Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2660 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Sylvia Bruns, Hermann Grupe, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling, Dr. Stefan Birkner und Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegan- gen am 12.12.2014 Antibiotikaeinsatz in Deutschland und Niedersachsen Antibiotika sind Substanzen, die einen so starken hemmenden Einfluss auf die Stoffwechselpro- zesse von Mikroorganismen haben, dass sie eine Vermehrung bzw. ein Weiterleben dieser Mikro- organismen unterbinden. Antibiotika werden in erster Linie zur lokalen oder systemischen Therapie von Infektionskrankheiten eingesetzt. Einige Substanzklassen kommen auch als Immunsuppres- siva oder Zytostatika zum Einsatz. In den letzten Jahren ist ein vermehrter Anstieg von Antibiotikaresistenzen zu beobachten. Eine wichtige Ursache für Resistenzentwicklungen ist die unkritische Verschreibung von Antibiotika. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie groß ist die Menge der Antibiotika, die in den letzten fünf Jahren in Deutschland und Nie- dersachsen in der Humanmedizin eingesetzt wurde (bitte für die einzelnen Gebiete nach Jah- ren aufschlüsseln)? 2. Wie groß ist die Menge der Antibiotika, die in den letzten fünf Jahren in Deutschland und Nie- dersachsen in der Tiermedizin eingesetzt wurde (bitte für die einzelnen Gebiete nach Jahren aufschlüsseln)? 3. Liegen der Landesregierung auch Erkenntnisse über die Größenordnung des jeweiligen Anti- biotikaeinsatzes in den letzten fünf Jahren für die Landkreise, kreisfreien Städte und die Regi- on Hannover vor, und wenn ja, wie lauten diese? 4. Wie viele Großvieheinheiten gibt es in welchen Landkreisen in Niedersachsen (bitte nach Landkreisen, kreisfreien Städten und pro 1 000 Einwohner aufschlüsseln) 5. Wie viele MRSA-Fälle gab es seit 2010 in welchen Landkreisen in Niedersachsen (bitte nach Landkreisen, kreisfreien Städten und pro 100 000 Einwohner aufschlüsseln)? 6. Welche Typen von MRSA gibt es, wie unterscheiden sich diese Typen hinsichtlich der Ge- sundheitsgefährdung für den Menschen, und welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die jeweilige Verbreitung von MRSA-Resistenzen aus der Landwirtschaft und MRSA-Re- sistenzen aus der Humanmedizin in Niedersachsen? (An die Staatskanzlei übersandt am 07.01.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 01.03.2015 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 401.3 - 01425/3 (17) - Antibiotika sind Arzneimittel gegen bakterielle Infektionen. Sie können bereits in geringen Mengen die Vermehrung von Bakterien hemmen oder sie abtöten. Antibiotisch wirksame Substanzen kom- men auch in der Natur vor. Ende des 19. Jahrhunderts wurde entdeckt, dass bestimmte Schimmel- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 2 pilze das Wachstum von Bakterien hemmen können. Aus dieser Beobachtung heraus entwickelte sich - erst Jahre später - die Entwicklung der Penicilline, einer Gruppe von Antibiotika, die auch heute noch zur Anwendung kommt. Bei Antibiotika handelt es sich um effektive Arzneimittel zur Behandlung bakterieller Infektionen, die zumeist gut verträglich sind. Sie müssen in aller Regel nur kurzzeitig eingenommen werden. Aus diesem Grund sind sie nur für etwa 2 % der Kosten im Arzneimittelbereich verantwortlich. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden zahlreiche neue Substanzklassen erforscht und zur Therapie eingeführt. Seit einigen Jahren wurden jedoch kaum noch neue Antibiotika entwickelt, da dies hohe Investitionen erfordert und es sich nicht um umsatzstarke Arzneimittel handelt. Durch Resistenzentwicklungen können Gewinnerwartungen zudem schlecht kalkuliert werden. Hinsichtlich der Resistenzlage von Bakterien muss zwischen einzelnen Bakterienarten unterschie- den werden. Von humanmedizinischem Interesse sind zwei verschiedene Bakterienarten bzw. -gruppen. Zu einer zählen Staphylococcus aureus. Diese können Haut und Schleimhäute besiedeln und in erster Linie zu Wundinfektionen und Blutvergiftungen führen. Die resistente Form wird MRSA genannt (Methicillin-resistente Staphylococcus aureus). Die zweite große Gruppe wird als „gramnegative Bakterien“ bezeichnet. Zu dieser Gruppe zählen z. B. viele Bakterienarten, die natürlicherweise im Darm von Mensch und Tier vorkommen. Auch sie können bei Abwehrschwäche zu Blutvergiftungen führen. Die resistenten Formen werden als MRGN bezeichnet (Multiresistent gramnegativ). Die Häufigkeit der einzelnen resistenten Formen unterscheidet sich sehr. Die Bildung von Resistenzen geschieht über komplexe genetische Veränderungen und wird auf un- terschiedliche Faktoren zurückgeführt. Es ist ein natürlicher Prozess der Evolution, durch den sich resistente Bakterien einen Überlebensvorteil in der Auseinandersetzung mit natürlich und nicht na- türlich vorkommenden antibiotisch wirksamen Substanzen verschaffen. Werden Antibiotika einge- setzt, haben resistente Bakterien einen Selektionsvorteil gegenüber den antibiotikaempfindlichen Bakterien und können sich entsprechend vermehren. Jeder Einsatz von Antibiotika kann somit die Resistenzentwicklung fördern. Wichtig ist daher eine zielgerichtete Antibiotikatherapie in Human- und Veterinärmedizin, um den „natürlichen Prozess“ der Resistenzbildung zu begrenzen. Neben der gezielten Antibiotikatherapie spielt auch die Hygiene bei der Resistenzproblematik eine Rolle. Denn auch ohne direkten Antibiotikaeinfluss können sich Bakterien mit Resistenzeigenschaf- ten epidemisch ausbreiten. Ein Beispiel sind MRSA. Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt insbesondere über die Hände von Mensch zu Mensch, Tier zu Tier oder auch zwischen Mensch und Tier. In Einrichtungen des Gesundheitswesens ist daher die Sicherstellung der Hygiene ein wesentlicher Aspekt, um die Ausbreitung antibiotikaresistenter Erreger zu verhindern. Darüber hinaus können Bakterien auch „Resistenzgene“ auf andere Bakterien übertragen. Diese Eigenschaft ist nicht an einen bestimmten Bakterienstamm gebunden, sondern kann an unter- schiedliche Stämme weitergegeben werden. Diese Art der Weitergabe von Resistenzeigenschaften wird insbesondere bei gramnegativen Bakterien beobachtet. Antibiotikaresistente Erreger haben in der Regel nicht mehr krankmachende Eigenschaften als sensible Erreger. Wenn sie jedoch zu Infektionen führen, z. B. bei geschwächter Abwehrlage von Patientinnen und Patienten, sind sie schwerer zu behandeln. Im Falle von besonders ausgeprägter Resistenz gegenüber mehreren Antibiotikagruppen (Mulitresistenz), kann unter Umständen keine Therapieoption mehr zur Verfügung stehen. Es ist zu beachten, dass sich alle im Folgenden aufgeführten Prozentzahlen zu Resistenzen auf die jeweils diagnostizierte Bakterienspezies beziehen und nicht auf die Häufigkeit im Patientenkollektiv. Die Mechanismen der Resistenzbildung unterscheiden nicht zwischen Human- und Veterinärmedi- zin. Antibiotikatherapie und Hygiene sind auch hier die entscheidenden Einflussfaktoren für die Bil- dung und Ausbreitung von Resistenzen. Grundsätzlich kann jedoch nur ein Teil der beobachteten Resistenzen in der Humanmedizin auf die