Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3276 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3102 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Rainer Fredermann (CDU), eingegangen am 03.03.2015 Hat die Landesschulbehörde den Antrag der Gemeinde Isernhagen auf Einrichtung einer In- tegrierten Gesamtschule korrekt bearbeitet? Am 24. Oktober 2014 hat die Gemeinde Isernhagen einen Antrag auf Einrichtung einer Integrierten Gesamtschule (IGS) gestellt. Vorangegangen war eine Elternbefragung, die bei einer Rücklaufquo- te von rund 47 % ein Ergebnis von 56 % zugunsten des Gymnasiums sowie 44 % zugunsten einer Integrierten Gesamtschule ergab. Dieser Fragebogen war nach Angaben der Gemeinde vorab mit der Landesschulbehörde abgestimmt. Bei der Berechnung der Schülerzahlen stützt sich der Schul- träger auf ein Gutachten einer Hildesheimer Forschungsgruppe. Dies erschien der Gemeinde auf- grund geplanter Neubaugebiete im Umfang von 1 000 Wohneinheiten in den kommenden zehn Jahren zielführend. Dieses Vorgehen ist laut Urteil des Verwaltungsgerichtes Hannover vom 17. Juli 2012 zulässig. Von drei vorliegenden Szenarien wählte die Gemeinde die mittlere Prognose für die weitere Argumentation. In den dem Ablehnungsbescheid vorangegangenen Gesprächsrun- den der Gemeinde Isernhagen, der Stadt Burgwedel sowie der Landesschulbehörde wurden die ermittelten Schülerzahlen zu keinem Zeitpunkt infrage gestellt. Die Landesschulbehörde verneint in ihrer Antwort auf den IGS-Antrag der Gemeinde Isernhagen, dass der Fragebogen mit der Behörde abgestimmt sei. Weiterhin wird die Zahl der positiven Rück- meldungen auf die Gesamtschülerzahl angewendet. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die Nicht- teilnahme an der Elternbefragung ein einstimmiges Votum gegen eine IGS darstellt. Gleichzeitig lehnt die Landesschulbehörde die Prognose der Schülerzahlen auf Basis des vorliegenden Gutach- tens ab. In der Antwort auf meine frühere Kleine Anfrage (Drucksache 17/2055) erklärt die Landesregierung hingegen, dass es eine landeseinheitliche Berechnungsmethode gibt, in der nur die tatsächlich ab- gegebenen, positiven Rückmeldungen berücksichtigt und auf die Bevölkerungsentwicklung umge- rechnet werden (Seite 46). Diese Berechnungsmethode bestätigt sie in der gleichen Anfrage (Sei- te 45) bei der Berechnung der Umfrageergebnisse der Stadt Langenhagen. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung 1. Auf welcher Rechtsgrundlage verwirft die Landesschulbehörde das Urteil des Verwaltungsge- richtes Hannover vom 17. Juli 2012 zur Zulässigkeit externer Gutachten zur Ermittlung von Schülerzahlen? 2. Warum wurde bei der Bescheidung des Antrages der Gemeinde Isernhagen eine abweichen- de Berechnung der Mindestschülerzahl vorgenommen? 3. Welche Abstimmungsschritte gab es im Zuge des Antrags zwischen der Gemeinde Isernha- gen und der Landesschulbehörde - aufgeschlüsselt nach Terminen und Inhalt inklusiv der erstmaligen Infragestellung einer hinreichenden Schülerzahl? 4. Bei welchen erfolgreichen und erfolglosen Anträgen zur Einrichtung einer Integrierten Ge- samtschule wurde bei der Elternbefragung ebenfalls die Gesamtheit der Schüler und nicht die Zahl der Rückläufe als Grundlage für die Berechnung der Schülerzahlen angewendet? 5. Wo sieht die Landesregierung Mängel in der Abstimmung zwischen Landesschulbehörde und antragstellenden Schulträgern, die wie im Fall der Gemeinde Isernhagen zu einer überra- schenden Ablehnung eines Antrags auf Einrichtung einer Integrierten Gesamtschule führen? (An die Staatskanzlei übersandt am 11.03.2015) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3276 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Kultusministerium Hannover, den 01.04.2015 - 01-0 420/5-3102 - Generell wird von den kommunalen Schulträgern verlangt, dass sie ihren Entscheidungen nach § 106 Abs. 