Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3478 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3218 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 18.03.2015 Erfassung von Gewalttätern im Sport in Niedersachsen In ihrer Antwort auf die Anfrage CDU-Fraktion am 11. November 2013 hat die Landesregierung mitgeteilt, „landesintern“ Datensätze über Gewalttäter aus Niedersachsen zusammenzufassen und an die Datei Gewalttäter Sport der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) in Düsseldorf zu melden. Die Landesregierung hatte dabei eine Erfassung nach Kategorien (B für gewaltbereit, C für gewaltsuchend), Liga- und Vereinszugehörigkeit vorgenommen. Entsprechende Daten können zur Erstellung von polizeilichen Lagebildern und Gefahrenprognosen genutzt werden. Vor dem Hintergrund der Datenweitergabe und der aktuellen Diskussion über eine Landesdatei (Arbeitsdatei auf Access-Basis) für Gewalttäter im Sport in Berlin frage ich die Landesregierung: 1. Welche Daten von Gewalttätern übermittelt die Landesregierung in welchen zeitlichen Ab- ständen an die ZIS in Düsseldorf? 2. Nach welchen Kriterien erhebt die Polizei in Niedersachsen die Daten, und werden diese lan- desweit zentral gespeichert? Wenn es eine landesweite Speicherung der Daten gibt, ist diese vergleichbar mit der Datei Sportgewalt in Berlin? 3. Seit wann werden landesweite Daten erhoben? Wie viele Datensätze wurden seither pro Jahr neu angelegt? 4. Welche Daten speichert die Polizei in Niedersachsen von einzelnen Gewalttätern im Sport aufgelistet nach einzelnen Merkmalen? Wer hat Zugriff auf die Datei, und wird die Einsicht- nahme reglementiert und protokolliert? 5. Wie lange werden die erhobenen Daten gespeichert? Auf welcher Rechtsgrundlage werden die Daten gespeichert? 6. Werden die Personen, deren Daten gespeichert werden, über diese Speicherung informiert? 7. Wie viele Auskunftsersuchen aus Niedersachsen erreichten Landespolizei und Landesregie- rung über die Eintragung in die landesweite Datei oder die Bundesdatei Gewalttäter Sport? Wie werden entsprechende Anfragen beantwortet? 8. Von welcher Polizeidienststelle oder Institution werden die Datei in Niedersachsen zusam- mengeführt und gespeichert? Erfolgt eine Prüfung des Umgangs mit den Daten durch die Da- tenschutzbeauftragten der Polizei oder des Landes Niedersachsen? 9. Wie viele Personen befinden sich aktuell in der landesweiten Datei bzw. wurden beim letzten Mal an die ZIS weitergeleitet, geordnet nach Vereinen und Kategorien? 10. In ihrer Antwort auf die Anfrage des Abgeordneten Brunotte (SPD) erklärte die Landesregie- rung am 14. Januar 2015, dass sie auch im Bereich des Eishockeys radikale Anhänger ver- zeichne. Sind Eishockey-Fans in einer niedersächsischen Datei Gewalttäter Sport verzeichnet oder an die bundesweite Datei Gewalttäter Sport nach Düsseldorf gemeldet worden? Wenn ja, von welcher Gruppengröße ist hier die Rede? Handelt es sich ausschließlich um Mitglieder der Hannoveraner Fanszenen, wie o. g. Anfrage vermuten lässt? 11. Weichen die landes- und bundesweite Erfassung der Datensätze quantitativ und qualitativ voneinander ab? Wenn ja, warum? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3478 2 12. In welchem Turnus werden die Daten zusammengetragen und dem Innenministerium bzw. der Hausleitung zugeleitet? 13. Sind in der landesweiten Datei nur verurteilte Straftäter eingetragen? Wenn nicht, wie verträgt sich die Eintragung dann mit dem rechtsstaatlichen Prinzip der Unschuldsvermutung? 14. Erfolgt eine Erfassung nach Speicherungsanlass? 15. Wie wird die Sicherheit des Transfers der Daten aus Niedersachsen zur ZIS sichergestellt bzw. vor Hackern geschützt? 16. Werden Verfahrensausgänge in der niedersächsischen Datei nachgehalten? Hätte ein Frei- spruch in einem Gerichtsverfahren die Löschung aus der Datei zufolge? 17. Gibt es vor der Eintragung in die Landes- oder Bundesdatei eine Möglichkeit der Betroffenen zur Stellungnahme oder die Durchführung eines geordneten Verfahrens? 