Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2974 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling und Christian Dürr (FDP), eingegangen am 12.02.2015 Wie reagiert die Landesregierung auf das Bündnis gegen die Pflegekammer? Am Dienstag, dem 13. Januar 2015, nahm ein Bündnis aus Gewerkschaften und Arbeitnehmerver- bänden gegen die Errichtung einer Pflegekammer Stellung. Zur Begründung führte es u. a. an: „Die aktuellen und zukünftigen Probleme in der Alten- und Gesundheitspflege werden durch eine Pflegekammer nicht gelöst. Eine solche Pflegebehörde kann nicht die hohe Arbeitsbelastung, das Problem der niedrigen Pflegesätze und schon gar nicht den Fachkräftemangel beseitigen. Durch die geplante berufsständische Vertretung wird lediglich eine wirkungslose und teure Bürokratie auf- gebaut. Wir appellieren deshalb nachdrücklich an die Landesregierung, auf die Einrichtung einer Pflegekammer zu verzichten und die Beschäftigten nicht noch weiter durch Zwangsbeiträge zu be- lasten.“ Dieser Meinung hat sich nicht nur der Verband der Ersatzkassen e. V., also aller sechs Ersatzkas- sen, die in Niedersachsen zusammen mehr als 2,6 Millionen Menschen versichern, angeschlossen. Auch der Sozialverband Deutschland e. V. und die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohl- fahrtspflege in Niedersachsen sprechen sich gegen die Einführung einer Pflegekammer aus. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Teilt die Landesregierung die Bedenken von Gewerkschaften, Arbeitnehmern, Ersatzkassen, SoVD und LAG FW, und, wenn nicht, warum will sie an der Einführung einer Pflegekammer festhalten? 2. Ist es zutreffend, dass an der eigenen Umfrage des Ministeriums aus 2012/2013 lediglich 1 039 Pflegefachkräfte teilgenommen haben und damit nur 1,5 % der gut 70 000 Betroffenen und dass von diesen 1,5 % der Betroffenen lediglich 31 % (322 Befragte) erklärt hatten, be- reits vor der Befragung genauer informiert worden zu sein? 3. Sofern die Landesregierung weiterhin eine Pflegekammer einführen sollte, mit welchen Kos- ten rechnet sie derzeit für den Landeshaushalt (bitte einzeln nach Jahren bis 2020) und die Zwangsmitglieder (bitte Monatsbeiträge für typische Ganz- bzw. Halbtagsstellen angeben)? 4. Gibt es noch Verbände, die für die Einführung sind? 5. Wenn ja, wie viele Mitglieder haben diese Verbände jeweils? 6. Ist die Pflegekammer auch Thema in der Fachkommission Pflege? 7. Ist es richtig, dass eine Befragung zu den aktuellen Eckpunkten der Landesregierung über ei- ne Pflegekammer gar nicht stattgefunden hat? 8. Teilt die Landesregierung vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es ein Bündnis gegen die Einführung gibt, die Auffassung, dass eine neue umfassende Befragung des Pflegepersonals notwendig ist? 9. Wie begründet die Landesregierung vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass der bpa und ver.di allein 5 000 Unterschriften gegen die Kammer im letzten Jahr übergeben haben, die demokratische Legitimation der Kammer? 10. Wieso plant die Landesregierung die Einrichtung einer weiteren Kammer mit Zwangsmitglied- schaft, während der Kammerzwang in anderen Bereichen auf dem Prüfstand steht? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 2 11. Warum will die Landesregierung ein Vertretungskonstrukt mit freiwilliger Mitgliedschaft einfüh- ren? 12. Was plant die Landesregierung, falls die Kammerbeiträge nicht ausreichen, um eine vollum- fängliche Arbeitsfähigkeit der Pflegekammer zu gewährleisten? 