Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2925 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2277 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU), eingegangen am 30.10.2014 Änderungen bei der Klärschlammentsorgung? Niedersachsen hat in der Vergangenheit überwiegend den Weg der landwirtschaftlichen Klär- schlammverwertung verfolgt. Der Anteil der landwirtschaftlichen Klärschlammverwertung liegt in Niedersachsen langjährig konstant bei ca. 70 %. Der Bundesdurchschnitt liegt bei rund 30 %. Die vergleichsweise hohe Verwertungsquote von Klärschlamm in der Landwirtschaft liegt wesentlich in den landesweit günstigen Rahmenbedingungen begründet: Niedersachsen kann als Flächenland ca. 1,8 Mio. ha Ackerland für eine Beschlammung bereitstel- len. Die Klärschlammqualitäten aus Niedersachsen sind seit Jahren stabil und überwiegend auf einem hohen Niveau. Seit Beginn der 90er-Jahre bewährt sich der intensive Dialog zwischen allen Beteiligten der Klär- schlammverwertung. Wesentliche Standpunkte der betroffenen Interessengruppen aus Politik, Wis- senschaft und Verbänden sowie der Entsorgungsbetriebe und Landwirte konnten zusammengetra- gen und gemeinsam diskutiert werden. Die Akzeptanz für den landwirtschaftlichen Verwertungsweg ist weitgehend gegeben. Seitens der Bundesregierung ist die Absicht bekannt, die Klärschlammverordnung zu überarbeiten und die Verwendung von Klärschlamm als Düngemittel zu verbieten. Ziel der Novellierung soll u. a. sein, den positiven Trend der Schadstoffentlastung der Böden zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie steht die Landesregierung zur geplanten Novellierung der Klärschlammverordnung? 2. Welche Veränderungen ergeben sich daraus gegebenenfalls für kommunale Entsorger? 3. Kann die niedersächsische Landwirtschaft den Wegfall von Klärschlamm als Düngemittel ohne finanziellen Mehraufwand kompensieren? 4. Entstehen durch die dann erhöhten Mengen verbrannten Klärschlamms stärkere Belastungen für die Umwelt? 5. Falls ja, beeinflusst dies die Haltung der Landesregierung, und werden darauf gegebenenfalls Standortempfehlungen ausgesprochen? 6. Gibt es seitens der Landesregierung Pläne, den geplanten Bau einer Monoklärschlammver- brennungsanlage in Niedersachsen finanziell zu fördern? (An die Staatskanzlei übersandt am 04.11.2014) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2925 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 09.02.2015 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - MinBüro-01425/17/7/02-0069 - In Niedersachsen wird Klärschlamm nach wie vor überwiegend durch die Aufbringung auf landwirt- schaftliche Flächen verwertet. Die als Ackerland genutzte Fläche beträgt ca. 38 % der Fläche des Landes Niedersachsen. Für die landwirtschaftliche Klärschlammverwertung werden jährlich ca. 4 % der Ackerbauflächen genutzt. Die zu entsorgende Klärschlammmasse hat sich in den letzten zehn Jahren um etwa 25 % (ca. 46 000 t Trockenmasse) reduziert. Dies wird u. a. auf die vermehrt durchgeführte Behandlung (Faulung) von Klärschlamm und weniger auf die Abnahme der nieder- sächsischen Bevölkerung um ca. 2,5 % zurückzuführen sein. Die Verwertungsquote verringerte sich im selben Zeitraum ebenfalls von etwa 75 % im Jahr 2003 auf ca. 64 % im Jahr 2013. Im Bun- desvergleich wird in Niedersachsen mit ca. 115 000 t Trockenmasse Klärschlamm der höchste An- teil landwirtschaftlich verwertet. Seit Jahrzehnten wird darauf hingewirkt, die industriellen und gewerblichen Abwässer von Schad- stoffen zu entfrachten. Die Möglichkeiten der Indirekteinleiterverordnung wurden konsequent ge- nutzt. Die mittleren Schwermetallgehalte der niedersächsischen Klärschlämme liegen heute des- halb weit unterhalb der Grenzwerte der Klärschlammverordnung und nutzen diese nur zu 30 % aus. Bundesweit