Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3361 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3209 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Marco Brunotte und Mustafa Erkan (SPD), eingegangen am 17.03.2015 „Graue Wölfe“ in Niedersachsen - Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die türkischen Rechtsextremisten? Die türkische Partei „Milliyetçi Hareket Partisi“ (MHP) wurde 1969 von Alparslan Türkes gegründet. Sie wird als rechtsextreme Partei der Nationalistischen Bewegung klassifiziert. In Kommandolagern bildete die MHP Schätzungen zufolge bis zu 100 000 Kämpfer aus. Diese Kommandos erhielten den Namen Bozkurtçular („Graue Wölfe“). Seit 1968 sind die Kommandos aktiv und wurden dabei für Gewaltaktionen gegen politische Gegner genutzt. So haben sie auch ei- ne Vielzahl an politischen Morden zu verantworten und wurden u. a. auch als paramilitärischer Arm der MHP im gemeinsamen Kampf mit der türkischen Armee gegen Kurden eingesetzt. Auch der Papstattentäter von 1981 war Mitglied der MHP. Die deutsche Organisation der MHP ist die 1978 gegründete „Föderation der Türkisch-Demokra- tischen Idealistenvereine in Deutschland“ (ADÜTDF), die rund 100 Mitgliedsvereine mit geschätzten 7 000 Mitgliedern umfassen soll. Ihre Jugendorganisation ist die „Idealisten-Jugend“ (Ülkücü Gençlik). Bundesweit soll die Ülkücü-Bewegung etwa 3 000 Anhänger haben, in Niedersachsen wird ihre Zahl auf rund 600 geschätzt. Immer wieder gab es Kontakte der MHP zu deutschen Neo- nazis, z. B. NPD und Michael Kühnen. Im Dezember 2014 warnte der niedersächsische Verfassungsschutz vor einem Konzert des türki- schen Sängers Mustafa Yildizdogan in Hannover. Das Konzert wurde von der „ADÜTDF“ organisiert . Das Symbol der „Grauen Wölfe“, die osmanische Kriegsflagge mit drei Halbmonden, ist im- mer wieder in den Videos des Sängers Yildizdogan zu finden. Bereits im März 2013 kam es in Hannover am Schillerdenkmal zu einer gewalttätigen Auseinander- setzung. An einem Infostand des „Kurdistan Volkshauses“ provozierten Anhänger der „Grauen Wöl- fe“ ein Gerangel, bei dem ein junger Mann durch einen Messerstich verletzt wurde. Beide Vorfälle lassen in Kombination mit der Beantwortung der Anfrage 16/4424 darauf schließen, dass es weiterhin Aktivitäten und Strukturen der „Grauen Wölfe“ in der Region Hannover gibt. Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Strukturen der „Grauen Wölfe“ und deren Umfeldorganisationen in Niedersachsen? 2. Welche Aktivitäten gab es nach Erkenntnis der Landesregierung von der Organisation „Graue Wölfe“ und deren Umfeldorganisationen seit dem Jahr 2005 in Niedersachsen? 3. Mit welchen Maßnahmen reagiert die Landesregierung auf Aktivitäten der „Grauen Wölfe“ in Niedersachsen? (An die Staatskanzlei übersandt am 23.03.2015) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3361 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 15.04.2015 für Inneres und Sport - 54.206/052-S-391712-4/15 NfD - Die sogenannte Ülkücü-Bewegung/Nationalistische Türken ist dem türkischen rechtsextremisti- schen Spektrum zuzuordnen. Das Symbol der Bewegung ist der „Graue Wolf“, ihre Anhänger sind als „Graue Wölfe“ bekannt. Dennoch gibt es keine Organisation mit der Bezeichnung „Graue Wölfe “. Bei der Gründung der „Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Europa“ e. V. (Avrupa Demokratik Ülkücü Türk Dernekleri Federasyonu, ADÜTDF), wurde 1978 in Frankfurt am Main der Zusammenschluss türkischer Vereine