Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/2987 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2524 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 03.12.2014 Wie bewertet die Landesregierung die Studie der Deutschen Wildtier Stiftung zu Windrädern im Wald? Die Deutsche Wildtier Stiftung hat eine Studie mit dem Namen „Energiewende und Naturschutz. Windenergie im Lebensraum Wald“ vorgestellt, in der sich der Verfasser, Dr. Klaus Richarz, mit dem Gefährdungspotenzial windkraftsensibler waldgebundener Arten durch den Bau und den Be- trieb von Windenergieanlagen im Wald beschäftigt und Handlungsempfehlungen für Windkraft im Wald gibt. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Studie der Deutschen Wildtier Stiftung? 2. Welche Maßnahmen entwickelt die Landesregierung aus dieser Studie? 3. Inwieweit sind Windkraftanlagen nach Auffassung der Landesregierung Eingriffe in das Öko- system? 4. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag, dass Standorte mit „überdurchschnittlicher Fledermausaktivität“ frei von Windkraft bleiben sollten? 5. Wie bewertet die Landesregierung das Argument, dass ein Abholzen der Bäume, die ein wichtiger CO2-Speicher sind, zugunsten von Windkraftanlagen kontraproduktiv für den Klima- schutz sei? 6. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag eines Mindestabstands von 1 500 m um Brutplätze? (An die Staatskanzlei übersandt am 11.12.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 13.02.2015 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - MinBüro-01425/17/7/01-0055 - Der Ausbau der Windenergie ist ein wesentlicher Bestandteil nachhaltiger Klima- und Energiepolitik und ein wichtiger Baustein für das Gelingen der Energiewende im Stromsektor. Der Erhalt einer hohen Akzeptanz für die Windenergienutzung hat eine besondere Bedeutung für die Landesregie- rung, und sie begrüßt deswegen grundsätzlich Forschungsvorhaben, die sich mit der Nutzung der Windenergie beschäftigen. Die Landesregierung wird dazu beitragen, einen umwelt- und sozialverträglichen Ausbau der Wind- energie in Niedersachsen zu realisieren. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2987 2 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Studie der Deutschen Wildtier Stiftung „Energiewende und Naturschutz. Windenergie im Le- bensraum Wald“ leistet einen wichtigen Beitrag für die Bewertung von waldspezifischen Zielkonflikten bei einer möglichen Nutzung von Windenergie im Wald und von möglichen Vermeidungsstrate- gien. Zu 2: Wesentliche Folgerungen der Studie sind aktuell schon berücksichtigt oder werden im zukünftigen Windenergieerlass sowie in dem in Arbeit befindlichen Leitfaden zum Thema „Naturschutz und Windenergie“ beachtet. So soll Wald wegen seiner vielfältigen Funktionen, insbesondere wegen seiner klima-ökologischen Bedeutung, grundsätzlich nicht für die Errichtung von Windenergieanla- gen in Anspruch genommen werden. In Ausnahmefällen können aber z. B. vorbelastete Wald- standorte für die Nutzung infrage kommen. Die Erkenntnisse zu den Gefährdungspotenzialen für die einzelnen Arten werden - sofern sie auch für Standorte außerhalb von Waldflächen übertragbar sind - insbesondere bei dem Leitfaden zu Naturschutz und Windenergie aufgegriffen. Zu 3: Windkraftanlagen sind, wie alle Bauwerke in der freien Landschaft, Eingriffe, die Fläche und Raum beanspruchen sowie naturnahe Lebensräume und das Landschaftsbild nachteilig verändern kön- nen. Darüber hinaus führen Windkraftanlagen zu Beeinträchtigungen durch die Betriebsgeräusche, durch die nächtlichen Blinksignale und, vor allem, durch die direkte Gefährdung fliegender Tierar- ten. Die Beeinträchtigung von Insekten kann, wegen der Höhe der beweglichen Teile (Rotoren), weitestgehend vernachlässigt werden. Hauptsächlich