Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2926 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2675 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Dr. Stephan Siemer (CDU), eingegangen am 22.12.2014 Lässt die Landesregierung Förderschulen in freier Trägerschaft im Stich? Das Kardinal-von-Galen-Haus ist eine anerkannte Förderschule in kirchlicher Trägerschaft mit dem Schwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung. An dieser Schule werden über 300 Schüle- rinnen und Schüler, die einen Unterstützungsbedarf in der körperlichen und motorischen Entwick- lung haben, unterrichtet. Sie besuchen die Schule bis zum 9. Schuljahrgang. Seit Sommer 2012 führt das Kardinal-von-Galen-Haus in jedem neu gebildeten ersten Jahrgang auch eine inklusive Klasse, in der zwölf Regelgrundschüler gemeinsam mit sechs Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf unterrichtet werden. Ziel ist es, dass im Jahr 2015 in jedem Jahrgang des Primarbereichs solch eine inklusive Klasse vorhanden ist. Für den Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung ist das Kardinal-von-Galen-Haus zuständige Schule für Schülerinnen und Schüler aus den Landkreisen Cloppenburg, Diepholz, dem nördlichen Landkreis Osnabrück und Vechta. Nachbarschulen befinden sich in Hannover, Meppen, Oldenburg und Osnabrück. Ins- gesamt arbeiten im Kardinal-von-Galen-Haus 54 Lehrer, davon sind zurzeit 30 beurlaubte Landes- beamte. In den nächsten fünf Jahren werden zehn dieser beurlaubten Förderschullehrkräfte in den Ruhestand gehen, in den nächsten zehn Jahren wird dies bei voraussichtlich insgesamt 20 Lehr- kräften der Fall sein. Die Landesschulbehörde genehmigt derzeit keine Anträge auf Beurlaubung von beim Land ange- stellten Lehrkräften, die den Unterricht am Kardinal-von-Galen-Haus aufnehmen wollen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Zahl von Pensionierungen an dieser Schule und der geringen Ver- fügbarkeit von ausgebildeten Förderschullehrern besteht die Gefahr, dass die Schule den Unter- richt für die bisher vorhandene Zahl von Schülern nicht mehr sicherstellen kann. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Arbeit des Kardinal-von-Galen-Hauses in Dinklage ins- gesamt? 2. Wie bewertet die Landesregierung die Einführung der inklusiven Klassen im Kardinal-von- Galen-Haus? 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Zukunftsperspektiven für die inklusiven Klassen im Kar- dinal-von-Galen-Haus? 4. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die zu erwartenden Pensionierungen am Kardinal-von-Galen-Haus? 5. Inwieweit wird das Land das Kardinal-von-Galen-Haus beim Ersatz von pensionierten Lehr- kräften unterstützen? 6. In welchem Umfang werden künftige Beurlaubungen von Lehrkräften öffentlicher Schulen zur Aufnahme einer Tätigkeit an Förderschulen in freier Trägerschaft und insbesondere am Kar- dinal-von-Galen-Haus möglich sein? 7. Wie beurteilt die Landesregierung die Arbeitsmarktsituation von Förderschullehrkräften in Niedersachsen insgesamt? 8. Was unternimmt die Landesregierung, um sicherzustellen, dass in Niedersachsen sowohl für die öffentlichen Förderschulen als auch für die Förderschulen in freier Trägerschaft ausrei- chend Lehrkräfte zur Verfügung stehen? (An die Staatskanzlei übersandt am 08.01.2015) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2926 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Kultusministerium Hannover, den 09.02.2015 - 01-0 420/5-2675 - Die niedersächsischen Förderschulen sowie die allgemeinen Schulen mit der integrativen und in- klusiven Beschulung leisten eine ausgezeichnete Arbeit. Dieses gilt für öffentliche Schulen wie auch für Schulen in freier Trägerschaft gleichermaßen und schließt damit auch das in der Träger- schaft einer gemeinnützigen GmbH geführte Kardinal-von-Galen-Haus in Dinklage ein. