Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2933 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2727 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Martin Bäumer, Ernst-Ingolf Angermann, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Ansgar Focke, Ingrid Klopp, Axel Miesner, André Bock, Helmut Dammann- Tamke, Clemens Große Macke, Frank Oesterhelweg, Ulf Thiele und Lutz Winkelmann (CDU), ein- gegangen am 08.01.2015 Wie hoch ist der Fang von Wandersalmoniden durch Nebenerwerbsfischer in Küstengewäs- sern und Mündungsbereichen der großen Flüsse? Das Land Niedersachsen gibt für seine Küstengewässer Fischereierlaubnisscheine an Hobby- bzw. Nebenerwerbsfischer mit professionellem Fanggerät aus. Die Befischung dieser Küstengewässer und Mündungsbereiche der großen Flüsse (u. a. Elbe, Weser, Ems, Oste) wird in der niedersächsi- schen Küstenfischereiordnung (NKüFischO) reglementiert. Beispielsweise werden im Erlass des ML vom 18.09.2014 - 102-65220-5(2) - die Preise ab 2015 für solche Fischereierlaubnisscheine im Mündungsbereich der Weser festgelegt. So können Nebenerwerbsfischer mit einem einfachen Fi- schereischein als Grundlage und ohne weiterführende fachliche Kenntnis für 75 Euro im Jahr mit insgesamt 20 Aalreusen oder 10 Garnreusen (Bügelhöhe < 50 cm) oder 5 Garnreusen (Bügelhöhe > 50 cm) sowie 1 Hamen mit max. 2 m Kantenlänge dem Fischfang nachgehen. Vergleichbare Re- gelungen existieren im gesamten Küstenbereich Niedersachsens. Die Küstengewässer und Mündungsbereiche der großen Flüsse sind wichtige Wanderkorridore und Teillebensräume für Wandersalmoniden wie Lachs und Meerforelle. Insbesondere die organisierte Angelfischerei hat sich in den letzten Jahrzehnten um die Wiederansiedlung dieser Fischarten be- müht und eine Vielzahl an Artenschutzprojekten durchgeführt. Allerdings sind die Rückkehrerraten der Laichfische zu ihren Fortpflanzungsgewässern im Binnenland bis heute nicht befriedigend. Un- geklärt ist die Frage, ob der Fang durch die o. g. Fischerei mit professionellem Fanggerät im Gel- tungsbereich der NKüFischO Einfluss auf die Bestandsentwicklung der Wandersalmoniden nimmt. Untersuchungen im Ems-Mündungsgebiet geben Anlass zur Sorge, dass insbesondere abwan- dernde Smolts signifikant durch die o. g. Fischereiform geschädigt werden. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie viele der beschriebenen Fischereierlaubnisscheine für Hobby- bzw. Nebenerwerbsfischer mit professionellem Fanggerät im Geltungsbereich der NKüFischO sind durch das Land Nie- dersachsen in den Jahren 2012 bis 2014 ausgegeben worden? 2. Erhebt das Land Niedersachsen für die ausgegebenen Fischereierlaubnisscheine detaillierte Fangstatistiken? 3. Erhebt das Land Niedersachsen den fischereilichen Aufwand, der aus der Ausgabe der Fischereierlaubnisscheine resultiert? Wie hoch ist der fischereiliche Aufwand mit professionel- lem Fanggerät? 4. Wie viele Wandersalmoniden (Lachs und Meerforelle) sind im Zeitraum 2012 bis 2014 durch die beschriebenen Hobbyfischer mit professionellem Fanggerät aus den niedersächsischen Küstengewässern entnommen worden? 5. Wie schätzt die Landesregierung die Schädigungs- und Mortalitätsraten gefangener Wander- salmoniden (insbesondere abwandernde Smolts und aufwandernde Laichfische) bei dieser Form der Fischerei ein? 6. Wie stellt das Land Niedersachsen die Einhaltung der Artenschonzeiten sicher? 7. Plant die Landesregierung ein Monitoring der Fänge und Schädigungs-/Mortalitätsraten von Wandersalmoniden im Küstenbereich und den Mündungsbereichen der großen Flüsse? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2933 2 8. Wer ist für die Kontrolle der Einhaltung bestehender Gesetze und Regelungen verantwortlich? (An die Staatskanzlei übersandt am 15.01.