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) i. V. m. § 6 Abs. 1 der Verordnung für die Schulorganisation (SchOrgVO) eine Prognose der Schülerzahlen für mindestens zehn Jahre zugrunde legen. Die Schulträger haben vor Errichtung einer Integrierten Gesamtschule (IGS) zu ermitteln, ob die nach § 4 Abs. 1 Nr. 6.1 i. V. m. § 4 Abs. 3 SchOrgVO angegebene Mindestgröße von vier Zügen mit mindestens 96 Schülerinnen und Schülern pro Jahrgang dauerhaft erreicht wird. Dies erfolgt unter Betrachtung der Entwicklung der Schülerzahlen und dem zu ermittelnden Interes- se der Erziehungsberechtigten gemäß § 106 Abs. 5 Nr. 2 NSchG. Das Interesse der Erziehungsbe- rechtigten wird im Regelfall durch deren Befragung festgestellt. Da am Schulstandort Isernhagen mit dem Gymnasium eine Schule im Sekundarbereich I vorgehal- ten wird, darf eine dreizügige IGS dort nicht genehmigt werden (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 Spalte 4 SchOrg- VO). Der angestellten Berechnung der Schülerzahlen für die Gemeinde Isernhagen lag eine Elternbefra- gung in den Grundschuljahrgängen 1 bis 3 sowie im dritten Kindergartenjahrgang zugrunde. Von 746 befragten Personen haben 429 eine Rückmeldung gegeben. Davon haben sich insgesamt nur 196 - bezogen auf vier abgefragte Jahrgänge - ausdrücklich für eine IGS und 38 für eine IGS unter Beibehaltung des Gymnasiums ausgesprochen. Bezogen auf die für diese vier Jahrgänge versand- ten Fragebögen haben 27,35 % (204 von 746) der Erziehungsberechtigten für die Errichtung einer IGS votiert. Diese Prozentzahl wurde zur Berechnung der Schülerzahlen für den 5. Jahrgang für die nächsten zehn Jahre zugrunde gelegt. Danach würden in keinem Jahr mehr als 60 Schülerinnen und Schüler für die Einschulung in den 5. Jahrgang erreicht werden. Durch das Änderungsgesetz 2008 zum NSchG ist den kommunalen Schulträgern zum 01.08.2008 wieder die Möglichkeit gegeben worden, Gesamtschulen zu errichten. Der Wille des Gesetzgebers, der dieser Änderung des Schulgesetzes hinsichtlich der Zulassung neuer Gesamtschulen zugrunde lag, ist bei der Interpretation des Befragungsergebnisses zu beachten. Die Berechtigung zu einer Gesamtschulerrichtung muss den sich aus der Gesetzesbegründung (siehe Drs. 16/126 zu Nr. 2 und zu Nr. 16) ergebenden Anforderungen (u. a. objektiv feststellbarer Elternwille) genügen. Ein entsprechend ausgebildeter Elternwille muss sich zweifelsfrei aus dem Ergebnis der Befragung herleiten lassen. Eine spekulative Hochrechnung auf die nicht unerhebliche Zahl derjenigen Schülerinnen und Schü- ler, deren Erziehungsberechtigte sich nicht an der Befragung beteiligt haben, ist demzufolge nicht vorzunehmen. Eine Befragung der Erziehungsberechtigten hat schließlich das erklärte Ziel, das In- teresse der Erziehungsberechtigten an der Errichtung eines neuen schulischen Angebots zu ermit- teln. Eine Nicht-Teilnahme an der Abstimmung kann logischerweise nur dokumentieren, dass diese Erziehungsberechtigten kein Interesse am Besuch einer Gesamtschule durch ihr Kind haben - zu- mal es sich bis dato um eine Angebotsschule handelt und die Möglichkeit zum Besuch der Regel- schulen unter zumutbaren Bedingungen durch den Gesetzgeber garantiert wird. Folgerichtig können für die Feststellung des Elterninteresses nur die tatsächlich „pro Gesamtschul- besuch“ abgegebenen Fragebögen berücksichtigt werden. Eine Berücksichtigung von nicht abge- gebenen Fragebögen mittels einer Hochrechnung entspräche nicht diesen Anforderungen. Vor Beantwortung der Fragen im Einzelnen sind außerdem zunächst Klarstellungen und Richtig- stellungen zu dem vom