Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3404 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3247 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Otto Deppmeyer, Martin Bäumer und Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens (CDU), eingegangen am 25.03.2015 Pipelinevarianten durch die Hintertür? Im September 2014 hatte das Unternehmen K+S gemeinsam mit der grünen hessischen Umwelt- ministerin Priska Hinz den sogenannten Vier-Phasen-Plan zur Entsorgung der Salzabwässer aus dem hessisch/thüringischen Kalirevier vorgestellt. Bestandteile dieser Lösung sind der Bau einer Kainit-Kristallisations-Flotationsanlage zur Reduktion der Produktionsabwässer, die Abdeckung der Halden sowie der Bau einer Fernleitung in die Oberweser. Der Niedersächsische Landtag hat sich anschließend mit großer Mehrheit gegen den Bau dieser Oberweserpipeline ausgesprochen (vgl. Drucksache 17/2219). Bereits in der vergangen Wahlperi- ode hatte der Landtag eine Entschließung gefasst, in der der Bau einer Entsorgungsleitung sowohl in die Oberweser als auch in die Nordsee abgelehnt wird (Drucksache 16/2114). Im Koalitionsver- trag von SPD und Grünen in Niedersachsen ist zudem Folgendes vereinbart worden: „Die rot-grüne Koalition lehnt die Einrichtung der kurzen Abwasserpipeline der K+S Kali GmbH zur Oberweser bei Bad Karlshafen ab und wird alle Möglichkeiten nutzen, den Bau dieser Pipeline zu verhindern. Die- ses Projekt würde zu keiner Entlastung der Weser führen.“ Mit Pressemitteilung vom 17.03.2015 hat das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz mitgeteilt, dass die Minister der Flussgebietsgemeinschaft Weser eine Einigung in der Frage der Reduzierung der Salzbelastungen in Werra und Weser erzielt und damit den Entwurf eines gemeinsamen Bewirtschaftungsplans für die Weser zur Reduzierung der Salzbelastung be- schlossen hätten. Dabei sollen dem Unternehmen K+S Zielwerte für die Salzbelastung vorgegeben werden. Neben der Haldenabdeckung und dem Bau einer Kainit-Kristallisations-Flotationsanlage zur Rohstoffrückgewinnung ist die Rede von „weiteren Maßnahmen“. Diese werden jedoch nicht weiter erläutert. Hierzu schreibt die Firma K+S in einer Pressemitteilung vom 17.03.2015: „Die heute von den Län- dern der Flussgebietsgemeinschaft Weser zur Anhörung veröffentlichten Entwürfe der Bewirtschaf- tungsplanung von Werra/Weser für die Jahre 2015 bis 2021 bestätigen die Maßnahmen und Ziel- setzungen, die zwischen dem Land Hessen und K+S im Vier-Phasen-Plan für diesen Zeitraum ver- einbart worden sind. Der Vier-Phasen-Plan insgesamt ist aus heutiger Sicht nach wie vor die reali- sierbare Langfristlösung der Salzabwasserentsorgung im Werra-Kalirevier. Ziel ist es, insbesondere durch erhebliche weitere Investitionen seitens K+S den Naturraum Werra-Weser im Sinne der Um- welt und des europäischen Wasserrechts weiter zu entlasten und die Zukunftsfähigkeit der Arbeits- plätze und der Kalistandorte in Nordhessen zu sichern. Für die Zeit ab 2021 bzw. 2027 zeigen die jetzt vorgelegten Entwürfe der Bewirtschaftungspläne Zielsetzungen und -werte für das Flusssys- tem Werra/Weser auf, zu deren Erreichung es aus heutiger Sicht keine konkreten und machbaren Maßnahmen gibt. Es bleibt bei diesen politischen Zielsetzungen derzeit deshalb offen, ob und wie diese erreicht werden sollen.