Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3497 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3291 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Gabriela König und Sylvia Bruns (FDP), eingegangen am 19.03.2015 Probleme bei der Stärkung der Innenentwicklung Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist die Stärkung der Innenentwicklung nach Einschätzung von Experten ein entscheidender Grundsatz der Siedlungsentwicklung. Grund hierfür ist, dass die Ausdehnung von Siedlungsstrukturen mit hohen infrastrukturellen Inves- titions- und Folgekosten verbunden ist, deren Refinanzierung aufgrund der erwarteten negativen Nachfrageveränderung fraglich ist. Folglich gelte es, vorhandene Brachflächen zu revitalisieren und gegebenenfalls vorhandene Be- bauung zu sanieren, zu modernisieren oder, in letzter Konsequenz, durch Neubauten zu ersetzen. Letzteres kann aber dann zu Problemen führen, da durch den Abriss - konsequenterweise - der Bestandsschutz des alten Gebäudes erlischt. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass die Innenentwicklung gestärkt werden sollte? 2. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dass es Gebäude geben kann, bei denen eine Sa- nierung wirtschaftlich nicht mehr vernünftig und die weitere Nutzung des Grundstücks nur noch durch einen Neubau sicherzustellen ist? 3. Wie beurteilt die Landesregierung grundsätzlich die Problematik des Erlöschens von Be- standsschutz hinsichtlich der Grenzabstände bei Neubebauungen? a) Hält die Landesregierung es für vorstellbar, dass das Erlöschen des Bestandsschutzes durch die Reduzierung der bebaubaren Breite dazu führen kann, dass eine Neubebau- ung von Grundstücken wirtschaftlich nicht mehr darstellbar ist? b) Sofern dies der Fall ist: Plant die Landesregierung eine Änderung des § 5 NBauO, die sich dieser Problematik annimmt, beispielsweise durch eine Formulierung, die es ermög- licht, dass bei Abriss eines Altbaus der bisherige Grenzabstand auch für den Neubau gelten kann, sofern die zu ersetzende Wand zu dem (jeweiligen) Nachbarn in Breite, Höhe sowie mit Fenstern nicht verändert wird? c) Wenn nicht, warum nicht? 4. Sind der Landesregierung ähnliche „Bestandsschutzprobleme“ bekannt? 5. Sofern dies der Fall ist, um welche „Bestandsschutzprobleme“ handelt es sich, gibt es schon konkrete Überlegungen, diesen abzuhelfen, und, wenn ja, wie sehen diese aus? (An die Staatskanzlei übersandt am 09.04.2015) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3497 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 18.05.2015 für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - 503-01424/2-LT 17/3291 - Die Städtebaupolitik des Landes will die Städte und Gemeinden bei der Bewältigung der Verände- rungsprozesse begleiten und unterstützen. Diese Stadtentwicklungspolitik zielt auf Urbanität, auf Nutzungsvielfalt und auf Lebendigkeit. Zudem ist sie auf energetische Erneuerung im Bestand, auf Wiederherstellung und Sicherung funktionsfähiger Zentren und Quartiere sowie auf Stadtbildpflege und Baukultur gerichtet. Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung bedeutet nicht nur der zukunftsfähige Umgang mit regiona- len und globalen Ökosystemen, sondern auch nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Generationenge- rechtigkeit, Lebensqualität und sozialer Zusammenhalt. Als Auftrag formuliert heißt das: Ressour- cen effektiv nutzen, Umweltfreundlichkeit und damit Lebensqualität erhöhen sowie gleichzeitig wirt- schaftliche Wettbewerbsfähigkeit steigern und den sozialen Zusammenhalt stärken. Der demografische Wandel, hohe Infrastrukturkosten sowie Energieeffizienz und Klimaschutz er- fordern eine nachhaltige Siedlungsentwicklung, die sich verstärkt auf den Siedlungsbestand kon- zentriert. Hier ist die Innenentwicklung als Chance zu sehen: Die Entscheidungsträger in den kom- munalen Parlamenten haben die verantwortungsvolle Aufgabe, den Schutz und die Entwicklung der natürlichen Ressourcen - hier des Bodens - für kommende Generationen zu gewährleisten. Zur Nachhaltigkeit in der Stadtentwicklung zählt deshalb der sparsame Umgang mit Grund und Bo- den als wichtiger Bestandteil der Generationsgerechtigkeit. Fläche ist nicht beliebig vermehrbar. Hierbei muss der Innenentwicklung von Städten und Gemeinden eindeutig Vorrang vor Siedlungs- erweiterungen in Rand- und Außenbereichen einräumt werden, damit funktionsgerechte, attraktive und finanzierbare Siedlungsstrukturen in Niedersachsen dauerhaft erhalten werden. Es geht also konkret darum, städtebauliche Brachen und leerstehende Gebäude neu zu nutzen, klimawirksame