Fragesteller geschilderten Hintergrund vorzunehmen: 1. Es wurde zu keinem Zeitpunkt verneint, dass der Fragebogen der Elternbefragung mit der Niedersächsischen Landesschulbehörde (NLSchB) abgestimmt sei. Die Aussage im zweiten Absatz der Vorbemerkung der Anfrage ist so nicht zutreffend. Bei der Erstellung des Frage- bogens war der schulfachliche Dezernent beteiligt. Der endgültige Fragebogen lag aber der für die Prüfung der rechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen zuständigen Mitarbeiterin der Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3276 3 NLSchB nicht vor. Daher wurde im Schreiben vom der NLSchB vom 05.11.2014 nach dem konkreten Inhalt und der Gestaltung des Fragebogens gefragt. Möglicherweise hat diese Nachfrage beim Fragesteller zu einer Fehlinterpretation geführt. 2. Die im zweiten Satz des ersten Absatzes der Vorbemerkung dargestellten Ergebnisse der Rücklaufquote sind nicht zutreffend. Bei diesen Zahlen (56 % zugunsten des Gymnasiums) handelt es sich nach den Antragsunterlagen um die durchschnittliche Anwahlquote für die Schulform Gymnasium innerhalb und außerhalb von Isernhagen. Diese Prozentsätze stehen jedoch in keinem Zusammenhang mit den Prozentsätzen aus der durchgeführten Befragung der Erziehungsberechtigten, die Grundlage für die Entscheidung der NLSchB waren. Eine Be- rechnung der Anwahlquote für Gymnasien in Isernhagen und Umgebung wurde vom Schul- träger erst nach einem Gespräch im Kultusministerium am 02.02.2015 nachgereicht und be- gründet. 3. Die Gemeinde Isernhagen erwähnt in ihrem Antrag lediglich 300 neue Wohneinheiten plus kleinere Baugebiete in Ortsteilen in den kommenden Jahren, mithin einen Bevölkerungszu- wachs von bis zu 1 000 neuen Bürgerinnen und Bürgern. Die im ersten Absatz der Vorbemer- kung der Anfrage vom Fragesteller angegebenen 1 000 Wohneinheiten beruhen daher mög- licherweise ebenfalls auf einem Missverständnis. 4. Ebenso wurde bereits in einem gemeinsamen Gespräch mit der Gemeinde Isernhagen und der Stadt Burgwedel im Oktober 2013 darauf hingewiesen, dass möglicherweise für keinen der Schulträger die Schülerzahlen für eine eigene IGS ausreichen würden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt: Zu 1: Die angeführte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover vom 17.07.2012 - 6 B 3873/12 - betrifft lediglich einen Beschluss in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren, das Eltern gegen den Schulträger einer Grundschule geführt haben. In diesem Verfahren ging es um die Berücksich- tigung eines externen Gutachtens zu Schülerzahlen bei der beabsichtigten Aufhebung einer kleinen Grundschule. Die vom Verwaltungsgericht dort seinerzeit zu beurteilende Situation ist nicht ver- gleichbar mit der Errichtung einer neuen Gesamtschule, bei der Land Niedersachsen, Schulträger, Lehrpersonal, Erziehungsberechtigte und vor allem Schülerinnen und Schüler die hinreichende Planungssicherheit haben müssen, dass auch in zehn Jahren ihre Schule noch Bestand hat und auch dann noch ein ausreichend differenzierter Unterricht gewährleistet wird. Für die Planungssicherheit von Gesamtschulen sind vielmehr die Aussagen des OVG Lüneburg im Beschluss vom 13.02.2012 - 2 MN 244/11 - maßgeblich, wonach „im Interesse der erforderlichen Planungssicherheit und mithin der gebotenen Nachhaltigkeit (…) Zahlen „belastbar“ sein (müssen), das heißt sie müssen nicht nur zum Zeitpunkt der Errichtung einer Schule erreicht werden, sondern für einen in die Zukunft gerichteten Zeitraum stabil bleiben.