Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3481 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3093 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Petra Joumaah, Dr. Max Matthiesen, Burkhard Jasper, Volker Meyer, Gudrun Pieper, Annette Schwarz und Angelika Jahns (CDU), eingegangen am 03.03.2015 Anonymer Krankenschein, anonyme Abrechnung und anonymisierte Chipkarte - Ist bei der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen „legal“ oder „illegal“ künftig egal? Am 18.12.2014 hat der Landtag eine Entschließung angenommen, in der die Landesregierung u. a. aufgefordert wird, einen Modellversuch zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen durch Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus durchzuführen (Drs. 17/2621). Die Landesregierung soll „für Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus“ im Rahmen eines Mo- dellversuchs einen „anonymen Krankenschein“ in Kooperation mit der Kassenärztlichen Vereini- gung und der medizinischen Flüchtlingshilfe in Hannover und Göttingen einführen, der diesem Per- sonenkreis die Inanspruchnahme ärztlicher Versorgung ermöglicht, ohne dabei negative Konse- quenzen fürchten zu müssen. Für Eilfälle in Notsituationen sei ebenfalls eine Lösung vorzusehen. Dabei seien u. a. folgende Punkte zu berücksichtigen: „a) Grundlage des Projekts ist die geschützte Vermittlung von anonymen Krankenscheinen. Zwecks Ausstellung der anonymen Krankenscheine wird eine Anlauf- und Vergabestelle ein- gerichtet, die medizinische Beratung und auch eine Weitervermittlung zwecks aufenthalts- rechtlicher Beratung zur Prüfung der Legalisierung des Aufenthalts anbietet. Diese Stelle steht unter ärztlicher Leitung und unterliegt somit der ärztlichen Schweigepflicht. b) Die Abrechnung der Gesundheitsleistungen erfolgt anonym und über einen Fonds. Eine Auf- nahme in die gesetzliche Krankenversicherung über eine anonymisierte Chipkarte ist in die- sem Zusammenhang zu prüfen.“ Wir fragen die Landesregierung: 1. Halten sich Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus illegal in Deutschland auf, und ma- chen sie sich damit nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar? 2. Machen sich Ärzte, die wissentlich Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus eine über ei- ne reine Notfallversorgung hinausgehende ärztliche Versorgung gewähren, wegen Beihilfe zum illegalen Aufenthalt strafbar? 3. Welchen Beitrag können Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus dazu leisten, einen de- finierten Aufenthaltsstatus zu erhalten? 4. Da das SGB V hierzu keine Regelungen enthält, was genau ist a) unter einem „anonymen Krankenschein“, b) einer „anonymen Abrechnung“ und c) einer „anonymisierten Chipkarte“ zu verstehen? 5. Ist es erforderlich, dass Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus bei der Beantragung des „anonymen Krankenscheins“ ihre Identität preisgeben? 6. Ist es erforderlich, dass Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus nach erfolgter Vermitt- lung des „anonymen Krankenscheins“ bei der Inanspruchnahme der ärztlichen Leistung ihre Identität preisgeben? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3481 2 7. Ist bei der „anonymen Abrechnung“ der Gesundheitsleistungen über einen Fonds bekannt, für wen die Gesundheitsleistungen erbracht wurden? 8. Aus welchen Mitteln wird der Fonds gespeist, und welches Volumen wird der Fonds haben? 9. Entstehen für die ärztliche Versorgung von Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus über die im Haushalt 2015 bei Kapitel 05 40 Titel 686 12 veranschlagten 500 000 Euro für die „Clearingstelle“ weitere Kosten für den Landeshaushalt? Falls ja, in welcher Höhe? 10. Gab es bereits Gespräche zwischen der Landesregierung, der Kassenärztlichen Vereinigung und der gesetzlichen Krankenversicherung über die konkrete Ausgestaltung und Finanzierung des „anonymen Krankenscheins“ und, falls ja, wann, und mit welchem Ergebnis? 11. Nach welchen Vorschriften des SGB V wäre eine Aufnahme von Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus in die gesetzliche Krankenversicherung über eine „anonymisierte Chipkarte“ möglich? 12. Durch welche Kontrollmöglichkeiten will die Landesregierung sicherstellen, dass der „anonyme Krankenschein“ bzw. die „anonymisierte Chipkarte“ nicht missbraucht werden, z. B. durch Weitergabe, durch Mehrfachgebrauch oder Verkauf? 