Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3480 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3204 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Axel Miesner (CDU), eingegangen am 12.03.2015 Unterstützt das Land das Engagement von Bürgerstiftungen für Flüchtlingskinder? Laut Pressemitteilung des Kultusministeriums vom 19. Januar 2015 werden zum zweiten Schul- halbjahr 2014/2015 „voraussichtlich rund 240 Sprachlernklassen an öffentlichen allgemeinbilden- den Schulen gebildet“. Das bedeutet, dass nicht in jeder Stadt bzw. Gemeinde eine Sprachlernklasse eingerichtet wird. An vielen Orten im Land bringen sich Bürger im gleichen Bereich ein. Beispielsweise engagiert sich die Bürgerstiftung Lilienthal seit vielen Jahren u. a. auf dem Gebiet der Hausaufgabenhilfe für Schülerinnen und Schüler. Dieses Angebot kommt vor allem auch Kindern mit Migrationshinter- grund zugute, aktuell auch Kindern aus Flüchtlingsfamilien. Die Stiftung hat für ihre vorbildliche eh- renamtliche Arbeit 2012 von der Stiftung Aktive Bürgerschaft den Förderpreis „Aktive Bürgerschaft 2012“ sowie vom Bundesverband Deutscher Stiftungen mehrmals das „Gütesiegel“ erhalten. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung das freiwillige Engagement von Initiativen, Stiftungen und Vereinen, das auf dem Gebiet der Integration und sprachlichen Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund geleistet wird? 2. Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung, um das in der Antwort zu 1. be- schriebene Engagement finanziell zu unterstützen? 3. Ab welchem Zeitpunkt können die Initiativen, Stiftungen und Vereinen damit rechnen, seitens des Landes finanzielle Unterstützung zur Förderung der Hausaufgabenhilfe für Kinder mit Migrationshintergrund zu erhalten, sodass sie diese entsprechend anbieten können? (An die Staatskanzlei übersandt am 23.03.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 06.05.2015 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 301.21-014024/01-17/3204 - Sprache gehört zum Fundament der sozialen Einbindung in eine Gesellschaft. Die wichtigste Vo- raussetzung, um in unserer Gesellschaft integriert zu sein, ist es, neben der Herkunftssprache auch die deutsche Sprache sprechen zu können. Die Entwicklung der gesamten Persönlichkeit wird von Kommunikation und Sprache geprägt - eine entscheidende Rolle spielt dabei die Lesefähigkeit. Le- sen ist ein grundlegendes Instrument, welches Kindern und Jugendlichen ermöglicht, eine Ausbil- dung zu absolvieren und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. Es ist das Ziel der Landesregierung, Sprachbarrieren von Kindern auf direktem Wege abzubauen, damit diese schnellstmöglich am Regelunterricht teilnehmen können. Dies ist bei den häufig sehr tragischen Hintergründen und traumatisierenden Fluchterfahrungen bei den Kindern, die aus Kriegs- und Krisengebieten zu uns kommen, eine große Herausforderung. Die Landesregierung trägt diesem Ziel u. a. dadurch Rechnung, indem sie die qualitative Weiterentwicklung der Sprach- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3480 2 förderung als wichtiges bildungspolitisches Ziel formuliert und die Teilhabe von Kindern mit Flücht- lingshintergrund über die deutsche Sprache mit zahlreichen Maßnahmen unterstützt. So hat die Landesregierung z. B. auf den steigenden Bedarf an Sprachfördermaßnahmen unmittelbar reagiert und die Anzahl der Sprachlernklassen erheblich aufgestockt. Aber es wurden auch zahlreiche wei- tere Maßnahmen ergriffen, die die Sprachförderungsmöglichkeiten angesichts der aktuellen Her- ausforderungen verbessern können, wie z. B. die Ausweitung der Fortbildungsangebote zur Quali- fizierung von Lehrkräften aller Schulformen im Bereich Deutsch als Zweitsprache/Arbeit in Sprach- lernklassen und interkulturelles Lernen. Das Recht auf eine gute schulische Bildung aller Kinder in Niedersachsen zu verwirklichen bedeu- tet, dass sich alle Ebenen ihrer Verantwortung stellen und möglichst gute Rahmenbedingungen für die Teilhabe auch von Flüchtlingskindern schaffen müssen. Ehrenamtliches Engagement ist zur Unterstützung der landesseitig vorgehaltenen Maßnahmen stets sinnvoll und willkommen. Vor Ort kommt es für die Wirksamkeit des Engagements der unterschiedlichen Akteure wesentlich auf eine gute Vernetzung an. Im Rahmen der vom Ministerium für Inneres und Sport (MI) veranstalteten