt des organischen Bodenkohlenstoffs dient nicht nur dem Klimaschutz, er hat auch positive Auswirkungen auf den Gewässerschutz, da ein Abbau der Vorrä- te an organischer Bodensubstanz oft mit erhöhten Nitratausträgen verbunden ist. Zu den zentralen Aktionsfeldern der Verringerung der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft zählen daher folgende Bereiche: – Erhalt von Dauergrünland und die Vermeidung des umwelt- und klimabelastenden Umbruchs dieser Flächen, – Verringerung stark erhöhter CO2- und N2O-Emissionen aus landwirtschaftlich genutzten, entwässerten Mooren durch Anheben des Wasserspiegels.“ Eine an die Moorstandorte angepasste Landwirtschaft berücksichtigt die vorgenannten Punkte. Ei- ne nicht angepasste Landwirtschaft hingegen berücksichtigt diese Punkte unzureichend. Es handelt sich um eine rein definierende Feststellung, die vor dem Hintergrund der laufenden Änderung des LROP - wie in der Beantwortung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Miesner vom Oktober 2014 (s. o.) bereits dargelegt - keine weiter reichenden Folgen für die Landwirtschaft hat. Zu 2 und 3: Das LROP ist kein Maßnahmenprogramm und legt selbst auch keine Maßnahmen fest. Eine Fest- legung zur Umsetzung von Maßnahmen wie z. B. Wiedervernässungsmaßnahmen erfolgt über das LROP grundsätzlich nicht. Mit der Festlegung von Vorranggebieten wird „lediglich“ bezweckt, Flä- chen von Nutzungen, die mit dem jeweiligen raumordnerischen Vorrang wie z. B. der Torfabbau nicht vereinbar sind, freizuhalten und dadurch verschiedene konfligierende Nutzungen so zu steu- ern, dass Nutzungskonflikte entflochten werden. Im Gegensatz dazu sollen im Rahmen des Programms „Niedersächsische Moorlandschaften“ ver- schiedene Maßnahmen insbesondere zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen aus Mooren und außerdem zum Erhalt der biologischen Vielfalt durchgeführt werden. Ein Großteil dieser auf den Klimaschutz ausgerichteten Maßnahmen wird in den für den Arten- und Biotopschutz bedeut- samen Mooren umgesetzt (wie z. B. in Natura 2000-Gebieten und in bestehenden Naturschutzge- bieten). Maßnahmen auf anderen, bislang landwirtschaftlich genutzten Flächen können nur auf freiwilliger Basis gemeinsam mit den Flächeneigentümern durchgeführt werden. Die Wiedervernässung setzt eine Zulassung voraus, in der Regel ein wasserrechtliches Planfest- stellungsverfahren bzw. eine wasserrechtliche Plangenehmigung. Flächen, deren Eigentümer einer Wiedervernässung nicht zustimmen, könnten nicht zwangsweise vernässt werden. Bei der Vernäs- sung umliegender oder angrenzender Flächen ist der Nachbarschutz zu beachten. Schutzansprüche im Zusammenhang mit dem Nachbarschutz werden im Rahmen des vorgesehe- nen Verfahrens gewährleistet. Laut Wasserrecht dürfen Wasserstandsänderungen nicht auf Kosten der Ober- oder Unterlieger (und dies sind nicht nur die unmittelbaren Nachbarn bzw. Nachbar- grundstücke) geschehen. Den Belangen der Betroffenen kommt also großes Gewicht zu, auch wenn eigene Flächen nicht im Fokus einer Wiedervernässungsmaßnahme stehen. Zu 4: Die zitierte Äußerung im Zusammenhang mit der Beantwortung der Mündlichen Anfrage vom 24.10.2014 bezieht sich bezüglich der Aussage zu „Freihalteplanungen gegenüber Vorhaben und Maßnahmen …“ auf die Festlegung dieser Gebiete als Vorranggebiete im Sinne des § 8 Abs. 7 Raumordnungsgesetz (ROG). Dies sind Gebiete, die für bestimmte raumbedeutsame Funktionen oder Nutzungen vorgesehen sind und andere raumbedeutsame Nutzungen in diesem Gebiet ausschließen, soweit diese mit den vorrangigen Funktionen oder Nutzungen nicht vereinbar sind. In einem Vorranggebiet ist insoweit alles erlaubt und wird nur eingeschränkt, solange und soweit es dem Vorrang entgegensteht. Ein Nebeneinander von Nutzungen ist zulässig, soweit der Vorrang nicht beeinträchtigt wird. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2914 4 Unter Freihaltung ist insofern keine absolute „Sperrwirkung“ des Vorranggebietes für konkurrierende Nutzungen zu verstehen, sondern freigehalten werden diese Gebiete „nur“ von den Nutzungen, die nicht vereinbar sind. Anders als Planungen konkreter Vorhaben sind die längeren Zeiträume für die Raumordnungspla- nung dem Umstand geschuldet, dass räumliche Veränderungen bezogen auf Nutzungs- und Funk- tionsänderungen sich eben in aller Regel nicht kurzfristig, sondern über einen längeren Zeitraum vollziehen. Dem folgend sind Zeiträume über zwei Jahrzehnte der zeitliche Rahmen, in dem der Raumordnungsplan - hier das LROP - die räumliche Entwicklung steuern soll. Allerdings erfordern Aspekte des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel eine darüber hinausgehende perspektivische und noch längerfristigere Planung. Die auf längerfristige Zeiträume ausgerichtete Planung ergibt sich auch bereits aus dem mit der Leitvorstellung der Raumordnung (§ 1 Abs. 1 ROG) verbundenen Auftrag an die Raumordnung, die Planung im Sinne einer nachhaltigen Raumentwicklung umzusetzen. Zu 5: Ein Raumordnungsplan, wie es das LROP ist, ist kein verpflichtendes Handlungsprogramm, son- dern dient der Steuerung der raumbedeutsamen Flächennutzungen. Die konkrete Umsetzung bleibt den infrage kommenden Akteuren vorbehalten. Ein Raumordnungsplan kann kein Handeln erzwin- gen. Solche Regelungen sind dem Ordnungsrecht vorbehalten. Dies gilt insbesondere für die ord- nungsgemäße Landbewirtschaftung, die grundsätzlich genehmigungsfrei ist. Daher bleiben Wie- dervernässungsmaßnahmen freiwillig. Zu 6: Darunter sind z. B. Vorhaben und Maßnahmen zu verstehen, die raumbedeutsam sind und den Torfkörper weitgehend entfernen oder versiegeln. Zu 7: Die raumordnerische Gebietskategorie „Vorranggebiet“ begründet ausschließlich eine Innenwirkung . Zu 8: Da im Rahmen der Erarbeitung der Vorranggebietskulisse „Torferhaltung und Moorentwicklung“ die Siedlungsflächen und zusätzlich ein (Entwicklungs-)Puffer in einer Breite von mehreren hundert Metern den Festlegungen zufrunde liegen, in dem diese stark vergröbert aus der Vorranggebietsku- lisse herausgenommen wurden, werden nur geringe Auswirkung auf die Siedlungsentwicklung er- wartet. Siedlungsentwicklung (Wohnen, Gewerbe usw.) wird in aller Regel den Vorschriften des Bauge- setzbuches (BauGB) unterliegen. In diesem ist in § 1 Abs. 4 BauGB eine sogenannte „Raumordnungsklausel “ verankert, wonach die Bauleitpläne der Gemeinden den Zielen der Raumordnung anzupassen sind. Dabei ist aber auch die im LROP-Entwurf vorgesehene Konkretisierung der Vor- ranggebiete „Torferhaltung und Moorentwicklung“ durch die Träger der Regionalplanung zu beachten , die einen Spielraum für die Berücksichtigung von Belangen eröffnet, die auf Ebene des LROP nicht erkennbar sind. Zu 9: Die Perspektive für die Landwirte ist gegeben, da keine Nutzungseinschränkungen für die ord- nungsgemäße Landbewirtschaftung gegeben sind. Gleichwohl setzt sich die Landesregierung pa- rallel für die Entwicklung alternativer Bewirtschaftungsformen ein, um für die Zukunft nachhaltige Möglichkeiten für die Bewirtschaftung nasser Standorte aufzeigen zu können. Zu 10: Bei den dem LROP-Entwurf zugrunde liegenden bodenkundlichen Daten zur Ermittlung der Vor- ranggebietskulisse handelt es sich um Datengrundlagen des LBEG. Da diese laufend aktualisiert werden, ist der Stand über das gesamte Land Niedersachsen unterschiedlich und lässt sich nicht pauschal angeben. Die Abfrage beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küs- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2914 5 ten- und Naturschutz über Folgenutzung von Torfabbauten im Rahmen der Umsetzung des Moor- schutzprogramms ist aus dem Jahr 2012. Christian Meyer (Ausgegeben am 17.02.2015) Drucksache 17/2914 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2281 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Axel Miesner (CDU), eingegangen am 30.10.2014 Ist die Aussage „keine Wiedervernässung landwirtschaftlicher Flächen ohne Zustimmung der Eigentümer“ eine reine Worthülse? Antwort der Landesregierung