13. Wie beurteilt die Landesregierung angesichts der im Rechtsgutachten von Herrn RA Deter ge- forderten umfassenden Abwägung den Nutzen einer Kammer und deren Belastungen für die Mitglieder und den Steuerzahler? a) Welche konkreten Bereiche, die Pflegequalität betreffend, sind nicht durch bundesge- setzliche Vorgaben verbraucht? b) Welche konkreten Bereiche, die Fortbildung der examinierten Pflegefachkräfte betref- fend, sind nicht durch bundesgesetzliche Vorgaben verbraucht? c) Weshalb sollen die Pflegekräfte kein eigenes Versorgungswerk bekommen? 14. Ist es richtig, dass die geplante Pflegekammer im Unterschied zu den Arbeitnehmerkammern aus Bremen und dem Saarland Disziplinarbefugnisse bis hin zum Entzug der Berufszulassung gegenüber ihren Mitgliedern haben wird und sich deshalb von diesen Kammern deutlich un- terscheidet? 15. Plant die Landesregierung auch für andere Arbeitnehmer innerhalb und außerhalb des Ge- sundheitswesens „Zwangskammern“? 16. Ist es richtig, dass die Pflegekammer als „Behörde“ keine Lobbyarbeit für ihre Mitglieder machen darf? 17. Ist es richtig, dass sich die Kammer nicht um die Rahmenbedingungen der Pflegearbeit, wie z. B. Refinanzierung oder Löhne, kümmern wird? 18. Ist es richtig, dass die Kammer keine arbeitsrechtliche Beratung der Mitglieder vornehmen darf? 19. Ist es richtig, dass bereits heute die Berufsverbände der Pflegekräfte in den relevanten Gre- mien der Selbstverwaltung wie z. B. Landespflegeausschuss und Fachkommission Pflege ver- treten sind? 20. Welchen konkreten Nutzen wird die Kammer für das einzelne Mitglied haben? (An die Staatskanzlei übersandt am 26.02.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 29.03.2015 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 104.2-41070/08/2 - Die Errichtung einer Pflegekammer wird in Niedersachsen nach wie vor kontrovers diskutiert. Dem Bündnis gegen die Pflegekammer haben sich zum einen die Gewerkschaften und zum anderen ei- nige Arbeitgeberverbände (Unternehmerverbände Niedersachsen e. V., Arbeitgeberverband Pflege sowie Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V.) angeschlossen. Weitere Arbeitneh- merverbände sind dem Bündnis nicht beigetreten; insofern ist der Einleitungstext der Kleinen An- frage richtig zu stellen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 3 Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Der Landesregierung ist bewusst, dass eine Pflegekammer nicht alle drängenden aktuellen und zu- künftigen Probleme in der Pflege zu lösen vermag. Es bedarf eines breiten Spektrums an Maß- nahmen, die zum großen Teil bereits eingeleitet worden sind. Hierzu gehören u. a. die gesetzliche Absicherung der Schulgeldfreiheit im Bereich der Altenpflegeausbildung, die Einführung einer soli- darischen Umlagefinanzierung der Ausbildungsvergütungen in der Altenpflege und die Umsetzung des neuen Dokumentationssystems in Pflegeeinrichtungen. Die Errichtung einer Pflegekammer stellt eine wesentliche flankierende Maßnahme dar. Sie wird ebenfalls dazu beitragen, die Situation der Pflege und der in der Pflege Beschäftigten zu verbes- sern. Aus Sicht der Landesregierung sprechen die folgenden Gründe für die Einführung einer Pfle- gekammer: – Mit der Kammer erhält die Pflege eine demokratisch legitimierte berufspolitische Vertretung. Sie kann für alle rund 70 000 Pflegefachkräfte mit einer starken Stimme sprechen (Majoritätsprin- zip). – Mit einer Selbstverwaltung befreit sich der Berufsstand Pflege von der Fremdbestimmung. Er erhält das Recht, innerhalb der bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen seine Angele- genheiten selbst zu regeln. Es ist davon auszugehen, dass die Akzeptanz von Vorgaben, die von den Berufsangehörigen selbst erarbeitet werden (z. B. Berufsordnung), in der Praxis höher ist. – Die Pflegekammer wird den Wert der Pflege stärker in das gesamtgesellschaftliche Bewusst- sein rücken und die