“ Die Annahmen des externen Gutachtens in Bezug auf die Bevölkerungsentwicklung sind in Zu- sammenhang mit den durch die Elternbefragung ermittelten „belastbaren“ Zahlen im Februar 2015 bei einer Erörterung von Schulträger und Kultusministerium Gesprächsinhalt gewesen. Eine nach- folgende Prüfung des Sachverhalts hat aber weiterhin nicht ausreichende Schülerzahlen für eine Vierzügigkeit ergeben. Es trifft folglich nicht zu, dass externe Gutachten bei der Berechnung von Schülerzahlen unberücksichtigt bleiben. Sie können im Einzelfall gegebenenfalls als zusätzliche Kriterien neben der Berechnung der belastbaren Schülerzahlen eingebracht werden. Zu 2: Es wurde keine von der in der Einleitung dargestellten abweichende Berechnungsmethode ange- wandt. Zu 3: Am 21.10.2013 fand zwischen dem Fachbereich Recht sowie den Dezernaten 2 und 3 der NLSchB, der Gemeinde Isernhagen und der Stadt Burgwedel ein Gespräch statt. Dort wurde die Möglichkeit Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3276 4 der Errichtung einer IGS besprochen. Auf die Notwendigkeit einer Elternumfrage wurde hingewie- sen. Es wurde bereits zu diesem Zeitpunkt von der NLSchB angezweifelt, dass eine Elternumfrage für eine Schulerrichtung ausreichende Ergebnisse liefern würde. Die Gemeinde Isernhagen und die Stadt Burgwedel überlegten deshalb auch, eine gemeinsame IGS zu errichten. Mit dem schulfachlichen Dezernenten der NLSchB wurde im Februar 2014 über den Umfragebogen und im August 2014 über das Ergebnis der Umfrage telefoniert. Nach der Antragstellung durch die Gemeinde Isernhagen wurden mit Schreiben vom 05.11.2014 weitere Unterlagen angefordert. Da die Ergebnisse der Elternumfrage nicht vorlagen, konnte in die- sem Schreiben noch keine Einschätzung abgegeben werden. Es wurde allerdings erläutert, wie die Schülerzahl ermittelt wird. Zu 4: Nach der seit Änderung des NSchG zum 01.08.2008 festgelegten landeseinheitlichen Berech- nungsmethode wurden grundsätzlich bei allen Anträgen auf Errichtung einer Gesamtschule Eltern- befragungen durchgeführt, wobei in der nachfolgenden Berechnung als Basis nur die tatsächlich abgegebenen, positiven Rückmeldungen berücksichtigt und auf die Bevölkerungsentwicklung um- gerechnet wurden. In begründeten Einzelfällen wurden darüber hinaus weitere Kriterien herange- zogen, z. B. im ländlichen Bereich, wenn es die erste zu errichtende Gesamtschule innerhalb eines Landkreises und das nächste gymnasiale Angebot deutlich entfernt war (über 20 km). In größeren Städten wie Hannover oder Göttingen wurden die Erziehungsberechtigten aufgrund des erforderlichen Umfanges nicht befragt, sondern der Bedarf für die Errichtung einer weiteren Gesamtschule im Bereich des Schulträgers wurde anhand von Ablehnungszahlen der Schülerinnen und Schüler an den bestehenden Gesamtschulen über mehrere Jahre hinweg festgestellt. Hier la- gen ergänzende externe Studien vor. Zu 5: Die Landesregierung sieht keine Mängel in der Abstimmung zwischen Landesschulbehörde und antragstellenden Schulträgern. Im Antragsverfahren der Gemeinde Isernhagen wurden bereits in der gemeinsamen Besprechung im Oktober 2013 mit den Schulträgern Gemeinde Isernhagen und Stadt Burgwedel Bedenken geäußert, falls beide Schulträger eigene Anträge ohne Berücksichti- gung des benachbarten Schulträgers stellen. Die Stadt Burgwedel hat daher auch auf eine Antrag- stellung für das Schuljahr 2015/2016 verzichtet. Die Ablehnung kann daher für die Gemeinde Isernhagen nicht überraschend gekommen sein, wie der Fragesteller es annimmt. In Vertretung des Staatssekretärs Michael Markmann (Ausgegeben am 09.04.2015) Drucksache 17/3276 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3102 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Rainer Fredermann (CDU), eingegangen am 03.03.2015 Hat die Landesschulbehörde den Antrag der Gemeinde Isernhagen auf Einrichtung einer In-tegrierten Gesamtschule korrekt bearbeitet? Antwort der Landesregierung