Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3048 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2383 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU), eingegangen am 19.11.2014 Was will die Landesregierung mit dem Windenergieerlass erreichen? In Niedersachsen wird aktuell über einen neuen Windenergieerlass diskutiert. Damit sollen nach Aussagen der Landesregierung Empfehlungen für den zukünftigen Ausbau der Windenergie gege- ben werden. Verbindliche Regelungen können nur über die weitere Novellierung des Landes- Raumordnungsprogramms (LROP) festgelegt werden. Beim zweiten parlamentarischen Frühstück des Bundesverbandes Windenergie am 22. Okto- ber 2014 wurde der Eindruck erweckt, dass naturschutzfachliche Dinge gerade bei der Planung von Windkraftanlagen zukünftig in den Hintergrund treten sollen, weil der „Schutz des Klimas“ durch die Produktion von Windstrom höher als die Beeinträchtigung der Natur zu bewerten und „alternativlos“ sei. Denn auch die unbeeinträchtigte Natur werde durch den fortschreitenden Klimawandel ge- schädigt. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wann genau wird das LROP im Hinblick auf die Windenergie novelliert, und gibt es dazu schon erste Überlegungen? 2. Welches Flächenziel soll dort oder schon im Windenergieerlass für den Ausbau der Wind- energie festgelegt werden? 3. Wie will die Landesregierung sicherstellen, dass dichtbesiedelte Regionen in Niedersachsen ihren Beitrag zum Ausbau der Windenergie leisten, damit andere Regionen nicht überdurch- schnittlich belastet werden? 4. Welche Instrumente stehen der Landesregierung zur Durchsetzung dieses Flächenziels zur Verfügung, wenn das Gesamtziel erkennbar nicht erreicht werden sollte? 5. Werden windkraftfreundliche Regelungen mit Blick auf den Naturschutz auch bei Planungen von Landwirten oder Industrieunternehmen Anwendung finden? 6. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass bei naturschutzfachlichen Sachverhalten gleiche Umstände auch gleich behandelt werden? (An die Staatskanzlei übersandt am 26.11.2014) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 26.02.2015 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - MinBüro-01425/17/7/11-0040 - Die Landesregierung will zum Gelingen der Energiewende beitragen. Die Energiewende dient dem Klimaschutz und trägt damit mittelbar zum langfristigen Erhalt der hiesigen Natur und Artenvielfalt bei. Der Ausbau der Windenergie an Land ist ein Kernelement der Energiewende. Mit dem Windenergieerlass und dem zugehörigen Leitfaden „Umsetzung des Artenschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Niedersachsen“ (Arbeitstitel) sollen Pla- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3048 2 nungs- und Rechtssicherheit für Behörden sowie Projektanten verbessert werden. Ferner sollen planerische Steuerung und Genehmigungsverfahren strukturiert, vereinfacht und in Konsequenz beschleunigt werden. Dies zielt darauf ab, den weiteren Ausbau der Windenergie in Niedersachsen qualitativ zu unterstützen und umwelt-, raum- und sozialverträglich zu gestalten. Mit dem genann- ten Leitfaden sollen die mehr generellen Erläuterungen der natur- und artenschutzrechtlichen Er- fordernisse des Erlasses weiter konkretisiert werden, sodass sie in den Planungsprozessen und Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen eine Hilfestellung und Verfahrenserleichterung bieten. Auch wenn Mitglieder der Landesregierung oder Bedienstete oberster Landesbehörden zu den Teilnehmern zählen, trägt die Landesregierung grundsätzlich keine Verantwortung dafür, welchen Eindruck Veranstaltungen Dritter bei einzelnen Teilnehmern hinterlassen. Zudem ist unklar, wem die Zitate zugeschrieben werden. Zutreffend ist allerdings, dass der Naturschutz und die Energie- wende vor Herausforderungen stehen, die immer wieder den Dialog erfordern. Klimaschutz und Er- halt der Biodiversität sind gleichgerichtet und verfolgen grundsätzlich gleichwertige Schutzziele, die sich im wohl verstandenen Sinne langfristig ergänzen, kurzfristig aber auch Zielkonflikte bergen können. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Derzeit ist nicht geplant, Ziele in der aktuellen Novelle des Landes-Raumordnungsprogramms fest- zulegen. Zu 2: Die Landesregierung geht davon aus, dass in Niedersachsen bis zum Jahr 2050 mindestens 20 GW an Windkraftleistung an Land realisiert werden können. Die vorhandenen 5 616 Windener- gieanlagen in Niedersachsen mit einer installierten Leistung von derzeit insgesamt 8,2 GW belegen heute rund 1,1 % der Landesfläche. Das Ausbauziel 20 GW bis 2050 geht nicht von den aktuellen Anlagengrößen aus (durchschnittliche Leistung aller derzeit installierten Anlagen in Niedersachsen von ca. 1,5 MW), sondern von Anlagengrößen, -geometrien, und -leistungen der Jahre ab etwa 2030 bis 2035. Die durchschnittliche Leistung dieser neuen Anlagen wird dann bereits bei voraus- sichtlich 4,5 MW liegen, sodass für das Jahr 2050 insgesamt mit 4 000 Anlagen (also