öffentliche Wahrnehmung des pflegerischen Berufsstandes positiv verän- dern. Pflegefachkräfte werden als eigenständige Profession und wichtige „Player“ im Gesund- heitswesen anerkannt und agieren mit größerem Selbstbewusstsein. – Die Pflegekammer wird wichtige Impulse zur Weiterentwicklung der Pflegepraxis geben. Die Kammer kann Empfehlungen und Leitlinien erarbeiten und so beispielsweise Standards zur Pflegequalität definieren. Diese können bei Rechtsstreitigkeiten zu Pflegefehlern zur Feststel- lung des aktuellen Standes der Wissenschaft herangezogen werden. Auf diese Weise wirkt sie an der Sicherstellung einer fachgerechten und professionellen Pflege der Bevölkerung mit. – Mit Empfehlungen und Pilotprojekten kann die Pflegekammer wertvolle fachliche Vorarbeiten für gesetzliche Regelungen leisten. – Die Meldepflicht stellt Transparenz über Anzahl, Qualifikationen und Handlungsfelder der Pfle- gefachkräfte her und ermöglicht Prognosen zum zukünftigen Bedarf an Pflegefachkräften. Zu 2: Das renommierte Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap hat im Auftrag des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS) vom 27.11.2012 bis 12.01.2013 eine repräsentative Befragung durchgeführt, um das Meinungsbild der niedersächsischen Pflegefachkräfte hinsichtlich der Errichtung einer Pflegekammer zu erheben. Befragt wurden 1 039 zufällig ausgewählte Pflege- fachkräfte. Nach Einschätzung von Infratest dimap wäre analog zur Prognose von Wahlergebnis- sen bereits eine Stichprobe von 500 Pflegefachkräften ausreichend gewesen, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Zur Sicherstellung einer größtmöglichen Repräsentativität wurde die Stich- probe mittels eines Quotenauswahlverfahrens so gewählt, dass sie in wesentlichen Merkmalen der Grundgesamtheit entsprach, d. h. eine annähernd gleiche Verteilung der Berufsgruppen, Arbeitsor- te und Geschlechter aufwies. Die Aussage, dass nur 31 % der Befragten erklärt hätten, vor der Befragung genauer informiert worden zu sein, ist nicht zutreffend. Alle Befragten wurden vor der Befragung von den Interviewe- rinnen und Interviewern über die Errichtung einer Pflegekammer informiert (vgl. Informationstext auf S. 1 und 2 des als Anlage 1 beigefügten Fragebogens). 31 % der Befragten (322 Pflegefachkräfte) haben angegeben, dass sie die Diskussionen im Vorfeld schon genauer verfolgt hätten. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 4 Zu 3: Grundsätzlich wird sich die Pflegekammer Niedersachsen aus den Beiträgen ihrer Mitglieder finan- zieren. Die Kammerversammlung verabschiedet den Haushaltsplan und die Beitragsordnung. Die Mitgliedsbeiträge werden somit allein von den Kammermitgliedern festgelegt. Eine langfristige Prognose ist der Landesregierung deshalb nicht möglich. Gleichwohl wurde orientiert an der Haus- haltsaufstellung der Ärztekammer eine Kalkulation des Haushaltsvolumens für die Mindestausstat- tung der Pflegekammer vorgenommen. Danach wird ein Haushaltsvolumen von etwa 4,8 Millionen Euro benötigt. Legt man das kalkulatorische Budget auf eine geschätzte Zahl von 70 000 Kam- mermitgliedern um, ergibt sich ein monatlicher kalkulatorischer Durchschnittsbeitrag in Höhe von rund acht Euro für Vollzeitbeschäftigte (45 % der Beschäftigten) und vier Euro für Teilzeitbeschäf- tigte (55 % der Beschäftigten). Dem Land entstehen Kosten durch die erforderliche Anschubfinanzierung. Diese ist erforderlich, weil der Errichtungsausschuss seine Arbeit bereits unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes über die Pflegekammer Niedersachsen aufnimmt und durch Beschluss beispielsweise von Satzung, Meldeordnung, Wahlordnung und Beitragsordnung die Voraussetzungen für die