Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3055 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2849 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte und Hans-Joachim Janßen (GRÜNE), ein- gegangen am 20.01.2015 Was geschieht mit den gesperrten Castorbehältern im Zwischenlager Unterweser? Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung hat bei 44 Castorbehältern Mängel bei der Dokumentation der Qualitätsprüfungen festgestellt, das berichtete die Süddeutsche Zeitung am 5. September 2014. Die Tragzapfen seien nicht ordnungsgemäß kontrolliert worden. Vier Behälter waren zu diesem Zeitpunkt bereits beladen und ins Zwischenlager des AKW Unterweser gebracht worden. Diese vier Castoren sind nun gesperrt. Laut einer Pressemitteilung des Landesumweltmi- nisteriums vom 20. November 2014 wird derzeit überprüft, ob tatsächlich Fertigungsmängel vorlie- gen. Die Gesellschaft für Nuklearservice hatte zuvor angekündigt, die Produktion von Castorbehältern vom Typ V/19 auf 80 Behälter im Jahr aufzustocken. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche Mängel wurden bei den beanstandeten Castorbehältern festgestellt? 2. Welcher Bauart sind die beanstandeten Castoren? 3. Liegen bereits Ergebnisse vor, ob tatsächlich Fertigungsmängel vorliegen? 4. Was sind die Ursachen der Mängel? 5. Wie und wann werden die festgestellten Mängel behoben? 6. Wie wird mit den vier gesperrten Castorbehältern im Zwischenlager Unterweser weiter verfah- ren? 7. Wann und von wem wurde das Umweltministerium über die Mängel informiert? 8. Welche rechtlichen Grundlagen regeln bislang die Sicherheitsprüfungen bei der Herstellung von Castorbehältern? 9. Wo sieht die Landesregierung hier Änderungsbedarf? 10. Welche Handlungsspielräume zur Steigerung der Sicherheitsanforderungen bestehen auf Landesebene? 11. Können nach Einschätzung der Landesregierung derzeit ausreichend Castorbehälter gefertigt werden, um im Rahmen des Atomausstiegs die abgeklungenen Brennelemente sobald wie möglich aus Nasslagerbecken entnehmen zu können? (An die Staatskanzlei übersandt am 04.02.2015) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3055 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 27.02.2015 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - MinBüro-01425/17/7/08-0027 - Transport- und Lagerbehälter (TLB) müssen den jeweils geltenden technischen Anforderungen zweier unterschiedlicher Rechtsgebiete, dem Verkehrs- und dem Atomrecht genügen. In den Genehmigungsverfahren zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen nach § 6 des Atomgeset- zes (AtG) wurden und werden vom dafür zuständigen Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die An- forderungen an die Fertigung der Behälter definiert. Diese Anforderungen sind in einem gemeinsa- men Vermerk des BfS, der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) und des TÜV Hannover/Sachsen-Anhalt (jetzt TÜV NORD EnSys) niedergelegt, der Bestandteil der jeweiligen Genehmigungsunterlagen ist. Insbesondere sind in dem Vermerk die Verantwortlichkeiten der mit der Festlegung und der Über- wachung befassten Institutionen geregelt. Demnach obliegt der BAM die Überwachung aller quali- tätssichernden Maßnahmen im Bereich des Verkehrsrechtes. Hier hat die BAM eine originäre Zu- ständigkeit. Innerhalb der BAM ist hierfür der Fachbereich 3.3 „Sicherheit von Transportbehältern“ zuständig. Um auch die aus dem AtG herrührenden fachlichen Belange vollumfänglich abzudecken, hat das MU als die hierfür zuständige atomrechtliche Aufsichtsbehörde die BAM, dort den Fachbereich 3.4 „Sicherheit von Lagerbehältern“ als Sachverständigen nach § 20 AtG zur Begleitung der Fertigung der Behälter hinzugezogen. Von dort werden die lagerspezifischen Themen der Behälterfertigung gutachtlich hinsichtlich der Einhaltung der Vorgaben des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens bewertet. Über die Einhaltung dieser Anforderungen stellt die BAM in Übereinstimmung mit dem Sachverständigenvertrag sogenannte Konformitätsbescheinigungen aus. Hiermit wird bestätigt, dass jeder konkret gefertigte Behälter den Fertigungsanforderungen der dem Genehmigungsver- fahren zugrunde liegenden Behälterbauart entspricht. Der zwischen MU und BAM geschlossene Sachverständigenvertrag sieht vor, dass die konkrete Behälterfertigungsüberwachung vor Ort von der TÜV Rheinland Industrie Service GmbH im Unter- auftrag der BAM durchgeführt wird. Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Bei allen an den 44 betroffenen Behältern bereits montierten Tragzapfen liegen keine Erkenntnisse über tatsächliche Materialmängel vor. Dies gilt auch für die vier im Standortzwischenlager des Kernkraftwerkes Unterweser (SZL-KKU) stehenden, beladenen Behälter. Bei allen 44 Behältern wurden alle Prüfungen einschließlich der obligatorischen Überlastprüfung mit 150 % des Behälter- gewichts erfolgreich durchgeführt und gutachtlich bestätigt. Zu 2: Bei den von der verkehrsrechtlichen Handhabungssperre betroffenen Behältern handelt es sich um Behälter der Bauart CASTOR V/19 (96er Bauart). Zu 3: Siehe Antwort zu Frage 1. Zu 4: Anlass der verkehrsrechtlichen Handhabungssperre der betroffenen Castorbehälter sind nicht komplett spezifikationsgerecht durchgeführte bzw. nicht vollständig dokumentierte Ultraschallprü- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3055 3 fungen am Tragzapfenvormaterial (sogenanntes Halbzeug). Aufgrund von Abweichungen bei den Ultraschall-Prüfvorschriften wurden einige Bereiche des Tragzapfenvormaterials nicht spezifikati- onsgerecht geprüft. Zu 5: An den im ZL-KKU befindlichen betroffenen Leerbehältern wurden bereits vorsorglich alle betroffe- nen Tragzapfen gegen konformitätsgerechte Tragzapfen ausgetauscht. Zu den bereits beladenen Behältern siehe Antwort zu Frage 6. Zu 6: Für die Herstellung des zulassungskonformen Zustandes (z. B. durch Nachprüfungen an eingebau- ten Tragzapfen oder gegebenenfalls Austausch der Tragzapfen) ist der Transport der betroffenen Behälter vom Stellplatz zum Wartungsraum erforderlich. Zum jetzigen Zeitpunkt widerspricht dies aber dem Rechtfertigungsgrundsatz gemäß § 4 StrlSchV. Zur Vermeidung unnötiger Strahlenexpo- sition und zur Dosisreduzierung wäre eine Handhabung zu einem spätest möglichen Zeitpunkt, z. B. vor der Auslagerung aus dem ZL-KKU zu rechtfertigen. Grundsätzlich sind im Vorfeld von Transporten Tolerierungsverfahren zu initiieren und nach behördlicher Freigabe umzusetzen. Zu 7: Am 12.08.2014 wurde das MU fernmündlich von der E.ON Kernkraft GmbH in Stadland über die verkehrsrechtliche Handhabungssperre der vom Tragzapfenqualitätsfall betroffenen CASTOR V/19-Behälter informiert. Am 14.08.2014 wurde die schriftliche Information per Fax und Anschrei- ben nachgereicht. Zu 8: Wie in den Vorbemerkungen ausgeführt, sind die Maßnahmen zur „Qualitätssicherung und -überwachung bei der Fertigung und Inbetriebsetzung verkehrsrechtlich zugelassener Behälter zur Zwi- schenlagerung radioaktiver Stoffe“ Bestandteil der nach § 6 AtG vom BfS erteilten Aufbewahrungs- genehmigung. Zu 9: Die Landesregierung sieht konkreten Handlungsbedarf im Zusammenhang mit der Einbindung des die Behälterfertigung begleitenden Unterauftragnehmers der BAM vor Ort. Darüber hinaus wird die Landesregierung angesichts der grundsätzlichen Bedeutung dieses Quali- tätsfalles in dem einschlägigen Bund-Länder-Fachgremium auf seiner nächsten Sitzung die Einfüh- rung einer Richtlinie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vorschlagen, die zukünftig die atomrechtlichen Fertigungsanforderungen bei der Fertigung von TLB definieren und den in den Vorbemerkungen angeführten Vermerk ersetzen soll. Zu 10: Unmittelbarer Handlungszwang zur Abwehr eines sicherheitsbedenklichen Zustandes besteht für die atomrechtliche Aufsichtsbehörde nach derzeitiger Kenntnislage nicht, weil die atomrechtlichen Bewertungen zur Lagerung radioaktiver Stoffe in den vom Qualitätsfall betroffenen TLB ergeben haben, dass die Sicherheit der Lagerung in diesen TLB weiterhin uneingeschränkt gegeben ist. Die atomrechtliche Aufsichtsbehörde hätte aber in der Bewertung einer neuen Sachlage die Mög- lichkeit, nach den Regelungen des § 19 Abs. 3 AtG anzuordnen, „dass ein Zustand beseitigt wird, der den Vorschriften (…) des Bescheids über die Genehmigung (…) widerspricht“. Hierbei müsste sie abwägen, ob – dieser Zustand unmittelbar zu beseitigen wäre, – die bei der Beseitigung dieses Zustandes (z. B. durch Austausch von Tragzapfen im Hochdosis- Strahlenfeld) hervorgerufenen Personen- und Kollektivdosen gerechtfertigt wären, – gegebenenfalls unter Berücksichtigung aller Sicherheitsbelange zunächst von einem Austausch abzusehen und dieser auf den spätest möglichen Zeitpunkt zu verschieben wäre. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3055 4 Zur Frage der Steigerung der Sicherheitsanforderungen bei der Fertigung wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen. Zu 11: Nach derzeitigem Kenntnisstand des MU werden ausreichend CASTOR V/19-Behälter zur Entsor- gung der abgebrannten Brennelemente gefertigt. Stefan Wenzel (Ausgegeben am 06.03.2015) Drucksache 17/3055 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2849 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte und Hans-Joachim Janßen (GRÜNE), eingegangen am 20.01.2015 Was geschieht mit den gesperrten Castorbehältern im Zwischenlager Unterweser? Antwort der Landesregierung