Veterinärmedizin zurückgeführt werden. Bei Tieren und auf dem Fleisch lassen sich Bakterien mit Resistenzeigenschaften nachweisen. Beim direkten Umgang sowohl mit Tieren in der Tierhaltung als auch mit Fleisch können diese Bak- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 3 terien übertragen werden. So haben Landwirte ein hohes Risiko mit entsprechenden Bakterien (MRSA) besiedelt zu sein. Wie oben beschrieben spielt auch hier der direkte Kontakt zwischen Mensch und Tier die größte Rolle für die Übertragung. Im Bereich der Antibiotikaresistenz gramnegativer Erreger ist der Zusammenhang nicht so deutlich. Der Erwerb dieser resistenten Bakterien durch den Menschen ist nach bisherigem Wissensstand vielgestaltig. Es ist deshalb nicht genau bekannt, in welchem Ausmaß das Vorkommen von antibio- tikaresistenten gramnegativen Erregern beim Nutztier zur Verbreitung beim Menschen beiträgt. Dies ist noch Gegenstand wissenschaftlicher Fragestellungen und Untersuchungen. Nationale und internationale Auswertungen der letzten Jahre zeigen jedoch, wie der Anteil an resis- tenten Bakterien in den letzten Jahren zugenommen hat. Dies betrifft vor allem die o. g. „gramnegativen Erreger“ (Abbildung 1). Abbildung 1: Anteil von unterschiedlichen Resistenzen bei E. coli-Bakterien in Niedersachsen, 2006 bis 2013, Daten des Landesgesundheitsamtes (NLGA) aus ARMIN Eine Ausnahme von dieser Tendenz zeigt MRSA. Hier sind die Quoten bezogen auf alle Staphy- lococcus aureus-Nachweise in den letzten Jahren gesunken (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Antworten zu den Fragen 5 und 6 verwiesen). Allerdings liegen sie auf einem deutlich höheren Niveau (um 20 %). Die Landesregierung folgt daher der Einschätzung von Expertinnen und Experten, dass die Ent- wicklung von Antibiotikaresistenzen ein ernstes Gesundheitsproblem darstellt und hat daher unter- schiedliche Maßnahmen eingeleitet, dieser Entwicklung zu begegnen: Im Bereich Antibiotikatherapie wurde die Niedersächsische Antibiotika-Strategie in der Humanme- dizin mit Unterstützung des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes (NLGA) umgesetzt. Die- se umfasst insbesondere folgende Maßnahmen und Initiativen: Beobachtung der Resistenz-Entwicklung über ARMIN Mit ARMIN (Antibiotika-Resistenz-Monitoring in Niedersachsen) stehen Informationen zur Resis- tenzlage in Niedersachsen zur Verfügung. Ein derartiges Monitoring ist in Deutschland auf Landes- ebene einzigartig. Die Daten werden in enger Kooperation mit inzwischen 13 niedersächsischen Laboratorien gewonnen. Dieses Instrument ist eine Grundlage für die Beratung zur Antibiotikathe- rapie und bietet die Möglichkeit Entwicklungen über die Zeit zu beobachten und somit die Maß- nahmen indirekt zu evaluieren (s. Antwort auf Fragen 5 und 6). Antibiotika-Ratgeber für niedergelassene Ärzteschaft Der überwiegende Anteil der Antibiotika wird im ambulanten Bereich verschrieben (etwa 80 bis 85 %). Daher ist es von entscheidender Bedeutung, der niedergelassenen Ärzteschaft fundierte und praxisnahe Hinweise für eine zurückhaltende Antibiotikatherapie an die Hand zu geben. Hierfür wurde das NLGA beauftragt, einen Antibiotika-Ratgeber zu erstellen, der die Leitlinien und regiona- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 4 len Gegebenheiten zur Resistenz berücksichtigt. Das NLGA arbeitete dabei mit unterschiedlichen Expertinnen und Experten der Wissenschaft und der Labore zusammen. Fortbildungsinitiative gemeinsam mit Expertennetzwerk und Ärztekammer Niedersachsen für Anti- biotika-Beauftragte Nach der Niedersächsischen Verordnung über Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen (NMedHygVO) 1 sind in Krankenhäusern seit dem 30. März 2012 fachkundige Ärztin- nen, Ärzte, Apothekerinnen oder Apotheker zu berufen, die das ärztliche Personal beim Einsatz von Antibiotika beraten. Es bestehen bislang nur wenige Angebote für eine entsprechende Fach- kunde. Das NLGA wurde beauftragt, gemeinsam mit der Ärztekammer Niedersachsen und Exper- tinnen und Experten der Infektiologie die erforderliche Fortbildung anzubieten. Ziel der Fortbildung ist es, Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus zu vermitteln. Im Februar 2015 findet das dritte Mal eine entsprechende dreitägige Fortbildung in Hannover statt. Informationen für Patientinnen und Patienten sowie Eltern Auch wenn es sich bei Antibiotika um verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt, können Patien- tinnen und Patienten oder auch Eltern von erkrankten Kindern ihren Beitrag zu einem verantwor- tungsvollen Umgang mit diesen wertvollen Medikamenten leisten. Im Falle von grippalen oder an- deren Infektionserkrankungen - auch mit schwerer Symptomatik - ist es oft nicht nötig, Antibiotika einzunehmen. Andere Maßnahmen oder Medikamente können helfen, Schmerzen zu lindern, Fie- ber zu senken und zur Genesung beizutragen. Auch wenn keine Antibiotika verschrieben werden, kann es sich um eine ernsthafte Erkrankung handeln. Informationen zu Antibiotika sollen Hinweise für das Gespräch mit der Ärztin, dem Arzt oder auch in der Apotheke liefern. Daher wurde ein kur- zes Informationsfaltblatt erstellt, das auch auf den Internetseiten des Niedersächsischen Ministeri- ums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS) (www.ms.niedersachsen.de Themen > Ge- sundheit > Infektionsschutz & ansteckende Krankheiten) und NLGA (www.nlga.niedersachsen.de Infektionen & Hygiene > Antibiotikaresistenz > Antibiotikastrategie) abrufbar ist. Internetseite des NLGA mit Fachinformationen und Informationen für die Bevölkerung Das NLGA stellt bereits häufig nachgefragte Informationen zu Hygiene und zum Umgang mit MRSA (Methicillin-resistente Staphylokokkus aureus) zur Verfügung. Diese Informationen sind auf der Internetseite des NLGA um den Bereich der Antibiotikatherapie erweitert und gebündelt wor- den. Darüber hinaus wurden mit dem Schwerpunkt Hygiene folgende Maßnahmen umgesetzt: NMedHygVO Am 30. März 2012 ist die NMedHygVO in Kraft getreten. Danach ist die Leitung der medizinischen Einrichtung für die Hygiene im Sinne eines Qualitätsmanagements verantwortlich. Es werden Re- gelungen getroffen zum Fachpersonal, zur Hygienekommission, zu Fortbildung, zur Information des Personals zu Hygiene, zu Screeninguntersuchungen, um Risiken zu erkennen sowie zur Aufzeich- nung von nosokomialen Infektionen, Resistenzen und des Antibiotikaverbrauchs. Fachliche Unterstützung für unterschiedliche Einrichtungen des Gesundheitswesens zum Thema Hygiene durch das NLGA Der Arbeitsbereich Krankenhaushygiene am NLGA steht Einrichtungen des Gesundheitswesens beratend in Fragen der Hygiene zur Verfügung. Neben Krankenhäusern sind Alten- und Pflegeein- richtungen Hauptansprechpartner des Arbeitsbereiches. Es werden zahlreiche Multiplikatorenschu- lungen durchgeführt und hierfür Schulungsdateien zur Verfügung gestellt. Der Arbeitsbereich unter- stützt den öffentlichen Gesundheitsdienst bei der Überwachung medizinischer Einrichtungen. Wei- tere Informationen für die Bevölkerung und die Fachöffentlichkeit werden auf der Internetseite www.mrsa.niedersachsen.de zur Verfügung gestellt und ständig aktualisiert. Dabei wird das NLGA von den Expertinnen und Experten des Begleitgremiums (s. unten) unterstützt. 