extrem-nationalistischer Ausrichtung vollzogen. Die Gruppierung benannte sich 1996 in „Deutsche Türk Föderation“ (Almanya Türk Federasyonu), ATF um. Die Ideologie der Bewegung ist der Panturkismus, die weltweite Vereinigung der Türken. Aus der Panturkismusbestrebung resultiert auch eine Ablehnung der kurdischen Autonomiebewegung. Die Kurden werden von den Anhängern der Ülkücü-Bewegung als ein von seinem Ursprung entfremde- tes türkischstämmiges Volk betrachtet und können nach Vorstellung der Ülkücü-Anhänger nur dann akzeptiert werden, wenn sie bereit sind zu ihren (türkischen) Wurzeln zurückzukehren. Bestimmte Ausprägungen dieser Bewegung können gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 GG) sowie gegen das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 Abs. 1 GG) verstoßen. Offene rassistische oder antisemitische Äußerungen sind in Niedersachsen seitens der Ülkücü-An- hänger in letzter Zeit aber nicht zu verzeichnen gewesen. Die Vereine der ATF/ADÜTDF sind Beobachtungsobjekte der niedersächsischen Verfassungs- schutzbehörde. Darüber hinaus gibt es weitere Anhänger der Ülkücü-Bewegung, die jedoch nicht zwingend an die genannten Vereinsstrukturen gebunden sind. Insbesondere im Internet gibt es vie- le Foren von überwiegend jugendlichen Nutzern, die sich mit dem Thema „Ülkücü“ befassen und in Teilen auch durch ein verbales Gewaltpotenzial auffallen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage im Namen der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Auch in Niedersachsen sind die Vereine der ATF/ADÜTDF in den Städten Hannover und Braun- schweig vertreten. Zurzeit wird von einer Gesamtmitgliederzahl von ca. 600 Personen mit rückläufi- ger Tendenz ausgegangen. Zu 2: Zu den Aktivitäten der ATF/ADÜTDF gehören Veranstaltungen, u. a. zu islamischen und anderen Feiertagen, Bücherlesungen, Musik- und Kulturabende und Reisen in die Türkei. Es ist davon aus- zugehen, dass auf diesen Veranstaltungen auch die Ideologie der Organisation weitergegeben wird. Offene rassistische oder antisemitische Äußerungen oder Aufrufe zu Extremismus wurden bei diesen Veranstaltungen in Niedersachsen nicht bekannt. Die Eintrittspreise und Reisen können aber als Einnahmequelle für die Vereine dienen. Darüber hinaus liegen weder der Polizei noch dem Verfassungsschutz Erkenntnisse über die Tat- beteiligung von Anhängern der „Grauen Wölfe“ an dem in der Kleinen Anfrage geschilderten Sach- verhalt im März 2013 vor. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3361 3 Zu 3: Von der ATF/ADÜTDF sind nach hiesiger Einschätzung gegenwärtig keine organisierten Gewaltak- tionen in Niedersachsen zu erwarten. Sie besitzt zwar das Potenzial, durch gezielte Verbreitung extremistischen Gedankenguts das friedliche Zusammenleben von verschiedenen Teilen der in Niedersachsen lebenden Bevölkerung zu stören, entfaltet aber derzeit keine besondere Außenwir- kung. Die Beobachtung der ATF/ADÜTDF wird fortgesetzt, um die Entwicklungen in dieser Szene in Nie- dersachsen weiter zu verfolgen und um auf Veränderungen reagieren zu können. Boris Pistorius (Ausgegeben am ) (Ausgegeben am 24.04.2015) Drucksache 17/3361 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3209 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Marco Brunotte und Mustafa Erkan (SPD), eingegangen am 17.03.2015 „Graue Wölfe“ in Niedersachsen - Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die türkischen Rechtsextremisten? Antwort der Landesregierung