Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3610 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3340 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU), eingegangen am 15.04.2015 Die Angst vor dem Infraschall - Was tut die Landesregierung? Die Welt berichtet in ihrer Ausgabe vom 02.03.2015 in dem Artikel „Macht der Infraschall von Wind- kraftanlagen krank?“ über die jüngsten Entwicklungen zur Windkraft in Dänemark. Die Debatte über mögliche Gesundheitsgefahren, die von Windenergieanlagen ausgehen könnten, sei angestoßen worden, weil in einer Nerzfarm plötzlich erhebliche Tierverluste aufträten. Der Tierhalter führte die Verluste auf die Errichtung von vier Windkraftanlagen in einer Entfernung von 320 m vom Stall zu- rück. „Immer bei Westwind beißen die Weibchen ihre Jungtiere tot. Andere Neugeborene haben Missbildungen. Olesen“ (Tierhalter, Anm. des Fragestellers) „glaubt, dass der tieffrequente, für Menschen nicht mehr hörbare Schall der Windturbinen die Tiere verrückt macht.“ In dem Artikel wird zudem über ein Pflanzenzuchtunternehmen berichtet, welches Insolvenz anmelden musste, weil die Mitarbeiterinnen fristlos gekündigt hatten, aus Angst vor gesundheitlichen Problemen durch zuvor in der Nähe errichtete Windkraftanlagen. In dem Artikel heißt es u. a.: „Weil die Zahl der Anti-Windkraft-Gruppen rasch zunahm, gab die Regierung Ende 2013 eine Studie über mögliche Gesundheitsgefahren von Windkraftanlagen in Auf- trag. Dieser Forschungsauftrag hat weitreichende Folgen. Viele Kommunen, die in Dänemark die gesetzliche Planungshoheit haben, legten ihre Pläne für Windenergieprojekte auf Eis. Aus Rück- sicht auf verunsicherte Bürger wollen sie erst dann wieder neue Windparks zulassen, wenn 2017 das Ergebnis der Studie über Windkraftgefahren vorliegt. Ein faktisches Ausbaumoratorium, das sich dänische Windkraftgegner als ersten großen Erfolg anrechnen.“ Die der Landesregierung vorliegenden Studien zur Auswirkung von Infraschall konnten bisher kei- nen Nachweis von negativen Wirkungen von Infraschall unter der Wahrnehmungsschwelle erbrin- gen (vgl.: Drucksache 17/2240). Die Landesregierung führt aus: „Die ‚Machbarkeitsstudie zur Wirkung von Infraschall‘ des Umweltbundesamtes (UBA) vom Juni 2014 im Rahmen des Umweltfor- schungsplans des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit stellt daher fest: ‚Für eine negative Auswirkung von Infraschall unterhalb der Wahrnehmungsschwelle konnten bislang keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse gefunden werden, auch wenn zahlreiche Forschungsbeiträge entsprechende Hypothesen postulieren.‘“ Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die beschriebenen Verluste der dänischen Nerzfarm im Zusammenhang mit den dort neu entstandenen Windkraftanlagen? 2. Wie bewertet die Landesregierung die in dem Welt-Artikel beschriebenen Krankheitsfälle bei Menschen, ausgelöst durch Windenergieanlangen? 3. Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung in dem vormals sehr windenergiefreundli- chen Dänemark? 4. Hält die Landesregierung es für möglich, dass sich eine ähnliche Entwicklung auch in Nieder- sachsen ergeben könnte? 5. Welche Argumente hat die Landesregierung, um den Ängsten und Sorgen von Anliegern an Windenergieanlagen zu begegnen? 6. Welche Gesundheitsgefährdung geht nach Ansicht der Landesregierung von Windenergiean- lagen für Menschen und Tiere aus? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3610 2 7. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um bestehende Wissenslücken hinsichtlich der Auswirkungen von Windenergieanlagen zu schließen? 8. Welche Kenntnis hat die Landesregierung darüber, wie sich Windenergieanlagen auf die örtli- chen Wildbestände auswirken? 9. Ist die Jagdausübung unter Windenergieanlagen uneingeschränkt möglich? Wenn nein, wel- che Einschränkungen sieht die Landesregierung? Sind diese finanziell gegenüber dem Jagd- pächter auszugleichen? (An die Staatskanzlei übersandt am 21.04.