Errichtung der Pflegekammer Niedersachsen schafft. Die Kosten für die Arbeit des Errichtungsausschusses kön- nen somit naturgemäß nicht direkt aus Beitragseinnahmen finanziert werden. Für das Jahr 2015 wurden deshalb insbesondere zur Finanzierung des Errichtungsausschusses bzw. der Gründungs- konferenz, die dessen Arbeit vorbereitet, 50 000 Euro im Haushaltstitel 05 36 547 71-8 „Anschubfinanzierung zur Einrichtung einer Pflegekammer“ eingestellt. Auch für das Haushaltsjahr 2016 wird ein Betrag in Höhe von 50 000 Euro aufgenommen werden. Des Weiteren wird es voraussichtlich mehrere Jahre dauern, bis die Kammermitglieder vollständig registriert sind und die Beitragseinnahmen regelmäßig und vollständig fließen. Um eine geregelte Betriebsaufnahme der Pflegekammer zu gewährleisten, muss die Anschubfinanzierung mithin die erforderlichen Personal- und Sachkosten sicherstellen. Es ist anzustreben, dass nach der Anschub- finanzierung in Höhe von jeweils 50 000 Euro in den Jahren 2015 und 2016 die weiteren Finanzbe- darfe der Pflegekammer ausschließlich durch externe Darlehen gedeckt werden. Der mit Inkrafttre- ten des Gesetzes einzurichtende Errichtungsausschuss hat als Vorläufergremium der Kammerver- sammlung deren Rechtsstatus, d. h. er kann bereits Kreditverträge für die Pflegekammer abschlie- ßen (wie beispielsweise in Rheinland-Pfalz geschehen). Voraussetzung hierfür ist eine entsprechende Willensbildung des Errichtungsausschusses einer- seits und insbesondere die zeit- und bedarfsgerechte Vereinbarung von Darlehensverträgen zwi- schen dem Errichtungsausschuss und externen Darlehensgebern andererseits. Ob die Vorfinanzie- rung der Pflegekammer ausschließlich durch externe Kredite erfolgen wird, kann deshalb derzeit nicht sicher prognostiziert werden. Nach einer ersten groben Schätzung wären - für den Fall einer Vorfinanzierung durch das Land - in den Landeshaushalt für das Jahr 2017 Mittel in Höhe von 4,8 Millionen Euro einzustellen. Mit steigenden Beitragseinnahmen der Pflegekammer würden für das Jahr 2018 Mittel in Höhe von 3,75 Millionen Euro und für die Folgejahre ab 2019 in Höhe von 2,5 Millionen Euro erforderlich. Die Pflegekammer kann diese Mittel erst zurückzahlen, wenn aus- reichende Beitragseinnahmen fließen. Zu 4: Die pflegerischen Berufsverbände befürworten zum weit überwiegenden Teil die Errichtung einer Pflegekammer. Dazu gehören insbesondere die Mitgliedsverbände des Niedersächsischen Pflege- rates: – Arbeitsgemeinschaft christlicher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen in Deutschland e. V. (ADS), – Bundesverband Pflegemanagement e. V. (BVPM), Landesgruppe Bremen/Niedersachsen, – Berufsverband Kinderkrankenpflege Deutschland e. V. (BeKD), – Bundesfachvereinigung Leitender Krankenpflegepersonen in der Psychiatrie e. V. (BFLK), – Bundesverband Lehrende Gesundheits- und Sozialberufe e. V., Landesverband Niedersach- sen/Bremen (BLGS e. V.), Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 5 – Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK Nordwest e. V.), – Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste e. V. (DGF), – Deutscher Pflegeverband e. V. (DPV), – Verband der Schwesternschaften vom DRK e. V. (VdS), – Förderverein zur Errichtung einer Pflegekammer e. V. Als weiterer pflegerischer Berufsverband befürwortet der Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken und Medizinischen Hochschulen Deutschlands e. V. die Errichtung der Pflegekammer. Weitere nicht pflegespezifische Verbände, so der Landesfrauenrat Niedersachsen e. V., der Land- Frauenverband Weser-Ems e. V., der Niedersächsische LandFrauenverband Hannover e. V. und der Landesseniorenrat Niedersachsen e. V., haben sich