Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3495 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3342 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Annette Schwarz, Frank Oesterhelweg, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Gerda Hövel, Martin Bäumer, Karin Bertholdes-Sandrock, Karl-Heinz Bley, André Bock, Christian Calderone, Helmut Dammann-Tamke, Clemens Große Macke, Ingrid Klopp, Editha Lorberg, Gudrun Pieper und Heiner Schönecke (CDU), eingegangen am 15.04.2015 Verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept aus dem Internet Gemäß § 48 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes (AMG) dürfen verschreibungspflichtige Medikamente nicht ohne ärztliche Verordnung abgegeben werden, d. h. die Vorlage eines gültigen Rezepts ist er- forderlich. Dies soll Patienten vor einer Fehlmedikation schützen. Die Praxis bei sogenannten Onlineapotheken sieht anders aus. Hier können verschreibungspflichti- ge Medikamente auch ohne Rezept online bestellt werden. Natürlich können auch Onlineapotheken sich nicht über geltendes Arzneimittelrecht hinwegsetzen. Aus diesem Grund arbeiten diese Apo- theken mit niedergelassenen Ärzten zusammen. Beworben wird dies im Internet mit Texten wie beispielweise folgendem: „Es wird für Ihre Bestel- lung der rezeptpflichtigen Medikamente keine Vorlage eines Rezepts von Ihrem Hausarzt benötigt. Sobald Sie Ihr Medikament, z. B. ein Verhütungsmittel oder auch ein Potenzmittel, ausgewählt ha- ben, füllen Sie einfach den dort nachfolgenden Gesundheitsfragebogen aus. Danach erstellt ein in der EU zugelassener Arzt der Apotheke das Rezept für Sie und leitet alles an die Versandapotheke weiter. So einfach kann das Bestellen von rezeptpflichtigen Arzneimittel online sein, Sie ersparen sich somit den Gang zum Arzt, die lästige Wartezeit und brauchen auch nicht anschließend zur Apotheke gehen. Genießen auch Sie die vielen genialen Vorteile der Bestellung von Medikamenten über unsere Seite. Die von uns empfohlene Apotheke ist in der EU übrigens offiziell zugelassen und registriert. Somit ist auch sichergestellt, dass Sie wirklich nur original Medikamente bekommen und nicht irgendwelche billigen Kopien aus Asien, die leider vermehrt über bestimmte unseriöse Apotheken im Internet angeboten werden.“ (Quelle: https://de-de.facebook.com/Pille.rezeptfrei. kaufen) Der Sitz dieser Onlineapotheken ist in der Regel in Holland oder England, wo Ärzte ein Rezept auch aufgrund einer Onlinekonsultation ausstellen dürfen, d. h. das verschreibungspflichtige Re- zept wird basierend auf einem vom Patienten online ausgefüllten Gesundheitsfragebogen ausge- stellt, wie auch oben aufgeführt. Für die Patienten ist dies absolut legal, da sich jeder Bürger der EU seinen Arzt frei aussuchen darf, auch in anderen EU-Ländern. Wir fragen die Landesregierung: 1. In welchem Umfang werden die Onlineapotheken von niedersächsischen Patienten genutzt? 2. Will die Landesregierung etwas unternehmen, damit verschreibungspflichtige Medikamente nur gegen ein vom betreuenden Hausarzt oder Facharzt ausgestelltes, gültiges Rezept aus- gehändigt werden können und damit die Gefahr einer Fehlmedikation ausgeschlossen werden kann, gegebenenfalls was? 3. Sieht die Landesregierung eine Gefährdung von Patienten, die Medikamente ohne Rückspra- che mit ihrem Arzt auf dem oben beschriebenen Weg erlangen? 4. Welche Kenntnis hat die Landesregierung darüber, ob die Möglichkeit der rezeptfreien Bestel- lung missbräuchlich genutzt wird? 5. Wie beurteilt die Landesregierung die beschriebene Praxis vor dem Hintergrund zunehmender Antibiotikaresistenzen? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3495 2 6. Erleichtert die Nutzung einer Onlineapotheke den Zugang zu Medikamenten mit besonderem Suchtpotenzial? (An die Staatskanzlei übersandt am 21.04.