1 Vom 26. März 2012 (Nds. GVBl. Nr. 4/2012, S. 41) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 5 EU-Projekt EurSafety Health-net Gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden führt Niedersachsen mit fachlicher Un- terstützung des NLGA das EU-Projekt „EurSafety Health-net Euregionales Netzwerk für Patienten- sicherheit und Infektionsschutz“ durch. In das Projekt sind die Kommunen des Grenzgebietes zu den Niederlanden eingebunden. Neben der direkten Vernetzung vor Ort gehen von dem Projekt wichtige Impulse für Initiativen gegen Antibiotika-Resistenzen und nosokomiale Infektionen auch für andere Teile Niedersachsens aus. Um die erfolgreiche Arbeit auszuweiten, wurde ein Konzept für ein Folgeprojekt erstellt. Ziel ist es u. a. , im Rahmen von INTERREG V eine grenzüberschreitende Weiterbildungsinitiative im Bereich Hygiene und Antibiotika-Resistenz zu implementieren. Der Projektantrag „health-i-care“ wurde im November 2014 vom Projektkoordinator in Groningen über die EUREGIO 2 eingereicht. Das NLGA ist als aktiver Teilnehmer eingebunden. Eine Entscheidung über die Bewilligung steht noch aus. Netzwerkbildung auf Landesebene Auf Landesebene wurde ein Begleitgremium gegründet, in dem Problemfelder der Hygiene im Kon- text mit Antibiotikaresistenzen erörtert und überregionale Strategien abgestimmt werden. In diesem Gremium sind vertreten: MS, NLGA, Ärztekammer Niedersachsen, Apothekerkammer, Niedersäch- sischer Landkreistag, Niedersächsische Krankenhausgesellschaft, Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen, Landesverbände der gesetzlichen Krankenkassen, Medizinische Hochschule Han- nover, Universität Göttingen, Fachverbände und Expertinnen und Experten aus den Bereichen Hy- giene/Mikrobiologie, dem öffentlichen Gesundheitsdienst und der Pflege. Netzwerkbildung auf kommunaler Ebene durch den öffentlichen Gesundheitsdienst Regionale Netzwerke gelten als ein wirksames Instrument, der Problematik multiresistenter Erreger zu begegnen. Ziel ist der offene Austausch unterschiedlicher Institutionen über mögliche Maßnah- men. Dazu gehört beispielsweise die Bekanntgabe von Patientinnen und Patienten mit MRSA, da- mit besondere Hygienemaßnahmen und eventuelle Therapien zielgerichtet durchgeführt werden können. Diese Netzwerke wurden durch den kommunalen öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) vor Ort etabliert. Das NLGA unterstützt die Kommunen bei der Bildung dieser Netzwerke durch Ar- beitsmaterialien und persönliche Beratung aus dem Arbeitsbereich Krankenhaushygiene. Vereinheitlichung und Qualitätssicherung der Hygieneüberwachung durch den ÖGD Das NLGA führt seit 2013 einmal jährlich eine zentrale Fortbildung zu spezifischen Themen der in- fektionshygienischen Überwachung von medizinischen Einrichtungen für den kommunalen ÖGD durch. Dabei werden Checklisten ausgegeben, um so eine einheitliche und qualitätsgesicherte Überwachung zu gewährleisten. Im Bereich der Veterinärmedizin/Tierhaltung existieren folgende Maßnahmen und Initiativen: Leitlinien für den sorgfältigen Umgang mit antibakteriell wirksamen Tierarzneimitteln („Antibiotika- Leitlinien“) In Anerkennung der Verantwortung der Tierärzte bei der Anwendung von Antibiotika hatte die Bun- destierärztekammer in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der Leitenden Veterinärbeam- ten im Jahr 2000 erstmals die „Leitlinien für den sorgfältigen Umgang mit antibakteriell wirksamen Tierarzneimitteln“ herausgegeben. Diese Leitlinien werden laufend überarbeitet und an den Stand der Rechtslage, der zur Verfügung stehenden Wirkstoffe und der aktuellen veterinärmedizinischen Wissenschaft angepasst. Die jetzige Fassung mit Stand vom Juli 2010 ist kurz vor der Ablösung durch eine neue, überarbeitete Version. Deutsche Antibiotika Resistenzstrategie (DART) - Ziele für den Bereich der Tierhaltung, Lebensmit- telkette und tierärztlichen Tätigkeit Mit der 2008 veröffentlichten Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) verfolgt die Bundes- regierung ein gemeinsames Konzept zur Eindämmung dieser antimikrobiellen Resistenzen. Mit DART werden Ziele und Aktionen beschrieben, die Deutschland bei seinen nationalen und interna- 2 Deutsch-niederländischer Kommunalverband Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 6 tionalen Bemühungen zur Antibiotika-Resistenzbekämpfung umsetzt bzw. in den kommenden Jah- ren umsetzen wird. DART für den Bereich der Tierhaltung, Lebensmittelkette und tierärztlichen Tätigkeit soll in Zusam- menarbeit zwischen Humanmedizin und Tiermedizin den Antibiotikaeinsatz bei Tieren beeinflussen und das Auftreten und die Verbreitung von Resistenzen bei Bakterien, die Menschen oder Tiere besiedeln, reduzieren. Es wird angestrebt, dass die Strategie von Tierärzten, Landwirten, Tierbesit- zern, Wirtschaftsverbänden und zuständigen Behörden anerkannt und vorangebracht wird. In die- ser Strategie und im Umgang mit Antibiotika in der Tierhaltung werden die europaweiten und inter- nationalen/supranationalen Vorgaben reflektiert. Zusammen mit den o. g. Antibiotika-Leitlinien soll durch einen verantwortungsbewussten Antibiotikaeinsatz im Bereich der Tierhaltung, Lebensmittel- kette und tierärztlichen Tätigkeit der gesundheitliche Verbraucherschutz gesichert werden, ohne die Tiergesundheit zu beeinträchtigen. Hierzu ist auch Forschung und Entwicklungsarbeit hinsichtlich einer verbesserten Tierhaltung, Diagnostik und zu Ersatzmaßnahmen für den Antibiotikaeinsatz notwendig. Mit der Strategie sollen folgende Ziele erreicht werden: – eine umfassende Erfassung der Antibiotika-Resistenzsituation, – eine ständige Überwachung der Entwicklung der Antibiotikaresistenzsituation, – eine wissenschaftlich fundierte Ableitung von Managementmaßnahmen, – eine verbesserte Information von Tierärzten, Landwirten und Verbrauchern, – eine breite Akzeptanz und Umsetzung der Managementmaßnahmen in der Tiermedizin und Tierhaltung, – eine Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes bei Verbesserung der Prophylaxe und Hygiene zur Verhinderung von Infektionskrankheiten und – eine Antibiotikaresistenzsituation, die auch in der Zukunft den Erhalt der Wirksamkeit von Anti- biotika ermöglicht. (Auszug aus der gemeinsamen Broschüre des Bundesministeriums für Gesundheit, des Bundes- ministeriums für Bildung und Forschung sowie des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirt- schaft und Verbraucherschutz zum Thema „Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie“ [DART].vom 05.04.2011) Niedersachsen ist in mehrfacher Hinsicht mit DART vernetzt. Beispielsweise zu nennen sind hier die Mitarbeit zu „Monitoring und Untersuchungen an Erregern mit Bedeutung für die menschliche Gesundheit“ (Zoonose-Monitoring) sowie über die Antibiotika-Verbrauchsmengenerfassung, die derzeit im Rahmen der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes umgesetzt wird. Niedersächsische Erhebung zum Antibiotikaeinsatz in Nutztierhaltungen Um den Arzneimitteleinsatz in der niedersächsischen Nutztierhaltung festzustellen, wurde bereits