durchgeführte Untersuchungsprogramme haben dennoch übereinstimmend gezeigt, dass neben Schwermetallen noch mehr als 100 weitere Schadstoffe (Arzneimittelrückstände, hor- monell wirksame Substanzen, schwer abbaubare organische Schadstoffe, Nanopartikel und andere Spurenstoffe) im Klärschlamm und Abwasser nachzuweisen sind. Demgegenüber werden aber derzeit durch Grenzwerte oder im Rahmen des Vollzugs weniger als 20 Stoffe geregelt. Deshalb sprechen fachliche Gründe des vorsorgenden Boden- und Gewässerschutzes angesichts der Schadstoffvielfalt dafür, Klärschlämme dieser Qualität mittelfristig nicht mehr direkt auf landwirt- schaftliche Flächen aufzubringen. Unabhängig davon sind auch die Anforderungen der geltenden Düngemittelverordnung (DüMV) vom 05.12.2012 zu beachten. Sie werden voraussichtlich zu erheblichen Einschränkungen der landwirtschaftlichen Verwertung von Klärschlamm führen. Seit dem 01.01.2015 gelten bereits die strengeren Grenzwerte der DüMV für Schwermetallgehalte und einige wenige organische Schad- stoffe. Nach einer landesweiten Erhebung werden etwa 20 % der aktuell in Niedersachsen verwer- teten Schlämme diese Grenzwerte überschreiten. Eine weitere Vorgabe der DüMV betrifft die Anwendung synthetischer Polymere. Deren Einsatz ist ab dem 01.01.2017 nur noch zulässig, wenn sämtliche Bestandteile und das Endprodukt (mit Po- lymeren stabilisierter Klärschlamm) sich in zwei Jahren um mindestens 20 % abbauen. Nach heuti- gem Kenntnisstand wird die geforderte Abbaurate von den derzeit eingesetzten synthetischen Po- lymeren nicht erreicht. Einer Umfrage zu Folge werden in Niedersachsen ca. 90 % der aktuell landwirtschaftlich verwerteten Schlämme durch den Zusatz solcher synthetischen Polymere ent- wässert. Sofern hinsichtlich der geforderten Abbaurate keine neuen Erkenntnisse vorliegen oder al- ternative Produkte bis Ende 2016 zur Verfügung stehen oder eine Änderung der DüMV vorgenom- men wird, würden - vom Jahr 2013 ausgehend - in Niedersachsen voraussichtlich etwa 103 000 t Trockenmasse Klärschlamm nicht mehr landwirtschaftlich verwertet werden können. Deshalb sind Möglichkeiten zu schaffen, die Entsorgungssicherheit für Klärschlämme weiterhin gewährleisten zu können. Dabei ist aus Gründen der Nachhaltigkeit solchen Verwertungsverfahren der Vorzug zu geben, die eine Rückgewinnung von Phosphor, das eine wichtige und begrenzte Ressource dar- stellt, gewährleisten. Soweit eine landwirtschaftliche Verwertung möglich ist, muss sie ebenfalls im Blickfeld bleiben. Letztlich müssen technische Machbarkeiten, die Auswirkungen auf die Umwelt und die Kostenfolgen betrachtet werden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2925 3 Um die Diskussion zu dieser Thematik anzustoßen, ist hierzu im März 2014 ein fachlicher Diskurs unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände, Vertretern der betroffenen Abwasserbeseiti- gungspflichtigen, der Umweltverbände und möglicher Entsorger eingeleitet worden. Im Rahmen des fachlichen Diskurses wurden Arbeitsgruppen gebildet. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen sol- len in einer für März 2015 geplanten Dialogveranstaltung vorgestellt und diskutiert werden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Klärschlammaufbringung zu Düngezwecken beendet werden soll und Phosphor und andere Nährstoffe zurückzugewinnen sind. Diese Vereinbarung soll mit der anstehenden Novellierung der Klärschlammverordnung aus dem Jahr 1992 umgesetzt werden. Nach Angaben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) wird der Novellierungsentwurf der Klärschlammverordnung ei- nen angemessenen Übergangszeitraum vorsehen. Danach soll die bodenbezogene Klärschlamm- verwertung noch bis zum Jahr 2025 zulässig sein. Diese Übergangsfrist von ca. zehn Jahren soll ebenfalls für