ebenfalls für die Errichtung einer Pflege- kammer ausgesprochen. Auch unter den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden finden sich Befürworter der Pflege- kammer. Dazu gehören beispielsweise die ver.di Betriebsgruppe der Medizinischen Hochschule Hannover und der Landes-Caritasverband für Oldenburg e. V. Zu 5: In den innerhalb der Antwort zu Frage 4 genannten Mitgliedsverbänden des Niedersächsischen Pflegerates sind insgesamt rund 9 600 Pflegekräfte Mitglied. Dem Verband der Pflegedirektorinnen und Pflegedirektoren der Universitätskliniken und Medizini- schen Hochschulen Deutschlands e. V. gehören die Pflegedirektorin und der Pflegedirektor der beiden niedersächsischen Universitätskliniken in Göttingen und Hannover an. Der Landesfrauenrat Niedersachsen e. V. vertritt mehr als 2,2 Millionen Frauen in Niedersachsen. Der LandFrauenverband Weser-Ems e. V. hat rund 30 000, der Niedersächsische LandFrauenver- band Hannover e. V. rund 70 000 Mitglieder. 190 Seniorenvertretungen aus den Gemeinden und Landkreisen Niedersachsens sind Mitglied beim Landesseniorenrat Niedersachsen e. V. Zur ver.di Betriebsgruppe der MHH gehören rund 800 Beschäftigte der MHH. Der Landes-Caritas- verband für Oldenburg (LCV) ist die vom Bischöflichen Offizial in Vechta anerkannte institutionelle Zusammenfassung und Vertretung der katholischen sozialen Arbeit im niedersächsischen Teil des Bistums Münster. Die Mitglieder sind Träger von rund 350 Einrichtungen und Diensten mit etwa 11 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter mehrere Einrichtungen im Bereich der stationä- ren und ambulanten Altenpflege sowie mehrere Krankenhäuser. Zu 6: Die Fachkommission Pflege hat die Aufgabe, die landespolitischen Initiativen unter Einbeziehung der Verbände vorzubereiten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Sicherstellung einer tragfähigen Pflegeinfrastruktur, u. a. durch die Verbesserung der Vergütung von Pflegeleistungen und damit die Entwicklung von Maßnahmen zur Fachkräftesicherung in der Pflege. Die Mitglieder legen selbst fest, welches die prioritären Themen sind, mit denen sich die Fachkommission beschäftigen soll. Derzeit steht die ambulante Pflege im ländlichen Raum im Fokus der Diskussionen. Über die Aktivi- täten zur Errichtung einer Pflegekammer berichtet MS regelmäßig im Landespflegeausschuss. Zu 7: Die Eckpunkte zur Pflegekammer wurden vom MS in neun regionalen Informationsveranstaltungen mit insgesamt rund 1 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vorgestellt. Auf diese Weise erhielten die Pflegefachkräfte vor Ort Gelegenheit, sich über die geplante Errichtung einer Pflegekammer zu informieren und ihre Fragen und Anregungen einzubringen. Die Rückmeldungen sind bei der Erar- beitung des Referentenentwurfs berücksichtigt worden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 6 Dessen ungeachtet sind den Pflegefachkräften im Rahmen der Befragung von Infratest dimap In- formationen zu den wesentlichen Eckpunkten der Pflegekammer - insbesondere zu Aufgaben und Finanzierung - zur Verfügung gestellt worden (vgl. Anlage 1). Zu 8: Die Befragung hat ergeben, dass 13 % der niedersächsischen Pflegefachkräfte die Errichtung einer Pflegekammer ablehnen. Die Art und Weise, wie sich die Gegner der Pflegekammer nunmehr or- ganisieren, ändert nichts an der Bewertung der Umfrageergebnisse durch die Landesregierung. Zu 9: Die demokratische Legitimation der Pflegekammer ergibt sich allein aus der Tatsache, dass jede niedersächsische Pflegefachkraft über die Ausübung ihres aktiven und passiven Wahlrechts die Ausgestaltung und Tätigkeiten der Kammer unmittelbar beeinflussen kann. Dessen ungeachtet stellt eine Unterschriftenaktion