18. In Berlin ist die Speicherung von Zeugen, Hinweisgebern und sonstigen Kontaktpersonen von Gewalttätern im Sport in der Landesdatei vorgesehen. Trifft dies auch auf Niedersachsen zu? Meldet Niedersachsen entsprechende Person an die Datei Gewalttäter Sport? 19. Wird die Datei als Grundlage für Gefährdeansprachen genutzt? 20. Gegen die Datei Gewalttäter Sport liegen seit Langem datenschutz- und bürgerrechtlich be- gründete Bedenken vor. Setzt sich die Landesregierung für eine Reform der Datei Gewalttäter Sport ein, oder ordnet die Landesregierung die Datei bezüglich der Bedenken als unproble- matisch ein? (An die Staatskanzlei übersandt am 24.03.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 05.05.2015 für Inneres und Sport - 24.16-12310/5-21/15 - Die Datei „Gewalttäter Sport“ dient der Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen und sonstiger Straftaten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen, insbesondere von Fußballspie- len. Der Landesregierung sind neben der legitimen kritischen Betrachtung durch verschiedenste Fanvertretungen und insbesondere durch Vertreterinnen und Vertreter von Ultragruppierungen ak- tuell keine rechtlichen Bedenken zur Führung der Datei „Gewalttäter Sport“ bekannt. Es ist nicht richtig, dass die Landesregierung in der Beantwortung der Anfrage vom 11.11.2013 mitgeteilt hat, Datensätze von Gewalttätern aus Niedersachsen zusammenzufassen und an die Da- tei „Gewalttäter Sport“ zu melden. Vielmehr erstellen die niedersächsischen Polizeibehörden mit Standorten von Fußballvereinen der Bundes- bis zu den Regionalligen im Rahmen des standardi- sierten Verfahrens für den Informationsaustausch Fußball vor Beginn einer jeden Saison soge- nannte vereinsbezogene Informationspakete, mit denen ein Überblick über die örtlichen Anhänger- schaften und die im Rahmen des Spielbetriebs zu erwartenden Gruppierungen gewährleistet wird. Diese Informationen ergehen natürlich an die jeweiligen polizeilichen Zentralstellen der Ligen zur Weiterleitung. Das sind für die Ligen mit bundesweitem Spielbetrieb die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) beim Landesamt für Zentrale Dienste der Polizei Nordrhein-Westfalen mit Sitz in Duisburg sowie für die Regionalliga Nord die Landesinformationsstelle Sporteinsätze der Polizei Hamburg. Damit werden keine Informationen für die Datei „Gewalttäter Sport“ übermittelt. Die Datei „Gewalttäter Sport“ ist eine sogenannte Verbunddatei und wird nicht bei der ZIS geführt. Dieser Verbunddatei liegt eine Errichtungsanordnung des Bundeskriminalamtes zugrunde, derzeit mit Stand vom 13.06.2013. Verbunddateien sind vom Bundeskriminalamt als Zentralstelle für den elektronischen Datenverbund zwischen Bund und Ländern geführte Dateien des polizeilichen In- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3478 3 formationssystems, wobei die jeweils von den Ländern in eigener Zuständigkeit gewonnenen Daten dezentral und unmittelbar in das Verbundsystem eingegeben und diese Daten im System für alle Verbundteilnehmer zum Abruf bereitgehalten werden. Insofern findet eine Datenweitergabe nicht statt. Ebenso wenig ist der Landesregierung eine aktuel- le Diskussion über eine vergleichbare Landesdatei in Niedersachsen bekannt. Darüber hinaus gibt es in Niedersachsen keine Landesdatei, in der Daten analog zur Datei „Gewalt- täter Sport“ zentral gesammelt werden. In Braunschweig, Hannover und Wolfsburg gibt es örtliche Arbeitsdateien der Szenenkundigen Beamten (SKB), in denen gemäß Verfahrensbeschreibung der jeweiligen Datenschutzbeauftragten Daten zu bestimmten Personen im Zusammenhang mit Sport- veranstaltungen, insbesondere Fußballspielen, gesammelt werden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1 und 2: Siehe Vorbemerkungen. Zu 3: Landesdaten werden nicht erfasst. Zu 4: In den örtlichen Arbeitsdateien der SKB werden Daten gespeichert von – Personen, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gemäß Katalog der Datei „Ge- walttäter Sport“ eingeleitet wurde (Beschuldigter), – Personen, die wegen eines solchen Deliktes