Freiflächen zu erhalten und zu vernetzen sowie die Bodenversiegelung zu reduzieren. Grund und Boden sind die zentralen Ressourcen für Siedlungs- und Verkehrsflächen und wesentliche Indikato- ren der nachhaltigen Stadtentwicklung. Beim umfassenden Ressourcenschutz gehört die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme durch eine schonende und effiziente Flächennutzung zu den großen Herausforderungen einer nachhalti- gen Stadtentwicklung. Insbesondere die Bauleitplanung ist das Instrument, mit der Siedlungs- und Verkehrsflächen für eine bauliche Nutzung vorbereitet werden. Auch die Stärkung der Innenent- wicklung und der sparsame Umgang mit Grund und Boden sind originäre städtebauliche Aspekte aus dem Baugesetzbuch, die als planungsrechtliches Optimierungsgebot zu verstehen sind. Aus dem Erfordernis, die knappe Ressource Fläche effizient zu bewirtschaften, resultiert eine dem städ- tebaulichen Nachhaltigkeitsgedanken verpflichtete Flächenhaushaltspolitik, die auch im Bauge- setzbuch normiert ist. Zentrales Element in der Bauleitplanung ist die Bodenschutzklausel (§ 1 a Abs. 2 Baugesetzbuch). Die Bodenschutzklausel dient dem flächensparenden Bauen. Die Rege- lung zielt also auf einen wesentlichen umweltpolitischen Aspekt der Bauleitplanung, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Eine Aufwertung innerörtlicher Lagen und die Bestandserneuerung wurden auf Bundesebene for- ciert durch die Novellierungen des Baugesetzbuchs mit beschleunigten Verfahren für Bebauungs- pläne der Innenentwicklung. Auch das Entwicklungs- und Sanierungsrecht und das Recht des Stadtumbaus haben maßgebliche Bedeutung für die Verringerung des Flächenverbrauchs, insbe- sondere durch die Stärkung der Innenentwicklung und die damit verbundene Vermeidung, neue Flächen im Außenbereich in Anspruch zu nehmen. Die Wiedernutzbarmachung von aufgegebenen Flächen (z. B. brachliegende Industrie-, Konversions- oder Eisenbahnflächen) ist in der Städte- bauförderung als ein Schwerpunkt definiert worden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3497 3 Auch im Rahmen der Förderung der integrierten ländlichen Entwicklung wird der Schwerpunkt in der Dorfinnenentwicklung gesehen. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Ja. Zu 2: Ja, es kann Gebäude geben, für die eine Sanierung aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr ren- tabel ist. Zu 3: Bestandsschutz bedeutet, dass eine bauliche Anlage, die errichtet wurde, zu einem Zeitpunkt dem öffentlichen Baurecht uneingeschränkt entsprach und damit zugelassen wurde oder ohne Bauge- nehmigung zulässig war. Beim Erlöschen des Bestandsschutzes ist jeder Einzelfall zu betrachten. Mit der Neufassung der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) im Jahr 2012 wurden die Grenz- abstände grundsätzlich reduziert, sodass nun geringere Abstände zu den Grundstücksgrenzen ge- fordert werden. Im Vergleich zu den vorher geltenden Abstandsvorschriften sind deshalb keine Probleme erkennbar. Zu 3 a: Im Einzelfall kann bei Grundstücken sehr geringer Breite und wenn zudem aus planungsrechtlichen Gründen das Aneinanderbauen ausgeschlossen ist, eine Bebauung nicht möglich bzw. wirtschaft- lich nicht sinnvoll sein. Dass dies im Zusammenhang mit bestandsgeschützten Gebäuden der Fall sein soll, ist nicht vorstellbar. Zu 3 b und c: Ein Änderungsbedarf von § 5 NBauO („Grenzabstände“) wird seitens der Landesregierung nicht gesehen. § 5 NBauO fordert Grenzabstände aus Gründen der ausreichenden Belichtung und Belüftung sowie des Brandschutzes. Dass der Abriss eines bestandsgeschützten Gebäudes zur Unbebaubarkeit ei- nes Grundstückes führt, ist schwer vorstellbar. Im Einzelfall ist in enger Abstimmung zwischen Bauherrin oder Bauherrn mit der Bauaufsichtsbehörde zu prüfen, ob gegebenenfalls über § 66 NBauO („Abweichungen“) eine für beide Seiten baurechtlich vertretbare Lösung gefunden werden kann. Die NBauO ermöglicht nach Auffassung der Landesregierung bereits genügend flexible Mög- lichkeiten. Zu 4 und 5: Ja, der Landesregierung sind einzelne Fälle im Altstadtbereich mit Fachwerkhäusern bekannt, die den Abstandsvorschriften hinsichtlich der Grenzabstandshaltung der NBauO insbesondere vor dem Hintergrund des Brandschutzes Probleme bereiten. Hier ist in jedem Einzelfall eine Lösung zu fin- den. Cornelia Rundt (Ausgegeben am 21.05.2015) Drucksache 17/3497 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3291 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Gabriela König und Sylvia Bruns (FDP), eingegangen am 19.03.2015 Probleme bei der Stärkung der Innenentwicklung Antwort der Landesregierung