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 09.02.2015 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 102 – 65450 - 63 - „Küstengewässer“ sind die Küstengewässer im Sinne des Wasserrechts (§ 16 Abs. 2 Niedersächsisches Fischereigesetz [Nds. FischG]). Der fischereirechtliche Begriff der Küstengewässer ent- spricht somit grundsätzlich dem wasserrechtlichen Begriff. Er weicht von diesem nur insofern ab, als auch die nachfolgenden, in Anlage 1 zu § 16 Abs. 3 Nds. FischG aufgeführten Gewässerab- schnitte als Küstengewässer im Sinne des Nds. FischG gelten: – Elbe, unterhalb der Landesgrenze gegen Hamburg, – Oste, unterhalb der nördlichen Grenzen der Feldmark Oberndorf, – Weser, unterhalb der Landesgrenze gegen Bremen (Grenze der Stadt Bremen), – Hunte, unterhalb der Verbindungslinie der Deichscharten bei Huntebrück, – Ems, unterhalb der Papenburger Schleuse, – Leda, unterhalb des Sperrwerks. In den Küstengewässern ist der Fisch- und Krebsfang frei (§ 16 Abs. 1 Nds. FischG). Dieser Grundsatz bedeutet, dass es in oben genannten Küstengewässern in der Regel keine ausschließli- chen Aneignungsrechte an Fischen und Krebsen gibt. Eine Sondersituation besteht für den Bereich der Unterweser, in der keine Möglichkeit zum freien Fischfang besteht. Das Fischereirecht liegt seit 1946 beim Land Niedersachsen als Rechtsnachfol- ger der Freistaaten Preußen und Oldenburg. Das Fischereirecht erstreckt sich auf den niedersäch- sischen Teil der Unterweser von der Stadtgrenze gegen Bremen im Süden sowie im Norden auf der linken Weserseite (ehemals oldenburgisch) bis zu der Verbindungslinie zwischen den Kirchtür- men Blexen und Wulsdorf und auf der rechten Weserseite (ehemals preußisch) bis zu der Verbin- dungslinie zwischen den Kirchtürmen Cappel und Langwarden. Zu dem Fischereirecht zählt u. a. auch der Unterlauf der Hunte stromab der Verbindungslinie der Deichscharten bei Huntebrück. Der Fischereierlaubnisschein nach § 57 Nds. FischG wird vom Staatlichen Fischereiamt ausgestellt. Die Ausübung des Fischfangs in den Küstengewässern (u. a. Einsatz von Fanggeräten, Fangbe- schränkungen) wird durch die Niedersächsische Küstenfischereiordnung (NKüFischO) vom 3. März 2006 (Nds. GVBl. S. 108, ber. S. 200), zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. Februar 2013 (Nds. GVBl. S. 68), geregelt. Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Wie in den Vorbemerkungen erläutert, werden Fischereierlaubnisscheine nach § 57 Nds. FischG vom Staatlichen Fischereiamt Bremerhaven ausschließlich für die Unterweser (einschließlich der Hunte stromab Huntebrück) ausgegeben. Es handelt sich dabei um sogenannte „Fischereikarten“ in drei unterschiedlichen Kategorien. Die „Große Fischereikarte“ und die „Mittlere Fischereikarte“ berechtigen auch zum Einsatz von „professionellem Fanggerät“. Unter dem Begriff werden in diesem Zusammenhang alle Fischereigeräte verstanden, die auch re- gelmäßig in der Erwerbsfischerei eingesetzt werden und bei denen davon ausgegangen werden kann, dass grundsätzlich zumindest eine geringe Wahrscheinlichkeit für den unbeabsichtigten Fang von Wandersalmoniden (abwandernde Smolts, aufwandernde Laichfische) gegeben ist. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2933 3 Die „Große Fischereikarte“ berechtigt zum Fischfang mit zehn Garnreusen (Bügelhöhe ≤ 50 cm) oder fünf Garnreusen (Bügelhöhe > 50 cm) sowie einem Hamen (Kantenlänge maximal 2 m). Die „Mittlere Fischereikarte“ erlaubt den Einsatz von vier Garnreusen (Bügelhöhe ≤ 50 cm) oder zwei Garnreusen (Bügelhöhe ≤ 100 cm). Sonstige auf diesen Fischereikarten explizit aufgeführte Fischereigeräte der Erwerbsfischerei (Aal- körbe, Grundschnur) werden in diesem Zusammenhang nicht als „professionelle Fanggeräte“ ver- standen. Es wurden ausgegeben: – Große Fischereikarte: 122 (2012), 112 (2013), 97 (2014), – Mittlere Fischereikarte: 87 (2012), 88 (2013), 97 (2014). Zu 2: Für die ausgegebenen Fischereierlaubnisscheine werden keine detaillierten Fangstatistiken