kein repräsentatives Meinungsbild der nieder- sächsischen Pflegefachkräfte dar, sondern soll vielmehr einer Ansicht - hier den Gegnern der Pfle- gekammer - eine Stimme verleihen. Dies lässt sich auch am einleitenden Text zur Gewinnung der Unterschriften (siehe Anlage 2) ablesen. Zudem sei erwähnt, dass im vorliegenden Fall viele der Unterzeichnerinnen und Unterzeichner sich zwar gegen die Pflegekammer ausgesprochen haben, jedoch Berufsgruppen angehören, die von der Errichtung einer Pflegekammer nicht betroffen sind (z. B. Pflegehelferinnen, Praktikanten, Betreuungskräfte, Arzthelferinnen). Zu 10: Derzeit laufen Verfassungsbeschwerdeverfahren zur Pflichtmitgliedschaft in Industrie- und Han- delskammern. Für den Fall, dass das Bundesverfassungsgericht tatsächlich seine Rechtsprechung im Hinblick auf die Zwangsmitgliedschaften in Industrie- und Handelskammern aufgäbe, würde die Landesregie- rung etwaige Auswirkungen auf die Errichtung einer Pflegekammer unverzüglich prüfen. Zu 11: Bei der von der Landesregierung geplanten Pflegekammer handelt es sich nicht um ein Vertre- tungskonstrukt mit freiwilliger Mitgliedschaft. Zu 12: Die Verantwortung für die Erstellung eines auskömmlichen Haushaltsplans und die Festlegung ent- sprechender Kammerbeiträge liegt allein bei der Pflegekammer. Als Aufsichtsbehörde wacht MS darüber, dass die Kammer ihre Tätigkeit auf der Grundlage eines geordneten Finanzwesens aus- übt. Zu 13: Nach dem Rechtsgutachten von Herrn Rechtsanwalt Deter ist der mit der Errichtung einer Pflege- kammer verbundene Grundrechtseingriff dann verfassungsgemäß, wenn die Vorteile, die den Be- rufsangehörigen aus der Errichtung der Pflegekammer erwachsen, als weitaus gewichtiger einzu- schätzen sind als der mit der Pflichtmitgliedschaft verbundene Eingriff in die individuelle Freiheit der Berufsangehörigen. Dies berücksichtigend sind für die normative Ermessensausübung die Ergebnisse der Befragung durch Infratest dimap sowie eines intensiven fachlichen Austauschs mit Vertreterinnen und Vertre- tern der Pflegeberufe, mit bestehenden Kammern sowie mit weiteren Institutionen ausgewertet worden. Danach ist die Errichtung einer Pflegekammer nach Auffassung der Landesregierung ver- fassungsgemäß. Zu 13 a: Die bundesgesetzlichen Vorschriften zur Qualitätssicherung in Krankenhäusern und Pflegeeinrich- tungen ergeben sich aus dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und dem Elften Buch Sozi- algesetzbuch (SGB XI). Sie decken naturgemäß nur einen kleinen Ausschnitt der pflegerischen Tä- tigkeit ab und beruhen häufig auf einem Minimalkonsens der Selbstverwaltungspartner. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 7 Die Pflegekammer kann ergänzend wissenschaftlich fundierte Empfehlungen, Hinweise oder Leit- fäden zur Qualitätsentwicklung und -sicherung pflegerischer Berufsausübung herausgeben. Sie geben den Pflegekräften Handlungssicherheit in der täglichen Praxis und können darüber hinaus beispielsweise bei Rechtsstreitigkeiten zu Pflegefehlern zur Feststellung des aktuellen Standes der Wissenschaft herangezogen werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, den Kammermitglie- dern und ihren Einrichtungen Zertifikate über die Güte der beruflichen Tätigkeit zu erteilen. Auf die- se Weise können beispielsweise Pflegebedürftige bei der Suche nach einer geeigneten Pflegeein- richtung unterstützt werden. Zu 13 b: Die Fortbildung der Pflegefachkräfte ist bundesgesetzlich nicht geregelt. § 21 des Niedersächsi- schen Gesundheitsfachberufegesetzes verpflichtet Gesundheits- und Krankenpflegerinnen, Ge- sundheits- und Krankenpfleger, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerinnen, Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger sowie Altenpflegerinnen und Altenpfleger dazu, sich so fortzubilden, dass sie mit der beruflichen Entwicklung soweit Schritt halten, wie dies für eine sichere und wirksame beruf- liche Leistung erforderlich ist. Inhalt und Umfang dieser Fortbildungspflicht wird die Pflegekammer in einer Fortbildungsordnung konkret ausgestalten. Zu 13 c: Die Mitglieder der Niedersächsischen Pflegekammer könnten durch die Mitgliedschaft in einem ei- genen Versorgungswerk nicht von der Rentenversicherungspflicht befreit werden (siehe § 6 Abs. 1 Nr. 1 a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]). Denkbar wäre deshalb allenfalls das Angebot einer Zusatzversorgung durch die Pflegekammer. Eine solche Forderung wurde jedoch vonseiten der Pflegefachkräfte bislang nicht an die Landesregierung herangetragen. Zu 14: Die Niedersächsische Pflegekammer ist anders als die Arbeitnehmerkammern eine berufsständi- sche Kammer und als solche gemessen an ihren Aufgaben eher mit den Ärztekammern vergleich- bar. Der Ärztekammer Niedersachsen wurde auf der Grundlage des § 14 des Kammergesetzes für die Heilberufe die Aufgabe der Erteilung und des Widerrufs von Approbationen und Berufserlaub- nissen übertragen. Als zuständige Stelle hat sie den Niedersächsischen Zweckverband zur Appro- bationserteilung (NiZzA) beauftragt. Zuständige Stelle für die Erteilung und den Entzug von Berufsurkunden nach den bundesrechtli- chen Vorschriften sowie diejenigen Aufgaben, die sich aus der Richtlinie 2005/36/EG ergeben, ist für die Pflegeberufe bislang das Landesamt für Soziales, Jugend und Familie. Diese Aufgaben sol- len zukünftig im übertragenen Wirkungskreis von der Niedersächsischen Pflegekammer wahrge- nommen werden. Zu 15: Es gibt keine Planungen der Landesregierung zur Einrichtung weiterer Kammern. Zu 16: Die Pflegekammer ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die auch die Aufgaben einer Be- hörde wahrnimmt. Zu den Hauptaufgaben der Pflegekammer als Organ der Selbstverwaltung wird es jedoch gehören, im Einklang mit den Interessen der Allgemeinheit die gemeinsamen beruflichen Belange der Gesamtheit der Kammermitglieder zu wahren sowie Behörden bei ihrer Verwaltungstä- tigkeit und in Fragen der Gesetzgebung zu beraten und zu unterstützen. Als Lobbyarbeit oder auch Lobbyismus wird allgemein der Versuch der Einflussnahme auf Entscheidungsträger durch Dritte bezeichnet. Nach dieser Definition gehört die Lobbyarbeit durchaus zu den Aufgaben der Pflege- kammer. Einschränkend wirkt allerdings die rechtliche Verpflichtung, dabei immer auch die Interes- sen der Allgemeinheit im Blick zu behalten. Zu 17: An Tarifverhandlungen oder Vergütungsverhandlungen sind berufsständische Kammern generell nicht beteiligt. Dies gilt auch für die Pflegekammer, die somit keinen direkten Einfluss auf die Refi- nanzierung der Pflegeleistungen oder die Löhne nehmen kann. Zu den Aufgaben der Pflegekam- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 8 mer wird es jedoch gehören, Dritte in Angelegenheiten, die die Berufsausübung der Kammermit- glieder betreffen, zu informieren und zu beraten. Auch über die Definition von Qualitätsstandards und die Ausgestaltung der Fortbildungspflicht wird die Pflegekammer sich mit den Rahmenbedin- gungen der Pflegearbeit in Niedersachsen beschäftigen, auf Missstände hinweisen und Verbesse- rungspotenziale aufzeigen. Zu 18: Die Pflegekammer darf eine arbeitsrechtliche Beratung ihrer Mitglieder vornehmen. Das ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 3 Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG). Hier ist bestimmt, dass die Erörterung der die Beschäftigten berührenden Rechtsfragen mit ihren