13. Durch welche Kontrollmöglichkeiten will die Landesregierung sicherstellen, dass sich insbe- sondere Deutsche ohne definierten Krankenversicherungsstatus nicht als Menschen ohne de- finierten Aufenthaltsstatus ausgeben und so versuchen, ungerechtfertigt eine ärztliche Be- handlung zu erhalten? 14. Da Menschen mit einem Einkommen grundsätzlich finanziell an ihren Krankheitskosten zu be- teiligen sind: Wie prüft die Landesregierung im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vor der Vermittlung eines „anonymen Krankenscheins“ an Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus , ob diese einer wie auch immer gearteten Beschäftigung nachgehen und daraus Einkünfte erzielen? 15. Über welche Erkenntnisse verfügt die Landesregierung hinsichtlich der Anzahl der sich in Niedersachsen und in Deutschland insgesamt aufhaltenden Menschen ohne definierten Auf- enthaltsstatus in Niedersachsen und in Deutschland insgesamt? 16. Über welche Erkenntnisse verfügt die Landesregierung hinsichtlich des Leistungsumfangs bei der ärztlichen Versorgung von Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus in anderen Bun- desländern und in den Mitgliedstaaten der EU? 17. Da eine medizinische Notfallversorgung bereits jetzt für diese Menschen gewährleistet ist, die Entschließung aber die Formulierung „Für Eilfälle in Notsituationen ist ebenfalls eine Lösung vorzusehen.“ enthält: Beabsichtigt die Landesregierung, darüber hinaus eine medizinische Regelversorgung mit dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung für Men- schen ohne definierten Aufenthaltsstatus einzuführen? Falls ja, weshalb? 18. Möchte die Landesregierung eine deutsche bzw. europäische Vorreiterrolle hinsichtlich des Leistungsumfangs bei der ärztlichen Versorgung von Menschen ohne definierten Aufenthalts- status einnehmen? 19. Wie beurteilt die Landesregierung die „anonyme Abrechnung“ von Gesundheitsleistungen über einen Fonds für Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus hinsichtlich ihrer Anreiz- wirkung zur Begehung von Rechtsverletzungen vor dem Hintergrund, dass sich legal in Deutschland aufhaltende Ausländer gemäß § Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 2 Abs. 3 AufenthG im Rahmen der Lebensunterhaltssicherung als Voraussetzung für die Erteilung eines Aufent- haltstitels einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz nachweisen müssen? 20. Sieht sie darin einen Verstoß gegen das vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Recht- sprechung konkretisierte Rechtsstaatsprinzip, „wonach die Rechtsordnung ihre eigene Missachtung nicht prämieren darf, da sie sonst Anreize zur Rechtsverletzung schafft, rechtstreues Verhalten diskriminiert und damit auch die Voraussetzungen ihrer eigenen Wirksamkeit unter- gräbt“? Falls nein, weshalb nicht? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3481 3 21. Befürwortet die Landesregierung die Ausdehnung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 SGB V auf Asylbewerber, Geduldete und den Personenkreis ohne definierten Aufenthaltsstatus? 22. Soll es nach Auffassung der Landesregierung für die Inanspruchnahme von ärztlichen Leis- tungen und sonstigen Gesundheitsleistungen künftig egal sein, ob sich jemand legal oder ille- gal in Deutschland aufhält? (An die Staatskanzlei übersandt am 11.03.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 05.05.2015 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 301.21 - 01424/01 – 17/3093 - Die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung ist komplex. Arzt- praxen und andere Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung müssen möglicherweise auf ei- ne Kostenerstattung verzichten, wollen sie eine Datenweiterleitung an das Gesundheitsamt bzw. an die Meldebehörden verhindern. Damit ist die Gruppe der „Menschen ohne Papiere“ abhängig von dem Willen und der Überzeugung einzelner Personen. Nichtstaatliche Einrichtungen zur medizini- schen Versorgung dieser Gruppe können keine verlässliche und ausreichende Versorgungsstruktur bieten, da sie größtenteils auf ehrenamtlicher Basis und mittels privater Spendenfinanzierung ope- rieren. Der auf diese Weise erschwerte Zugang zu Leistungen zur gesundheitlichen Versorgung stellt eine „unnötige soziale Härte“ dar, zu Recht wird unter ethischen Gesichtspunkten gefordert, dass mit der sozialen Realität in adäquater Weise umgegangen werden muss. Insofern hat die Fra- ge der Gesundheitsversorgung von „Menschen ohne Papiere“ neben der ausländerrechtlichen auch eine soziale Dimension. Der Landtag hat mit seiner Entschließung „Medizinische Versorgung für Flüchtlinge in Niedersach- sen sicherstellen“ vom 18.12.2014 (Drs. 17/2621) die Landesregierung aufgefordert, im Rahmen eines Modellversuchs Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus erleichterten Zugang zu medi- zinischer Versorgung zu verschaffen und für die Kosten dieser Leistungen durch die Bereitstellung eines Fonds Rechnung zu tragen. Bislang gibt es keine für die Zielgruppe verlässliche Vermittlung in medizinische Versorgung, deren Finanzierung gesichert ist und die gewährleistet, dass Hilfesuchende ohne Angst auf Ausweisung medizinische Behandlungen annehmen können. Deshalb wird in den überwiegenden Fällen die Konsultation der Ärztin oder des Arztes oft zu lange hinausgezögert. Das kann zur Folge haben, dass Krankheiten verschleppt oder chronisch werden. Besonders betroffen davon sind Kinder und Jugendliche. Die Landesregierung nimmt daher den Auftrag als Herausforderung an, Wege zu finden, Menschen der Zielgruppe in eine sichere medizinische Versorgung zu vermitteln. Verstanden wird an dieser Stelle die medizinische Grundversorgung, die den „Menschen ohne Papiere“ nach dem Gesetz zustehen würde. Gleichzeitig sollen ihnen mögliche Wege in die Legalität aufgezeigt werden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Der in der Frage verwandte Begriff der „Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus“ ist weder gesetzlich noch in sonstiger Form bestimmt. Im Kontext der o. g. Entschließung des Landtages handelt es sich um nichtdeutsche Staatsangehörige, die weder einen Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet - Aufenthaltsgesetz (AufenthG), eine Duldung nach § 60 a AufenthG oder eine Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3481 4 Aufenthaltsgestattung nach § 55 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) besitzen noch aus sonstigen Gründen zum Aufenthalt in Deutschland berechtigt sind. Nach § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG werden Angehörige dieses Personenkreises mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn sie sich ohne erforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhalten, soweit a) sie vollziehbar ausreisepflichtig sind, b) ihnen eine Ausreisefrist nicht gewährt wurde oder diese abgelaufen ist und c) deren Abschiebung nicht ausgesetzt ist. Zu 2: § 95 AufenthG stellt insbesondere den unerlaubten Aufenthalt in Deutschland unter Strafe. Die Bei- hilfe hierzu ist über die im Strafgesetzbuch (StGB) geltende allgemeine Beihilferegelung, wonach als Gehilfe bestraft wird, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechts- widriger Tat Hilfe geleistet hat, strafbewehrt (§ 27 Abs. 1 StGB). Zur Anwendung der Beihilferege- lung im Zusammenhang mit § 95 AufenthG ist die nachfolgende Regelung in der von der Bundes- regierung mit Zustimmung des Bundesrates erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AufenthG (AVwV-AufenthG) getroffen worden: „Handlungen von Personen, die im Rahmen ihres Berufes oder ihres sozial anerkannten Ehrenam- tes tätig werden (insbesondere Apotheker, Ärzte, Hebammen, Angehörige von Pflegeberufen, Psy- chiater, Seelsorger, Lehrer, Sozialarbeiter, Richter oder Rechtsanwälte), werden regelmäßig keine Beteiligung leisten, soweit die Handlungen sich objektiv auf die Erfüllung ihrer rechtlich festgelegten bzw. anerkannten berufs-/ehrenamtsspezifischen Pflichten beschränken. Zum Rahmen dieser Auf- gaben kann auch die soziale Betreuung und Beratung aus humanitären Gründen gehören, mit dem Ziel Hilfen zu einem menschenwürdigen Leben und somit zur Milderung von Not und Hilflosigkeit der betroffenen Ausländer zu leisten.