Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3034 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2805 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 19.01.2015 Setzt sich die Justizministerin für Strafen jenseits der Geld- und Freiheitsstrafe ein? Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz hat im Juni 2014 bei der Justizministerkonferenz in Binz eine Beschlussvorlage eingebracht, die u. a. das Fahrverbot als mögliche eigenständige Sanktion vorsieht. Zum einen würden hiermit Reiche, die eine Geldstrafe nicht abschreckt, besser sanktioniert werden können. Zum anderen würde Personen, die sich wiederum die Geldstrafe nicht leisten können, nicht als alleinige Ersatzmöglichkeit zur Geldstrafe der Freiheitsentzug drohen. In Nordrhein- Westfalen sitzen derzeit laut Weser-Kurier (vom 27.06.2014) 1 000 Personen in Haft, die die Sum- me einer Geldstrafe nicht aufbringen können. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie weit sind die Pläne der Justizministerin vorangeschritten, und wie ist der aktuelle Stand? 2. Wie viele Personen sind derzeit in Niedersachsen inhaftiert, weil sie die Geldstrafe nicht zah- len können? 3. Wie viele Personen entschieden sich insgesamt für eine Ersatzfreiheitsstrafe? (An die Staatskanzlei übersandt am 23.01.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Justizministerium Hannover, den 24.02.2015 - 4000 I – 402. 290 - Die Idee, das Fahrverbot als eigenständige Hauptstrafe auszugestalten, ist nicht neu. Bereits vor rund 14 Jahren beschäftigte sich beispielsweise der 39. Deutsche Verkehrsgerichtstag mit diesem Thema, lehnte im Ergebnis die Ausdehnung des Fahrverbots auf Straftaten ohne Verkehrsbezug allerdings mit großer Mehrheit ab. Niedersachsen meldete das Thema „Fahrverbot als Hauptstrafe“ im Jahr 2010 zur 81. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister an. Die damalige Bundesjustizministerin Sabine Leut- heusser-Schnarrenberger (FDP) sprach sich gegen die Initiative aus und führte zur Begründung u. a. an, Besserverdiener, die sich z. B. ein Taxi leisten können, würden durch die beabsichtigte Sanktion weniger härter getroffen als Geringverdiener. Die Initiative Niedersachsens konnte sich letztlich auf der 81. Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister im Juni 2010 in Hamburg nicht durchsetzen. Zuletzt ist das Thema durch den Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD auf Bundesebene wieder aufgegriffen worden. Dort ist vorgesehen, das Fahrverbot als eigenständige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht einzuführen. Hierdurch soll eine Alternative zur Freiheitsstrafe und eine Sanktion für Täter geschaffen werden, für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt. Niedersachsen hat bei der Justizministerkonferenz in Binz im Juni 2014 keine Beschlussvorlage eingebracht, die das Fahrverbot als mögliche eigenständige Sanktion vorsieht. Vielmehr hat es sich gegen die Überlegungen aus der großen Koalition in Berlin gewandt, ein Fahrverbot als eigenstän- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3034 2 dige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht einzuführen. In einem Grußwort anlässlich des 52. Deutschen Verkehrsgerichtstages in Goslar habe ich Folgendes ausgeführt: „Ich lehne den Vorschlag aus Berlin ab. Ein Fahrverbot als eigenständige Hauptstrafe birgt in be- sonderem Maße die Gefahr einer ungleichen Belastung in sich. Die Folgen können für den einen erdrückend und sogar existenziell bedrohlich wirken und für den anderen, der sich gut darauf ein- stellen kann, faktisch wirkungslos bleiben. Wer das Auto dringend benötigt, um seiner Arbeit nachzugehen, für den sind die Auswirkungen wesentlich folgenschwerer. Sie können sogar bis zum Verlust des Arbeitsplatzes reichen. Gerade junge Erwachsene könnten insbesondere in die Versuchung geraten, trotz eines Fahrverbots das Auto zu nutzen und so eine erneute Straftat zu begehen. Nicht alle Angeklagten verfügen zudem über einen Führerschein oder ein Fahrzeug. Dies kann in vergleichbaren Fällen dazu führen, dass in einem Fall ein Angeklagter ein Fahrverbot erhält, hinge- gen jemand, der keinen Führerschein hat, ausschließlich zu einer Geldstrafe oder gar einer Frei- heitsstrafe verurteilt werden kann.“ Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Soweit es das Fahrverbot als „Strafe jenseits der Geld- und Freiheitsstrafe“ betrifft, wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. Niedersachsen setzt sich allerdings jenseits der Ausgestaltung des Fahrverbots als eigenständige Sanktion durchaus dafür ein, für Personen, die sich eine Geldstrafe „nicht leisten können“, Alterna- tiven zu einer Ersatzfreiheitsstrafe zu schaffen. Das Haftvermeidungsprogramm „Schwitzen statt Sitzen“ wird fortgeführt und ausgebaut. Eine vom Justizministerium eingerichtete länderübergreifende Arbeitsgruppe hat die Aufgabe, die mit der Kleinkriminalität verbundenen Schwierigkeiten vollumfänglich in den Blick zu nehmen. Dies gilt insbesondere für mögliche Maßnahmen der Haft- vermeidung und die Diskussion bestehender und neuer Behandlungsangebote für Strafgefangene, die wegen der Begehung von sogenannten Bagatelldelikten zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind oder gegen die Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt werden. Zu 2: Ende Januar 2015 waren in Niedersachsen insgesamt 298 Personen allein aufgrund einer Ersatz- freiheitsstrafe inhaftiert. Darüber hinaus befanden sich 125 weitere Personen im Vollzug, bei denen im Anschluss an eine andere Freiheitsstrafe noch eine Ersatzfreiheitsstrafe zu vollstrecken sein wird. Dazu, ob die betroffenen Personen die Geldstrafe nicht bezahlen konnten oder nicht bezahlen woll- ten, liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Zu 3: In Niedersachsen sind von Januar bis November 2014 in insgesamt 52 132 Verfahren Geldstrafen vollstreckt worden. Hiervon wurde in insgesamt 1 467 Verfahren von Amts wegen die Vollstreckung durch Verbüßung von Ersatzfreiheitsstrafen erledigt. Aus welchen Gründen die Geldstrafen nicht bezahlt wurden - mangelnde Zahlungsfähigkeit oder Zahlungswilligkeit - ist der Landesregierung nicht bekannt. Antje Niewisch-Lennartz (Ausgegeben am 03.03.2015) Drucksache 17/3034 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2805 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Dr. Marco Genthe (FDP), eingegangen am 19.01.2015 Setzt sich die Justizministerin für Strafen jenseits der Geld- und Freiheitsstrafe ein? Antwort der Landesregierung