im Oktober 2010 durch das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbrau- cherschutz und Landesentwicklung (ML) eine landesweite Erhebung zum Arzneimitteleinsatz bei Masthühnern, Puten, Mastschweinen, Mastkälbern und Fressern initiiert. Die im Jahr 2011 veröf- fentlichten Ergebnisse sind unten stehend in die Beantwortung eingeflossen. Niedersächsisches Antibiotika-Minimierungskonzept Die vorgenannten niedersächsischen Erhebungen zum Antibiotikaeinsatz in Nutztierhaltungen führ- ten zur Entwicklung eines niedersächsischer Maßnahmenplans zur kontinuierlichen Minimierung des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung und zur Senkung des Risikos der Antibiotikaresis- tenzentwicklung, der Ende 2011 durch das ML veröffentlicht wurde. Ein großer Teil dieses Maß- nahmenplans ist in die unten erläuterte 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes eingeflossen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 7 DIMDI-AMV Seit dem Jahr 2011 wird gemäß § 67 a des Arzneimittelgesetzes in Verbindung mit der Verordnung über das datenbankgestützte Informationssystem über Arzneimittel des Deutschen Instituts für Me- dizinische Dokumentation und Information (DIMDI-Arzneimittelverordnung - DIMDI-AMV) jährlich die Menge an Antibiotika erfasst, die durch pharmazeutische Unternehmer bzw. Großhändler an Tierärzte in Deutschland vertrieben wurde. Die Ergebnisse sind unten stehend in die Beantwortung eingeflossen. 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes Die 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes zielt darauf ab, den Einsatz von Antibiotika auf das zur Behandlung von Tierkrankheiten absolut notwendige Maß zu beschränken und die Befugnisse der zuständigen Kontroll- und Überwachungsbehörden der Länder deutlich zu erweitern. Durch die neuen Regelungen, die am 01.04.2014 in Kraft getreten sind und derzeit bundesweit umgesetzt werden, wird – die Antibiotikaminimierung als permanente Aufgabe des Tierhalters etabliert, – dem Tierhalter ermöglicht, den Einsatz von Antibiotika und dessen Ursachen in seinem Betrieb durch ein Benchmarking-System besser zu überprüfen, – sich die Tierarzneimittelüberwachung vor Ort ein noch konkreteres Bild über den Antibiotikaein- satz machen und angemessene Maßnahmen treffen können. Die Gesetzesnovelle bietet die Möglichkeit zur Optimierung der Tierhaltung, um über eine Verbes- serung der Tiergesundheit eine nachhaltige Minimierung des Einsatzes von Antibiotika in der Nutz- tierhaltung zu erzielen, da gesündere Tiere weniger Antibiotika benötigen. Interministerielle Arbeitsgruppen in Niedersachsen Das ML ist im Hinblick auf eine Antibiotikaminimierung an zwei interministeriellen Arbeitsgruppen in Niedersachsen beteiligt. Die erste Arbeitsgruppe unter Federführung des Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz bearbeitet das Thema „Arzneimittel in Böden und Gewässern“, wobei hier die möglichen Auswirkungen von Antibiotika aus Tierhaltungen mit betrachtet werden. Zum ande- ren ist das ML in die kürzlich initiierte interministerielle Arbeitsgruppe zur Thematik „multiresistente Keime“ unter Federführung des MS integriert. Koordinierungsstelle Zoonosen 2008 wurde im Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit eine Koordinationsstelle für alle mit der Zoonosenvermeidung verbundenen Vorgänge eingerichtet, deren Arbeit interdisziplinär und institutionsübergreifend angelegt ist, um die strategischen und tak- tischen Zielstellungen, die sich aus den Informationsquellen der Human- und Veterinärmedizin so- wie der Schlachthygiene- und Lebensmittelüberwachung ergeben, für Niedersachsen optimal nutz- bar zu machen. So werden im Rahmen des Zoonosemonitorings nicht nur repräsentative Daten über das Vorkom- men verschiedener Bakterien in Futter, lebenden Tieren und Lebensmitteln erhoben, ausgewertet und veröffentlicht sondern mit dem Resistenzmonitoring als wichtigem Teil des Zoonosenmonito- rings auch für die Bewertung der aktuellen Situation sowie der Entwicklungstendenzen der Resis- tenz bestimmter Bakterien gegenüber Antibiotika. 4-Länder-Arbeitsgruppe Antibiotika-Minimierung (Niederlande, Dänemark, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen) Das ML ist Mitglied einer neu gegründeten 4-Länder-Arbeitsgruppe zum Thema „AntibiotikaMinimierung “. In dieser Arbeitsgruppe tauschen sich Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, die Nie- derlande und Dänemark zur genannten Thematik aus. Von den Erfahrungen aus den Niederlanden und Dänemark, also den Staaten, die den Antibiotikaeinsatz in den Nutztierhaltungen in den letzten Jahren bereits drastisch reduzieren konnten, kann Niedersachsen zukünftig profitieren. Die Einrich- tung der Arbeitsgruppe unter Federführung der Niederlande wurde anlässlich eines 4-Länder-Tref- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 8 fens auf Staatssekretärsebene am 19.09.2014 in Düsseldorf beschlossen. Das erste Treffen der Arbeitsgruppe auf Fachebene findet am 19.02.2015 in den Niederlanden statt. Forschung in Niedersachsen: Stiftung Tierärztliche Hochschule (RESET und VETCAB) Der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsverbund „RESET“, an dem Niedersachsen über die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover beteiligt ist, schafft Lö- sungsansätze zur Klärung ungelöster Fragestellungen hinsichtlich der Entstehung und Ausbreitung resistenter Bakterien bei Tier und Mensch. Nachdem im Jahr 2007 und 2008 Machbarkeitsstudien zur Erfassung und Quantifizierung des Anti- biotikaeinsatzes in Nutztierhaltungen (VetCAb = Veterinary Consumption of Antibiotics) durchge- führt wurden, ist über die von 2011 bis 2013 laufende Studie „VetCAb-Pilot“, beauftragt vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), der Antibiotika-Einsatz in einer repräsentativen Stichprobe deutscher Tierhaltungen erfasst worden. Wissenschaftler der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover und der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig führten die Studie ge- meinsam durch. Ziel war es, Informationen über eingesetzte antimikrobielle Wirkstoffe und die Häu- figkeiten von Behandlungen mit diesen Wirkstoffen in einer Stichprobe deutscher Betriebe zu erhal- ten. Seit 2013 wird das Projekt mit der Studie „VetCAb-Sentinel“ kontinuierlich fortgesetzt, um beurteilen zu können, ob die in „VetCAb-Pilot“ dokumentierten Antibiotika in ihrer eingesetzten Menge und Häufigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg konstant bleiben oder sich über die Zeit ver- ändern. Zur Unterstützung der vertiefenden wissenschaftlichen Risikobewertung am BfR soll fort- laufend der Einsatz von Antibiotika in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in Deutschland do- kumentiert und kontinuierlich ausgewertet werden. Neben der Möglichkeit des Erkennens von Trends des Antibiotikaeinsatzes, können diese Informationen ebenfalls zur Vernetzung mit Daten zur Resistenzentwicklung dienen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Eine umfassende Darstellung über den Antibiotikaverbrauch und die Verbreitung von Antibiotikare- sistenzen in der Human- und Veterinärmedizin