“ (Nr. [Vor] 95.1.4 AVwV-AufenthG). Hiernach handelt es sich bei der Behandlung von sich unerlaubt in Deutschland aufhaltenden Aus- länderinnen und Ausländern durch Ärztinnen und Ärzte in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht nicht um eine strafrechtlich relevante Beihilfe zu einer Straftat nach § 95 AufenthG. Im Zuge der Beratungen des von der Bundesregierung beschlossenen „Gesetzentwurfs zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ (Bundesrats-Drucksache 642/14, Bundestags-Drucksache 18/4097) haben die Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen be- antragt, § 95 AufenthG um folgenden Absatz 2 a zu ergänzen: „(2 a) Handlungen, die der Unterstützung eines Ausländers dienen, der eine Handlung nach § 95 Absatz 1 Nummer 1 oder Nummer 2, Absatz 1a oder Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe b begeht, stel- len kein Hilfeleisten im Sinne des § 27 des Strafgesetzbuchs dar, sofern das Ziel der Handlung die humanitäre Unterstützung der betroffenen Person war.“ Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im Hinblick auf die allgemeine Beihilfevorschrift des § 27 StGB bezüglich des § 95 AufenthG weiterhin eine erhebliche Rechtsunsicherheit für Menschen, et- wa für Ärztinnen und Ärzte, Lehrerinnen und Lehrer, Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie Ehren- amtliche usw. bestehe, die Ausländerinnen und Ausländern unabhängig von deren aufenthalts- rechtlichem Status in Notsituationen aus humanitären Motiven helfen. Daher bedürfe es - über der in der AVwV-AufenthG getroffenen Regelung hinaus - einer eindeutigen gesetzlichen Klarstellung, dass derartige Unterstützungshandlungen keine strafbare Beihilfe darstellen. Dieser Antrag fand im Bundesrat nicht die erforderliche Mehrheit. Zu 3: Hinsichtlich der Begrifflichkeit „Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus“ wird auf die Antwort zu Frage 1 verwiesen. Dementsprechend kann von einem „definierten Aufenthaltsstatus“ dann ausgegangen werden, wenn die Betroffenen im Besitz eines Aufenthaltstitels, einer Duldung, einer Aufenthaltsgestattung oder aus sonstigen Gründen zum Aufenthalt in Deutschland berechtigt sind. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3481 5 Generell müssten Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus die jeweiligen Voraussetzungen, die zur Erteilung eines Aufenthaltstitels, einer Duldung oder einer Aufenthaltsgestattung erforderlich sind bzw. zu einer sonstigen Berechtigung zum Aufenthalt in Deutschland führen, erfüllen. Diese Voraussetzungen sind in den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere im Aufent- haltsgesetz, im Asylverfahrensgesetz und im Gesetz ber die allgemeine Freizügigkeit von Unions- bürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU - FreizügG/EU), im Einzelnen detailliert geregelt. Die nach dem Aufenthaltsgesetz und dem FreizügG/EU möglichen Aufenthaltstitel sind in der Anla- ge zur Durchführungsverordnung zum Ausländerzentralregistergesetz, Abschnitt I, Spalte A, unter Nummer 10 bis 12 (Anlage 1) und die möglichen Duldungen unter Nummer 17 (Anlage 2) aufgelis- tet. Insgesamt handelt es sich um fast 100 verschiedene Aufenthaltstitel sowie Duldungen mit ent- sprechend differenziert ausgestalteten Voraussetzungen, die für die Erteilung des jeweiligen Titels oder der jeweiligen Duldung vorliegen müssen. Soweit die Betroffenen einen Asylantrag stellen, wäre ihr Aufenthalt kraft Gesetz gestattet (Aufent- haltsgestattung, § 55 AsylVfG). Soweit sie bereits früher einen im Ergebnis erfolglos gebliebenen Asylantrag gestellt haben sollten, gilt dies nur dann, wenn das Bundesamt für Migration und Flücht- linge ein weiteres Asylverfahren durchführt, weil Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens vorliegen (§ 71 AsylVfG). Im Rahmen des in der Vorbemerkung genannten Modellprojekts ist eine Legalisierungsberatung geplant. Zu 4: Das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) enthält keine Regelungen zu anonym bereitgestellten Krankenscheinen/-Chipkarten sowie zu einer anonymen Abrechnung. Im Gegenteil fußt die gesetz- liche Krankenversicherung (GKV) auf dem Prinzip der namentlich Versicherten, die eine Solidar- gemeinschaft bilden (§ 1 Satz 1 SGB V). Die Leistungen der GKV werden aus Beiträgen finanziert. Diese Beiträge sind von den Mitgliedern und deren Arbeitgebern zu entrichten (§ 3 SGB V). Aus diesen Gründen wäre die Integration einer anonymen Krankenbehandlung in die GKV, verbunden mit entsprechender Abrechnung usw., unzulässig. Dem folgend gibt es keine Legaldefinition für die Begriffe „anonymer Krankenschein“, „anonyme Abrechnung“ und „anonymisierte Chipkarte“. Im Rahmen