Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3569 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3353 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Volker Bajus und Elke Twesten (GRÜNE), eingegangen am 16.04.2015 Einsatz von Diesel als Zusatzstoff bei Frackbohrungen In der Antwort auf eine Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ralf Borngräber legte die Landesre- gierung im April 2011 die Zusammensetzung der Frackflüssigkeiten offen, die bei Frackeinsätzen im Erdgasfeld Söhlingen eingesetzt wurden (Drs. 16/3591). Der Aufstellung lässt sich entnehmen, dass an der Bohrung Söhlingen Z15 bis zu diesem Zeitpunkt fünf Fracks vorgenommen wurden, bei denen insgesamt 5 388 kg Diesel eingesetzt wurden. Diesel ist ein Gemisch aus Kohlenwasserstoffen, das gesundheits- und umweltgefährdende Stoffe enthält. Diesel gilt als karzinogen und als schädlich für Wasserorganismen. Diesel ist in die Was- sergefährdungsklasse 2 eingeordnet. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Zu welchem Zweck wurde Diesel bei Frackmaßnahmen eingesetzt? 2. Wie viele Frackvorgänge mit Einsatz von Diesel wurden in Söhlingen Z15 durchgeführt? 3. Sind der Landesregierung weitere Frackmaßnahmen in Niedersachsen bekannt, bei denen Diesel als Zusatzstoff eingesetzt wurde? Wenn ja, wann und wo? 4. Kam es bei den Einsätzen von Diesel als Zusatzstoff zu Schäden oder Unfällen? 5. Wie bewertet die Landesregierung das Gefährdungspotenzial der eingesetzten Dieselmen- gen? 6. War der Einsatz von Diesel an der Bohrung Söhlingen Z15 genehmigt? 7. Unterliegt die Zusammensetzung der Zusätze, die bei einer Frackmaßnahme zum Einsatz kommen, der Genehmigungspflicht? 8. Ist der Einsatz von Diesel als Zusatzstoff für Frack-Einsätze nach derzeitiger Rechtslage in Niedersachsen genehmigungsfähig? Falls ja, sieht die Landesregierung hier Handlungsbe- darf? 9. Warum plant die Landesregierung, den Einsatz von Frackflüssigkeiten auf Gemische zu be- schränken, die der untersten Wassergefährdungsklasse entsprechen? (An die Staatskanzlei übersandt am 21.04.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 18.05.2015 für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Z3-01424/0020/3353/Frackbohrungen - Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser und mineralischen Stützmitteln eingesetzt, dem Addi- tive (verschiedene Chemikalien) nur soweit zugesetzt werden, wie dies den Umständen entspre- chend erforderlich ist. Die Anzahl und Mengen der beim Fracking eingesetzten Additive variieren Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3569 2 dabei in Abhängigkeit der geologischen Gegebenheiten (z. B. Gesteinstemperaturen) sowie den Eigenschaften der Gesteine und der Tiefe der Lagerstätte. Jedes Additiv erfüllt dabei einen be- stimmten oder mehrere Zwecke, sodass die Zusammensetzung der Frac-Fluide für jedes Vorhaben individuell abgestimmt wird. Im Laufe der letzten fünf Jahrzehnte hat eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Frac-Techno- logie stattgefunden, was u. a. zu einer erheblichen Reduzierung der eingesetzten Additive führte. So wurden bei den letzten drei Frac-Maßnahmen in Niedersachsen im Juni/Juli 2011 (Buchhorst T12, Höhnsmoor Z1, Völkersen Nord Z5a) Stoffgemische eingesetzt, die einen Chemikalienanteil von 2,57 bis 3,8 % aufgewiesen haben. Im Vergleich dazu lag der Chemikalienanteil bei einem Frac in der Bohrung Söhlingen Ost Z4 im Mai 1991 noch bei 19,7 %. Die Erdgasindustrie geht davon aus, dass bei zukünftigen Frac-Behandlungen die Zusammenset- zungen von Frac-Flüssigkeiten in der Größenordnung von 97 bis 99,8 % Wasser, 0,2 bis 3 % Addi- tive (bezogen auf den Flüssigkeitsanteil) und 5 bis 30 % Stützmittel (bezogen auf das Gesamtfluid) liegen werden. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Diesel wurde als additiver Bestandteil von Frac-Flüssigkeiten verwendet, um beim Frac-Vorgang unerwünschte chemische und physikalische Reaktionen in der Lagerstätte zu vermeiden bzw. zu verringern (z. B. Wasserblockbildung, Verstopfungen). Zu 2: Im Mai 2003 wurde in der Bohrung Söhlingen Z15 nacheinander fünf einzelne Frac-Behandlungen durchgeführt (sogenannter Multi-Frac). Dabei kamen drei unterschiedlich zusammengesetzte Frac- Flüssigkeiten zum Einsatz, von denen zwei Diesel enthielten. Insgesamt wurden 5 388 kg Diesel bei dem Multi-Frac in der Bohrung Söhlingen Z15 verpumpt. Zu 3: Es existiert bisher keine statistisch auswertbare Auflistung sämtlicher Einzelsubstanzen, die bei den derzeit bekannten 326 einzelnen Frac-Maßnahmen in Niedersachsen