“ Auch die hessische Umweltministerin hält ausweislich einer Pressemitteilung vom 17.03.2015 an dem Vier-Phasen-Plan und der Oberweserpipeline fest. In dem Entwurf des Bewirtschaftungsplans 2015 bis 2021 für die Flussgebietseinheit Weser bezüg- lich der Salzbelastung, deren Beschluss vom niedersächsischen Umweltministerium als Erfolg be- zeichnet wurde (siehe oben zitierte Pressemitteilung), sind die beiden Pipelinevarianten weiterhin enthalten. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3404 2 Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Welche „weiteren Maßnahmen“ sind aus Sicht der Landesregierung realistisch und umsetz- bar, um die von der Flussgebietsgemeinschaft beschlossenen Salzreduzierungsziele zu errei- chen? Sind diese Maßnahmen mit den Beschlüssen des Niedersächsischen Landtags verein- bar? 2. Inwiefern schließt sich die Landesregierung der Aussage des hessischen Umweltministeriums aus der Pressemitteilung vom 17.03.2015 an, dass „die realistischste Perspektive in einer mittelfristigen Lösung besteht, wie sie der Vier-Phasen-Plan vorsieht“? 3. Inwiefern schließt sich die Landesregierung der Aussage von K+S aus der Pressemitteilung vom 17.03.2015 an, dass der Entwurf des Bewirtschaftungsplans von Werra und Weser für die Jahre 2015 bis 2021 die Maßnahmen und Zielsetzungen bestätigt, die zwischen dem Land Hessen und K+S im Vier-Phasen-Plan vereinbart worden waren? 4. Was tut die Landesregierung, um die Landtagsbeschlüsse in Niedersachsen und den Koaliti- onsvertrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen umzusetzen und den Bau der Oberweser- pipeline zu verhindern? 5. Bedeutet die Zustimmung Niedersachsens zu dem Entwurf des Bewirtschaftungsplans 2015 bis 2021 für die Flussgebietseinheit Weser bezüglich der Salzbelastung, dass der Bau der Oberweserpipeline noch wahrscheinlicher geworden ist? 6. Was tut die Landesregierung, um den Landtagsbeschluss in der Drucksache 16/2114 umzu- setzen und sich insbesondere nachdrücklich gegen den Bau einer Nordseepipeline einzuset- zen? 7. K+S kritisiert in der oben genannten Pressemitteilung, dass für die Zeit ab 2021 bzw. 2027 Zielsetzungen aufgezeigt werden, zu deren Erreichung es aus heutiger Sicht keine konkreten und machbaren Maßnahmen gibt. Es bleibt vor diesem Hintergrund offen, ob und wie diese erreicht werden sollen. Heißt das, dass trotz Oberweserpipeline die vorgegebenen Langfrist- ziele nicht erreicht werden können? 8. Wie bewertet die Landesregierung die Einschätzung der Entwürfe der Bewirtschaftungspla- nung durch K+S dahin gehend, dass es keine machbaren Maßnahmen gibt, um die Langfrist- ziele zur Verbesserung der Wasserqualität in der Weser zu erreichen? (An die Staatskanzlei übersandt am 01.04.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 27.04.2015 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - MinBüro-01425/17/7/02-0078 - Die Flussgebietsgemeinschaft Weser hat im März 2015 nach intensiven Verhandlungen eine Eini- gung in der Frage der Reduzierung der Salzbelastungen in Werra und Weser erzielt und den Ent- wurf eines gemeinsamen Bewirtschaftungsplans für die Weser zur Reduzierung der Salzbelastung beschlossen. Der Entwurf des Bewirtschaftungsplans wird nunmehr in eine sechsmonatige Öffent- lichkeitsbeteiligung gegeben. Er sieht vor, bis 2027 sowohl in der Werra als auch in der Weser die Salzbelastung Schritt für Schritt deutlich zu reduzieren. Konkret soll bis 2021 ab dem Pegel Boffzen für Chlorid ein Zielwert von 585 mg/l und ab 2027 ein Zielwert von 300 mg/l erreicht werden, be- rechnet jeweils als 90-Perzentil. Damit sollen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass sich die aquatischen Ökosysteme dem nach der Wasserrahmenrichtlinie anzustrebenden natürli- chen Gewässerzustand wieder