der bisherigen Verhandlungen mit den Akteuren der Krankenversicherungen, der Kas- senärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) sowie den Flüchtlingshilfen Hannover konnten diese Begriffe entsprechend definiert werden. Das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung (MS) als zuständiges Fachressort zur Umsetzung des Modellversuchs zur Einfüh- rung eines anonymen Krankenscheins (vgl. Drs. 17/2621, Pt. 2) versteht unter a) dem „anonymen Krankenschein“ eine schriftliche Legitimation zum Besuch einer bestimmten Ärztin oder eines bestimmten Arztes bzw. eines bestimmten Krankenhauses für eine medizini- sche Behandlung. Die Behandlung kann mehrere Termine beinhalten, soweit dies ärztlicher- seits für den Erfolg der Behandlung als notwendig erachtet wird. Gleichzeitig sichert die schrift- liche Legitimation die Finanzierung der Behandlung, b) der „anonymen Abrechnung“ die finanzielle Begleichung der erbrachten medizinischen Leistungen gegenüber der Behandlerin oder dem Behandler durch die Institution, die den hierfür durch die Landesregierung zur Verfügung gestellten Fonds verwaltet. Die Rechnung geht zusammen mit dem anonymen Krankenschein an diese Stelle. Der Name der Patientin oder des Patienten ist weder im Krankenschein noch in der Rechnung aufgeführt, c) der „anonymisierten Chipkarte“ eine Legitimation gegenüber dem Gesundheitssystem, die einer Behandlungskarte für Krankenversicherte gleich kommt und von der zuständigen Krankenkasse ausgestellt ist. Die Chipkarte enthält keine Informationen, die eine Identifizierung der anonymen Person zulässt. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3481 6 Zu 5: Der anonyme Krankenschein soll durch eine Anlauf- und Beratungsstelle Hilfesuchenden einer der durch die o. g. Drucksache 17/2621 definierten Zielgruppe ausgestellt werden. Um die Zielgrup- penzugehörigkeit der mittellosen Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus feststellen zu kön- nen, ist es erforderlich, dass sich die Hilfesuchenden einer Legalisierungsberatung unterziehen. Dazu ist es erforderlich, dass sie teilweise oder ganz ihre Identität gegenüber der Anlauf- und Bera- tungsstelle bzw. der Stelle, die Legalisierungsberatung vornimmt, preisgeben. Die erfassten Daten werden von dieser Stelle vertraulich gehandhabt und nicht an die Behörden weitergegeben. Zu 6: Es ist grundsätzlich nicht erforderlich, dass Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus nach er- folgter Vermittlung des „anonymen Krankenscheins“ bei Inanspruchnahme der ärztlichen Leistung ihre Identität aufgeben. Soweit ärztlicherseits zur Beurteilung der Behandlung Informationen über Alter, Krankheitsbeginn, Art der Beschwerden etc. benötigt werden, geben diese Informationen teilweise die Anonymität preis. Dies bezieht sich ausschließlich auf die Beziehung zwischen Patien- tin oder Patient und Behandlerin oder Behandler und berührt nicht die Identität der Patientin oder des Patienten zum Staat. Zu 7: In der Anlauf- und Beratungsstelle werden für jede Patientin und jeden Patienten die Mindestdaten erhoben, die für eine Zuordnung zur Abrechnung der medizinischen Leistungen erforderlich sind. Der Patientin oder dem Patienten wird über den anonymen Krankenschein ein Code zugewiesen. Mit diesem Code sollen die Abrechnungsunterlagen zwecks Evaluation des Modellversuchs ge- kennzeichnet werden und damit identifizierbar sein. Die Unterlagen sollen ausschließlich der An- lauf- und Beratungsstelle zur Verfügung stehen. Zu 8: Im Haushaltsplan des MS für das Haushaltsjahr 2015 - Einzelplan 05, Kapitel 05 40, Titel 686 12 - Zuweisung an Clearingstellen - sind 500 000 Euro veranschlagt. Weitere Mittel in Höhe von jeweils 500 000 Euro sind in der Mittelfristigen Planung für die Haushaltsjahre 2016 und 2017 vorgesehen. Zu 9: Das Modellprojekt wird derzeit mit den infrage kommenden Akteurinnen und Akteuren verhandelt. Die Fondsmittel sind im Haushaltsplan eingestellt unter folgenden Erläuterungen: „Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus erhalten Legalisierungsberatung sowie Beratung und Vermittlung in für sie kostenfreie medizinische Behandlung (Notfallversorgung). Im Rahmen eines Modellprojektes werden Anlauf- und Beratungsstellen unter ärztlicher Leitung und zwecks Identifizierung zielgrup- penzugehöriger Personen eine Legalisierungsberatung eingerichtet.