gewählten Interessenvertretungen keine (den Volljuristen vorbehaltene) Rechtsdienstleistung im Sinne des RDG darstellt, soweit ein Zu- sammenhang zu den Aufgaben dieser Vertretungen besteht. Originäre Aufgabe der Kammer ist es, die beruflichen Belange der Gesamtheit ihrer Mitglieder zu wahren. Da ihre Organe von den Mitgliedern gewählt werden, ist die Pflegekammer eine Interes- sensvertretung nach RDG. Die Beratung von Kammermitgliedern durch die Pflegekammer über Fragen von beruflichen Belangen ist daher grundsätzlich möglich und könnte auch durch Nichtjuris- ten erfolgen. Voraussetzung ist hierfür, dass ein Zusammenhang mit ihren Kammeraufgaben be- steht. Dies ist der Fall, da nach dem geplanten Gesetz die Pflegekammer ihre Mitglieder in Fragen der Berufsausübung beraten soll. Zu 19: Der Niedersächsische Pflegerat ist im Landespflegeausschuss und in der Fachkommission Pflege vertreten. Im Niedersächsischen Pflegerat sind jedoch nicht alle Berufsverbände Mitglied; zudem sind nicht alle niedersächsischen Pflegefachkräfte Mitglied in einem Berufsverband (vgl. Antwort zur Frage 5). Die Vertretungen im Landespflegeausschuss und in der Fachkommission Pflege sind somit nicht - anders als es eine Pflegekammer wäre - demokratisch legitimiert. Zu 20: Die Hauptaufgabe der Pflegekammer wird die berufsständische Vertretung ihrer Mitglieder sein. Als gemeinsame Vertretung der größten Berufsgruppe im Gesundheitswesen kann eine Pflegekammer erheblich mehr Einfluss nehmen, als dies heute beispielsweise den Berufsverbänden möglich ist. Eine durchsetzungsfähige Interessensvertretung bedeutet einen Mehrwert für das einzelne Kam- mermitglied. Auch vom gestiegenen Ansehen in der öffentlichen Wahrnehmung werden Pflege- fachkräfte unmittelbar profitieren. Daneben ist Aufgabe der Pflegekammer, die Qualitätssicherung im Pflegewesen zu fördern. Sie wird beispielsweise Empfehlungen, Hinweisen oder Leitfäden zur Qualitätsentwicklung und -siche- rung pflegerischer Berufsausübung oder zu Aufgaben- und Kompetenzprofilen konkrete Handrei- chungen für die tägliche Praxis entwickeln. Für die einzelne Pflegefachkraft bedeutet dies einen Gewinn an Handlungs- und Rechtssicherheit. Ähnliches gilt für den Erlass einer Berufsordnung: Es besteht die Möglichkeit, dass die Kammermit- glieder die Berufsordnung als Argumentationshilfe gegenüber ihren Arbeitgebern nutzen können, wenn die Rahmenbedingungen eine Pflege, die den Vorgaben der Berufsordnung entspricht, nicht zulassen. Nicht zuletzt wird die Konkretisierung der bereits heute bestehenden Fortbildungspflichten die Kammermitglieder dabei unterstützen, dieser Pflicht angemessen nachzukommen. Die Zertifizie- rung und Bewertung von Fortbildungsveranstaltungen wird den Kammermitgliedern Orientierung im derzeitigen unübersichtlichen Fortbildungsmarkt geben und durch den transparenten Nachweis der Qualifikation die Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung verbessern. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Cornelia Rundt Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 9 Anlage 1 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 10 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 11 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 12 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 13 Anlage 2 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3265 14 (Ausgegeben am 02.04.2015) Drucksache 17/3265 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2974 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling und Christian Dürr (FDP), eingegangen am 12.02.2015 Wie reagiert die Landesregierung auf das Bündnis gegen die Pflegekammer? Antwort der Landesregierung Anlage 1 Anlage 2