verurteilt worden sind (Verurteilte), – Personen, gegen die Personalienfeststellungen, Platzverweise oder Ingewahrsamnahmen zur Verhinderung anlassbezogener Straftaten angeordnet wurden, weil bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich diese Personen zukünftig an anlassbezogenen Straftaten be- teiligen werden (Gefährder/Störer), – Personen, bei denen Waffen oder andere gefährliche Gegenstände sichergestellt/beschlagnahmt wurden, wenn sie diese in der Absicht mitführten, anlassbezogene Straftaten zu bege- hen (Personen mit Waffen). Die Art der gespeicherten Daten umfassen: Fan-Kategorie, Name, Vorname, Spitzname, Geburts- datum, Staatsangehörigkeit, Adresse, Beruf, Arbeitgeber, Kriminalaktennummer, Datum der letzten ED-Behandlung, Spielteilnahmen, Aktenzeichen, Ereignisdatum, sachbearbeitende Dienststelle. Soweit vorhanden und relevant sind darüber hinaus Angaben zu Telekommunikationsanschlüssen, Stadionverboten, Gruppenzugehörigkeit/Rolle in der Fanszene, Lichtbild und Kfz-Halterdaten ver- merkt. Zugriff auf die Datei haben die jeweiligen örtlichen SKB, in der Regel erfolgt eine Protokollie- rung der Anmeldung der Benutzer. Im Übrigen siehe Vorbemerkungen. Zu 5: Rechtsgrundlage für die Erhebung, Speicherung und Veränderung sowie die Datenübermittlung ist das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die Daten werden bei Erwachsenen, Heranwachsenden und Jugendlichen grundsätzlich nach fünf Jahren gelöscht. Dar- über hinaus erfolgt insbesondere eine Löschung, wenn eine Speicherung nicht mehr erforderlich ist. Zu 6: Grundsätzlich wird im Falle einer Speicherung eine Benachrichtigung der betroffenen Person durch die niedersächsischen Polizeibehörden nicht durchgeführt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3478 4 Zu 7: Die Anzahl der Auskunftsersuchen zur Datei „Gewalttäter Sport“ als auch zu den örtlichen Arbeits- dateien werden bei den betroffen Polizeibehörden nicht zentral dokumentiert. Insofern kann zur konkreten Anzahl dieser Auskunftsersuchen keine konkrete Angabe erfolgen, es handelt sich dabei jedoch insgesamt um eine sehr geringe Zahl. Nach einer kürzlich öffentlich gewordenen Entschei- dung des Verwaltungsgerichtes Hannover zu der örtlichen Arbeitsdatei in Hannover liegen dazu ak- tuell zehn Auskunftsersuchen bei der Polizeidirektion Hannover vor. Zu 8 und 9: Siehe Vorbemerkungen. Zu 10: Die Landesregierung hat in besagter Anfrage nicht erklärt, dass sie auch im Bereich des Eisho- ckeys radikale Anhänger verzeichne. Es wurde vielmehr deutlich gemacht, dass es wie im Fußball nicht auszuschließen ist, dass auch bei Eishockeyspielen eine Minderheit von Personen in Er- scheinung tritt, denen es in erster Linie nicht um fantypisches Verhalten geht. In diesem Zusam- menhang wurde ebenso deutlich festgestellt, dass nur wenige solcher Einzelfälle anlässlich von Eishockeyspielen in Niedersachsen bekannt geworden sind und den niedersächsischen Polizeibe- hörden insgesamt keine Erkenntnisse vorliegen, dass sich Anhänger gewaltbereiter Gruppierungen aus dem Fußball neu orientieren und sich z. B. dem Besuch von Eishockeyspielen zuwenden wür- den. Im Übrigen siehe Vorbemerkungen. Zu 11: Siehe Vorbemerkungen. Zu 12: Eine turnusmäßige Vorlage über Daten zur Datei „Gewalttäter Sport“ findet nicht statt. Zu 13 bis 17: Siehe Vorbemerkungen sowie Antwort zu Frage 5. Zu 18: Eine Speicherung derartiger Daten entspricht nicht der Errichtungsanordnung der Datei „Gewalttäter Sport“. Im Übrigen siehe Vorbemerkungen. Zu 19: Entsprechende Dateien sind für gefahrenabwehrende Zwecke eingerichtet worden. Insofern bilden sie einen Anhalt für die Prüfung möglicher Maßnahmen, z. B. auch von Gefährderansprachen. Im Übrigen siehe Vorbemerkungen. Zu 20: Siehe Vorbemerkungen. Boris Pistorius (Ausgegeben am 19.05.2015) Drucksache 17/3478 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3218 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen (FDP), eingegangen am 18.03.2015 Erfassung von Gewalttätern im Sport in Niedersachsen Antwort der Landesregierung