Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3171 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2876 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte und Volker Bajus (GRÜNE), eingegangen am 03.02.2015 Sicherheitsstandards in der Brennelementefabrik Lingen Umweltminister Wenzel hat am 5. November 2014 die Brennelementfabrik Lingen der Advanced Nuclear Fuels GmbH (ANF) besucht. Das Umweltministerium berichtete in einer Pressemitteilung über verschiedene Befunde. Der Drehrohofen wurde wegen eines Risses im Ofenrohr vorläufig au- ßer Betrieb genommen. Zudem wurde bei rückgelieferten Brennelementen festgestellt, dass diese falsch zusammengebaut wurden. Die Brennelementfabrik Lingen verfügt über eine zeitlich unbefristete Genehmigung. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wann und wo wurde festgestellt, dass die Brennelemente fehlerhaft sind? 2. Welche Kontrollen durchlaufen Brennelemente in der ANF Lingen, bevor sie an ein Atom- kraftwerk geliefert werden? 3. Welche Kontrollen durchlaufen Brennelemente, bevor sie in einem Atomkraftwerk eingesetzt werden? 4. Wieso konnten die Brennelemente ausgeliefert werden, ohne dass der Produktionsfehler er- kannt wurde? 5. Hält die Landesregierung eine Verschärfung der Sicherheitsanforderungen für notwendig? 6. Wie wird mit den falsch assemblierten Brennelementen nun weiter verfahren? 7. Wird das rückgelieferte Spaltmaterial für die Fertigung von Brennelementen für andere AKWs eingesetzt? 8. Zu welchen Fragestellungen hat das NMU den Bund um eine Einschätzung gebeten? 9. Wie wurde der Riss im Rohr des Drehrohrofens festgestellt? 10. Handelt es sich bei dem Riss im Ofenrohr um eine Alterserscheinung? 11. Unterliegt die Brennelementefabrik Lingen einem systematischen Alterungsmanagement? Falls nein, sieht die Landesregierung hier Handlungsbedarf? 12. Wäre die Brennelementefabrik Lingen unter Berücksichtigung der heutigen Sicherheitsstan- dards noch genehmigungsfähig? 13. Handelt es sich bei der fehlerhaften Assemblierung und dem schadhaften Ofenrohr um mel- depflichtige Ereignisse? 14. Wie wird die Öffentlichkeit über meldepflichtige Ereignisse in der Brennelementefabrik infor- miert? 15. Wie viele meldepflichtige Ereignisse haben sich in den vergangenen zehn Jahren in der Brennelementfabrik Lingen ereignet (bitte getrennt nach Jahr aufführen)? 16. Wie schätzt die Landesregierung den zukünftigen Bedarf an einer Brennelementfertigung in Niedersachsen bzw. Deutschland ein? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3171 2 17. Welche Mengen und Arten von Atommüll sind bislang in der Brennelementefabrik angefallen (bitte getrennt nach Abfallart aufführen)? 18. Welche Mengen radioaktiver Abfälle sind in den vergangenen fünf Jahren angefallen (bitte ge- trennt nach Abfallart und Jahr aufführen)? 19. Wie und wo werden diese Abfälle zwischengelagert (bitte getrennt nach Abfallart aufführen)? 20. Wie sollen die Abfälle entsorgt werden? 21. Gibt es, nach Einschätzung der Landesregierung, technische Grenzen für die Dauer des Be- triebs der Brennelementefabrik? 22. Vor dem Hintergrund, dass der Bundestag im Juni 2011 den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen hat: Wie bewertet die Landesregierung die Forderungen nach einem Ausstieg aus der Brennelementeherstellung? (An die Staatskanzlei übersandt am 10.02.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 11.03.2015 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - MinBüro-01425/17/7/08-0028 - Die Kleine Anfrage beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Dies wurde am 01.04.2014 in der Brennelementfabrik Lingen (BFL) nach Rückführung der Brenn- elemente aus dem Kernkraftwerk Philippsburg Block 1 festgestellt. Zu 2: Die für die Fertigung vorgesehenen Brennelemente müssen in niedersächsischen Kernkraftwerken in einem Änderungsverfahren der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde angezeigt werden. Zu diesen Zwecken werden Vorprüfunterlagen zur Prüfung vorgelegt. Unter Zuziehung von Sachverständigen prüft die Behörde, ob derartige Komponenten konform mit den Vorgaben der Genehmigung des entsprechenden Kraftwerks sind. Die Fertigung erfolgt erst nach Freigabe der Vorprüfunterlagen. Durch Bauüberwachungsbesuche überzeugen sich die atomrechtliche Aufsichtsbehörde und die zugezogenen Sachverständigen davon, dass die Qualitätssicherungsmaßnahmen des Herstellers gemäß dessen Managementsystem erfolgen und dass die durchgeführten Prüfungen ergeben, dass die hergestellten Komponenten eine spezifikationsgerechte Qualität aufweisen. Die Bauüber- wachungen erfolgen fertigungsbegleitend. Abschließend wird in einer Gesamtdokumentationsprü- fung kontrolliert, dass die Brennelemente spezifikationsgerecht sind. Vor dem Verladen in den Transportbehälter der Brennelemente erfolgt eine visuelle Prüfung. Zu 3: In niedersächsischen Kernkraftwerken wird gemäß den Regelungen im genehmigten Betriebs- handbuch zunächst kontrolliert, ob der Transport der Brennelemente ordnungsgemäß erfolgte. Ne- ben der Kontrolle des Transportbehälters und der Lieferdokumente erfolgt eine Kontrolle bezüglich Brennelementidentität. Weiterhin wird eine visuelle Prüfung des Brennelements auf Transportschä- den, Handhabungsschäden oder Verunreinigungen vorgenommen. Zu 4: Über eine Ereignismeldung aus dem Kernkraftwerk Philippsburg Block 1 (Siedewasserreaktor) ist die niedersächsische atomrechtliche Aufsichtsbehörde über die festgestellte Fertigungsabweichung bei einem zurückgenommenen Brennelement informiert worden. Die Brennelementefertigung für Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3171 3 diese süddeutsche Anlage unterliegt nicht der niedersächsischen atomrechtlichen Aufsicht. Das MU hat unverzüglich eine Übertragbarkeitsprüfung vorgenommen. Aufgrund abweichender Kon- struktionsprinzipien hat sich daraus kein Handlungsbedarf für Brennelemente zum Einsatz in Druckwasserreaktoren ergeben. Brennelemente, die für die Kernkraftwerke Grohnde und Emsland gefertigt wurden, sind nicht betroffen. Zu 5: Die Sicherheitsanforderungen der BFL waren durch die nicht spezifikationsgerecht assemblierten Brennstäbe in den unbestrahlten Brennstäben nicht betroffen, insofern ist dieses Ereignis bisher für die BFL selbst als nicht meldepflichtig eingestuft. Es laufen noch Prüfungen hinsichtlich der quali- tätssichernden Maßnahmen, die gegebenenfalls Änderungen im Qualitätssicherungssystem nach sich ziehen werden. Zu der Meldewürdigkeit und dem Qualitätssicherungssystem ist das Bundes- ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gebeten worden, eine Stellungnahme der Reaktorsicherheitskommission erstellen zu lassen (siehe auch Fragen 8 und 13). Zu 6: Die Brennelemente sind deassembliert. Zu 7: Ja. Zu 8: MU hat das BMUB zur Bewertung der Meldepflicht, den Erkennungsmöglichkeiten von Fertigungs- fehlern und nach zukünftig zu treffenden Vorkehrungen, um eine Falschassemblierung in Zukunft mit Sicherheit ausschließen zu können, um eine Einschätzung gebeten. Zu 9: Der Riss wurde im Rahmen einer turnusmäßigen Prüfung durch die Betreiberin festgestellt. Zu 10: Ja. Zu 11: Ja. Zu 12: Eine Genehmigung nach § 7 Abs. 1 des Atomgesetzes für die Errichtung und den Betrieb einer ortsfesten Anlage zur Bearbeitung oder Verarbeitung von Kernbrennstoffen wie der BFL ist zuläs- sig, wenn die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 3 des Atomgesetzes erfüllt sind. Zu 13: Bei der fehlerhaften Assemblierung hat die Betreiberin des Kernkraftwerks Philippsburg Block 1 das Ereignis als meldepflichtiges Ereignis gemeldet. Hinsichtlich der Meldewürdigkeit bezüglich der BFL selbst wird auf die Ausführungen zu Frage 5 verwiesen. Bei dem schadhaften Ofenrohr handelt es sich um ein meldepflichtiges Ereignis. Zu 14: Regelmäßig erfolgt eine Information der Öffentlichkeit im Rahmen eines monatlich in der Lokal- presse veröffentlichten Berichts der Betreiberin der Brennelementfabrik. Das Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlicht meldepflichtige Ereignisse zudem auf seiner Inter- netseite. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3171 4 Zu 15: Jahr Anzahl meldepflichtige Ereignisse 2005 3 2006 6 2007 5 2008 8 2009 3 2010 3 2011 0 2012 1 2013 2 2014 3 Zu 16: Es wird nach derzeitiger Gesetzeslage spätestens mit Ablauf des Jahres 2022 keinen niedersäch- sischen oder inländischen Bedarf mehr für die Brennelementfertigung geben. Zu 17: Es sind ausschließlich schwach radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung an- gefallen. Die über die bisherige Betriebsdauer kumulierten Abfallmengen betragen 105,3 t. Zu 18: Jahr Schwach radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung (t) 2010 9,61 2011 8,42 2012 1,62 2013 4,95 2014 1,29 Zu 19: Alle Abfälle werden auf dem Betriebsgelände der BFL in speziell hierfür vorgesehenen Betriebsbe- reichen zwischengelagert, sofern sie sich nicht temporär zur Durchführung von Behandlungsmaß- nahmen bei einem externen Unternehmen befinden. Zu 20: Es ist eine Endlagerung im Schacht Konrad vorgesehen. Zu 21: Fixe Grenzen sind im Atomgesetz nicht festgelegt. Es sind jedoch jederzeit die Sicherheitsanforde- rungen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik einzuhalten. Zu 22: Die bezüglich des Ausstiegs aus der Atomenergie erfolgte Novellierung des Atomgesetzes enthält keine Begrenzungen für den Betrieb der BFL. Stefan Wenzel (Ausgegeben am 23.03.2015) Drucksache 17/3171 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2876 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Miriam Staudte und Volker Bajus (GRÜNE), eingegangen am 03.02.2015 Sicherheitsstandards in der Brennelementefabrik Lingen Antwort der Landesregierung