Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3585 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3139 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Ernst-Ingolf Angermann, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöh- rens, Helmut Dammann-Tamke, Ingrid Klopp, Frank Oesterhelweg, Otto Deppmeyer, Ulf Thiele und Martin Bäumer (CDU), eingegangen am 10.03.2015 Welche Größenordnung haben die Kompensationsmaßnahmen im Landkreis Leer? Der Landkreis Leer ist nach Einschätzung von Experten in Niedersachsen der Kreis mit dem höchs- ten Anteil von Kompensationsflächen. Schon in der Vergangenheit sind im Landkreis Leer für zahl- reiche Projekte umfassend Flächen aus der Bewirtschaftung durch Landwirte genommen worden, um sie für Kompensationsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Mit dem jetzt bekannt gewordenen Masterplan Ems sollen der Landwirtschaft mindestens weitere 700 ha entzogen werden. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie groß ist der Landkreis Leer (in Quadratkilometern und in Hektar)? 2. Wie groß ist die landwirtschaftliche Nutzfläche im Landkreis Leer? 3. Wie groß ist die Menge aller Kompensationsflächen im Landkreis Leer (in Hektar)? 4. Wie stellt sich der Anteil aller Kompensationsflächen im Verhältnis zur Gesamtfläche und zur landwirtschaftlichen Nutzfläche dar? 5. Wie viel Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche im Landkreis Leer wurde zu Kompensati- onsfläche bzw. soll in Zukunft insgesamt in Kompensationsfläche umgewandelt werden? 6. Welche Kompensationsmaßnahmen sind der Landesregierung aktuell bekannt, die noch nicht umgesetzt und daher noch nicht in der Antwort unter Frage 2 enthalten sind? 7. Wie stellt sich der Anteil der umgesetzten und noch umzusetzenden Kompensationsmaß- nahmen im Verhältnis zur Gesamtfläche des Landkreises Leer dar? 8. Welche Flächen sind als FFH-Gebiet oder Vogelschutzgebiet gesichert bzw. sollen zukünftig noch gesichert werden, und wie groß sind diese Flächen insgesamt? 9. Welche Fläche eines Landkreises muss nach Einschätzung der Landesregierung für die Landwirtschaft reserviert werden, damit die Ernährung der Bevölkerung sichergestellt werden kann? (An die Staatskanzlei übersandt am 16.03.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 26.05.2015 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - MinBüro-01425/17/7/01-0062 - Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung gemäß Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) ver- pflichtet seit 1976 unter bestimmten Voraussetzungen zu Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen. Die- se naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sowie Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des § 1 Abs. 3 Baugesetzbuch werden im Folgenden als Kompensationsmaßnahmen be- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3585 2 zeichnet. Es wird hier davon ausgegangen, dass die Fragesteller diese Definition zugrunde gelegt haben. Eine Beanspruchung von Flächen durch Kompensationsmaßnahmen führt nicht zwangsläufig zu einer Aufgabe der bisherigen Nutzung. Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind nicht in jedem Fall mit einer Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung der betreffenden Grundflächen verbunden. In bestimmten Fällen setzen die Kompensationsmaßnahmen eine Fortsetzung der landwirtschaftli- chen Nutzung, allerdings unter stärkerer Integration von Zielen des Naturschutzes und der Land- wirtschaft, voraus. Diese Flächen mit Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen werden dann also gerade nicht der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen. Mit Datum vom 16.02.2013 ist die Niedersächsische Verordnung über das Kompensationsver- zeichnis (NKompVzVO) in Kraft getreten. Damit ist in Niedersachsen erstmals vorgeschrieben, dass die Naturschutzbehörden ein Verzeichnis der Lage der für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Anspruch genommenen Flächen zu führen haben. Der in der Anfrage vorgetragenen Einschätzung, wonach der Landkreis Leer in Niedersachsen der Kreis mit dem