nähern und den europäischen und nationalen Vorgaben Rechnung getragen wird. Die Flussgebietsgemeinschaft Weser setzt hiermit anspruchsvolle Ziele und nimmt Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3404 3 insbesondere das Land Hessen und das Unternehmen K+S in die Verantwortung, die Salzbelas- tungen in Werra und Weser in der Zukunft deutlich weiter zu reduzieren. Um diese Ziele zu erreichen, sind z. B. die bestehenden Halden schnellstmöglich abzudecken und die Produktionsabwässer durch den Bau einer Kainit-Kristallisations-Flotationsanlage zur Rohstoff- rückgewinnung zu reduzieren. Darüber hinaus muss das Unternehmen K+S jedoch weitere Maßnahmen durchführen. Hohe Po- tenziale bieten nach Auffassung der Flussgebietsgemeinschaft Weser die Ausleitung der Salzab- wässer, technische Produktionsanpassung und Optionen zur Wertstoffrückgewinnung. Ebenso denkbar sind der Versatz von Reststoffen unter Tage und ein optimiertes Haldenmanagement. Da- bei geben die Länder keine fixe Maßnahmenkombination vor. Die Entscheidung über die ökono- misch beste Kombination von Maßnahmen, die die ökologischen Vorgaben der Länder und der EG- Wasserrahmenrichtlinie einhalten, liegt beim Unternehmen K+S. Mit dieser Vorgehensweise wird den im Prüfprozess gewonnenen Erkenntnissen aus der Flussge- bietsgemeinschaft Weser, aber auch anderer Organisationen, die sich intensiv mit Lösungsoptio- nen befasst haben (wie z. B. Runder Tisch, Werra-Weser-Anrainerkonferenz), Rechnung getragen. Die Landesregierung und die übrigen Weserländer fordern das Unternehmen K+S darüber hinaus auf, geeignete Studien und Erprobungen zur Frage des Haldenmanagements und der Wertstoff- rückgewinnung durchzuführen. Gegenüber dem Bund hat die Landesregierung angeregt, sich für eine schnellstmögliche Überarbeitung des bestehenden BVT-Merkblatts („Beste verfügbare Techniken “) für Rückstände aus dem Kalibergbau zu verwenden. In den Verhandlungen mit den Weserländern hat sich die Landesregierung insbesondere dafür ein- gesetzt, dass keine Einleitung von Produktionsabwässern der Kaliförderung in die Weser mittels ei- ner Pipeline erfolgt. Nach Auffassung der Landesregierung ist die im hessischen Vier-Phasen-Plan vorgesehene Leitung mit einer Einleitungsstelle im Bereich Gieselwerder durch andere Maßnah- men, zu denen z. B. eine Produktionsstreckung gehören kann, zu ersetzen. Dementsprechend sieht der Entwurf des Bewirtschaftungsplans eine Ausleitung von Salzabwässern in die Oberweser nicht ausdrücklich vor. Die Landesregierung hat ihre Vorschläge durch eine selbst beauftragte mathematisch-hydraulische Gütemodellierung begründet. Nach Auffassung der Landesregierung schafft der Entwurf des Be- wirtschaftungsplans Weser mit der Vorgabe von Bewirtschaftungszielwerten für den niedersächsi- schen Bezugsort Boffzen die erforderlichen Voraussetzungen für weitere Anstrengungen des Un- ternehmens K+S, alle technischen Möglichkeiten zur Reduzierung der Salzbelastung von Werra und Weser zu ergreifen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Landesregierung hält weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Salzbelastung vor Ort grund- sätzlich für realistisch und umsetzbar. Das in den letzten Jahren durchgeführte 360-Millionen-Euro- Investitionsprogramm der Firma K+S und der im Vier-Phasen-Plan angekündigte Bau einer zusätz- lichen Kainit-Kristallisations-Flotationsanlage zeigen, dass grundsätzlich weiteres Vermeidungspo- tenzial besteht. Bei ihrer Beurteilung stützt sich die Landesregierung auch auf Ergebnisse der Bera- tungen des Runden