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt: Zu 1: Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. Zu 2: Die Landesregierung legt Wert darauf, die Ausübung des Elternwillens im Rahmen des vorhande- nen Schulangebots sicherzustellen. Insofern wird auch mit diesem schulischen Angebot eines freien Trägers dem inklusiven Gedanken Rechnung getragen. Die Öffnung des Primarbereichs der Förderschule auch für Schülerinnen und Schüler ohne Unterstützungsbedarf ergänzt das Schulan- gebot in der Stadt Dinklage. Zurzeit werden in den Jahrgängen 1 bis 3 Schülerinnen und Schüler ohne Unterstützungsbedarf beschult, Ziel ist die gemeinsame Beschulung im gesamten Primarbe- reich. Schülerinnen und Schüler mit Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung im Förder- schwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung werden in der Regel zielgleich unterrichtet; eine gemeinsame inklusive Beschulung trägt insbesondere in der vom Schulträger vorgenomme- nen zahlenmäßigen Klassenzusammensetzung grundsätzlich auch dem inklusiven Gedanken Rechnung. Zu 3: Das verfassungsrechtlich garantierte Angebot von Schulen in freier Trägerschaft wird von der Lan- desregierung hoch geschätzt und aktiv unterstützt. Die Niedersächsische Landesschulbehörde be- rät die freien Träger umfassend und übt die Aufsicht nach § 167 des Niedersächsischen Schulge- setzes (NSchG) auch über das Kardinal-von-Galen-Haus aus. Über die Zukunft eines schulischen Angebots bestimmen in erster Linie die Schulträger und die Eltern, die sich für ein schulisches An- gebot für ihre Kinder entscheiden. Zu 4: Der Landesregierung ist das Alter der im Kardinal-von-Galen-Haus beschäftigten Lehrkräfte und sonstigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekannt. Wann diese Beschäftigten nach geltendem Recht durch Erreichen der Regelaltersgrenze ausscheiden, ist somit ebenfalls bekannt. Nicht be- kannt ist, wann diese Kräfte vorzeitig aufgrund individueller Gegebenheiten und Wünsche konkret ausscheiden. Zu 5 und 6: Ziel der Landesregierung ist es, die Versorgung des allgemeinbildenden Schulsystems mit Lehr- kräften landesweit nachhaltig zu sichern, um auch weiterhin eine gute Unterrichtsversorgung zu er- reichen und gleichzeitig die Bildungsqualität zu erhöhen. Dabei ist insbesondere eine bedarfsge- rechte Ressourcensteuerung der Förderschullehrkräfte für Schülerinnen und Schüler an Förder- schulen und im Rahmen der Integration und Inklusion zu gewährleisten. Dabei trägt das Land zunächst die Personalverantwortung für die öffentlichen Schulen. Für die Per- sonalversorgung von Schulen in freier Trägerschaft sind in erster Linie deren Träger verantwortlich, die sich erst einmal selbst bemühen müssen, auf dem freien Arbeitsmarkt eigene Lehrkräfte zu ak- quirieren. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2926 3 Zur Erreichung gemeinsamer Ziele betont und fördert das NSchG die Zusammenarbeit der öffentli- chen Schulen und der Schulen in freier Trägerschaft. Allerdings beschränken sich die Regelungen des § 152 NSchG auf einen Personalaustausch zwischen diesen Schulen, sodass die Träger freier Schulen keinen Anspruch darauf besitzen, dass ihnen das Land zulasten der Unterrichtsversorgung öffentlicher Schulen Landesbedienstete zur Verfügung stellt. Im Rahmen bestehender Möglichkeiten wird die Landesregierung auch künftig Schulen in freier Trägerschaft durch die Freigabe entsprechender Landesbediensteter unterstützen. Vor dem Hintergrund der derzeit nur begrenzt vorhandenen Anzahl an Lehrkräften mit dem Lehr- amt für Sonderpädagogik auf der einen Seite und dem steigenden Bedarf an Förderschullehrer- stunden auf der anderen Seite wird es jedoch nicht immer möglich sein, allen Beurlaubungswün- schen zu entsprechen. Es werden vielmehr Einzelfallentscheidungen zu treffen sein, die es im Vo- raus nicht gestatten, zum Gesamtumfang der möglichen Beurlaubungen Aussagen zu treffen. Zu 7: Die Anzahl der Bewerberinnen und Bewerber mit dem Lehramt für Sonderpädagogik ist begrenzt. Daher hat diese Bewerbergruppe in Niedersachsen - wie in den meisten anderen Bundesländern auch - besonders gute Einstellungschancen. Niedersachsen ist