Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2935 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2674 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Karl-Heinz Bley, André Bock, Rainer Fredermann, Karsten Heineking, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Ulf Thiele, Martin Bäumer und Axel Miesner (CDU), eingegangen am 22.12.2014 Wie weit ist Korbach von der niedersächsischen Politik entfernt? Oder: Wie steht die Lan- desregierung zum Fracking? Die Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen am 18./19. Oktober 2014 in Walsrode hat unter dem Titel „Den Widerstand aus Korbach in die Politik tragen!“ für ein sofortiges ausnahmsloses Verbot sämtlicher Formen von Fracking bei der Erforschung, Aufsu- chung und Gewinnung fossiler Energieträger votiert. Dies sei, so heißt es im Beschluss weiter, un- abhängig davon, ob das Fracking mit oder ohne den Einsatz von Chemikalien hydraulisch oder an- derweitig erzeugt werde. Darüber hinaus sei man für ein generelles Import- und Handelsverbot von gefrackten fossilen Energieträgen und für ein generelles Verbot der Verpressung des Rückflusses sowie der untertägigen Ablagerungen von Fluiden und Lagerstättenwässern. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie unterscheidet sich die Position von Bündnis 90/Die Grünen, wie sie im Rahmen der Lan- desdelegiertenkonferenz am 18./19. Oktober 2014 in Walsrode beschlossen wurde, von der der Landesregierung? 2. Ist die Landesregierung ebenso wie Bündnis 90/Die Grünen für ein sofortiges ausnahmsloses Verbot sämtlicher Formen von Fracking bei der Erforschung, Aufsuchung und Gewinnung fossiler Energieträger, und zwar unabhängig davon, ob es mit oder ohne den Einsatz giftiger Chemikalien hydraulisch oder anderweitig erfolgt? 3. Ist auch die Landesregierung für ein generelles Import- und Handelsverbot von durch Fra- cking erzeugten fossilen Energieträgern? 4. Welche Auswirkungen hat der unter der Überschrift „Den Widerstand aus Korbach in die Poli- tik tragen!“ gefasste Beschluss der Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen vom 18./19. Oktober 2014 auf das administrative Handeln der Landesregierung oder der ihr nachgeordneten Behörden? 5. Beabsichtigt die Landesregierung, ihre Position zum Thema Fracking auf Grundlage des Be- schlusses der Landesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen vom 18./19. Oktober 2014 neu zu fassen? Wenn ja, wie, wenn nein, warum nicht? (An die Staatskanzlei übersandt am 08.01.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 04.02.2015 für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Z3-01424/0020/2674/Fracking - Die Landesregierung ist intensiv bestrebt, die bestehenden Defizite des rechtlichen Rahmens im Zusammenhang mit der Anwendung der sogenannten Frack-Technologie sowie der Versenkung von Lagerstättenwasser in den Untergrund zu beseitigen. Entsprechende Forderungen des Landes Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2935 2 Niedersachsen wurden im Rahmen unterschiedlicher Bundesratsinitiativen (BR-Drs. 283/14, 284/14 und 285/14) der Bundesregierung übermittelt. Die Initiativen der Landesregierung sollten dem be- rechtigten Interesse der Öffentlichkeit im Hinblick auf die verstärkte Berücksichtigung sämtlicher Umweltbelange sowie einer intensiveren Einbindung der Bürgerinnen und Bürger bei Vorhaben der deutschen Erdgasindustrie nachkommen und zudem Planungssicherheit für diesen Industriezweig schaffen. Die erforderliche Anpassung des Rechtsrahmens ist für Niedersachsen von besonderer Bedeutung, da nahezu die gesamte bundesweite Erdgasförderung hier stattfindet. Die niedersächsische Erd- gasindustrie hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Garanten der heimischen Energieversor- gung, einem wichtigen Arbeitgeber und verlässlichen Partner in strukturschwachen Regionen ent- wickelt. Vor diesem Hintergrund soll die Anwendung der Frack-Technologie in konventionellen Lagerstätten unter strengen Auflagen ermöglicht werden. Die Erdgasförderung der aus diesen sehr dichten, tief im geologischen Untergrund liegenden Sandsteinlagerstätten findet in Niedersachsen bereits seit mehr als 30 Jahren mithilfe der Frack-Technologie statt. Entscheidend für diese Vorhaben ist, dass sie künftig nach einem transparenten Genehmigungsverfahren und einer umfassenden Prüfung möglicher Auswirkungen auf die Umwelt erfolgen, wobei insbesondere der Schutz von Grund- und Trinkwasser sowie der Erhalt der Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt der Entscheidungsfindung zu stehen hat. Insoweit ist die Ausweitung der UVP-Pflicht auf Frack-Vor- haben sowie die Versenkung von Lagerstättenwasser von zentraler Bedeutung. So soll Lagerstättenwasser künftig nur noch in geologische Formationen versenkt werden, aus de- nen es bei der Erdöl- oder Erdgasgewinnung zuvor mitgefördert wurde. Diese Lagerstätten haben Kohlenwasserstoffe über Jahrmillionen gespeichert, sind damit nachweislich dicht, sodass kein La- gerstättenwasser mit nutzbaren Grundwasserhorizonten in Kontakt treten kann. Dahingegen lehnt die Landesregierung die Anwendung der Frack-Technologie in unkonventionellen Lagerstätten ab. Ausschlaggebend für diese Entscheidung sind vor allem die Aussagen unter- schiedlicher wissenschaftlicher Gutachten zum Thema Fracking in unkonventionellen Lagerstätten (Schiefer- bzw. Tongestein). Des Weiteren setzt sich die Landesregierung für die Einführung einer Beweislastumkehr für den Bohrlochbergbau und für Kavernen ein, die den Betroffenen Rechtssicherheit bringt und ihre Rechtsposition nachhaltig stärkt. Diese Kernforderungen sind Bestandteil des Koalitionsvertrages zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen und zählen damit zu den politischen Zielsetzungen der Landesregierung. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Es ist nicht Aufgabe der Landesregierung, Parteitagsbeschlüsse zu kommentieren. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Zu 2: Die Forderung nach einem pauschalen Verbot der Frack-Technologie wird von der Landesregie- rung nicht geteilt. Der zweckgebundene Einsatz dieser Technologie bei der Erdöl- und Erdgasför- derung oder der Geothermiegewinnung führt zu unterschiedlichen Risiken, die unter Berücksichti- gung der geologischen und hydrogeologischen Ausgangsbedingungen sowie dem prioritärem Grund- und Trinkwasserschutz detailliert zu beurteilen sind. So ist nach Einschätzung der Landesregierung eine Differenzierung zwischen konventionellen und unkonventionellen Kohlenwasserstoffvorkommen notwendig, zumal unterschiedliche Lagerstätten- typen, deren Lage und das darauf aufbauende spezifische Frack-Konzept einen großen Einfluss auf die Risikobeurteilung und die damit verbundene Gefährdungsabschätzung nehmen. Angesichts der jahrzehntelangen Erfahrungen bei der Förderung von Erdgas aus Tightgas-Lager- stätten, verbunden mit der Anwendung der Frack-Technologie, hält die Landesregierung die Nut- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2935 3 zung dieser Energieressource bis zu einem vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien für sinnvoll und beabsichtigt daher, die Tightgas-Förderung, auch unter Einsatz der Frack-Technologie, unter sehr strengen Umweltauflagen fortzusetzen. Entscheidend dafür ist, dass derartige Vorhaben erst nach einem transparenten Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und einer umfassenden Prüfung möglicher Auswirkungen auf die Umwelt erfolgen dürfen. Im Gegensatz dazu lehnt die Landesregierung die Erschließung und Nutzung von unkonventionel- len Lagerstätten mittels Fracking ausnahmslos ab, da derzeit nicht abschätzbare Risiken bestehen, die eine Beurteilung und damit verbundene Gefährdungsabschätzung für die maßgebenden Um- weltschutzgüter (Menschen, Tiere, Pflanzen, biologische Vielfalt, Boden, Wasser, Luft, Klima, Land- schaft, Kulturgüter, sonstige Sachgüter) nicht gestatten. Zu 3: Die Bundesrepublik Deutschland und damit auch Niedersachsen ist abhängig von Erdgasimporten, die zurzeit mehr als 89 % des gesamtdeutschen Erdgasverbrauches ausmachen. Die Importquote wird aufgrund der kontinuierlich sinkenden heimischen Förderung voraussichtlich weiter ansteigen. Zu den wichtigsten Importländern zählen heute Russland, Niederlande und Norwegen. In diesen Ländern erfolgt die Erdgasförderung zum Teil auch unter Einsatz der Frack-Technologie. So werden beispielsweise in Russland seit den frühen 1990er-Jahren Frack-Maßnahmen vermehrt als produktionssteigernde Verfahren sowie zur Erschließung von geringpermeablen Lagerstätten durchgeführt. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass Erdgas aus gefrackten Bohrungen bereits ein fester Bestandteil der russischen Erdgaslieferungen ist. Hinzu kommt, dass infolge der geopolitischen Entwicklungen im Russland-Ukraine-Konflikt zuneh- mend Überlegungen auf europäischer und bundesdeutscher Ebene angestellt werden, um eine Diversifizierung des Gasangebots zu erreichen, die der steigenden Importabhängigkeit von Russ- land entgegenwirkt. Insbesondere der Aufbau einer europäischen Flüssiggas-(LNG-)Infrastruktur könnte dabei den Zugang zu einem globalen Erdgashandel ermöglichen. Hierbei ist absehbar, dass aufgrund der weltweit voranschreitenden Ausbeutung konventioneller Erdgasreserven zunehmend unkonventionelle Lagerstätten mit technisch anspruchsvollen und aufwendigen Verfahren erschlossen werden. Daher werden vor allem Länder, die über derartige Vorkommen verfügen, zu den zukünftigen potenziellen Erdgas- bzw. LNG-Lieferanten zählen. Vor diesem Hintergrund würde ein generelles Import- und Handelsverbot von Kohlenwasserstoffen aus gefrackten Bohrungen die Versorgungssicherheit akut gefährden sowie die Diversifizierung der Gasimporte erschweren. Die Landesregierung sieht sich jedoch verpflichtet die Versorgungssicher- heit der privaten Verbraucher sowie von Industrie, Gewerbe, Handwerk und Landwirtschaft in Nie- dersachsen sicherzustellen. Zu 4 und 5: Grundlage des Handelns der Landesregierung sind die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Olaf Lies (Ausgegeben am 18.02.2015) Drucksache 17/2935 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2674 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Karl-Heinz Bley, André Bock, Rainer Fredermann, Karsten Heineking, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Ulf Thiele, Martin Bäumer und Axel Miesner (CDU), eingegangen am 22.12.2014 Wie weit ist Korbach von der niedersächsischen Politik entfernt? Oder: Wie steht die Landesregierung zum Fracking? Antwort der Landesregierung