Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3312 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2938 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 09.02.2015 Energetische Nutzung von Schlachtabfällen Tierkörperabfälle werden derzeit in Tierkörperbeseitigungsanlagen unter hohem Energieeinsatz sterilisiert, getrocknet und anschließend verbrannt. Bei der Sterilisierung des Abfallguts entsteht ein dickflüssiger Brei mit sehr hoher Energiedichte, der anschließend getrocknet wird, bevor er als Mahlgut verbrannt wird. Der Trocknungsprozess beansprucht eine außerordentlich hohe Energie- zufuhr und ist aus ökologischer Sicht fragwürdig. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit das nach der Sterilisierung anfallende energiereiche Substrat in einem biologischen Verfahren, etwa durch Fermentierung, zur Gewinnung von Biogas genutzt werden könnte. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Welche Mengen werden jährlich nach ihrer Kenntnis bei den Tierkörperverwertungsanlagen in Niedersachsen angeliefert? 2. Wie bewertet die Landesregierung aus energetischer und ökologischer Sicht den derzeitigen Umgang mit den angelieferten Schlachtabfällen und Tierkadavern? 3. Wie bewertet die Landesregierung grundsätzlich eine energetische Nutzung von Schlachtab- fällen und Tierkadavern? 4. Was spricht nach Auffassung der Landesregierung für und was gegen eine Nutzung von Tier- kadavern in Biogasanlagen? 5. Welches Potenzial sieht die Landesregierung in einer solchen energetischen Nutzung? 6. Welche Forschungsprojekte zur energetischen Nutzung von Tierkörperabfällen sind der Lan- desregierung bisher bekannt? 7. Inwieweit ist die Landesregierung bereit, eine Projektstudie über die Möglichkeiten der Bio- gasgewinnung unter Nutzung von Tierkörperabfällen zu unterstützen? (An die Staatskanzlei übersandt am 18.02.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 10.04.2015 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - MinBüro-01425/17/7/11-0045 - Die Verwertung von Tierkörpern und Schlachtabfällen unterliegt der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 in Verbindung mit der Verordnung (EU) 142/2011 und ist des Weiteren durch das nationale Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz und die Tierische Nebenprodukte-Besei- tigungsverordnung (TierNebV) geregelt. Die Nutzung von Tierkörpern und Schlachtabfällen sowie anderer tierischer Nebenprodukte steht dabei im Spannungsfeld hoher seuchenhygienischer Be- deutung und einer nachhaltigen Ressourcennutzung. In Deutschland werden ca. 3 Millionen Mg tierische Nebenprodukte einschließlich gefallener Tiere in den Verarbeitungsbetrieben verwertet. Die tierischen Nebenprodukte werden durch die Verord- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3312 2 nung (EG) Nr. 1069/2009 nach dem potenziellen Risiko für Menschen und Tiere in drei Kategorien eingeordnet. Hierzu enthält die Verordnung für jede Kategorie Vorschriften für die Verwendung und Beseitigung. Grundsätzlich gilt: Je höher das Risiko desto weniger Verwendungs- und damit auch Handelsmöglichkeiten stehen zur Verfügung. Nach § 10 der TierNebV muss Material der Kategorie 1 und 2 grundsätzlich der Verarbeitungsme- thode 1 (Drucksterilisation) unterzogen werden, soweit es nicht unmittelbar durch Verbrennen oder Mitverbrennen beseitigt wird. Material der Kategorie 1 ist nach Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 zu behandeln und grundsätzlich der Verbrennung zuzuführen, soweit es nicht zur Herstellung von Folgeprodukten verwendet werden darf. Material der Kategorie 2 unterfällt den Verwendungsvorgaben des Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 und kann nach entsprechender Behandlung auch zu anderen Zwecken wie der Bio- gaserzeugung, der Kompostierung oder als Düngemittel eingesetzt werden. Material der Katego- rie 3 (z. B. Nebenprodukte gesunder Tiere, die zum menschlichen Verzehr geschlachtet wurden) kann gemäß Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 nach angemessener Behandlung auch zur Herstellung von Futtermitteln oder organischen Düngemitteln verwendet werden. Die verschiedenen tierischen Nebenprodukte müssen vom Anfall bis zur Beseitigung nach Katego- rien strikt getrennt bleiben. Findet eine Vermischung verschiedener Kategorien statt, unterliegen die gesamten tierischen Nebenprodukte den Regelungen für die „schlechtere Kategorie“. Das ist be- sonders wichtig für die Verarbeitung und spätere Verwertung, die in der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 und der Verordnung 142/2011 festgelegt sind. Die erzeugten Proteine aus tierischen Nebenprodukten der Kategorien 1 bis 3 einschließlich gefal- lener Tiere in den Verarbeitungsbetrieben werden in Abhängigkeit von den entsprechenden Kate- gorien als Futtermittel für Heimtiere, als Düngemittel und als Brennstoff genutzt. Erzeugnisse Futtermittel (Mg) Düngemittel (Mg) thermische Verwertung (Mg) Fleisch- und Knochenmehl - K1 - - 205 000 Fleisch- und Knochenmehl - K2 - 31 000 - Proteine und Lebensmittelfette - K3 305 000 147 000 - Tabelle 1: Verwendung von erzeugten Proteinen der Kategorien 1 bis 3 in Deutschland (2013) (Quelle: STN - Servicegesellschaft Tierische Nebenprodukte mbH) Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Nach Angaben der Niedersächsischen Tierseuchenkasse werden in Niedersachsen jährlich durch- schnittlich rund 120 000 Mg Tierkadaver bei den Verarbeitungsbetrieben für tierische Nebenproduk- te (VTN) angeliefert. Insgesamt wurden im Jahr 2013 rund 1,13 Millionen Mg tierische Nebenprodukte, die aus Tierkör- pern und Schlachtnebenprodukten bestehen, in den niedersächsischen VTN verarbeitet. Diese Menge an Rohmaterial teilt sich wie folgt auf die Kategorien 1 bis 3 auf: Kategorien Rohmaterial Endprodukt Tierische Nebenprodukte Tierkörper/ Schlachtkörper [Mg] Schlachtabfälle/ Risikomaterial [Mg] Summe [Mg] Protein [Mg] Fett [Mg] Summe [Mg] Kategorie 1 135 296 138 048 273 344 65 302 34 057 99 359 Kategorie 2 - - - - - - Kategorie 3 854 041 854 041 207 597 118 426 326 023 Summe 989 337 138 048 1 127 385 272 899 152 483 425 382 Tabelle 2: Verarbeitung tierischer Nebenprodukte in Niedersachsen* 2013 Quelle: STN - Servicegesellschaft Tierische Nebenprodukte mbH, 2015 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3312 3 *) Mit den Angaben in Tabelle 2 wird nicht aufgeschlüsselt, dass die niedersächsischen VTN auch Material aus anderen Bundesländern verarbeiten und Material aus Niedersachsen zum Teil in anderen Bundesländern verarbeitet wird. In Niedersachsen gibt es aktuell keine Kategorie-2- Anlagen. Zu 2: Als Folge der BSE-Krise und des daraus resultierenden vorsorgenden Verbraucherschutzes wurde die nahezu vollständige Verwendung von Tiermehl über den Futtermittelkreislauf im Jahr 2001 eu- ropaweit aufgegeben. Die eiweißreichen Tiermehle wurden durch verstärkte Sojaimporte in der Tierfütterung ersetzt. Die in VTN erzeugten Tiermehle werden zum größten Teil thermisch verwertet. Dabei spielt die Mitverbrennung in Zement- und Kraftwerken oder auch in Müllverbrennungsanlagen die größte Rol- le. Aktuell ist es europarechtlich generell verboten, aus Falltieren (verendetes Vieh), toten Heimtie- ren, Zootieren etc. Futtermittel für Nutztiere herzustellen (siehe Artikel 2 der