den flächendeckenden Einsatz von Phosphorrückgewinnungsverfahren gelten. Im Hinblick auf kleine Abwasserbehandlungsanlagen (Größenklassen 1 und 2) hat das BMUB eine Ausnahmeregelung in Aussicht gestellt. Danach soll für diese Abwasserbehandlungsanlagen, wenn alle sonstigen Anforderungen eingehalten werden, die Möglichkeit der landwirtschaftlichen Verwer- tung weiterhin erhalten bleiben. Der angekündigte Entwurf zur Novellierung der Klärschlammverordnung wird den Ländern nach Auskunft des BMUB voraussichtlich Ende Februar zugeleitet. Insofern wird die Landesregierung die Novellierung konstruktiv unterstützen und in der Länderanhö- rung sowie bei der Beratung im Bundesrat die niedersächsischen Interessen vertreten. Zu 2: Die für die Beseitigung der Abwässer zuständigen Gemeinden sind als Abfallbesitzer nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz weiterhin zur Verwertung der Klärschlämme verpflichtet. Sofern die landwirtschaftliche Verwertung aufgrund rechtlicher Vorgaben nicht mehr möglich sein sollte, sind sie gehalten alternative Verfahren zu nutzen. Zu 3: Im Jahr 2013 sind ca. 65 000 ha (etwa 3,6 %) von insgesamt ca. 1,8 Millionen ha Ackerland in Nie- dersachsen für die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm genutzt worden. Die Tendenz ist abnehmend. Aufgrund der geringen Betroffenheit wird die niedersächsische Landwirtschaft den Wegfall von Klärschlamm als Phosphat-Düngemittel kompensieren können, wobei im Einzelfall Landwirte, die regelmäßig Klärschlamm verwendet haben, stärker betroffen sein könnten. Im Übri- gen besteht in einigen Regionen Niedersachsens besonders durch Gülle und Gärreste ein Überan- gebot an Nährstoffen. Das gilt auch für den Nährstoff Phosphat. Ein Nährstoffausgleich u. a. durch Wirtschaftsdünger bietet sich insofern an. Falls die Nährstoffe ebenfalls kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, können sich gegebenenfalls Mehrkosten durch den Transport ergeben, die im Ge- gensatz zu den Klärschlammanlieferungen von den Landwirten selber zu tragen wären. Ebenso können Nebenleistungen wie Bodenuntersuchungen, die in der Regel bisher von den Abwasserbe- seitigungspflichtigen bei der Abnahme von Klärschlamm getragen werden, entfallen. Zu 4: Unabhängig von den Techniken, die künftig für die Behandlung und Entsorgung der Klärschlämme eingesetzt werden, müssen alle Anlagen zur Behandlung von Klärschlamm die Anforderungen des Immissionsschutzrechtes erfüllen. Die Landesregierung strebt eine Bilanz aller denkbaren Entsorgungswege nach ökologischen und ökonomischen Kriterien an. Neben der traditionellen Verwendung ist dabei die Mitverbrennung, die Monoverbrennung, die hydrothermale Carbonisierung, die Pyrolyse, die Verwendung auf Rieselfel- dern, die Klärschlammvererdung und der Betrieb von Kleinkläranlagen zu betrachten. Erst nach Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2925 4 Vorliegen dieser Bilanz können die Belastungen oder Entlastungen für die Umwelt quantifiziert werden. Zu 5: Die Landesregierung wird die Ergebnisse bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Zu 6: Der im März 2014 begonnene fachliche Diskurs dient u. a. zur Diskussion mit den betroffenen Akt- euren über die Zukunft der Klärschlammentsorgung in Niedersachsen. Erst nach Abschluss des fachlichen Diskurses wird eine Aussage getroffen werden können, welche Wege oder Verfahren sich anbieten, um die Klärschlammentsorgung unter gleichzeitiger Nutzung oder Rückgewinnung von Phosphor in Niedersachsen sicherstellen zu können. Stefan Wenzel (Ausgegeben am 18.02.2015) Drucksache 17/2925 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2277 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU), eingegangen am 30.10.2014 Änderungen bei der Klärschlammentsorgung? Antwort der Landesregierung