“ In wie weit der Haushaltsansatz ausreichen wird, neben den anfallenden medizinischen Behandlungskosten Personal- und Sachkosten einer Anlauf- und Beratungsstelle eine Legalisierungsberatung, die erforderliche Evalu- ierung sowie gegebenenfalls auch die Kosten der Krankenkassen gemäß § 264 Abs. 1 SGB V zu finanzieren, ist derzeit nicht absehbar. Zu 10: Es gab Gespräche mit der KVN am 12.08.2014 und mit der AOK Niedersachsen am 28.08. und 01.12.2014, in denen auch die Ausgestaltung und Finanzierung des „anonymen Krankenscheins“ thematisiert wurde. Eine Einbeziehung anonym bleibender Personen in das Solidarsystem der GKV ist nach geltendem Recht ausgeschlossen. Geschähe dies gleichwohl, würde ein Regresstatbe- stand ausgelöst. Eine seitens des Landes initiierte anonyme Krankenversorgung dürfte nur mit Steuermitteln und nicht aus Mitteln der gesetzlich Versicherten geleistet werden können. Gesetzliche Krankenkassen könnten hier eventuell logistische Hilfe leisten (z. B. Ausgabe von Krankenversicherungskarten, Abrechnung mit entsprechenden staatlichen Stellen), sofern voller Kostenersatz gewährt wird. Bei Verwendung einer Chipkarte könnte eine Beschränkung von Leis- tungen auf das nach § 4 AsylbLG geschuldete Niveau nur für die Leistungen erfolgen, die einer Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3481 7 vorherigen Genehmigung bedürften (z. B. Leistungen zur künstlichen Befruchtung, Reha-Maßnah- men, Kuren, Zahnersatz, Übernahme von Fahrtkosten). Zu 11: Die Vorschriften des SGB V lassen eine solche Aufnahme nicht zu. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 4 verwiesen. Zu 12: Sofern eine anonymisierte Chipkarte zum Einsatz käme, deren Funktion der einer elektronischen Gesundheitskarte (§ 291 a SGB V) gleichkäme, gäbe es keine Möglichkeit, einem Missbrauch (Weiterverkauf, Mehrfachgebrauch) vorzubeugen. Eine Kontrolle ist nur gegeben, wenn der „ano- nyme Krankenschein“ für eine Behandlung ausgestellt wird und die Patientin oder der Patient von der Anlauf- und Beratungsstelle angekündigt in eine Behandlung überwiesen wird. (siehe auch Antwort zu Frage 4). Eine Kontrollmöglichkeit bei Ausgabe von „anonymisierten Chipkarten“ wird nicht gesehen. Zu 13: Die Kontrollmöglichkeiten sind durch die angestrebte obligatorische Legalisierungsberatung (Clea- ringverfahren) relativ sicher. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen. Zu 14: Die Prüfung der Mittellosigkeit soll von der Anlauf- und Beratungsstelle bzw. im Rahmen der Lega- lisierungsberatung gewährleistet werden. Menschen ohne Aufenthaltsstatus werden nicht das Risi- ko eingehen, aus ihrer Illegalität herauszutreten, wenn sie sich grundsätzlich eine medizinische Be- handlung leisten können. Durch das Clearingverfahren soll die Zielgruppe definiert werden. Die Übernahme oder auch die teilweise Übernahme der Behandlungskosten wäre im Einzelfall zu entscheiden. In Grenzfällen soll ein interdisziplinärer Beirat die Entscheidungen tragen. Zu 15: Statistiken zu der Anzahl der sich in Deutschland bzw. in Niedersachsen aufhaltenden Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus stehen nicht zur Verfügung. Die Zahl der „Menschen ohne Pa- piere“ in Deutschland und Niedersachsen kann daher nur geschätzt werden. Im Jahr 2012 wurden für Deutschland zwischen 150 000 und 415 000 papierlosen Menschen ge- schätzt, bei steigender Tendenz 1 . Eine geschätzte Zahl von 50 000 irregulären Migrantinnen und Migranten in Niedersachsen liegt - auch auf der Grundlage des Königsteiner Schlüssels - hoch, aber im Rahmen der o. a. Schätzzahlen. Zu 16: Folgende Programme sind bekannt: Freie Hansestadt Bremen: Das Bremer Gesundheitsprogramm für Asylsuchende, das mittlerweile als das „Bremer Modell“ be- kannt ist, nahm im Juni 1993 seine Arbeit auf. Die medizinische Betreuung startete im Oktober 1993 in der Zentralen Aufnahmestelle, in der alle Asylsuchenden in Bremen aufgenommen werden, bevor sie auf andere Unterkünfte verteilt werden. Das Kernstück dieses Programms war und ist die Wahrnehmung des gesetzlich verankerten Auftrags einer Erstuntersuchung auf übertragbare Er- krankungen. Seine Besonderheiten sind das freiwillige Angebot der ärztlichen Untersuchung und der Blick auf den gesamten Gesundheitszustand der Asylsuchenden. Das Gesundheitsprogramm