Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3584 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3363 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling und Christian Dürr (FDP), eingegangen am 16.04.2015 Containern Containern bezeichnet die Mitnahme weggeworfener Lebensmittel aus Abfallcontainern. Unter den Containerern, also den Personen, die sich von Container-Abfall ernähren, sind bedürftige Men- schen und politische Aktivisten, die auf diese Weise ein Zeichen gegen die Verschwendung von Lebensmitteln in großen Mengen setzen oder die Lebensmittelwirtschaft nicht durch Konsum unter- stützen wollen. Das Containern erfolgt normalerweise bei Abfallbehältern von Supermärkten, aber auch bei Fabri- ken. Die Lebensmittel werden meist aufgrund von abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdaten, Druck- und Gammelstellen oder auch schlicht als Überschuss weggeworfen. Viele dieser Lebensmittel sind jedoch ohne wesentliche Geschmacks- und Qualitätseinbußen und ohne erhöhtes gesundheit- liches Risiko verzehrbar. Allerdings setzten sich die Containerer in Deutschland der Gefahr einer Strafverfolgung aus, da hier, im Gegensatz zu anderen Ländern, wie beispielsweise in Österreich oder in der Schweiz, Containern strafbewehrt sein kann. Denkbar sind beispielsweise Verstöße gegen die §§ 123, 242 oder 248 a StGB oder auch umwelt- und abfallrechtliche Verstöße. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie bewertet sie die Strafbarkeit des Containerns im Allgemeinen? 2. Sind der Landesregierung Fälle in Niedersachsen bekannt, in denen das Containern zu Straf- anzeigen oder polizeilichen Ermittlungsarbeiten geführt hat? 3. Wurden in Niedersachsen bereits Strafen für die Entnahme von verfallenen Lebensmitteln aus Abfallbehältern verhängt, und, wenn ja, welche? 4. Sofern der Landesregierung Fälle im Sinne der Frage 2 oder 3 bekannt sind: Ist nachvollzieh- bar, welcher Schaden in diesen Fällen jeweils durch die Lebensmittelentnahme entstanden ist? (An die Staatskanzlei übersandt am 23.04.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Justizministerium Hannover, den 26.05.2015 - 4000 I – 402. 293 - Die Fragen beantworte ich namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Strafbarkeit des „Containerns“ kann nicht allgemein bewertet werden. Wie immer hängt die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens von den Umständen des Einzelfalls ab. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3584 2 Zu 2: Die Polizeiliche Kriminalstatistik Niedersachsen enthält keine Daten zum sogenannten Containern. Im Rahmen einer Recherche im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem für den Zeitraum vom 01.01.2014 bis zum 29.04.2015 konnten insgesamt sieben Fälle festgestellt werden, bei denen po- lizeiliche Ermittlungen eingeleitet wurden, weil nicht frei zugänglich gelagerte abgelaufene Lebens- mittel entwendet wurden. Da das Phänomen „Containern“ nicht standardisiert erfasst wird, erhebt das vorbezeichnete Mengengerüst keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen des sogenannten Containerns sind in der Praxis äu- ßerst selten. Bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg war im Jahr 2013 ein Ermittlungsverfahren gegen mehrere Jugendliche anhängig, denen vorgeworfen wurde, Chips mit abgelaufenem Haltbarkeitsdatum aus einem vor einem Supermarkt abgestellten Container entwendet zu haben. Die Verfahren wurden nach § 45 Abs. 1 JGG eingestellt. Im Bereich der Staatsanwaltschaft Osnabrück sorgten im März 2013 vier junge Frauen und Männer für Schlagzeilen, die aus Protest gegen die „Wegwerfgesellschaft“ Lebensmittel aus dem Container eines Supermarkts mitnehmen wollten, wobei einer aus der Gruppe über eine verschlossene Stahl- tür klettern musste, die dabei beschädigt wurde. Der Ausgang des Verfahrens ist der Landesregie- rung nicht bekannt. In einem ähnlich gelagerten Fall im Oktober 2013 nahm der Inhaber des Su- permarkts seinen zunächst gestellten Strafantrag nach einem klärenden Gespräch mit den Tätern wieder zurück. Bei der Staatsanwaltschaft Göttingen sind keine einschlägigen Verfahren in Erinnerung. Bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig waren in den letzten Jahren maximal zehn Verfahren dieser Art anhängig. Unter den Beschuldigten befanden sich nahezu ausschließlich Täter, die aus finanzieller Not heraus handelten, in einem einzigen Fall hatte der Beschuldigte sich als politischer Aktivist be- zeichnet. Im Bereich der Generalstaatsanwaltschaft Celle sind insgesamt fünf Verfahren bekannt, in denen es in den letzten fünf Jahren im Zusammenhang mit „Containern“ zur Einleitung von strafrechtl i- chen Ermittlungsverfahren gekommen ist. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass keine gesonderte Erfassung entsprechender Verfahren er- folgt, weshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass es in Niedersachsen weitere Fälle gegeben hat. Zu 3: In keinem der bekannten Fälle sind rechtskräftig Strafen verhängt worden. Soweit in einem Fall ein Angeklagter wegen der Wegnahme von 15 zur Entsorgung bestimmten Packungen Kekse aus einem auf einem umzäunten Grundstück eines Backbetriebs aufgestellten Müllcontainer wegen des Vorwurfs des Hausfriedensbruchs durch das Amtsgericht zu einer Geld- strafe von 25 Tagessätzen verurteilt worden war, ist dieses Urteil in der Berufungsinstanz aufgeho- ben und der Angeklagte freigesprochen worden. Das Berufungsurteil ist rechtskräftig geworden, weil die Staatsanwaltschaft mit Blick auf den Bagatellcharakter der angeklagten Tat und der seit der Tatbegehung verstrichenen Zeit von der Durchführung eines Revisionsverfahrens abgesehen hat. In den übrigen Fällen wurden die Verfahren eingestellt. Vorgänge mit Verunreinigungen des Tatorts wurden nach Einstellung im Hinblick auf die Straftat zur Verfolgung der Abfallordnungswidrigkeit an die Bußgeldbehörde abgegeben. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3584 3 Zu 4: Zu den sieben im polizeilichen Vorgangsbearbeitungssystem NIVADIS festgestellten Fällen wurden jeweils folgende Schadenshöhen durch das erlangte Gut angegeben: – zweimal ohne Wert, – zweimal 1 Euro, – einmal 42,67 Euro, – einmal 50 Euro und – einmal 60,63 Euro. Die Diebstahlsschäden in den im Bereich der Staatsanwaltschaft Braunschweig in den letzten Jah- ren anhängigen Verfahren betrugen maximal 10 Euro. Darüber hinaus ist die Höhe der Diebstahlsschäden nicht nachvollziehbar. Die im Einzelfall aufgrund der Beschädigung oder Zerstörung von Hindernissen auf dem Weg zu den Abfallcontainern entstandenen Sachschäden können nicht beziffert werden. Gleiches gilt für die Kosten für die Beseitigung der Verunreinigungen. Antje Niewisch-Lennartz (Ausgegeben am 08.06.2015) Drucksache 17/3584 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3363 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling und Christian Dürr (FDP), eingegangen am 16.04.2015 Containern Antwort der Landesregierung