Entscheidung 2001/25/EG vom 27.12.2001). So richtig es war, im Jahr 2001 die Verfütterung von Tiermehl zu verbieten, so geboten erscheint es heute aus Gründen des Ressourcenschutzes, dieses Verbot in seiner aktuellen Ausgestaltung auf- grund der zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse zu überdenken. Die Verwertungswege von Tiermehl müssen weiterhin in erster Linie an seuchenhygienischen Kri- terien orientiert werden. Zukünftig könnten jedoch auch die Ökobilanzen dieser Verwertungswege in die Betrachtung einbezogen werden um ein hohes Maß an nachhaltiger Entwicklung möglich zu machen. Bei strenger Berücksichtigung des vorsorgenden Verbraucherschutzes könnte unter Zugrundele- gung von Seuchenhygiene- und Nachhaltigkeitskriterien zukünftig eine Rangfolge für die Verwen- dung von Tiermehlen angestrebt werden, die in erster Linie den Erhalt des hochwertigen Eiweißes für den weiteren Eiweißaufbau zum Ziel hat (Nutzung als eiweißreiches Tierfutter für Fleisch- und Allesfresser). Ist dies für bestimmte Ausgangsmaterialien aus seuchenhygienischen Aspekten nicht umsetzbar, wäre hierfür eine energetische Nutzung beispielsweise durch enzymatische (z. B. Fer- mentation in Biogasanlagen) oder thermo-chemische Umwandlungsprozesse (z. B. Hydrothermale Carbonisierung, Pyrolyse) anzustreben, bei denen Stickstoff und Phosphor für Düngezwecke erhal- ten bleibt. So könnte eine Grundlage geschaffen werden, um beispielsweise den Anteil der landwirtschaftli- chen Flächen für den Anbau von eiweißreichem Tierfutter zu reduzieren oder große Mengen ener- getisch aufwändig erzeugter Mineraldünger zu substituieren und die knappe Ressource Phosphor pflanzenverfügbar zu erhalten. Zu 3: Siehe Antwort zu Frage 2. Zu 4: Siehe Antwort zu Frage 2. Zu 5: Das energetische Potenzial der verbleibenden 65 000 Mg Tiermehl (Eiweiße) der Kategorie 1 liegt bei rund 325 000 MWh (18 MJ/kg Tiermehl; M. Beckmann „Charakterisierung von Ersatzbrennstof- fen“, Universität Dresden, 2009). Dieses Potenzial wird derzeit fast ausschließlich in der thermi- schen Nutzung eingesetzt, ersetzt dort fossile Energieträger und generiert CO2-Minderungen im Rahmen des Emissionsrechtehandels. Die weiteren Endprodukte werden weitestgehend als Tier- futter für Haustiere, Düngemittel und Rohstoff für die chemische Industrie genutzt. Zu 6: Zur energetischen Nutzung von Tierkörpern gibt es zahlreiche Studien von denen hier nur einige beispielhaft genannt werden sollen: Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3312 4 – Stoffstromanalysen zur nachhaltigen energetischen Nutzung von Biomassen, Öko-Institut und Partner, Mai 2004, – Schriftliche Mitteilung von Hr. Zimmer zur hergestellten Tiermehlmenge in Bayern, Bayerisches Landesamt für Umwelt, 2010, – Phosphorstrategie für Bayern - Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen und Empfehlungen, Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT, 2014. Zu 7: Aktuell sieht die Landesregierung keine Notwendigkeit, Studien über die Möglichkeiten der Biogas- gewinnung unter Nutzung von Tierkörperabfällen zu fördern. Tierische Nebenprodukte der Katego- rien 2 und 3 werden bereits erfolgreich und in großem Umfang in Biogasanlagen eingesetzt. Tieri- sche Nebenprodukte der Kategorie 1, die nach heutiger Rechtslage grundsätzlich zu verbrennen sind, werden ebenfalls energetisch genutzt. Stefan Wenzel (Ausgegeben am 16.04.2015) Drucksache 17/3312 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/2938 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Dr. Gero Hocker (FDP), eingegangen am 09.02.2015 Energetische Nutzung von Schlachtabfällen Antwort der Landesregierung