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 13.05.2015 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 402.3a-41301/12/9 - Zum Zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften hatte sich der Bundesrat bereits 2012 (BR-Drs. 91/12) für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungs- pflichtigen Arzneimitteln ausgesprochen. Der Bundesrat hat dabei festgestellt, dass die uneinge- schränkte Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln zu einer Verminderung der Patienten- sicherheit geführt hat. Weil von Patientinnen und Patienten nicht klar zwischen legalen und illegalen Versandangeboten von Arzneimitteln unterschieden werden kann, ist in Deutschland die Gefahr der Verbreitung von Arzneimittelfälschungen gestiegen. Gefälschte Arzneimittel können tödlich sein. Der Bundesrat hat weiter festgestellt, dass die Sicherheit der Patientinnen und Patienten und der Erhalt der gut funktionierenden Arzneimittelversorgung über Apotheken ein Verbot des Versand- handels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln erfordern. Die Bundesregierung hatte diesem Antrag mit Verweis auf einen Verstoß gegen EU-Recht nicht entsprochen. Im Bereich des Gesundheitsschutzes können jedoch die Mitgliedstaaten bei erforder- lichem hohem Schutzniveau ergänzende Vorschriften erlassen. So wurden bereits Arzneimittel, die den Wirkstoff Thalidomid (ehemals u. a. unter dem Namen Contergan verkauft) enthalten sowie für zur Notfallkontrazeption zugelassene Arzneimittel mit den Wirkstoffen Levonorgestrel oder Ulipris- talacetat, vom Versandhandel nach § 17 Abs. 2 b der Apothekenbetriebsordnung ausgeschlossen. Im Zusammenhang mit der „Verordnung zur Umsetzung der Regelungen der Europäischen Union über die Anerkennung von in anderen Mitgliedstaaten ausgestellten ärztlichen und zahnärztlichen Verschreibungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten“ (BR-Drs. 615/13) wurde die Problematik der Fernbehandlung und der damit verbundenen Ausstellung von Online-Rezepten diskutiert und eine Entschließung gefasst. Darin richtet der Bundesrat eine entsprechende Prüfbitte an die Bun- desregierung, wie sich vor dem Hintergrund des Artikels 11 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a der Richtlinie 2011/24/EU 1 die ausnahmsweise Nichtanerkennung von Verschreibungen aus den Mitgliedstaaten der EU, die ohne persönlichen Patientenkontakt ausgestellt werden, arzneimittel- bzw. apotheken- rechtlich umsetzten lässt. Diesem Entschließungsantrag hatte Niedersachsen zugestimmt. Wenn Fernbehandlungen durch Ärzte ohne Patientenkontakt erfolgen und in diesem Zusammen- hang gegebenenfalls auch Online-Rezepte durch Ärztinnen oder Ärzte ausgestellt werden, dann verstößt dies in Deutschland gegen ärztliches Berufsrecht. Nach § 73 Abs. 1 Satz 3 AMG veröffentlicht das Bundesministerium für Gesundheit in regelmäßi- gen Abständen eine aktuelle Übersicht über die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die anderen Vertragsstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums, in denen für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln dem deutschen Recht vergleichbare Sicherheitsstan- dards bestehen. Diese Standards regelt § 11 a des Apothekengesetzes. Darüber hinaus wird auf die Arzneimittelverschreibungsverordnung hingewiesen. Die letzte Bekanntmachung erfolgte am 5. Juli 2011 mit Veröffentlichung im Bundesanzeiger Nummer 107- Seite 2552. Der Bundesverband Deutscher Versandapotheken veröffentlicht Zahlen für seinen Bereich. Der Apothekenversandhandel umfasst Arzneimittel und Gesundheitsmittel sowie Kosmetika und Medi- zinprodukte. Gemessen am gesamten Apothekengeschäft entfällt auf den Versandhandel nur ein 1 RICHTLINIE 2011/24/EU DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3495 3 kleiner Anteil mit knapp 3 %. Und verschreibungspflichtige Arzneimittel sind davon nur zu einem Viertel betroffen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Es liegen der Landesregierung keine Zahlen darüber vor, inwieweit niedersächsische Bürgerinnen und Bürger das dargestellte Angebot von der Ausstellung eines Onlinerezeptes ohne direkten Arzt- kontakt und der anschließenden Belieferung über eine Onlineapotheke innerhalb der EU aber au- ßerhalb der Bundesrepublik Deutschland nutzen. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwie- sen. Zu 2 und 3: Aus ärztlicher Sicht ist die Verschreibungspflicht ein sinnvolles Instrument, die Patientensicherheit zu stärken. Die korrekte Indikation bei Vorliegen einer entsprechenden Diagnose und die Beobach- tung von Wirkung und Nebenwirkung sowie die Aufklärung dazu im direkten Patientenkontakt sollte die Grundlage einer Pharmakotherapie bilden. Welche Arzneimittel einer Verschreibungspflicht un- terliegen und welche nicht, ist daher dem Bundesministerium für Gesundheit nach intensiver fachli- cher Diskussion vorbehalten. Diese Grundlagen sollten nicht durch Onlinehandel unterbunden wer- den. Die Landesregierung sieht in der reinen Fernbehandlung ohne vorherigen unmittelbaren Kontakt zwischen Arzt und Patient Gefahren für die Patientengesundheit, wie etwa das erhöhte Risiko von Fehldiagnosen. Deshalb hat die Landesregierung schon 2013 dem Entschließungsantrag zur BR-Drs. 615/13 zugestimmt. Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Zu 4 und 6: Die Nutzung des Internets ist für viele Menschen alltäglich geworden. Über Internetplattformen tau- chen vermeintlich verlockende Angebote zum Bezug von Arzneimitteln auf. Bei Bekanntwerden von Angeboten, die den Eindruck der Illegalität erwecken, wird versucht, die Anbieter zu identifizieren, um die Seiten sperren zu lassen. Legale Angebote sind durch das Versandhandelslogo zu erkennen, das vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information vergeben wird. Die Echtheit des Zertifikats kann der Verbraucher durch einfaches Anklicken des Logos in der Internetpräsenz der Versandapotheke überprüfen. Mit der Richtlinie 2001/81/EG Artikel 85 c, dem „Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel,“ wird ab dem 26.06.2015 ein gemeinsames europäisches Versandhandelslogo eingeführt. Es dient dem Zweck, die Nationalität des Versandhändlers anzuzeigen mit Hinweisen auf nationale Rechtsvor- schriften und einen besseren Schutz vor gefälschten Arzneimitteln von unseriösen Anbietern zu gewähren. Arzneimittel mit besonderem Suchtpotenzial unterliegen genau aus dem Grund der Verschrei- bungspflicht. Wenn Arzneimittel im Wege des Versandhandels abgegeben werden, dann nur von Apotheken mit Versandhandelserlaubnis. Eine Erleichterung der Zugänge kann mithin nur auf ille- galem Weg erfolgen. Zu 5: Jede Antibiotikagabe kann die Entwicklung und Vermehrung antibiotikaresistenter Bakterien för- dern. Daher sollten diese Medikamente nur dann eingesetzt werden, wenn eine bakterielle Infektion vorliegt oder in bestimmten Fällen eine solche verhindert werden soll, wie beispielsweise im Zu- sammenhang mit operativen Eingriffen. In den meisten Fällen werden Erkältungskrankheiten, die z. B. mit Fieber, Husten, Schnupfen, Glieder-, Hals- oder Ohrenschmerzen einhergehen, durch Viren und nicht durch Bakterien ausge- löst. Antibiotika wirken jedoch nicht gegen Viren und sind daher häufig nicht sinnvoll, wenn derarti- ge Symptome auftreten. Für die Abgrenzung ist in der Regel ein Arztbesuch mit Gespräch und Un- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3495 4 tersuchung erforderlich. Dass eine entsprechende Diagnose telefonisch gestellt werden kann, wird bezweifelt. Gemeinsam mit dem Landesgesundheitsamt, der Ärztekammer und der Apothekerkammer hat das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung einen Flyer entwickelt, der dazu beitragen soll, Patientinnen und Patienten sowie Eltern von erkrankten Kindern über die Antibiotikatherapie aufzuklären. Hier wird die Bedeutung der ärztlichen Diagnosestellung als Grundlage für die Ver- schreibung von Antibiotika herausgehoben: „Nehmen Sie keine Antibiotika ohne ärztliche Verordnung ein, auch wenn Sie gute Erfahrungen gemacht haben.“ Dass Deutschland im europäischen Vergleich bezüglich der verordneten Antibiotika im unteren Be- reich liegt, wird auch auf die Verschreibungspflicht zurückgeführt. Vor diesem Hintergrund sollten alle Mechanismen unterbunden werden, die die Verschreibungspflicht und die damit in Verbindung stehende korrekte Diagnosestellung zum Einsatz von Antibiotika unterlaufen, um so die Entwick- lung von Antibiotikaresistenzen zu begrenzen. Cornelia Rundt (Ausgegeben am 21.05.2015) Drucksache 17/3495 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3342 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Annette Schwarz, Frank Oesterhelweg, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Gerda Hövel, Martin Bäumer, Karin Bertholdes-Sandrock, Karl-Heinz Bley, André Bock, Christian Calderone, Helmut Dammann-Tamke, Clemens Große Macke, Ingrid Klopp, Editha Lorberg, Gudrun Pieper und Heiner Schönecke (CDU), eingegangen am 15.04.2015 Verschreibungspflichtige Medikamente ohne Rezept aus dem Internet Antwort der Landesregierung