Flüchtlingskonferenz ist unter Federführung des Niedersächsischen Kultusministeriums ein Arbeits- kreis „Sprachförderung“ eingerichtet worden, in dem u. a. mit Vertreterinnen und Vertretern von Kommunen und Verbänden erörtert wird, wie bestehende Angebote und Strukturen zur Sprachför- derung künftig noch besser vernetzt bzw. Ressourcen gemeinsam eingesetzt werden können. Zur Rolle von Bürgerstiftungen und ihrem bürgerschaftlichen Engagement in der Flüchtlingshilfe lässt sich Folgendes sagen: Menschen, die sich in gesellschaftliche Entscheidungsprozesse einbringen, Bürgerinnen und Bür- ger, die durch persönliches Engagement, Tatkraft, Kreativität Probleme gemeinsam angehen, bil- den die Grundlage für eine aktive Bürgergesellschaft. Engagierte Menschen und Institutionen tra- gen maßgeblich zur Gestaltung gesellschaftlicher Prozesse bei und sind eine unverzichtbare Säule unseres Gemeinwesens. Das Mitgestalten, das „Sich einbringen“, ist ein wesentliches Ziel von Stiftungen. Aufgrund ihrer großen Unabhängigkeit sind Stiftungen häufig besser als andere Institutionen in der Lage, unbe- queme Themen aufzugreifen, Risiken einzugehen und in Zukunftsaufgaben zu investieren. Stiftun- gen geben jeden Tag mit ihrer Arbeit praktische Antworten und belegen damit, dass sie sich an der Zukunftsgestaltung beteiligen wollen. Die Arbeit der Bürgerstiftungen ist von großer Bedeutung. So manche gesellschaftliche Aufgabe könnte ohne ihren Einsatz und ihre Unterstützung nicht oder nicht in gleichem Umfange bewältigt werden. Seit 1996, dem Startpunkt der Bewegung in Deutschland, hat die Zahl der Bürgerstiftungen erheb- lich zugenommen. Allein in Niedersachsen gibt es 58 1 Bürgerstiftungen (davon sind 49 mit dem Gü- tesiegel der Initiative Bürgerstiftungen zertifiziert 2 ), und damit steht Niedersachsen im bundeswei- ten Vergleich an dritter Stelle. Das niedersächsische Stiftungskapital beläuft sich auf rund 271 Milli- onen Euro. Die jährliche Projektförderung beträgt 2,2 Millionen Euro. Bundesweit erbringen 95 % der in den Stiftungen tätigen Menschen ihre Leistung ehrenamtlich. Die positive Entwicklung bei den Stiftungen war auch dadurch möglich, weil das bürgerschaftliche Engagement insgesamt in der Öffentlichkeit an Stellenwert gewonnen hat. Verlässliche Informatio- nen und anschauliche Beispiele für erfolgreich arbeitende Stiftungen sind eine wichtige Vorausset- zung, um mehr Menschen für den Gedanken zu werben, selbst Stifterinnen oder Stifter zu werden oder die Arbeit einer bereits bestehenden Stiftung zu unterstützen. Die Ehrenamtlichen sind ein enorm wichtiger Baustein bei der Aufnahme der Flüchtlinge. Ohne sie fehlt uns auch die gesellschaftliche Akzeptanz für die längst in der Mitte der Gesellschaft ange- kommene Willkommenskultur. Unter Federführung des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS) und des MI arbeiten aktuell zahlreiche Akteurinnen und Akteure u. a. aus Lan- desministerien, Kommunen, Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Bundesverband deutscher Stiftungen und zivilgesellschaftlichem Engagement an dem Ziel, Freiwillige zu stärken, zu motivieren und zu aktivieren, damit sie als wesentlicher Pfeiler einer Willkommenskultur in Niedersachsen weiter wich- 1 Stiftung Aktive Bürgerschaft: „Länderspiegel Bürgerstiftungen. Fakten und Trends 2014“. Daraus sind auch die Beträge für Niedersachsen entnommen. 2 Initiative Bürgerstiftungen: „Bürgerstiftungen in Zahlen 2014“. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3480 3 tige und hochgeschätzte Arbeit für neuankommende Menschen leisten. Bürgerinnen und Bürgern, die sich engagieren und Flüchtlingen schlichtweg helfen wollen, soll aufgezeigt werden, wie sie ihre Bereitschaft zum Engagement ohne bürokratische Hürden realisieren und ihre Hilfsbereitschaft in die Tat umsetzen können. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Auf die Vorbemerkungen wird verwiesen. Zu 2: Folgende Projekte werden von der Landesregierung unterstützt: MigrantenElternNetzwerk Niedersachsen Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Eltern im Bildungskontext ihrer Kinder als traditionelles Vorbild und Ratgeber tragen sie eine große Mitverantwortung für die Zukunft der Kinder. Gerade in Deutschland wirken sich familiäre Bildungsressourcen, sozioökonomische Faktoren, aber auch der Erziehungsstil auf den Bildungserfolg von Kindern aus. Vielen Kindern fehlt es allerdings an der nö- tigen familiären Unterstützungsstruktur. Das gilt aus verschiedenen Gründen insbesondere für Kin- der mit Zuwanderungsgeschichte. Und so ist es erforderlich, Eltern noch stärker zu sensibilisieren für ihre Mitverantwortung am Bildungserfolg ihrer Kinder und ihnen aufzuzeigen, wie eine Unter- stützung konkret erfolgen kann. Für diese Form der kooperativen interkulturellen Elternarbeit sind verschiedene Zugangswege erforderlich. So gibt es bereits im schulischen und kommunalen Be- reich unterschiedliche Ansätze. Eine wichtige Rolle spielen dabei Migrantenorganisationen als Vermittler. Sie sind oftmals besser als etablierte Bildungsträger in der Lage, die Eltern aus ihrer Community zu erreichen und gezielt zu informieren, denn sie gelten als vertrauenswürdige Kom- munikatoren in ihren Netzwerken und können andere und erfolgreichere Zugangswege nutzen. Das Land Niedersachsen fördert daher u. a. das MigrantenElternNetzwerk Niedersachsen, das sich in Trägerschaft der Arbeitsgemeinschaft der Migrantinnen, Migranten und Flüchtlinge in Niedersach- sen (befindet. Dessen übergeordnetes Ziel ist die Verbesserung von Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen mit Zuwanderungsgeschichte in Niedersachsen, indem die Eltern zu Selbsthilfe und Eigeninitiative aktiviert und der Dialog mit den Bildungseinrichtungen gefördert werden. Mitten drin! Jung und aktiv in Niedersachsen Ein weiterer Ansatz, um die Teilhabechancen für Kinder und Jugendliche in Niedersachsen zu ver- bessern, ist das neu zum Schuljahresbeginn 2014 gestartete Projekt „Mitten drin! Jung und aktiv in Niedersachsen“. Träger dieses Projektes ist der Deutsche Kinderschutzbund - Landesverband Niedersachsen e. V., der mit 63 Ortsverbänden in Niedersachsen landesweit aufgestellt ist. Auch die diesjährige Jahres- und Mitgliederversammlung des Verbandes steht ganz im Zeichen des Themas „Flüchtlingskinder in Niedersachen“. Zielgruppe sind besonders benachteiligte Kinder und Jugendliche im Schulalter (zwischen sechs und 18 Jahren). Wenngleich die Initiative sich nicht speziell an Flüchtlingskinder richtet, so sind sie dennoch inbegriffen - je nach Konzept der Antragsteller und thematischer Schwerpunktsetzung. Die von dort geförderten Projekte unterteilen sich in Mikroprojekte mit einer Fördersumme in Höhe von 2 000 Euro sowie vereinzelte und besonders innovative Makroprojekte mit einer Fördersumme in Höhe von 10 000 Euro. Schwerpunkte liegen bei der Stärkung eigener Kräfte, Kompetenzen und Fähigkeiten, aber auch bei der Verbesserung der Mobilität, Begegnung und Vernetzung im strukturschwachen Raum. Das MS stellt für die Laufzeit von drei Jahren hierfür insgesamt 1,2 Millionen Euro zur Verfügung, damit vor Ort neue Angebote entstehen. Die Antragstellung für Vorhaben im Rahmen des Projekts kann über die eigens eingerichtete Internetseite www.mittendrin-niedersachsen.de erfolgen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3480 4 Bei der Auswahl der Makroprojekte 2015 hat sich der Beirat dieser Initiative u. a. – für ein Lese-Mentoren-Projekt für Flüchtlingskinder im Raum Hannover ausgesprochen sowie – für ein Sprachförder- und Teilhabeprojekt für Kinder mit Migrationshintergrund (inkl. der wach- senden Zahl von Flüchtlingskindern) in Salzgitter. Flüchtlingskinder finden auch bei weiteren (Mikro-) Projekten eine besondere Berücksichtigung. KinderHabenRechtePreis Als Beispiel für einen Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Prozess des Lesenlernens aktiv zu unterstützen, ist der Verein MENTOR e. V. hervorzuheben. Seit mehr als zehn Jahren stärkt er mit speziell ausgebildeten Leselernhelferinnen und Leselernhelfern die Lesekompetenz von Kindern und Jugendlichen. Dieses Engagement zur Förderung der Lesekompetenz ist im Rahmen des gemeinsam vom Deutschen Kinderschutzbund Landesverband Niedersachsen und dem MS ausgelobten KinderHabenRechtePreises bereits im Jahr 2011 gewürdigt worden. Zu 3: Auf die Vorbemerkungen und die Antwort zu Frage 2 wird verwiesen. Cornelia Rundt (Ausgegeben am 19.05.2015) Drucksache 17/3480 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3204 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Axel Miesner (CDU), eingegangen am 12.03.2015 Unterstützt das Land das Engagement von Bürgerstiftungen für Flüchtlingskinder? Antwort der Landesregierung