erho- ben. Es erfolgt jedoch eine Analyse der Entwicklung der ausgegebenen Fischereikarten und damit der maximal zulässigen Fanggeräte. Die Anzahl der ausgegebenen „Großen Fischereikarten“ und „Mittleren Fischereikarten“ ist in den letzten Jahren insgesamt leicht rückläufig. Zu 3: Eine Erhebung des fischereilichen Aufwands, der aus der Ausgabe der in diesem Zusammenhang relevanten Fischereierlaubnisse (Große Fischereikarte, Mittlere Fischereikarte) zum Fischfang in Unterweser und Hunte, soweit diese gemäß Anlage 1 zu § 16 Abs. 3 als Küstengewässer im Sinne des Nds. FischG. gelten, wird nicht durchgeführt. Zu 4: Es liegen diesbezüglich weder Zahlen für abwandernde Smolts noch für die zurückkehrenden Laichfische der Arten Lachs und Meerforelle vor. Grundsätzlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch abwandernde Smolts in die zur Dis- kussion stehenden Fanggeräte einschwimmen. Da die Abwanderung jedoch synchronisiert in klei- nen Gruppen, oberflächennah und vorwiegend in Flussmitte erfolgt, ergibt sich in den Unterläufen von Elbe, Weser oder Ems allenfalls eine geringe Wahrscheinlichkeit in die hier i. d. R. ufernah und grundnah gestellten Reusen zu geraten, welche vorwiegend auf den Aalfang entlang der Uferbefes- tigungen ausgerichtet sind. Im Rahmen von umfangreichen Untersuchungen zu den Auswirkungen der Fischerei auf die Popu- lationen von Wandersalmoniden im niederländischen Flussgebiet des Rheins (Rhein, Ijsselmeer, Deltarhein, Wattenmeer und Küstenmeer) im Auftrage des Ministerie van Landbouw, Natuur en Voedselkwaliteit, Directie Visserij (Den Haag) wurden bei Lachs- und Meerforellensmolts im Hin- blick auf den geschätzten Gesamtverlust nur verhältnismäßig geringe Mortalitätsraten (< 1 %) durch die Reusenfischerei ermittelt (Jansen et. al 2008). Aufgrund vergleichbarer Rahmenbedin- gungen lassen sich diese Ergebnisse auf die niedersächsischen Ästuare übertragen. Ein sporadischer Beifang von zurückkehrenden Laichfischen (Lachs, Meerforelle) in den in den Ästuaren von Elbe, Weser und Ems eingesetzten Reusen kann ebenfalls nicht ausgeschlossen werden, erscheint jedoch wenig wahrscheinlich, da die Exposition der Reusen und Gestaltung der ersten Reusenkehle auf den Fang der Zielfischart „Aal“ ausgerichtet sind. Zu 5: Es liegen keine belastbaren Angaben zu Schädigungs- und Mortalitätsraten bei mittels Reusenfi- scherei in den Ästuaren unabsichtlich gefangenen Wandersalmoniden vor. Die bereits zitierte nie- derländische Studie (Jansen et. al 2008) kommt zu der Einschätzung, dass in Reusen gefangene Lachse eine hohe Überlebenswahrscheinlichkeit haben können, diese jedoch von unterschiedli- chen Faktoren abhängig ist (Reusentyp, Gestaltung der Reusenkontrolle durch den einzelnen Fischer, Wassertemperatur). Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2933 4 Zu 6: Die Einhaltung der Artenschonzeiten wird durch Fischereiaufsicht des Staatlichen Fischereiamts Bremerhaven mit den Außenstellen in Norddeich, Bremerhaven und Cuxhaven sichergestellt (vgl. auch Antwort zu Frage 8). Zu 7: Gegenwärtig ist kein derartiges Monitoring geplant. Zu 8: Für die Küstengewässer nach Anlage 1 zum § 16 Abs. 3 Nds. FischG führt das Staatliche Fische- reiamt Bremerhaven gemäß § 55 Nds. FischG die Aufsicht über die Fischerei. Christian Meyer (Ausgegeben am 18.02.2015) Drucksache 17/2933 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2727 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Martin Bäumer, Ernst-Ingolf Angermann, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Ansgar Focke, Ingrid Klopp, Axel Miesner, André Bock, Helmut Dammann-Tamke, Clemens Große Macke, Frank Oesterhelweg, Ulf Thiele und Lutz Winkelmann (CDU), eingegangen am 08.01.2015 Wie hoch ist der Fang von Wandersalmoniden durch Nebenerwerbsfischer in Küstengewässern und Mündungsbereichen der großen Flüsse? Antwort der Landesregierung