bestrebt, besonders viele Einstel- lungen von Lehrkräften mit diesem Lehramt zu ermöglichen. Um bereits frühzeitig bei Schülerinnen und Schüler für die Aufnahme eines Lehramtsstudiums zu werben, hat das Kultusministerium einen Flyer veröffentlicht, der in den Schulen ausliegt. Es ist festzuhalten, dass in den letzten Einstellungsverfahren die Chancen für Bewerberinnen und Bewerber mit dem Lehramt für Sonderpädagogik hervorragend gewesen sind. Fast allen Bewerbe- rinnen und Bewerbern, die ihren Vorbereitungsdienst erfolgreich absolviert haben, ist ein Einstel- lungsangebot unterbreitet worden. Lediglich die Personen, die örtlich festgelegt und nicht bereit wa- ren, in anderen Regionen zu arbeiten, konnten teilweise nicht in den Schuldienst übernommen werden. Zu 8: In Niedersachsen kann ein Studium für das Berufsziel Lehramt für Sonderpädagogik an den Uni- versitäten Oldenburg und Hannover aufgenommen werden. Im Lehramt für Sonderpädagogik wer- den in Niedersachsen insgesamt fünf verschiedene sonderpädagogische Fachrichtungen angebo- ten. Von den am jeweiligen Standort angebotenen Fachrichtungen wählen die Studierenden im Studium zwei Fachrichtungen aus. Um dem gestiegenen Bedarf an Lehrkräften mit dem Lehramt für Sonderpädagogik auch in Zukunft nachkommen zu können, werden derzeit gemeinsam mit den Universitäten Hannover und Olden- burg Möglichkeiten zum Ausbau der Studienkapazitäten für das Lehramt für Sonderpädagogik ge- prüft. Für die sonderpädagogischen Fachrichtungen Hören und Sehen gibt es in Niedersachsen aufgrund der geringen Bedarfe an Lehrkräften keine eigene Ausbildung in den auf das Lehramt für Sonder- pädagogik ausgerichteten Bachelor- und Masterstudiengängen. Die Einrichtung dieser Fachrich- tungen in den auf das Lehramt für Sonderpädagogik ausgerichteten Bachelor- und Masterstudien- gängen ist derzeit nicht geplant. Für Lehrkräfte, die über die Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonderpädagogik verfügen, be- steht jedoch die Möglichkeit der Teilnahme an einem weiterbildenden Masterstudiengang Behinder- tenpädagogik (M. A.) mit den Förderschwerpunkten Sehen oder Hören an der Universität Hamburg. Zum Wintersemester 2014/2015 und 2015/2016 werden jeweils sechs Lehrkräfte mit der Befähi- gung für das Lehramt für Sonderpädagogik, die an öffentlichen Schulen Niedersachsens tätig sind, an diesem Studiengang teilnehmen. Seit dem 01.02.2013 wird eine berufsbegleitende Qualifizierung für Lehrkräfte, die in der sonderpä- dagogischen Förderung tätig sind und nicht über die Lehrbefähigung für das Lehramt für Sonder- pädagogik verfügen, angeboten. Mit dieser berufsbegleitenden Qualifizierung können interessierte Lehrkräfte Kompetenzen in der sonderpädagogischen Förderung erwerben. Die berufsbegleitende Qualifizierung gliedert sich in zwei Teilleistungen, die Qualifizierung an den Studienseminaren und Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2926 4 die Qualifizierung an den Schulen, und umfasst insgesamt drei Schuljahre. Insgesamt können 80 Lehrkräfte pro Kohorte teilnehmen. Zunächst sind fünf Durchgänge geplant. Eine zusätzliche Weiterbildungsmöglichkeit stellt das berufsbegleitende universitäre Ergänzungs- studium „Sonderpädagogik: Pädagogik und Didaktik bei Beeinträchtigung im Lernen und in der emotionalen und sozialen Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung inklusiver Settings“ an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg dar, das seit dem Wintersemester 2014/2015 ange- boten wird. Mit der Leibniz Universität Hannover wird über ein vergleichbares Angebot verhandelt, das ab dem Wintersemester 2015/2016 angeboten werden soll. In Vertretung des Staatssekretärs Jan ter Horst (Ausgegeben am 18.02.2015) Drucksache 17/2926 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2675 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Dr. Stephan Siemer (CDU), eingegangen am 22.12.2014 Lässt die Landesregierung Förderschulen in freier Trägerschaft im Stich? Antwort der Landesregierung