höchsten Anteil von Kompensationsflächen sein soll, kann seitens der Landesregie- rung weder zugestimmt noch widersprochen werden, weil es die Vorgängerregierung unterlassen hat, eine gesetzliche Verpflichtung zur Übermittlung aller im Kompensationsverzeichnis erfassten Angaben an eine Landesdienststelle zu veranlassen, die dann diese Angaben landesweit auswer- ten könnte. Insofern sind vergleichende Auswertungen derzeit nicht möglich. Das Land Niedersachsen will mit dem Masterplan Ems, der am 25.03.2015 in Kraft getreten ist, der Europäischen Kommission gegenüber deutlich machen, dass nunmehr alle regionalen Akteure der Emsregion einschließlich Bund und Land in der Lage sind, einen seit Jahrzehnten schwelenden Konflikt um die - nun als gleichwertig anerkannten - ökologischen und ökonomischen Interessen miteinander in Einklang zu bringen. Die europäischen Vorgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG), der Vogelschutz-Richtlinie (2009/147/EG), der Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (2008/56/EG) sollen mit der Umsetzung des vertraglich vereinbarten Masterplans erfüllt werden. Ziel ist es damit auch, ein drohendes Vertragsverletzungs- verfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. Im Rahmen der Umsetzung des Masterplans Ems wird das Land ein Flächenmanagement für Maßnahmen zur Wiederherstellung naturnaher Lebensräume durchführen. Mit dem noch zu erstel- lenden Flächenmanagementkonzept sollen zeitlich gestaffelt bis 2025 200 ha, bis 2035 insgesamt 400 ha, bis 2045 insgesamt 600 ha und bis 2050 insgesamt 700 ha Fläche für Naturschutzmaß- nahmen beschafft werden. Dies sind durchschnittlich 20 ha Fläche pro Jahr. Von den 700 ha Ge- samtfläche sollen 500 ha für Maßnahmen für ästuartypische Lebensräume und 200 ha zum Wie- senvogelschutz grundsätzlich im Binnenland entwickelt werden, die außerhalb der bestehenden FFH-Schutzgebiete liegen sollen. Damit verbleiben zumindest ca. 200 ha zum Wiesenvogelschutz, die auch weiterhin, aber dann mit Einschränkungen im Hinblick auf die Belange der Wiesenvögel, der Landwirtschaft zur Verfügung stehen bzw. auch eine landwirtschaftliche Nutzung erfordern. Im Rahmen des Flächenmanagements soll auf eine ausgewogene Verteilung der Gesamtfläche von 700 ha auf die betroffenen Landkreise Aurich, Emsland, Leer und die Stadt Emden, die sich im Suchraum des Masterplans Ems für das Flächenmanagement befinden, geachtet werden. Es ist Ziel, die Flächensuche auf diese vier Gebietskörperschaften nach Möglichkeit gerecht auszudeh- nen. Da das Flächenmanagement erst gerade beginnt, liegen hierzu noch keine genauen Planun- gen vor. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Die Gesamtfläche des Landkreises Leer beträgt 1 085 km 2 bzw. 108 512 ha. Zu 2: Die landwirtschaftliche Nutzfläche im Landkreis Leer beträgt 69 883 ha (berechnet nach ALKIS: Nutzungen „Landwirtschaft“ + „Grünland“). Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3585 3 Zu 3: Der Landkreis Leer zeichnet sich durch eine weiterhin stabile Bevölkerungsentwicklung und eine dynamische wirtschaftliche Entwicklung aus. Der Landkreis ist zugleich geprägt durch seine land- wirtschaftlichen Strukturen mit vorwiegend flächenintensiven Grünlandbetrieben. In der Vergan- genheit bestanden und auch aktuell bestehen umfangreiche räumliche Anforderungen an die Be- reitstellung von Wohnbau- und Gewerbeflächen, für Infrastruktur und Energiemaßnahmen sowie für den Deich- und Hochwasserschutz. Besonders hinzuweisen ist auf die Bereitstellung von großräu- migen Flächen für Maßnahmen an der Ems (z. B. Überschlickungsflächen) sowie für den Kaver- nen- und Leitungsbau u. a. zur Anbindung von Offshorewindenergieanlagen. In Teilen des Land- kreises befinden sich umfangreiche Rohstoffvorkommen mit umfangreichen Bodenabbauvorhaben (Quarzsand und Torf). Hiermit verbunden sind gesetzlich notwendige Kompensationsmaßnahmen. Die mit Stand vom 20.03.2015 durch den Landkreis Leer systematisch und GIS-gestützt erfasste Fläche mit der Belegung von Kompensationsmaßnahmen (Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) be- trägt rund 5 414 