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 28.05.2015 für Umwelt, Energie und Klimaschutz - MinBüro-01425/17/7/05-0010 - Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe der Landesregierung, Presseberichte zu Ereignissen und Zu- ständen im Ausland auf Ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen und zu kommentieren. Allerdings hat die Königlich Dänische Botschaft in Berlin auf Anfrage des baden-württembergischen Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft darauf hingewiesen, dass das dänische Ministerium für Klima, Energie und Bau die Aussagen des Artikels in Die Welt nicht bestätigen kann. Hinsichtlich der befürchteten gesundheitlichen Auswirkungen von Infraschall auf den Menschen haben sich seit der Beantwortung der Mündlichen Anfrage Nr. 31 in der Drucksache 17/2240 vom 24.10.2014 keine neuen fachlichen oder rechtlichen Sachverhalte ergeben. Nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse ist der von Windkraftanlagen erzeugte Infraschall bei den durch den hörba- ren Schall erforderlichen Abständen nicht mehr wahrnehmbar. Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Es wird auf die Vorbemerkung verwiesen. Das dänische Umweltministerium führt zu den in dem Ar- tikel geschilderten angeblichen Vorkommnissen auf einer dänischen Nerzfarm aus: „Das Kompe- tenzzentrum für Landwirtschaft und Pelztiere hat 2011 angegeben, dass Berichte über negative Auswirkungen für die Produktion von Nerzen - selbst bei einem Abstand von nur 200 Metern zu Windrädern - nicht vorliegen.“ Zu 2: Wenn Menschen, die in näherer oder fernerer Nachbarschaft zu Windkraftanlagen (WKA) leben, über gesundheitliche Beschwerden klagen und diese auf Auswirkungen von WKA zurückführen, ist damit entgegen der Unterstellung des Fragestellers eine Ursachen-Wirkungs-Beziehung zwischen den Beschwerden und der WKA nicht belegt. Eine Bewertung dieser Fälle sollte nicht durch die Landesregierung, sondern durch konsultierte Ärzte erfolgen. Im Übrigen ist es zunächst Aufgabe des Bundesgesetzgebers, hinreichenden Gesundheitsschutz im Einwirkungsbereich von emittierenden Anlagen zu gewährleisten. Dem ist er mit dem Bun- desimmissionsschutzgesetz und seinem untergesetzlichen Regelwerk nachgekommen. Der Lan- desregierung liegen keine belastbaren Erkenntnisse vor, dass die Anwendung dieser Vorschriften im Vollzug zu unzureichenden und die Gesundheit von Anwohnern gefährdenden Ergebnissen führte. Hinzuweisen ist speziell zum Infraschall auch auf die Feststellung des in dem Artikel zitierten Um- weltbundesamts, dass „gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Infraschallbelastungen von Windenergieanlagen in den untersuchten Fällen nicht so ausgeprägt waren, um die ‚Nachweisbar- keitsgrenze’ signifikant zu überschreiten. Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Infraschallbe- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3610 3 lastungen von Windenergieanlagen sind nach dem derzeitigen Stand des Wissens nicht zu erwar- ten.“ Diese Aussage hat es in seiner schriftlichen Stellungnahme zur Drucksache 17/1973 zur An- hörung im Ausschuss für Umwelt, Energie und Klimaschutz des Landtags am 2. März 2015 noch- mals bekräftigt. Zu 3: Der Duktus der Fragestellung unterstellt den Wahrheitsgehalt der Darstellung des Artikels in Die Welt. Dazu aus der Stellungnahme des dänischen Umweltministeriums: „Der Ausbau der Windkraft stagniert nicht. Im Jahr 2014 wurden Onshore-Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 106 MW errichtet und Anlagen mit einer Kapazität von insgesamt 29 MW de- montiert. Es gab einen Rückgang beim Ausbau im Vergleich zum Jahr 2013, der unter anderem durch veränderte Tarifbestimmungen seit dem 1. Januar 2014 begründet werden kann.“ Zu 4: Offensichtlich stellt sich die Entwicklung in Dänemark anders dar als in dem zitierten Beitrag darge- stellt. Die Landesregierung ist um den weiteren Ausbau der Windenergienutzung bemüht und hält dabei verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen für notwendig. Für das Gelingen der Energie- wende und die in Niedersachsen angestrebte 100-prozentige Energieversorgung aus erneuerbaren Energiequellen ist es erforderlich, auch die installierte Windkraftleistung weiter zu steigern. Zu 5: Die umwelt- und gesundheitlichen Auswirkungen konventioneller Anlagen zur Energiegewinnung sind im Vergleich zu denen der erneuerbaren Energien ungleich größer. Kohlekraftwerke zählen z. B. zu den größten Verursachern von Umweltschäden überhaupt. Sie emittieren