betroffen sind Vogel- und Fledermausarten. Diese können Gefahr laufen, durch die Rotoren von Windrädern verletzt oder getötet zu werden. Wegen der erheblichen Geschwindigkeiten, die die Spitzen der Rotorblätter erreichen (>200 km/h) können viele Tierarten die Gefahr nicht einschätzen und folglich dieser auch nicht ausweichen. Ei- ne zusätzliche Gefahr stellt die erhebliche Druckwelle dar, die von den Rotorblättern erzeugt wird. Diese kann auch bei Tieren, die nicht mit den Rotoren in Berührung kommen, zu Organschäden (v. a. der Lungen) führen, die tödlich ausgehen können. Zu 4: Ein pauschaler Ausschluss von Standorten mit „überdurchschnittlicher Fledermausaktivität“ berück- sichtigt weder die artspezifisch unterschiedlichen Sensitivitäten gegenüber Windenergieanlagen noch die Möglichkeit durch geeignete Abschaltszenarien in Zeiten hoher Flugaktivität Artenschutz- konflikte mit Fledermäusen zu minimieren. Deswegen wird ein pauschaler Ausschluss nicht unter- stützt, zumal sich die Forderung auch insbesondere auf Waldstandorte bezieht, die, wie in der Ant- wort zu Frage 2 erläutert, grundsätzlich nicht genutzt werden sollen. Es ist aber stets eingehend zu prüfen, ob ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko für Fledermausar- ten durch die Realisierung eines Vorhabens zu erwarten ist. Zusätzlich zu einem betriebsbedingten Tötungsrisiko kann es baubedingt zu einer Schädigung von Quartieren oder Nahrungshabitaten sowie zur möglichen Tötung von Tieren kommen. Zu 5: Bäume stellen in der Tat eine effiziente Klimasenke dar, binden sie doch erhebliche Mengen Koh- lenstoff für lange Zeit. Diese Speicherwirkung ist umso größer, je länger die Bäume am Leben blei- ben und weiterwachsen. Allerdings arbeitet bei einem dauerhaften Verbleib der Bäume im Freiland der - bei vielen Arten im hohen Alter bereits vor dem Lebensende - einsetzende Zerfall der Holz- masse von innen heraus der Kohlenstoffspeicherung entgegen. Der gespeicherte Kohlenstoff wird dann mehr oder weniger langsam wieder freigesetzt. Auf lange Sicht sind also Waldbestände als solche nur Kohlenstoffspeicher auf Zeit (das Speicherpotenzial durch Vorgänge wie diejenigen, die zur Bildung der fossilen Kohlelagerstätten geführt haben kann hier ausgeklammert werden, da die- se weder steuer- noch berechenbar sind). Erheblich verlängert werden kann die Speicherwirkung, wenn das Holz vor dem Einsetzen des Verfalls einer dauerhaften Verwendung, vor allem im Bau- und Möbelsektor, zugeführt wird. Die thermische Verwertung von Holz dagegen stellt eine schlagar- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/2987 3 tige Kohlenstofffreisetzung dar. Abholzung als solche hat somit zunächst einmal das schlagartige Aussetzen der Kohlenstoffspeicherung zur Folge, da das Wachstum abgebrochen wird. Von der Verwendung des Holzes hängt ab, ob eine Dauerspeicherwirkung erzielt wird oder nur eine kurz- fristige. Vor diesem Hintergrund ist eine generalisierende Bewertung nicht möglich. Zu 6: Der Vorschlag eines pauschalen Mindestabstandes von Windenergieanlagen zu Brutplätzen von Vogelarten im Wald in der Größenordnung von 1 500 m wird weder in der Studie der Deutschen Wildtierstiftung unterbreitet noch von der Landesregierung vertreten. Ein solcher pauschaler Min- destabstand wäre abzulehnen, da er weder den artspezifisch unterschiedlichen Sensitivitäten von Vogelarten gegenüber Windenergieanlagen Rechnung trägt noch die im Einzelfall zu prüfenden lo- kalen Bedingungen berücksichtigt. Stefan Wenzel (Ausgegeben am 26.02.2015) Drucksache 17/2987 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2524 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 03.12.2014 Wie bewertet die Landesregierung die Studie der Deutschen Wildtier Stiftung zu Windrädern im Wald? Antwort der Landesregierung