Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3496 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3364 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Förster- ling, und Christian Dürr (FDP), eingegangen am 16.04.2015 Nullsummenspiel Mütterrente? Am 1. Juli 2014 ist die Mütterrente in Kraft getreten. Durch sie wird die Erziehung von Kindern, die vor 1992 geboren wurden, nicht mehr nur noch mit einem, sondern mit zwei Entgeltpunkten bewer- tet. Konkret erhöht sich damit der Rentenbetrag um 28 Euro im Westen bzw. um 25 Euro im Osten - brutto. Abgezogen werden müssen also noch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Steuern. Allerdings kommen nicht alle theoretisch betroffenen Mütter in den Genuss dieser Erhöhung. Leer gehen die Frauen aus, die zur Vermeidung von Altersarmut staatliche Grundsicherung beziehen. In diesem Fall wird die Mütterrente nämlich nicht ausgezahlt, sondern mit den Leistungen der Grund- sicherung verrechnet, wodurch sie faktisch keinen Cent mehr erhalten. Auch bei Frauen, die eine Witwenrente bekommen, wird der zusätzliche Entgeltpunkt zur Kinderer- ziehung als Einkommen veranschlagt. Diese beiden Regelungen führen dazu, dass in vielen Fällen nicht die Mütter, sondern die Staats- kasse von der Mütterrente profitiert. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie viele Frauen in Niedersachen beziehen die sogenannte Mütterrente? 2. Bei wie vielen dieser Frauen kommt es ganz oder teilweise zu einer Verrechnung mit Mitteln aus der staatlichen Grundsicherung (bitte jeweils in absoluten Zahlen und prozentual von der Gesamtzahl)? 3. Bei wie vielen dieser Frauen kommt es ganz oder teilweise zu einer Verrechnung mit Mitteln aus einer Witwenrente (bitte jeweils in absoluten Zahlen und prozentual von der Gesamt- zahl)? 4. Wie hoch ist, ausgehend von diesen Zahlen, die Summe, die alleine für Niedersachsen von der Rentenkasse und nicht vom Bundeshaushalt getragen werden muss? 5. Ist der Landesregierung auch die bundesweite Belastung der Rentenkasse bekannt, und, wenn ja, wie hoch ist diese? 6. Sieht die Landesregierung durch die beschriebene Situation das Prinzip, dass eine gesetzli- che Rentenversicherung, die als Pflichtversicherung organisiert wird, auch einen soziale Aus- gleichsfunktion erfüllen muss, als verletzt an? (An die Staatskanzlei übersandt am 23.04.2015) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3496 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 13.05.2015 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 105.21 - 43 540-1/164 - Mit dem Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrenten sowie zur Anerkennung von Kinderer- ziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung (HEZG) vom 11.07.1985 ist erstmals die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt worden. Für Zeiten der Erziehung eines Kindes wurde zunächst ein Jahr Kindererziehungszeit bei der Ren- tenberechnung berücksichtigt. Durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 - RRG 1992) und die Einführung des Sechsten Buches Sozialgesetz- buch (SGB VI) vom 18.12.1989 ist die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten weiter verbes- sert worden. Für Zeiten der Erziehung eines Kindes ab dem 01.01.1992 wurde die anrechnungsfä- hige Kindererziehungszeit auf drei Jahre verlängert. Für Kindererziehungszeiten vor 1992 blieb es bei der bisherigen Regelung. Die sogenannte Mütterrente wurde durch den Bundesgesetzgeber als ein Teil des sogenannten Rentenpakets durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversi- cherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz) in das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt. Für Zeiten der Erziehung vor 1992 geborener Kinder bekommen Mütter oder Väter ab dem 01.07.2014 ein zusätzliches Jahr mit Kindererziehungszeiten angerechnet. Dies entspricht unter Berücksichtigung der derzeit geltenden aktuellen Rentenwerte regelmäßig einer Erhöhung der Brut- torente von 28,61 Euro im Westen und 26,39 Euro im Osten. Bei leistungsberechtigten Personen, die Grundsicherung im Alter oder bei voller Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhalten, ist eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich anrechenbares Einkommen (§ 19 Abs. 2 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 41 Abs. 1 Satz 1 und § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Mithin führt eine Rentenerhöhung aufgrund eines oder mehrerer