neben dem kli- maschädlichen CO2 eine ganze Reihe anderer Schadstoffe wie Schwefeldioxid, Stickoxide, Queck- silber und Arsen. Gleichwohl können auch WKA nachteilige Auswirkungen auf den Menschen, die Kulturlandschaft, den Naturhaushalt und bestimmte Arten haben. Deshalb sind für die Planung und Genehmigung von WKA insbesondere die immissionsschutz-, die bau- und planungsrechtlichen sowie die natur- und artenschutzrechtlichen Belange zu berücksichtigen. Nur eine sorgfältige Prüfung aller in Be- tracht kommenden Belange vor Ort kann schließlich zu einer sachgerechten Abwägung und Ent- scheidung führen. Auf dieser Grundlage sieht die Landesregierung eine gute Möglichkeit, sowohl die Akzeptanz für diese ressourcen- und klimaschonende Art der Energieerzeugung zu erhalten und zu verbessern als auch die Ängste und Sorgen der Bürger und Bürgerinnen ernst zu nehmen. Die Regelungen des geplanten Windenergieerlasses sollen dazu dienen, den weiteren für die Um- setzung der Energiewende erforderlichen Ausbau der Windenergienutzung umwelt-, sozialverträg- lich und wirtschaftlich zu gestalten, das Konfliktpotenzial zu minimieren und den Rechtsrahmen aufzuzeigen. Zu 6: Gesundheitsgefährdungen für den Menschen sind bei Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen keine bekannt. Die Landesregierung beobachtet jedoch die laufenden Studien zur Lärmminderung und -wirkung insbesondere von Windkraftanlagen (s. Antwort zu Frage 7). Zur Gesundheitsgefährdung von Wildtieren hat die Tierärztliche Hochschule Hannover 2001 Unter- suchungen angestellt und kommt zu folgendem Ergebnis: „Für Hase, Fuchs, Rebhuhn und Rabenkrähe wurden im Vergleich zu den Kontrollgebieten höhere Dichten häufiger in den Windkraftanlagen-Gebieten berechnet. Für alle Wildarten wurde in allen Gebieten ganz überwiegend eine flächendeckende Nutzung - auch des Nahbereiches der WKA - bestätigt. Insgesamt konnte eine Meidung bestimmter Areale nicht nachgewiesen werden. Eine Ausnahme bildet hier der Zeitpunkt der Errichtung der Anlagen, der als sichere Störungszeit anzu- sehen ist. Gravierende Wirkungen wie Bestandsreduzierungen sind hier nicht die Folge möglicher Störreizquellen. Das Wild scheint sich an das Vorhandensein und den Betrieb der WKA gewöhnen zu können, da sie eine in Raum und Zeit kalkulierbare Störquelle darstellen.“ Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3610 4 Zu 7: Niedersachsen fördert die Forschung zur Geräuschminderung an den Rotoren und zur Schallaus- breitung (inklusive Infraschall) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Der Bund und Andere haben bereits Studien hinsichtlich der Auswirkungen von Windenergieanla- gen angeschoben. Das Umweltbundesamt hat ein auf Basis der „Machbarkeitsstudie zu Wirkungen von Infraschall“ durchzuführendes Forschungsvorhaben „Lärmwirkungen von Infraschallimmissionen“ in Auftrag gegeben (UFOPLAN 3714 51 100 0). Das Land Baden-Württemberg führt derzeit eine Studie zu Infraschall und WKA durch. Mit dem Endergebnis wird im Laufe des Jahres gerechnet. Niedersachsen wird die Ergebnisse dieser Studien abwarten, um diese dann in seinen Entschei- dungen berücksichtigen zu können. Zu 8: Bei einer dreijährigen Untersuchung der Aktivitäten von Wildtieren (Rehwild, Feldhase, Rotfuchs, Rebhuhn und Rabenkrähe) im Bereich von WKA durch das Institut für Wildtierforschung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover konnte keine Meidung festgestellt werden. Selbst der Nahbe- reich der Anlagen wurde flächendeckend als Lebensraum genutzt. Das Wild scheint sich an das Vorhandensein der WKA, die Geräuschemissionen und den Schattenwurf zu gewöhnen. Die Bau- zeit einer WKA hingegen muss als Störungszeit angesehen werden, wobei dies keine gravierenden Auswirkungen auf die Population der Tiere nach sich zieht. Zu 9: Unter Berücksichtigung der Unfallverhütungsvorschrift Jagd (VSG 4.4) vom 1. Januar 2000 ist die Jagdausübung unter WKA uneingeschränkt möglich. Stefan Wenzel (Ausgegeben am 09.06.2015) Drucksache 17/3610 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3340 - Wortlaut der Anfrage des Abgeordneten Martin Bäumer (CDU), eingegangen am 15.04.2015 Die Angst vor dem Infraschall - Was tut die Landesregierung? Antwort der Landesregierung