ha. Die Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und die dafür in Anspruch genomme- nen Flächen werden gemäß § 17 Abs. 6 BNatSchG und in Verbindung mit der NKompVzVO beim Landkreis Leer als untere Naturschutzbehörde in einem Kompensationsverzeichnis erfasst. Das Kompensationsverzeichnis wurde bereits im Jahr 2003 freiwillig eingeführt und wird seitdem weiter ausgebaut. Über den gesetzlichen Auftrag des § 17 Abs. 6 BNatSchG hinaus werden darin auch Ausgleichsmaßnahmen geführt, die sich aus Bebauungsplänen ergeben. Der Großteil der bestehenden Kompensationsflächen wird der landwirtschaftlichen Nutzung nicht entzogen. Er wird mit naturschutzfachlichen Auflagen bewirtschaftet. Diese Flächen werden gleich- falls in die Nachweise für Prämienzahlungen und Gülleverwendung einbezogen. Ein Erreichen des Kompensationsziels ist hier nur möglich, wenn eine landwirtschaftliche Bewirtschaftung weiterhin durchgeführt wird. Zu 4: Der Anteil der systematisch erfassten Flächen mit Kompensationsbelegung im Landkreis Leer be- trägt im Verhältnis zur gesamten Landkreisfläche ca. 5 %, im Verhältnis zur landwirtschaftlichen Nutzfläche ca. 7,8 %. Zu 5: Wie bereits in der Antwort zu Frage 4 ausgeführt, beträgt der Anteil der erfassten Flächen mit Kompensationsbelegung im Landkreis Leer im Verhältnis zur landwirtschaftlichen Nutzfläche ca. 7,8 %. Eine mit ha-Zahlen belegte seriöse Prognose der künftigen Entwicklung ist nicht möglich. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass in Zukunft weiterhin Bedarfe insbesondere für Wohn- und Wirtschaftsentwicklung sowie für Energiebauvorhaben bestehen, die zu weiteren Flächenbe- darfen führen können. Zu 6: Gemeint dürfte hier der Verweis auf die Antwort zu Frage 3 statt zu Frage 2 sein. Der Landesregie- rung liegen keine Angaben über noch nicht umgesetzte Kompensationsmaßnahmen vor. Zu 7: Entsprechend der vorhergehenden Antworten sind darüber hinausgehende Aussagen hier nicht möglich. Zu 8: Die Gesamtfläche der Natura 2000-Gebiete (FFH-Gebiete und EU-Vogelschutzgebiete) im Land- kreis Leer beträgt 19 108 ha. Zwischen FFH- und EU-Vogelschutzgebieten bestehen flächenmäßi- ge Überlagerungen. Insgesamt 14 226 ha der Natura 2000-Gebiete sind bereits durch nationales Recht als Natur- oder Landschaftsschutzgebiete ausgewiesen. Differenziert ergeben sich folgende Werte: – FFH-Gebiete: 9 005 ha, davon sind bereits als Natur- oder Landschaftsschutzgebiete 5 275 ha ausgewiesen, Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3585 4 – Vogelschutzgebiete: 16 742 ha, davon sind bereits als Natur- oder Landschaftsschutzgebiete 13 896 ha ausgewiesen. Zu 9: Landwirtschaftlich nutzbare Flächen stehen nur in begrenztem Maße zur Verfügung. Sie sollen in erster Linie der Ernährung der Bevölkerung dienen. Vor diesem Hintergrund sind aus Sicht der Landesregierung alle konkurrierenden Nutzungsinteressen auch auf der Ebene der Landkreise sorgfältig gegeneinander abzuwägen. Gebiete, in denen die landwirtschaftliche Bodennutzung auf- grund einzelner oder mehrerer ihrer vielfältigen Funktionen erhalten bleiben soll, können in den Regionalen Raumordnungsprogrammen als Vorbehaltsgebiete Landwirtschaft festgelegt werden. In diesen Gebieten wird die besondere Bedeutung der Landwirtschaft gegenüber konkurrierenden Nutzungsansprüchen durch ein Berücksichtigungsgebot abgesichert. Die Festlegung von Vorbe- haltsgebieten Landwirtschaft soll auf der Grundlage einer Erhebung und Bewertung der regions- spezifischen Merkmale, Flächenansprüche und Funktionen der Landwirtschaft erfolgen. Hierfür stellt ein landwirtschaftlicher Fachbeitrag eine geeignete Planungsgrundlage dar. Stefan Wenzel (Ausgegeben am 08.06.2015) Drucksache 17/3585 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3139 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Ernst-Ingolf Angermann, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Helmut Dammann-Tamke, Ingrid Klopp, Frank Oesterhelweg, Otto Deppmeyer, Ulf Thiele und Martin Bäumer (CDU), eingegangen am 10.03.2015 Welche Größenordnung haben die Kompensationsmaßnahmen im Landkreis Leer? Antwort der Landesregierung