zusätzlicher Entgeltpunkte aufgrund einer Be- willigung der Mütterrente zu einem zu berücksichtigenden höheren Einkommen. Nach § 97 Abs. 1 S. 1 SGB VI ist Einkommen (§§ 18 a bis 18 e SGB IV) von Hinterbliebenenren- tenberechtigten, das mit einer Rente wegen Todes zusammentrifft, auf diese Rente anzurechnen. Auch in diesem Kontext kann die zusätzliche „Mütterrente“ zu einer Erhöhung des berücksicht i- gungsfähigen Einkommens führen. Rentenerhöhungen aufgrund der zusätzlichen Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung haben sich bereits vor dem 01.07.2014 grundsätzlich sozialleis- tungsmindernd ausgewirkt. Zahlen allein für Niedersachsen lassen sich aus dem Datenbestand der Deutschen Rentenversi- cherung nicht isoliert darstellen. Dies ist darin begründet, dass Rentenempfängerinnen und -em- pfänger mit Wohnsitz in Niedersachsen ihre Rente z. B. auch von der Deutschen Rentenversiche- rung Bund oder einem anderen Regionalträger beziehen können. Die nachfolgenden Antworten zu den Fragen 1, 3 und 4 beziehen sich daher lediglich auf diejeni- gen Rentnerinnen und Rentner, die von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Oldenburg- Bremen und Braunschweig-Hannover betreut werden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Anzahl der Bezieherinnen und Bezieher der „Mütterrente“ stellt sich nach Auskunft der nieder- sächsischen Rentenversicherungsträger wie folgt dar: Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3496 3 DRV Braunschweig-Hannover: 375 623 Rentnerinnen und Rentner, DRV Oldenburg-Bremen: 98.264 Rentnerinnen und Rentner. Zu 2: Die Bundesstatistik zur Sozialhilfe sieht eine Erhebung der Einkünfte in dieser differenzierten Form nicht vor. Zu 3 und 4: Daten in der gewünschten Abgrenzung liegen in den Statistiken der Deutschen Rentenversiche- rung nicht vor. Zu 5: Die Kosten für die Mütterrente werden, wie die anderen Bestandteile des Rentenpakets auch, wei- testgehend aus den Mitteln der gesetzlichen Rentenversicherung finanziert. Der Bund beteiligt sich an der Finanzierung des gesamten Rentenpakets ab dem Jahr 2019 durch eine zusätzliche Erhö- hung des allgemeinen Bundeszuschusses zur Rentenversicherung. Die vom Gesetzgeber im RV-Leistungsverbesserungsgesetz bis zum Jahr 2030 prognostizierten bundesweiten Kosten für die Mütterrente in Milliarden Euro werden nachfolgend dargestellt: 2014: 3,3, 2015: 6,7, 2016: 6,7, 2017: 6,6, 2018: 6,6, 2019: 6,6, 2020: 6,6, 2025: 6,5, 2030: 6,1. Zu 6.: Die soziale Ausgleichsfunktion der gesetzlichen Rentenversicherung wird durch die Anrechnung der „Mütterrente“ auf die Grundsicherungsleistungen und Hinterbliebenenrenten nach Auffassung der Landesregierung in der bestehenden sozialrechtlichen Systematik nicht verletzt. Die Anrechnung der (erhöhten) Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als gegenüber der Sozialhilfe vorrangige Sozialleistung entspricht dem Grundsatz der Subsidiarität von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII als steuerfi- nanzierte Leistung der Allgemeinheit. Die Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel SGB XII tritt nur insoweit ein, als ein zur Existenzsicherung und gegenwärtigen Bedarfsdeckung vorrangiges ausreichendes eigenes Einkommen nicht verfügbar ist (§ 2 SGB XII). Die „Mütterrente“ ist als Anerkennung für die erbrachte Erziehungsleistung vor 1992 geborener Kinder gedacht, die vielfach unter ungünstigeren gesellschaftlichen Rahmenbedingungen erfolgte, als dies heute der Fall ist. Diese Erziehungsleistung soll stärker gewürdigt werden als bisher. Die gesetzliche Rentenversicherung ist sowohl auf künftige Beitragszahlerinnen bzw. Beitragszah- ler als auch auf eine fortwährende Entrichtung von monetären Beiträgen angewiesen. Mütter älterer Jahrgänge beziehen bisher oft die niedrigsten Renten, insbesondere wenn sie mehrere Kinder großgezogen haben. Ihre Lebensleistung besser anzuerkennen, ist nach Ansicht der Landesregie- rung ein Ausdruck der Generationengerechtigkeit. Dadurch wird auch die Glaubwürdigkeit der ren- tenrechtlichen Leistungsversprechen an die Angehörigen der jungen Generation unterstrichen, wenn sie sich ihren Kinderwunsch erfüllen wollen. Cornelia Rundt (Ausgegeben am 21.05.2015) Drucksache 17/3496 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3364 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling, und Christian Dürr (FDP), eingegangen am 16.04.2015 Nullsummenspiel Mütterrente? Antwort der Landesregierung