versteht sich als Bindeglied zwischen Asylsuchenden und dem bestehenden medizinischen Ver- sorgungssystem. Das Bremer Modell bezieht nicht die Menschen ohne Papiere ein. 1 Quelle: X. Jahrestagung „Irreguläre Migrationen im Wandel“, Berlin 2014 Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3481 8 Für die medizinische Versorgung der Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus wurde im Ge- sundheitsamt Bremen im Jahr 2009 eine „Humanitäre Sprechstunde“ eingeführt. Für die Finanzie- rung der externen Behandlungskosten stehen der Einrichtung jährlich 25 000 Euro zur Verfügung. Für papierlose Menschen wird in der „Humanitären Sprechstunde“ eine medizinische Basisversorgung gewährleistet. Ihre Bestandteile sind eine körperliche Untersuchung, Beratung bei gesund- heitlichen Beschwerden, je nach vorläufigem Befund Behandlung einschließlich notfallmäßiger Vergabe von Medikamenten oder Überweisung zur weiterführenden Diagnostik und Behandlung. Die Untersuchung und medizinische Basisversorgung im Einzelfall erfolgt direkt im Gesundheitsamt während der „Humanitären Sprechstunde“. Dort erhalten Patientinnen und Patienten auch erforder- liche Medikamente, die aus einem Basisstock ausgegeben werden. Sofern weiterführende Diagno- se und Behandlung erforderlich sind, werden Patientinnen und Patienten an die Ärzteschaft in Bremen vermittelt, die sich bereit erklärt hat, ehrenamtlich und kostenlos zu behandeln. Soweit dennoch Kosten entstehen, werden diese über den „einfachen Satz“ der Gebührenordnung abgerechnet und aus den zur Verfügung stehenden Mitteln finanziert. Jede Behandlung wird im Einzel- fall entschieden. Soweit Krankenhäuser ohne Koordination mit der „Humanitären Sprechstunde“ Patientinnen und Patienten aufgenommen und versorgt haben, erhalten sie keine Kostenerstattung. Dies ist bislang auch nicht weiter verhandelt worden. Im Übrigen ist wegen der gestiegenen Anzahl von Schwan- gerschaften eine Vereinbarung mit bestimmten Krankenhäusern in Bremen geschlossen worden. Danach zahlt die „Humanitäre Sprechstunde“ je Entbindung eine Pauschale von 600 Euro an das Krankenhaus. Bei Komplikationen wird nachträglich verhandelt. Kosten für Vorsorgeuntersuchun- gen und Nachsorge der Mütter sowie auch die Behandlung chronisch Erkrankter und deren Medi- kamentenversorgung werden nicht übernommen. Im Rahmen der Kontaktaufnahme der Hilfesuchenden bietet die „Humanitäre Sprechstunde“ sozia- le Beratung an. Die Beratung wird durch einen Mitarbeiter der Inneren Mission gewährleistet. Teil der Beratung sind auch Clearingaspekte, die zu einer Legalisierung führen können. Eine Prüfung der Mittellosigkeit der Zielgruppe erfolgt nicht. Bremen geht davon aus, dass 100 % der Kontakt aufnehmenden Menschen mittellos sind. Andere würden sich direkt an Ärztinnen, Ärzte und Kran- kenhäuser zwecks privat finanzierter Behandlung wenden. Die Beratung ist freiwillig. Hier werden auch, soweit Hilfesuchende dies zulassen, persönliche Daten in einer Datenbank registriert. Ge- schätzt 95 % der Hilfesuchenden bestehen nicht auf Anonymität. Die Erhebung und Verarbeitung der Daten erfolgt durch einen Wohlfahrtsverband, nicht durch die Behörde, da der Wohlfahrtsver- band nach Auffassung des Gesundheitsamtes nicht meldepflichtig ist und damit keine strafbare Handlung im Sinne des Aufenthaltsgesetzes begeht, wenn anonyme Daten nicht der Meldebehörde weitergegeben werden. Als Teil des Clearingverfahrens versteht Bremen auch die Frage der Finanzierung der medizini- schen Leistungen. Das Verfahren insgesamt (Clearing, Behandlung etc.) verläuft soweit die Kon- taktnehmenden darauf bestehen anonym, sodass Hilfesuchende nicht damit rechnen müssen aus der Illegalität geholt zu werden. Freie und Hansestadt Hamburg: Das Hamburger Modell sieht zunächst ein Clearingverfahren vor. Hier werden von der Clearingstel- le im Einzelfall geprüft: 1. der aufenthaltsrechtliche Status, 2. ist eine Offenbarung der Identität möglich? 3. Gibt es einen Krankenversicherungsschutz im Heimatland oder in Deutschland? 4. Gibt es Sozialleistungsansprüche (SGB II, SGB XII, AsylbLG)? Wenn keine Integration in die Regelversorgungssysteme möglich ist, erfolgt gegebenenfalls die Übernahme einer Akutversorgung durch den Notfallfonds, wenn keine Selbsthilfemöglichkeit be- steht. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3481 9 Es ist kein Bundesland bekannt, in dem Menschen ohne definierten Aufenthaltsstatus medizinische Leistungen vermittelt und vom Land finanziert bekommen, die über eine Basis- bzw. Notfallversor- gung hinausgehen. Eine Gleichstellung der Personengruppe mit Krankenversicherten erfolgt dem- zufolge auch nicht. Niederlande: In den Niederlanden gibt es eine Fondsstiftung, die sich aus Geldern der niederländischen Regie- rung (Steuergelder und Gelder aus Krankenkassenbeiträgen) finanziert. Regulär arbeitende Praxen und Hebammen können nach Behandlung eines papierlosen Menschen einen Antrag beim Fonds stellen und die Kosten im Nachhinein erstattet bekommen. Die Erfahrungen zeigen, dass das Er- stattungsverfahren mit einem hohen Verwaltungsaufwand auf beiden Seiten verbunden ist und lan- ge Zeiträume in Anspruch nimmt. Erkenntnisse aus anderen Mitgliedstaaten der EU liegen nicht vor. Zu 17: Eine Notfallversorgung der Menschen aus der Zielgruppe ist nicht gewährleistet, jedenfalls nicht un- ter Wahrung der Anonymität. Dies soll durch den Modellversuch sichergestellt werden. Eine medi- zinische Regelversorgung mit dem Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung ist nicht Ziel des Modellversuchs. Zu 18: Nein. Zu 19: Für die Beantwortung geht die Landesregierung davon aus, dass sich diese Frage auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bezieht, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraussetzt, dass der Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes gesichert ist. Warum eine „anonyme Abrechnung“ medizinischer Leistungen einen Anreiz zum rechtswidrigen Handeln darstellen soll, vermag sich der Landesregierung nicht zu erschließen. Zu 20: Wie in der Antwort zu Frage 19 ausgeführt, vermag die Landesregierung in einer „anonymen Ab- rechnung“ medizinischer Leistungen keinen Anreiz zum rechtswidrigen Handeln erkennen. Mangels eines solchen Anreizes stellt sich die Frage nach einem Verstoß gegen das vom Bundesverfas- sungsgericht konkretisierte Rechtsstaatsprinzip nicht. Zu 21: Wie schon in der Antwort zu Frage 4 dargestellt, stellt die gesetzliche Krankenversicherung eine Solidargemeinschaft von Beitragszahlern dar. Eine beitragslose Mitgliedschaft in der GKV wäre systemfremd. Eine Mitgliedschaft des genannten Personenkreises in der GKV käme deshalb nur in- frage, wenn entsprechende Krankenversicherungsbeiträge entrichtet würden. Dies kann nicht für den Personenkreis ohne definierten Aufenthaltsstatus zutreffen, weil diese Per- sonen nicht erfassbar sind, ohne dass sie aus ihrer Anonymität heraustreten. Sofern unter diesen Voraussetzungen für den erweiterten Personenkreis eine Ausdehnung der Versicherungspflicht erwogen würde, wäre sicherzustellen, dass nicht eine Besserstellung gegen- über regulär krankenversicherten Personen stattfindet (vgl. § 16 Abs. 3 a SGB V). Unter Berücksichtigung der dargelegten Prinzipien setzt sich Niedersachsen vorrangig für die Ab- schaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und eine Einbeziehung der betroffenen Personen- gruppen in die bestehenden Leistungssysteme nach Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) und Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und damit auch für eine Gesundheitsversorgung auf dem Niveau der Gesetzlichen Krankenversicherung ein. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3481 10 Zu 22: Nein. Das Bestreben der Landesregierung muss sein, Menschen in die Legalität zu verhelfen. Dies soll durch obligatorische Beratungsangebote unterstützt werden. Dennoch ist es erforderlich, auch dem Kreis der Personen ohne definierten Aufenthaltsstatus eine medizinische Notfallversorgung zu ermöglichen. Dies schulden die Bürgerinnen und Bürger des Landes ihrer Verfassung. Cornelia Rundt (Ausgegeben am 19.05.2015) Drucksache 17/3481 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage- Drucksache 17/3093 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Petra Joumaah, Dr. Max Matthiesen, Burkhard Jasper,Volker Meyer, Gudrun Pieper, Annette Schwarz und Angelika Jahns (CDU), eingegangen am03.03.2015 Anonymer Krankenschein, anonyme Abrechnung und anonymisierte Chipkarte - Ist bei derInanspruchnahme medizinischer Leistungen „legal“ oder „illegal“ künftig egal? Antwort der Landesregierung Anlage 1 Anlage 2