Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2934 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2689 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Gabriela König und Jörg Bode (FDP), eingegangen am 06.01.2015 Gefährdet der Mindestlohn die Meisterausbildung im deutschen Handwerk? Das Handwerk ist Deutschlands vielseitigster Wirtschaftszweig. Handwerkliche Traditionen und die Ausbildung in zahlreichen Berufen haben in Deutschland eine jahrhundertealte Tradition. Zu diesen alten Traditionen gehört auch das Reisen von Handwerkern, die Wanderschaft der Gesellen, kurz die „Walz“. Diese Tradition reicht bis in das 12. Jahrhundert zurück und ist eine praktische Lebens- schule für Gesellen auf dem Weg zur Meisterausbildung. Sie dient dazu, dass sich Gesellen mit Arbeitstechniken und Lebensgewohnheiten anderer Länder und Regionen vertraut machen. Die Gesellen sind gehalten, in der sogenannten Kluft zu reisen und durch Tugenden wie Ehrlichkeit, Pünktlichkeit und Hilfsbereitschaft hervorzutreten. Die „Walz“ dient nicht zur Anhäufung von Reichtümern , wie Handwerkskammern stets betonen, und es ist eine Ehrenpflicht eines reisenden Gesel- len, sich den Lebensunterhalt auf der Walz durch Arbeit zu verdienen. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland stellt nach Aussagen des Zentral- verbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) die jahrhundertealte Tradition der „Walz“ infrage. Bis- her war es üblich, die Gesellen auf der Wanderschaft mit Kost, Logis und Handgeld zu entlohnen. Die Anrechnung von Kost und Logis sei durch die Einführung des Mindestlohns nicht mehr möglich, einzige Ausnahme bilde die Landwirtschaft. Die zeitweilige Beschäftigung von Wandergesellen werde somit für Handwerksbetriebe teuer, sehr bürokratisch aufgrund der Dokumentationspflichten und damit unattraktiv. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie schätzt die Landesregierung das Kulturgut der „Walz“ - es stammt ca. aus dem 12. Jahr- hundert - ein? 2. Ist der Landesregierung bekannt, welche Auswirkungen der gesetzliche Mindestlohn auf die „Walz“ hat? 3. Sieht die Landesregierung unter der Voraussetzung der freiwilligen Teilnahme von Gesellen (m/w) an der Wanderschaft die Kombination Kost, Logis und Handgeld als angemessene Be- zahlung an? 4. Zu 3.: Wenn nicht, weshalb nicht? 5. Zu 3.: Wenn doch, weshalb? 6. Wird sich die Landesregierung für den Erhalt der Wanderschaft im Handwerk einsetzen? 7. Zu 6.: Wenn ja, in welcher Art und Weise? 8. Zu 6.: Wenn nein, weshalb nicht? 9. Kann eine Befreiung des Handwerks vom gesetzlichen Mindestlohn für die „Walz“, also für Gesellen (m/w) auf Wanderschaft zur handwerklichen Fortbildung, in Form einer Ausnah- meregelung zum Erhalt der Tradition beitragen? 10. Zu 9.: Wenn ja, wird sich die Landesregierung für die Einführung einer Ausnahmeregelung für die „Walz“ beim gesetzlichen Mindestlohn einsetzen, und, wenn ja, wann und in welcher Form? (An die Staatskanzlei übersandt am 13.01.2015) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2934 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 10.02.2015 für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Z3-01424/0020/2689/ Mindestlohn im Handwerk - Die wesentlichen Ziele der Wanderschaft eines Handwerksgesellen nach Abschluss seiner Gesel- lenprüfung, der sogenannten Walz, liegen im Kennenlernen der Handwerkskultur und in der Völ- kerverständigung. Sie dient der handwerklichen Bildung und ist zugleich auch praktische Lebens- schule für die Gesellen, die auf der Walz andere Lebensgewohnheiten und verschiedene Ar- beitspraktiken erfahren. Anders als es die Fragestellung suggeriert, ist die Walz nicht Voraussetzung für die Meisterausbil- dung im Handwerk, sodass ein Zusammenhang zwischen Mindestlohn und Meisterausbildung nicht besteht. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Walz hat eine gelebte jahrhundertelange Tradition. Daher hat die Kultusministerkonferenz am 11.12.2014 beschlossen, sie in ein neues bundesweites Verzeichnis der immateriellen Kulturgüter aufzunehmen. Zu 2: Der Landesregierung sind keine handwerksspezifischen Auswirkungen bekannt. Die Vorschriften des Mindestlohngesetzes (MiLoG) gelten auch für Handwerksbetriebe, von deren gesetzestreuem Verhalten die Landesregierung selbstverständlich ausgeht. Zu 3 bis 5: Grundsätzlich können Arbeitgeber und Arbeitnehmer Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgeltes vereinbaren, wenn dies dem Interesse des Arbeitnehmers oder der Eigenart des Arbeitsverhältnis- ses entspricht (§ 107 Abs. 2 Satz 1 GewO). Mit dem MiLoG wird ein gesetzlicher Anspruch auf Zahlung eines Bruttomindestentgeltes je Stunde eingeführt. Nach seinem Wortlaut wird der gesetzliche Mindestlohn als Geldbetrag geschuldet. Auch wenn vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Kost und Logis einen in Geld bezifferbaren Wert haben, sind sie keine Geld-, sondern Sachleistungen und als solche grundsätzlich nicht unmit- telbar im Sinne einer Anrechnung auf den Mindestlohnanspruch berücksichtigungsfähig. Eine Be- sonderheit gilt insoweit nur für den Fall der Saisonarbeit. Die Anrechnung von Kost und Logis ist damit auch für Arbeitnehmer auf der Walz nicht möglich. Möglich bleibt nach dem MiLoG - wie für alle Arbeitsverhältnisse - die Aufrechnung. Rein rechtlich sind dabei der Anspruch des Arbeitnehmers auf den Mindestlohn und der Anspruch des Logisge- bers auf Bezahlung von Kost und Unterkunft zwei getrennte Verträge. Ausbezahlt wird der Saldo. Zu 6 und 7: Die Landesregierung wird die gesellschaftliche Achtung vor der Walz weiter unterstützen und das Bewusstsein für die Gesellen auf Wanderschaft ideell fördern sowie für die Bedeutung dieses im- materiellen Kulturerbes und seiner allseitigen Wertschätzung auf lokaler, nationaler und internatio- naler Ebene eintreten. Zu 8: entfällt Zu 9: Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass im Handwerk, das sich durch Traditionsbewusst- sein, Modernität und Innovation auszeichnet, der Erhalt der Tradition „Walz“ durch das MiLoG in seinem Wesensgehalt nicht beeinträchtigt wird. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2934 3 Zu 10: Die Landesregierung lehnt eine Ausnahmeregelung ab und sieht folglich keine Veranlassung, sich für deren Einführung einzusetzen. Olaf Lies (Ausgegeben am 18.02.2015) Drucksache 17/2934 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2689 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Gabriela König und Jörg Bode (FDP), eingegangen am 06.01.2015 Gefährdet der Mindestlohn die Meisterausbildung im deutschen Handwerk? Antwort der Landesregierung