Tisches, der sich darüber einig war, dass solche Maßnahmen in den kommen- den Jahren im Zuge der Weiterentwicklung des Standes der Technik ergriffen werden sollten. Zu- sätzlich muss das Augenmerk in Zukunft verstärkt auf die Haldenbewirtschaftung gelegt werden. Nach Auffassung der Landesregierung ist eine Haldenabdeckung oder eine andere Form der Haldenbewirtschaftung unverzichtbar und zumutbar. Nach Auffassung der Landesregierung sind diese Maßnahmen mit den Beschlüssen des Landtags vereinbar. Die Landesregierung hat sich in den Beratungen im Weserrat gegen eine Ausleitung von Salzabwässern in die Oberweser, die im Vier-Phasen-Plan des Landes Hessen und der Firma K+S vorgesehen ist, ausgesprochen. Die Landesregierung hält eine derartige Ausleitung nicht für ge- nehmigungsfähig. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3404 4 Zu 2: Die Landesregierung stimmt der Aussage des hessischen Umweltministeriums nur bedingt zu. Eine Ausleitung in die Oberweser wird als nicht realisierbar angesehen. Andere Bestandteile wie der Bau einer zusätzlichen Kainit-Kristallisations-Flotationsanlage sind hingegen zu unterstützen. Inso- fern wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Die künftige Versenkung von Salzabwässern, die ebenfalls im Vier-Phasen-Plan angesprochen wird, ist nach Auffassung der Landesregierung allein von Hessen und Thüringen zu beurteilen. Zu 3: Die Landesregierung schließt sich dieser Aussage nicht an. Vielmehr erwartet sie, dass weitere Anstrengungen unternommen werden, um den Salzwasserausstoß am Ort des Entstehens weiter zu reduzieren. Zu 4: Die Landesregierung hat sich in der Flussgebietsgemeinschaft Weser dafür eingesetzt, dass keine Einleitung von Produktionsabwässern der Kaliförderung in die Weser mittels einer Pipeline erfolgt. Hierzu wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. Zu 5: Nein, im Gegenteil. Zu 6: Die bisher vorgelegten Antragsunterlagen der Firma K+S über die Einleitung von Abwässern aus der Kaliproduktion waren nicht prüffähig, sodass sie zurückgegeben wurden. Insofern besteht hier nach Auffassung der Landesregierung kein aktueller Handlungsbedarf. Sollte ein prüffähiger Antrag vorgelegt werden, ist hierüber nach Recht und Gesetz zu entscheiden. Zu 7: Durch den Bewirtschaftungsplan Weser, dessen Entwurf die Flussgebietsgemeinschaft im März 2015 beschlossen hat, ist die Firma K+S nunmehr aufgefordert, alle technischen Möglichkeiten zur Reduzierung der Salzbelastung von Werra und Weser zu ergreifen. Die Landesregierung ist der Meinung, dass die Langfristziele erreicht werden können, wenn noch intensiver als bisher der Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung gelegt wird. Dies ist Aufgabe des Verursachers. Nie- dersachsen hatte bereits frühzeitig mit Aufnahme der Beratungen des Runden Tisches angeregt, einen weltweiten Teilnahmewettbewerb auszuloben. Aufbauend auf den bisherigen Erkenntnissen, die am Runden Tisch zusammengetragen wurden, sind weitere Untersuchungen durchzuführen. Dazu gehört auch, sich noch einmal mit dem von der Firma K-UTEC angebotenen Verfahren zu be- fassen. Zu 8: Die Einschätzung wird nicht geteilt. Auf die Antwort zu Frage 7 wird verwiesen. Stefan Wenzel (Ausgegeben am 04.05.2015) Drucksache 17/3404 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3247 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Otto Deppmeyer, Martin Bäumer und Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens (CDU), eingegangen am 25.03.2015 Pipelinevarianten durch die Hintertür? Antwort der Landesregierung