in Deutschland wurde zuletzt im Jahr 2012 durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, die Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e. V. und die Infektiologie Freiburg mit dem Bericht GERMAP 2012 veröffentlicht (www.p-e-g.org/econtext/germap). Darüber hinaus werden auch durch das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland Daten für den ambulanten Bereich veröffentlicht (www.versorgungsatlas.de). Der Antibiotikaverbrauch in der Humanmedizin wird getrennt nach ambulanter und stationärer Ver- sorgung geführt. Außerdem hat sich durchgesetzt, den Antibiotikaverbrauch nicht als absolute Menge anzugeben, sondern „definierte Tagesdosen“ (sogenannte defined daily doses, [DDD]) aus- zuweisen. Außerdem werden diese DDD dann im ambulanten Bereich auf 1 000 Versicherte und Tag und im stationären Bereich auf 100 Pflegetage bezogen. Denn der tatsächliche Verbrauch in einer Region hängt entscheidend von der Anzahl der zu behandelnden Personen ab. Durch diese jeweilige Bezugsgröße können Regionen oder Institutionen verglichen werden. Allerdings wirken derartige Größen für sich genommen relativ abstrakt. Durch die unterschiedlichen Bezugsgrößen im ambulanten und stationären Sektor, fällt auch der direkte Vergleich schwer. Die Datenerhebung selbst ist ebenfalls unterschiedlich. Während im ambulanten Bereich Abrech- nungsdaten der gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen werden, liegen solche Daten im stationären Sektor nicht vor. Die im GERMAP 2012 ausgewiesenen Daten für den stationären Be- reich gehen auf ein Projekt zurück, an dem der Bundesverband deutscher Krankenhausapotheker e. V., die Infektiologie Freiburg und das Robert Koch-Institut (RKI) beteiligt waren. Laut GERMAP 2012 wurde die Gesamtmenge des Antibiotikaverbrauchs im humanmedizinischen Bereich in den letzten Jahren auf 700 bis 800 t pro Jahr geschätzt. Davon werden ebenfalls schät- zungsweise 85 % im ambulanten Bereich verschrieben. Im ambulanten Bereich wurden 2011 bundesweit 14,1 DDD pro 1 000 Versicherte und Tag ver- schrieben. Die Schwankungsbreite nach Bundesländern lag zwischen 10,6 DDD/1 000 Versicherte Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 9 und Tag für Sachsen und 17,3/1 000 und Tag in Nordrhein-Westfalen. Niedersachsen lag mit 15,7 DDD/1 000 Versicherte und Tag über dem Bundesdurchschnitt. In Deutschland wurden 53 % der Antibiotika von Hausärztinnen und -ärzten und 14 % von haus- ärztlich tätigen Internistinnen und Internisten verschrieben, gefolgt von jeweils 7 % von Kinderärz- tinnen und -ärzten sowie von HNO-Ärztinnen und -Ärzten. Bezogen auf die einzelne Fachgruppe wurden von HNO-Ärztinnen und -Ärzten die höchste Menge Antibiotika verschrieben, gefolgt von Urologinnen und Urologen, Hausärztinnen und -ärzten, Kinderärztinnen und -ärzten. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland im unteren Drittel - in einer ähnlichen Größenordnung wie die Nachbarländer Schweiz, Österreich, Niederlande und Dänemark. Wie beschrieben wurden im stationären Bereich die Antibiotikaverbrauchsdaten im Rahmen eines Projektes in einer Stichprobe von Krankenhäusern erhoben, sodass keine regionale Aufteilung nach Bundesländern möglich ist. Nach den Daten der Veröffentlichung des GERMAP 2012 lag die Antibiotikaverbrauchsdichte in deutschen Krankenhäusern der Akutversorgung 2011 im Durch- schnitt bei 57 DDD/100 Pflegetage. Die mittlere Antibiotikaverbrauchsdichte eines Krankenhauses ist abhängig von der Krankenhaus- versorgungsstufe bzw. Krankenhausgröße (Bettenzahl bzw. Universitätsklinik versus nichtuniversi- täre Kliniken) sowie von der Fachabteilung bzw. der Stationsart (Intensivstation versus Normalstati- on). Im Jahr 2011 betrug die Verbrauchsdichte in Krankenhäusern mit einer Bettenzahl kleiner als 400 Betten 57 DDD/100 Pflegetage, in Krankenhäusern mit einer Bettenzahl von 400 bis 800 eben- falls 57 DDD/100 Pflegetage und in Krankenhäusern mit einer Bettenzahl größer als 800 52 DDD/100 Pflegetage. Die Verbrauchsdichte in den Universitätskliniken war dagegen mit 66 DDD/100 Pflegetage deutlich höher. Bei dem Vergleich der Verbrauchsdichte nach Stationsart fällt in erster Linie der deutliche Mehrver- brauch auf Intensivstationen auf. Die Verbrauchsdichte auf Intensivstationen war 2011 mit 106 DDD/100 Pflegetagen etwa doppelt so hoch wie auf Normalstationen (53 bzw. 59 DDD/ 100 Pflegetage in operativen und nicht-operativen Normalstationen). Trotz dieser sehr hohen Ver- brauchsdichte beträgt der Anteil der Antibiotika auf Intensivstationen an allen Antibiotikaverordnun- gen im Krankenhaus nur etwa 10 %. Zu 2: Bislang gibt es keine Erhebungen, die eine exakte Aussage über die Menge der Antibiotika, die in den letzten fünf Jahren in Deutschland und Niedersachsen in der Tiermedizin eingesetzt wurden, zulassen. In der Tiermedizin existiert kein Krankenkassensystem, das eine flächendeckende Erhe- bung von Antibiotikaverordnungen wie in der Humanmedizin ermöglichen würde. Um den Arzneimitteleinsatz in der niedersächsischen Nutztierhaltung festzustellen, wurde im Okto- ber 2010 durch das ML eine landesweite Erhebung zum Arzneimitteleinsatz bei Masthühnern, Pu- ten, Mastschweinen, Mastkälbern und sogenannten Fressern initiiert. Die Ergebnisse wurden 2011 veröffentlicht. Der Bericht zu dieser Studie ist unter http://www.ml.niedersachsen.de/portal/live.php ?navigation_id=27751&article_id=102202&_psmand=7 abrufbar. In die Studie wurden insgesamt 206 niedersächsische Betriebe mit insgesamt 894 Mastdurchgän- gen einbezogen. Der Studie zufolge erhielten 76 % der in der Studie erfassten Masthühner (d. h. 18 Millionen von insgesamt etwa 23 Millionen Tieren) Antibiotika. In etwa 45 % der Mastdurchgän- ge wurden ein bis drei antibiotische Wirkstoffe eingesetzt, in rund einem Viertel der Fälle wurden vier bis acht Wirkstoffe in einem Mastdurchgang eingesetzt. In den Betrieben, die Puten mästen, wurden 16 % der Puten (121 669 von insgesamt 770 919 erfassten Puten) nicht mit Antibiotika be- handelt, während 84 % der Tiere (649 250) behandelt wurden. Bei den Puten wurden bis zu zehn verschiedene antibiotische Wirkstoffe während der Mast eingesetzt. Von insgesamt 169 499 in die Studie einbezogenen Mastschweinen sind 68 % (115 836) mit Anti- biotika behandelt worden, 32 % (53 663) hingegen nicht. In etwa 45 % der Fälle wurden ein bis drei verschiedene antibiotische Wirkstoffe eingesetzt, in 20 % der Fälle vier bis acht. In Einzelfällen wurden bis zu 15 verschiedene antibiotische Wirkstoffe eingesetzt. Erfahrungsgemäß werden Anti- biotika nicht bei Mastschweinen sondern vornehmlich bei Jungtieren angewendet. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 10 Bei Kälbern wurde eine Unterscheidung in Mastkälber und „Fresser“ vorgenommen. Alle 22 488 für die Studie erfassten Mastkälber, also 100 %, sind mit Antibiotika behandelt worden. In etwa der Hälfte aller Fälle (ca. 51 %) erhielten die Mastkälber zwei bis acht Wirkstoffe, in 49 % der Fälle sogar bis zu 20 Wirkstoffe. Auch bei der Fresseraufzucht lag die Quote der Tiere ohne Behandlung nur bei 8 % (925 von ins- gesamt 11 253 Tieren), 92 % (10 328) wurden mit Antibiotika behandelt. In 28 % der Fälle wurden ein bis drei Wirkstoffe je Mastdurchgang verabreicht, in der Hälfte der Fälle vier bis zehn Wirkstoffe. Weitere Erkenntnisse zum Antibiotikaeinsatz in Nutztierhaltungen werden vermutlich im Frühjahr/ Sommer 2015 nach Auswertung der ersten bundesweiten Erhebung zum Antibiotika-Einsatz in Mastbetrieben aufgrund der Vorgaben der 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes 3 möglich sein, da hier die Daten einer wesentlich größeren Anzahl von Betrieben aus Niedersachsen vorliegen wer- den. Seit dem Jahr 2011 wurde zudem gemäß § 67 a des Arzneimittelgesetzes in Verbindung mit der Verordnung über das datenbankgestützte Informationssystem über Arzneimittel des Deutschen In- stituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI-Arzneimittelverordnung - DIMDI- AMV) die Menge an Antibiotika erfasst, die durch pharmazeutische Unternehmer bzw. Großhändler an Tierärzte in Deutschland vertrieben wurde. Für das gesamte Bundesgebiet sind die Mengen der an Tierärzte verkauften Antibiotika in der folgenden Tabelle aufgeführt (Quelle: Bundesamt für Ver- braucherschutz und Lebensmittelsicherheit, BVL): Abgegebene Menge antimikrobiell wirksamer Grundsubstanz je Wirkstoffklasse [t] und Abgabedifferenzen 2011/2013 Wirkstoffklasse Abgegebene Menge [t] 2011 Abgegebene Menge [t] 2012 Abgegebene Menge [t] 2013 Differenz [t]* 2011 zu 2013 Tetracycline 564 566 454 -110 Penicilline 528 501 473 -55 Sulfonamide 185 162 152 -33 Makrolide 173 145 126 -47 Polypeptid- Antibiotika 127 124 125 -2 Aminoglykoside 47 40 39 -8 Trimethoprim 30 26 24 -6 Lincosamide 17 15 17 0 Pleuromutiline 14 18 15 +1 Fluorchinolone 8 10 12 +4 Phenicole 6 6 5 -1 Ionophore - - 1,8 - Cephalosp., 1. Gen. 2 2 2 0 Cephalosp., 3. Gen. 2 2,5 2,3 +0,3 Cephalosp., 4. Gen. 1,5 1,5 1,5 0 Fusidinsäure <1t <1t <1t Nitrofurane <1t <1t <1t Nitroimidazole <1t <1t <1t Summe 1 706 1 619 1 452 -254* *mögliche Abweichungen sind rundungsbedingt Diese Verkaufsmengen sind allerdings regional unterschiedlich und wie die folgende Abbildung so- wie die nachfolgende Tabelle verdeutlichen (Quelle: BVL), ist die verkaufte Menge in Postleitzah- lengebiete, die auch in Niedersachsen liegen, besonders hoch. 3 BGBl. 2013, I, S. 3813 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 11 Abgegebene Menge an Antibiotika (in t) in den 13 Postleitzahlbereichen Niedersachsens an ansässige Tierärzte mit einer Hausapotheke, 2011 bis 2013 PLZ-Bereich Abgegebene Menge (t) 2011 Abgegebene Menge (t) 2012 Abgegebene Menge (t) 2013 Differenz (t)* 2011 zu 2013 19 14,377 14,59 17,07 2,693 21 12,303 10,92 11,81 -0,493 26 61,661 71,36 66,094 4,433 27 45,041 52,73 40,072 -4,969 28 1,215 1,10 1,149 -0,066 29 19,270 14,23 12,197 -7,073 30 1,403 1,29 1,131 -0,272 31 9,424 9,15 7,627 -1,797 34 16,352 16,12 12,12 -4,232 37 4,712 4,58 4,698 -0,014 38 3,577 3,81 3,517 -0,060 48 121,203 114,79 100,261 -20,942 49 703,002 648,20 578,555 -124,447 Summe 1 013,54 962,87 856,301 -157,239 *mögliche Abweichungen sind jeweils rundungsbedingt Es muss im Zusammenhang mit den Zahlen der vorgenannten Tabelle allerdings beachtet werden, dass diese Art der Erfassung über Postleitzahlenbereiche noch nicht die Anwendung in Betrieben belegt, da große Tierarztpraxen oft landkreis- oder sogar länderübergreifend tätig sind. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 12 Die maßgeblich von Niedersachsen vorangetriebene 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes dient nun der konkreten Erfassung in den Erzeugerbetrieben und nicht nur in den Tierarztpraxen. Mit der Gesetzesnovelle soll wie in den Niederlanden mit einer Erfassung und mit Maßnahmen zur Mini- mierung des Antibiotika-Einsatzes bei den Betrieben mit zu hohem Verbrauch eine Reduzierung um 50 % innerhalb von fünf Jahren erreicht werden. Wie der bereits eingetretene leichte Rückgang der Mengen zeigt, scheint dies bei konsequenter Umsetzung des Arzneimittelgesetzes möglich. Zu 3: Entsprechende Erkenntnisse liegen der Landesregierung bezogen auf alle Fachrichtungen und die- sen Zeitraum nicht vor. Die in der Antwort zu Frage 1 genannten Veröffentlichungen werden jeweils nach Bundesländern bzw. Bezirken der Kassenärztlichen Vereinigungen ausgewiesen. Im Rahmen einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2012 wurden AntibiotikavVerord- nungen bei Kindern untersucht. Grundlage der Studie waren Abrechnungsdaten der BARMER GEK aus dem Jahr 2010. Dabei zeigten sich zum Teil erhebliche regionale Unterschiede im Verschrei- bungsverhalten (https://antibiotika.faktencheck-gesundheit.de). Die Daten wurden auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte ausgewiesen. Hier sind auch Abfragen zu einzelnen Landkreisen möglich. In Abbildung 2 sind die Ergebnisse kartographisch dargestellt. Abbildung 2: Anteil der bei der BARMER GEK versicherten Kinder und Jugendlichen bis 17 Jahren, die 2010 mindestens einmal ein Antibiotikum verordnet bekamen. Quelle: Bertelsmann-Stiftung, Faktencheck Gesundheit Antibiotika, 2012 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 13 Im Rahmen der Studie und nachfolgender Untersuchungen wurden mögliche Einflussfaktoren un- tersucht. Den größten Einfluss auf die Verordnungshäufigkeit weist die soziale Lage - gemessen über die Arbeitslosigkeit und die Erwerbstätigenquote - auf. Je höher die Arbeitslosigkeit und je niedriger die Erwerbstätigenquote in einer Region, desto höher ist die Antibiotika-Verordnungs- häufigkeit bei Kindern. Den zweitbedeutsamsten Einfluss auf die Verordnungshäufigkeit weist die Kinder- und Jugendarzt- dichte auf. Je höher die Kinder- und Jugendarztdichte in einer Region, desto niedriger liegt die An- tibiotika-Verordnungshäufigkeit bei Kindern. Abgeschwächt gilt das auch für die Dichte der Allge- mein- und Hausärzte. Die Ergebnisse zeigen darüber hinaus, dass durch die Berücksichtigung der genannten potenziel- len Einflüsse auf die Antibiotika-Verordnungshäufigkeit bei Kindern Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland nicht vollständig erklärt werden können. In Ostdeutschland liegen die Ver- ordnungshäufigkeiten signifikant niedriger als in Westdeutschland. Dieses kann den Grund darin haben, dass in Ostdeutschland tradiert weniger Antibiotika bei Kindern verordnet werden. Nach Angabe der Autoren der Studie lässt sich damit zu einem guten Teil (ein Viertel) erklären, woher diese Unterschiede kommen. Der größere Anteil der Ursache läge jedoch im persönlichen Verhalten. Wenngleich die Ergebnisse der Studie nicht von vornherein auf alle Fachgebiete übertragen wer- den können, wurde als Konsequenz aus den Erkenntnissen im Rahmen der o. g. Antibiotikastrate- gie in der Humanmedizin ein Ratgeber für Ärztinnen und Ärzte zur gezielten Antibiotikatherapie so- wie eine Informationsbroschüre für Patientinnen und Patienten zur Antibiotikatherapie aufgelegt. Darüber hinaus hatte sich MS innerhalb des Pilotprojektes bereits mit der AOK Niedersachsen in Verbindung gesetzt, um zu erörtern, inwieweit Abrechnungsdaten für eine regelmäßige Statistik der Antibiotikaverordnung im ambulanten Bereich genutzt werden können. Diese Gespräche werden aktuell wieder aufgenommen