weniger als bisher) mit durchschnittlich 5 MW Leistung zu rechnen ist. Diese 4 000 Anlagen (entsprechend 20 GW) werden (bei einem durchschnittlichen spezifischen Flächenbedarf von 3,33 ha/MW) insge- samt voraussichtlich etwa 1,4 % der Landesfläche als Aufstellungsfläche erfordern. Dieses Flächenziel für Niedersachsen und daraus abgeleitete regionale Flächenansätze - entspre- chend der regionalen Potenziale - sollen als Orientierung für die Planung in den Windenergieerlass aufgenommen werden. Eine rechtliche Verbindlichkeit ist mit den regionalen Flächenansätzen nicht verbunden, da allein eine ordnungsgemäße fehlerfreie planerische Abwägung im Einzelfall den Umfang der Flächen für die Windenergienutzung letztlich bestimmen darf. Gleichwohl haben die regionalisierten Angaben als in der Planung zu beurteilendes und abzuwägendes Kriterium erhebli- che Bedeutung, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die rechtliche Maßgabe, dass der Windenergie substanziell Raum zu verschaffen ist. Zu 3: Die im Land insgesamt zur Verfügung stehende Potenzialfläche für Windenergie wurde ermittelt durch Abzug der sogenannten harten Tabuflächen und FFH-Gebiete sowie der waldbelegten Flä- chen von der Gesamtfläche des Landes. Diese Potenzialfläche macht rund 18 % der Landesfläche aus. Harte Tabuflächen können aus tatsächlichen und/oder rechtlichen Gründen nicht für die Wind- energie genutzt werden (Wohnnutzung, Infrastruktureinrichtungen wie Verkehrswege, Leitungen, Naturschutzgebiete etc. einschließlich der gegebenenfalls rechtlich erforderlichen Abstände hierzu). Die ermittelte landesweite Potenzialfläche ist keinesfalls frei von Nutzungskonkurrenzen. Vielfältige widerstreitende Nutzungsinteressen können einer tatsächlichen Windenergienutzung am konkreten Standort im Genehmigungsverfahren entgegenstehen. Die Restriktionen und Potenziale verteilen sich nicht gleichmäßig über das Land. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3048 3 Zur Umsetzung des Ausbauziels sollten alle Planungsregionen entsprechend ihrer Möglichkeiten durch Bereitstellung ausreichender geeigneter Flächen beitragen, dies allerdings lediglich im Rah- men ihrer jeweiligen regionalen Voraussetzungen, damit die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Hat ein Landkreis bzw. eine Gemeinde beispielsweise einen überdurchschnittlich hohen Flächenanteil ihres Planungsraumes, der für die Windenergienutzung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen von vornherein ausscheidet (sogenannte harte Tabuzonen), dann ist es gerechtfertigt, dass diese Kommune auch einen geringeren Flächenanteil für die Windenergienutzung bereitstellt als Pla- nungsregionen mit weniger Restriktionen. Die regionalen Flächenansätze im Entwurf des Wind- energieerlasses sollen eine Orientierung geben, wie die Planungsregionen unter sachgerechter Abwägung der Belastungen zur Umsetzung des Landesziels beitragen können. Zu 4: Das verbindliche Instrumentarium der Raumordnung bilden vor allem die Raumordnungspläne. Raumordnungspläne sind in § 8 Abs. 1 Raumordnungsgesetz legal definiert. Sie umfassen den Raumordnungsplan für das Landesgebiet (Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen) und die Regionalen Raumordnungsprogramme für Teilräume des Landes. Mit diesem Instrumentarium werden die Landesplanung und die Regionalplanung grundsätzlich befähigt, ihre Planungsfunktion zur Ausgestaltung und Festlegung von Erfordernissen der Raumordnung wahrzunehmen. Zu 5: Der Entwurf des Niedersächsischen Windenergieerlasses enthält keine „windkraftfreundlichen Regelungen “, die auf die Landwirtschaft oder Industrieunternehmen zu übertragen wären. Zu 6: Bei der Bewertung der vielfältigen naturschutzrechtlichen Belange erfolgt eine abgeschichtete Ein- zelfallprüfung durch die Planungsträger bzw. Genehmigungsbehörden. Nur so kann sichergestellt werden, dass eine sachgerechte Abwägung der unterschiedlichen Belange vor Ort erfolgt. Der ergänzend zu dem Windenergieerlass in Erarbeitung befindliche Leitfaden „Umsetzung des Artenschutzes bei der Planung und Genehmigung von Windenergieanlagen in Niedersachsen“ (Ar- beitstitel) soll in den Planungsprozessen und Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen Hil- festellung für den Vollzug bieten und soll dazu beitragen, dass bei den komplexen naturschutzfach- lichen Sachverhalten ähnliche Umstände möglichst ähnlich behandelt werden. Er kann aber nur in begrenztem Maße Empfehlungen zu vereinheitlichenden Pauschalierungen geben wie z. B. Unter- suchungsradien in Bezug zu Rast-, Schlaf- und Brutplätzen schlagopfergefährdeter Vogelarten. Diese können die Einzelfallprüfung und -bewertung aber nicht vollständig ersetzen. Stefan Wenzel (Ausgegeben am 05.03.2015) Drucksache 17/3048 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2383 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU), eingegangen am 19.11.2014 Was will die Landesregierung mit dem Windenergieerlass erreichen? Antwort der Landesregierung