verwendet wurden. Ange- sichts der zur Verfügung stehenden Bearbeitungszeit und des teilweise lückenhaften Informations- gehaltes älterer Aktenbestände sind daher belastbare Auskünfte, ob und in welchem Umfang Die- sel oder Dieselbegleitstoffe auch bei anderen Frac-Vorhaben in Niedersachsen anteilig eingesetzt wurde, im Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage nicht möglich. Das im laufenden Bundesratsverfahren (BR-Drs. 143/15) zur Anpassung des Wasserhaushaltsge- setzes für Frac-Maßnahmen vorgesehene Stoffregister, das von der Landesregierung unterstützt wird, soll zukünftig eine detailscharfe standortabhängige Auflistung aller Inhaltsstoffe von Frac-Flüs- sigkeiten gewährleisten. Zu 4: Der Landesregierung sind keine Hinweise oder Tatsachen bekannt, dass es in der Vergangenheit zu Umweltschäden oder Unfällen im Zusammenhang mit der Durchführung von Frac-Maßnahmen mit Diesel als Additiv gekommen ist. Zu 5: Diesel weist aufgrund seiner Stoffeigenschaften ein Gefährdungspotenzial auf. Gemäß der Europä- ischen Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung) ist Diesel heutzutage, wie folgt einzustufen und zu kennzeichnen: – Entzündbare Flüssigkeit, Kategorie 3, – Aspirationsgefahr, Kategorie 1, – Akute Toxizität, Kategorie 4 (Einatmung), – Ätz-/Reizwirkung auf die Haut, Kategorie 2, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3569 3 – Kanzerogenität, Kategorie 2, – Spezifische Zielorgan-Toxizität bei wiederholter Exposition, Kategorie 2, – Chronisch aquatische Toxizität, Kategorie 2. Zum Zeitpunkt der Genehmigung der Frac-Maßnahmen in der Bohrung Söhlingen Z15 wurde das Risiko einer unkontrollierten Freisetzung des verwendeten Diesels verbunden mit einer Gefährdung von Grund- und Trinkwasser vom damaligen Landesbergamt Clausthal-Zellerfeld, Außenstelle Cel- le, als gering und das Vorhaben insgesamt als zulassungsfähig beurteilt. Zu 6: Auf Antrag des Erdgasproduzenten ExxonMobil Production Deutschland GmbH wurde der Nach- trag zum Bohrbetriebsplan „Perforations- und Frac-Arbeiten in der Horizontalbohrung Söhlingen Z15“ vom damaligen Landesbergamt Clausthal-Zellerfeld, Außenstelle Celle, am 08.05.2003 genehmigt . Zu 7: Entsprechend der aktuellen Rechtslage hat die Bergbehörde im Zusammenhang mit Frac-Vorha- ben u. a. zu prüfen, ob die Vorgaben der Europäischen Verordnungen (EG) Nr. 1907/2006 zur Re- gistrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH-Verordnung) sowie der CLP-Verordnung hinsichtlich der zum Einsatz kommenden Frac-Fluide beachtet worden sind. Diese Maßgabe ist auch Gegenstand eines Erlassentwurfs, welcher die Rahmenbedingungen für mögliche zukünftige Genehmigungen von Frac-Vorhaben in konventionellen Sandsteinlagerstätten definiert und der zurzeit vom Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz sowie vom Ministe- rium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr im Dialog mit Bürgerinitiativen, Umweltschutzverbänden, der Wasserversorgungswirtschaft, den zuständigen Fachbehörden und der Industrie erarbeitet wird. Zu 8: Nach derzeitiger Rechtslage wäre der Einsatz von Diesel als Additiv in Frac-Flüssigkeiten geneh- migungsfähig, sofern eine Grund- und Trinkwassergefährdung unwahrscheinlich ist und das Ge- samtgemisch die Vorgaben des Chemikalienrechts, insbesondere der Reach- und der CLP-Verord- nung erfüllt. Vor diesem Hintergrund hat sich die Landesregierung im Bundesratsverfahren (BR-Drs. 143/15) u. a. dafür eingesetzt, dass zukünftig nur noch Gemische verwendet werden dür- fen, die im ungünstigsten zulässigen Mischungsverhältnis nicht als gefährlich gemäß der CLP-Ver- ordnung einzustufen sind. Darüber hinaus sieht der o. g. Erlassentwurf der Landesregierung vor, dass lediglich Gemische verwendet werden dürfen, die nicht höher als schwach wassergefährdend (Wassergefährdungs- klasse 1) einzustufen sind. Das Umweltbundesamt stuft Diesel als wassergefährdend ein (Wasser- gefährdungsklasse 2). Zu 9: Aus Gründen des vorbeugenden Grund- und Trinkwasserschutzes beabsichtigt die Landesregie- rung künftig nur noch Frac-Gemische zuzulassen, die nicht höher als schwach wassergefährdend (Wassergefährdungsklasse 1) einzustufen sind. Eine weitergehende Verschärfung ist von der Lan- desregierung nicht geplant. Olaf Lies (Ausgegeben am 01.06.2015) Drucksache 17/3569 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3353 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Volker Bajus und Elke Twesten (GRÜNE), eingegangen am 16.04.2015 Einsatz von Diesel als Zusatzstoff bei Frackbohrungen Antwort der Landesregierung