und sollen auch weitere Verbände der gesetzlichen Krankenkassen einbeziehen, um eine breitere Datengrundlage zu erhalten. Eine besondere Herausforderung bleibt es, die wesentlichen Ursachen für Unterschiede im Verordnungsverhalten zu ermitteln, um zielge- richtete Strategien einzuleiten. Über die Größenordnung des jeweiligen Antibiotikaeinsatzes in der Tiermedizin in den letzten fünf Jahren für die Landkreise, kreisfreien Städte und die Region Hannover gibt es derzeit keine konkre- ten Kenntnisse. Des Weiteren wird auf die Antwort zu 2. verwiesen. Zu 4: Diese Daten in Bezug auf Landkreise und kreisfreie Städte können durch das Landesamt für Statis- tik nur in Jahren mit einer allgemeinen Erhebung auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte veröffentlicht werden. Daher liegen diesbezüglich die aktuellsten, in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Daten über Großvieheinheiten aus der Landwirtschaftszählung 2010 vor. Zur gewünschten Aufschlüsselung der Großvieheinheiten pro 1 000 Einwohner wurden daher auch die Bevölkerungszahlen aus dem Jahr 2010 (Stand 31.12.2010) gewählt. Regionale Einheit Großvieheinheiten 2010 Großvieheinheiten/ 1 000 Einwohner Niedersachsen 2 892 963 365,4 Statistische Region 95 257 59,2 Braunschweig Braunschweig, Stadt 963 3,9 Salzgitter, Stadt 929 9,1 Wolfsburg, Stadt 1 380 11,4 Gifhorn 23 346 135,2 Göttingen 20 767 80,4 Goslar 6 127 42,8 Helmstedt 4 583 49,4 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 14 Regionale Einheit Großvieheinheiten 2010 Großvieheinheiten/ 1 000 Einwohner Northeim 23 148 166,5 Osterode am Harz 5 885 76,1 Peine 5 563 42,3 Wolfenbüttel 2 566 21,0 Statistische Region 308 072 144,0 Hannover Hannover, Region 40 222 35,5 Diepholz 145 720 682,3 Hameln-Pyrmont 13 783 89,5 Hildesheim 9 863 34,9 Holzminden 13 009 177,6 Nienburg (Weser) 70 236 574,7 Schaumburg 15 238 94,9 Statistische Region 785 601 464,2 Lüneburg Celle 28 601 160,2 Cuxhaven 218 202 1 088,5 Harburg 39 723 160,9 Lüchow-Dannenberg 23 983 487,3 Lüneburg 29 393 165,8 Osterholz 55 741 498,2 Rotenburg (Wümme) 172 251 1 051,2 Soltau-Fallingbostel 47 769 342,1 Stade 98 347 498,9 Uelzen 20 281 215,7 Verden 51 310 384,7 Statistische Region 1 704 033 687,7 Weser-Ems Delmenhorst,Stadt 4 309 57,9 Emden,Stadt 5 126 99,3 Oldenburg(Oldb),Stadt 3 211 19,8 Osnabrück,Stadt 4 002 24,4 Wilhelmshaven,Stadt 4 651 57,2 Ammerland 70 804 600,0 Aurich 101 273 536,0 Cloppenburg 247 173 1 562,5 Emsland 310 193 990,9 Friesland 67 151 674,2 Grafschaft Bentheim 125 099 926,3 Leer 110 073 668,3 Oldenburg 103 753 815,1 Osnabrück 204 514 574,3 Vechta 187 175 1 382,7 Wesermarsch 94 536 1 041,5 Wittmund 60 990 1 064,8 Quelle: zusammengestellt aus den Daten des Landesamtes für Statistik Niedersachsen (LSN) Daten aus der Landwirtschaftszählung 2010 (GV) und Bevölkerungsstand am 31.12.2010 Zu 5 und 6: Staphylococcus (S.) aureus ist ein häufig vorkommendes Bakterium der menschlichen Haut und Schleimhaut. 20 bis 30 % aller Menschen sind dauerhaft mit S. aureus besiedelt, vorwiegend im Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 15 Nasen- und Rachenraum. Diese Besiedlung auf der Körperoberfläche führt zunächst nicht zu einer Erkrankung. Unter bestimmen Umständen kann S. aureus aber auch Infektionen verursachen. Im Alltag tritt S. aureus vor allem im Zusammenhang mit Abszessen, Nagelwalleiterungen oder auch Lebensmittelvergiftungen in Erscheinung. Im Krankenhaus und anderen medizinischen Bereichen sind es Maßnahmen wie Operationen, Beatmungen oder Infusionstherapien, welche mit der Gefahr einer S. aureus-Infektion in Form von Wund-, Harnwegs- oder Atemwegsinfektion sowie Blutvergif- tungen verbunden sind. Gefährdet sind hier mehrfach erkrankte und abwehrgeschwächte Men- schen. MRSA sind Methicillin resistente S. aureus, bei denen Methicillin bzw. das heute verwendete Oxa- cillin und Flucloxacillin nicht wirksam sind. Man kann die MRSA drei unterschiedlichen Gruppen zuordnen: 1. Besiedlungen und Erkrankungen mit Hospital assoziierten MRSA (ha-MRSA) treten vor allem bei Personen auf, die in Krankenhäusern behandelt oder in Pflegeeinrichtungen betreut wer- den. Risikofaktoren sind u. a. Antibiotikabehandlungen, invasive medizinische Eingriffe und schwere Grunderkrankungen. 2. Livestock-assoziierte MRSA (la-MRSA) bezeichnen solche MRSA, die auch bei Nutztieren nachgewiesen werden können. Sie treten als Besiedlung und ambulant erworbene Infektion insbesondere bei Personen in der Nutztierhaltung mit direktem Tierkontakt auf. 3. Besiedlungen und Erkrankungen mit Community-assoziierten MRSA (ca-MRSA) stehen nicht mit Krankenhausbehandlungen in Zusammenhang. Sie treten vielmehr bei Personen auf, die engen Körperkontakt mit anderen Personen haben, z. B. in Gemeinschaftsunterkünften oder bei Kontaktsportarten. Daher sind diese Patientinnen und Patienten häufig jünger als solche mit ha-MRSA. Dieser Typ nimmt eine Sonderstellung ein. Er verursacht durch besondere Ei- genschaften in erster Linie lokale Infektionen, wie Abszesse oder Furunkel und kommt in Deutschland im Vergleich der ersten beiden Typen deutlich seltener vor. Aussagen bezüglich „krankmachender“ Eigenschaften der ersten beiden Typen lassen sich nur schwer treffen. Es werden auch schwere lokale und allgemeine Infektionen durch den Bakterientyp la-MRSA beobachtet. Inwiefern die Infektionsraten im Vergleich ha-MRSA daher nicht eher auf die unterschiedlich betroffenen Personengruppen zurückzuführen ist, ist noch nicht hinreichend beant- wortet (in der Regel gesunde Erwachsene im Erwerbsalter zu älteren Menschen, die häufig einer stationären Behandlung bedürfen). Aussagen zum Vorkommen von MRSA stützen sich auf die Meldepflicht nach dem Infektions- schutzgesetz (IfSG) 4 und das Antibiotika-Resistenz-Monitoring in Niedersachsen (ARMIN). Gemäß der Verordnung zur Anpassung der Meldepflicht nach § 7 IfSG an die epidemiologische Lage ist der Nachweis von MRSA aus Blut oder Liquor (Gehirnflüssigkeit) meldepflichtig (Labor- meldepflicht-Anpassungsverordnung vom 26.05.2009, BGBl. I S. 1139). Solche Nachweise treten i. d. R. im Zusammenhang mit einer Sepsis (Blutinfektion) durch MRSA auf. Es sind also nur sys- temische Infektionen meldepflichtig. Eine weitere Differenzierung nach Art der Resistenz ist nicht möglich. Die häufiger vorkommenden Wundinfektionen und weitere lokale Infektionen werden von der Mel- depflicht nicht erfasst. MRSA-Nachweise aus Blut oder Liquor sind vom Labor an das für die Ein- senderin oder den Einsender der Probe zuständige Gesundheitsamt zu melden, also i. d. R. dort, wo das Krankenhaus ist, in dem die Patientin oder der Patient behandelt wird. Falls die Patientin oder der Patient den Hauptwohnort in einem anderen Landkreis hat, wird die Meldung an das dorti- ge Gesundheitsamt weitergeleitet. Das Gesundheitsamt des Hauptwohnortes übermittelt die Mel- dung an das NLGA, welches die Meldung ans RKI weiter leitet. Betrachtet man die dem RKI übermittelten MRSA-Fälle aus diesen Meldungen landkreisbezogen, so zeigen sich deutliche Unterschiede der Inzidenzen (übermittelte Fälle pro 100 000 Einwohner 4 Infektionsschutzgesetz vom 20.07.2000 (BGBl. I S. 1045) zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 3 und Artikel 4 Abs. 21 des Gesetzes vom 07.08.2013 (BGBl. I S. 3154) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 16 pro Jahr). Eine Interpretation dieser Unterschiede ist jedoch schwierig, insbesondere da die Be- zugsgrößen fehlen. Grundsätzlich kann man die möglichen Einflussfaktoren in zwei Gruppen unterteilen. 1. Gruppe: Einflussfaktoren, die tatsächlich die Anzahl von MRSA-Infektionen beeinflussen, z. B. a) Altersstruktur und sonstiges Risikoprofil der Bevölkerung, b) Hygieneaspekte in medizinischen Einrichtungen, c) Antibiotikaeinsatz, 2. Gruppe: Einflussfaktoren, die die Anzahl der Nachweise oder der Meldungen und Übermitt- lungen beeinflussen (artifizielle Faktoren), z. B. a) Indikation und Häufigkeit der Probenentnahme, b) Qualität der Probenentnahme und -untersuchung, c) Anzahl behandelter Patientinnen und Patienten. So kommt auch die Bundesregierung in ihrem Bericht über nosokomiale Infektionen und Erreger mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen zu dem Schluss: „Vergleiche von regionalen Inzi- denzen sind sehr problematisch, da diese von verschiedenen Faktoren wie z. B. Dichte und Typ der Krankenhäuser in einer bestimmten Region oder der Häufigkeit von Blutkulturuntersuchungen beeinflusst werden.“ (BT-Drs. 18/3600). Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 17 Tabelle 1: Nach IfSG gemeldete MRSA-Fälle von 2010 bis 2014 in Niedersachsen (Quelle: Robert Koch-Institut: SurvStat@RKI 2.0, https://survstat.rki.de, Abfragedatum: 14. Januar 2015) 2010 2011 2012 2013 2014 2010 2011 2012 2013 2014 LK Ammerland 4 9 2 3 9 LK Ammerland 3,39 7,57 1,68 2,52 7,57 LK Aurich 6 5 8 13 7 LK Aurich 3,18 2,65 4,25 6,9 3,72 LK Celle 12 20 12 16 7 LK Celle 6,72 11,26 6,76 9,01 3,94 LK Cloppenburg 11 10 15 17 8 LK Cloppenburg 6,95 6,29 9,43 10,69 5,03 LK Cuxhaven 7 5 11 14 7 LK Cuxhaven 3,49 2,51 5,52 7,02 3,51 LK Diepholz 8 14 13 14 8 LK Diepholz 3,75 6,56 6,09 6,56 3,75 LK Emsland 10 5 6 10 6 LK Emsland 3,19 1,59 1,91 3,19 1,91 LK Friesland 3 2 6 17 3 LK Friesland 3,01 2,02 6,05 17,14 3,02 LK Gifhorn 12 8 11 3 6 LK Gifhorn 6,95 4,65 6,39 1,74 3,49 LK Goslar 18 21 25 37 28 LK Goslar 12,59 14,78 17,59 26,04 19,7 LK Göttingen 7 8 15 7 7 LK Göttingen 2,71 3,1 5,81 2,71 2,71 LK Grafschaft Bentheim 7 4 4 3 2 LK Grafschaft Bentheim 5,18 2,97 2,97 2,23 1,48 LK Hameln-Pyrmont 16 28 10 33 24 LK Hameln-Pyrmont 10,38 18,34 6,55 21,61 15,72 LK Harburg 10 7 7 7 13 LK Harburg 4,05 2,82 2,82 2,82 5,24 LK Heidekreis 4 4 4 7 6 LK Heidekreis 2,86 2,88 2,88 5,04 4,32 LK Helmstedt 2 2 4 1 2 LK Helmstedt 2,15 2,17 4,34 1,09 2,17 LK Hildesheim 39 42 32 21 38 LK Hildesheim 13,79 14,94 11,39 7,47 13,52 LK Holzminden 13 22 14 24 18 LK Holzminden 17,75 30,38 19,33 33,14 24,85 LK Leer 7 8 1 5 5 LK Leer 4,25 4,85 0,61 3,03 3,03 LK Lüchow-Dannenberg 3 4 2 4 3 LK Lüchow-Dannenberg 6,1 8,16 4,08 8,16 6,12 LK Lüneburg 3 7 8 5 6 LK Lüneburg 1,69 3,93 4,49 2,81 3,37 LK Nienburg (Weser) 14 23 17 14 15 LK Nienburg (Weser) 11,46 18,82 13,91 11,45 12,27 LK Northeim 20 22 16 27 21 LK Northeim 14,38 15,98 11,62 19,61 15,26 LK Oldenburg 8 9 10 5 6 LK Oldenburg 6,29 7,05 7,84 3,92 4,7 LK Osnabrück 16 24 15 19 22 LK Osnabrück 4,49 6,74 4,21 5,34 6,18 LK Osterholz 5 1 4 1 LK Osterholz 4,48 0,9 3,58 0,9 LK Osterode am Harz 15 3 12 9 9 LK Osterode am Harz 19,4 3,93 15,71 11,78 11,78 LK Peine 14 21 22 20 20 LK Peine 10,65 16,02 16,78 15,26 15,26 LK Rotenburg (Wümme) 2 5 8 5 7 LK Rotenburg (Wümme) 1,22 3,07 4,91 3,07 4,3 LK Schaumburg 9 18 12 11 19 LK Schaumburg 5,6 11,27 7,51 6,89 11,89 LK Stade 1 7 3 4 7 LK Stade 0,51 3,54 1,52 2,03 3,54 LK Uelzen 12 5 9 9 4 LK Uelzen 12,76 5,34 9,62 9,62 4,28 LK Vechta 7 6 5 12 4 LK Vechta 5,17 4,4 3,66 8,79 2,93 LK Verden 3 4 5 8 3 LK Verden 2,25 3,01 3,76 6,01 2,26 LK Wesermarsch 4 6 5 5 11 LK Wesermarsch 4,41 6,67 5,56 5,56 12,22 LK Wittmund 1 2 1 4 3 LK Wittmund 1,75 3,51 1,75 7,02 5,26 LK Wolfenbüttel 6 8 13 9 18 LK Wolfenbüttel 4,92 6,58 10,69 7,4 14,8 Region Hannover 125 106 86 55 66 Region Hannover 11,04 9,33 7,57 4,84 5,81 SK Braunschweig 20 21 20 23 33 SK Braunschweig 8,04 8,38 7,98 9,18 13,17 SK Delmenhorst 4 4 3 8 11 SK Delmenhorst 5,38 5,37 4,03 10,74 14,77 SK Emden 2 1 2 3 2 SK Emden 3,87 1,94 3,88 5,82 3,88 SK Oldenburg 10 7 5 3 8 SK Oldenburg 6,17 4,31 3,08 1,85 4,92 SK Osnabrück 3 13 7 3 11 SK Osnabrück 1,83 7,88 4,24 1,82 6,67 SK Salzgitter 4 6 6 2 5 SK Salzgitter 3,91 5,9 5,9 1,97 4,91 SK Wilhelmshaven 7 8 4 5 8 SK Wilhelmshaven 8,61 9,87 4,94 6,17 9,87 SK Wolfsburg 5 2 1 4 8 SK Wolfsburg 4,12 1,63 0,82 3,26 6,53 Gesamt 514 571 498 532 535 Gesamt 6,49 7,22 6,29 6,72 6,76 gemeldete Fälle gemäß §7 IfSG Inzidenz (Fälle je 100 000 Einwohner) Meldejahr Meldejahr KreisKreis Im Rahmen des ARMIN (s. Vorbemerkung) hat das NLGA im Dezember 2014 eine Information zu MRSA in Niedersachsen veröffentlicht (www.nlga.niedersachsen.de > Infektionen & Hygiene > An- tibiotikaresistenz > MRSA oder direkt http://www.nlga.niedersachsen.de/download/92905/ARMIN _Info_MRSA.pdf). Im Gegensatz zu der Beobachtung bei gramnegativen Bakterien sind die Quoten der MRSA auf al- le diagnostizierten Staphylococcus-aureus-Befunde seit 2009 rückläufig. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 18 Abbildung 3: Anteil der MRSA Nachweise von allen S. aureus-Nachweisen in Niedersachsen 2006 bis 2013. Regional sind im PLZ-Bereich 30 und 31, Region Hannover und Umgebung, die MRSA-Quoten am höchsten (s. Abbildung 4). Mögliche Einflussgrößen sind hierbei die Altersstruktur der Bevölkerung, damit einhergehende Erkrankungshäufigkeit und die Versorgungsdichte stationärer medizinischer Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen. Abbildung 4: Anteil der MRSA Nachweise von allen S. aureus-Nachweisen in Niedersachsen nach 2-stelligen PLZ-Gebieten im Jahr 2013. Innerhalb der Gruppe der MRSA hat der Anteil von la-MRSA in den letzten Jahren zugenommen (siehe Abbildung 5) und ist vor allem in Regionen mit hoher Viehdichte zu beobachten (siehe Abbil- dung 6). Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3082 19 Abbildung 5: Anteil der la-MRSA Nachweise an allen MRSA-Nachweisen in Niedersachsen von 2006 bis 2013. Abbildung 6: Anteil der la-MRSA Nachweise an allen MRSA-Nachweisen in Niedersachsen in den zweistelligen PLZ-Gebieten, Niedersachsen 2013. Aus zusätzlichen Untersuchungen ist bekannt, dass vor allem solche Personen mit la-MRSA besie- delt sind, die beruflich direkten Kontakt mit Schweinen oder anderen Nutztieren haben, sowie in ge- ringerem Ausmaß deren Familienangehörige. Ein weiterer jedoch noch geringerer Risikofaktor für eine Besiedelung mit la-MRSA war in einer Studie der Besuch auf Bauernhöfen mit Nutztierhalt. Cornelia Rundt (Ausgegeben am 10.03.2015) Drucksache 17/3082 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2660 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Christian Dürr, Sylvia Bruns, Hermann Grupe, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling, Dr. Stefan Birkner und Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 12.12.2014 Antibiotikaeinsatz in Deutschland und Niedersachsen Antwort der Landesregierung