Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3613 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3336 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Annette Schwarz, Frank Oesterhelweg, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Gerda Hövel, Martin Bäumer, Karin Bertholdes-Sandrock, Karl-Heinz Bley, André Bock, Christian Calderone, Helmut Dammann-Tamke, Clemens Große Macke, Ingrid Klopp, Editha Lorberg, Gudrun Pieper und Heiner Schönecke (CDU), eingegangen am 15.04.2015 Raumbeduftungen und Kosmetika als versteckte Allergieauslöser? Aromalampen, Duftkerzen, Räucherstäbchen oder Raumspray: Im Handel gibt es jede Menge Duft- mittelchen, um der eigenen Wohnung oder öffentlich zugänglichen Räumen eine besondere Ge- ruchsnote zu verpassen. Auch im Einzelhandel werden zwecks Verkaufsförderung Duftstoffe ein- gesetzt. Die künstlichen Duftstoffe sollen eine angenehme Stimmung verbreiten sowie unangenehme Gerü- che überlagern. Allerdings sind die Inhaltsstoffe der meisten Duftsprays bzw. Raumbeduftungsmit- tel nicht klar ausgewiesen, z. B. wird von „ätherischen Ölen“ in dem Produkt gesprochen. Aber um welche Stoffe es sich genau handelt, ist für den Verbraucher nicht ersichtlich. Das kann vor allem für Allergiker zum Problem werden. Laut dem Deutschen Allergie- und Asthmabund e. V. trägt das Verbrennen in Duftlampen und Versprühen von Raumsprays nicht zur Verbesserung der Raumluft- qualität bei. Ganz im Gegenteil: Die Verbrennungsprodukte, aber auch die freigesetzten Duftstoffe können die Atemwege reizen, sodass empfindliche Personen, Allergiker und Asthmatiker auf diese Duftstoffe mit Kopfschmerzen, Kreislaufproblemen bis hin zu Asthmaanfällen reagieren. Nicht nur in sogenannten Lufterfrischern, sondern auch in vielen Kosmetikprodukten sind Duftstoffe und Konservierungsmittel enthalten. Ebenso sind einige UV-Filter, wie sie in Tagescremes einge- setzt werden, wissenschaftlich belegt Allergieauslöser. Viele Produkte werben mit Schlagwörtern wie „allergiegetestet“ oder „duftneutral“. Aber „duftneutral“ bedeutet lediglich, dass das Produkt kei- nen starken Eigengeruch hat. Duft- und Parfümstoffe können dennoch zugesetzt sein, um den oft eigenwilligen Geruch des puren Produkts zu überdecken. Diese Duftstoffe stehen im Verdacht, ebenfalls schwere Allergien auslösen zu können. Wir fragen die Landesregierung: 1. Hält die Landesregierung eine bessere Deklaration der Produkte für erforderlich? 2. In welcher Form kann die Deklaration praktikabel sein? 3. Sieht die Landesregierung einen Handlungsbedarf zum Schutz von Allergikern vor künstlichen Beduftungen in öffentlich zugänglichen Räumen? 4. Wie könnte nach Ansicht der Landesregierung ein besserer Schutz von Allergikern vor ge- sundheitsbeeinträchtigenden bzw. gesundheitsgefährdenden Raumbeduftungen erreicht wer- den? (An die Staatskanzlei übersandt am 21.04.2015) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3613 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 22.05.2015 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 202-44229-106 - Unverträglichkeiten und Allergien haben bei Menschen in den letzten Jahrzehnten stetig zuge- nommen. Vor allem Schleimhäute, Atemwege und die Haut reagieren sensibel auf natürliche Aller- gene (z. B. Blütenpollen, Hausstaub und Tierhaare) und auf synthetische Substanzen. Duftstoffe gehören nach Nickel zu den häufigsten Auslösern von Allergien. Cirka 1 bis 3 % der europäischen Bevölkerung sind von einer Duftstoffallergie betroffen. Meistens handelt es sich dabei um eine Kon- taktallergie, d. h. nach erfolgter Sensibilisierung durch einen oder mehrere Kontakte mit dem Aller- gieauslöser kommt es bei erneutem Kontakt zu der allergischen Reaktion. Diese kann sich als Juckreiz, Rötung oder Schwellung bis hin zur chronischen Hautentzündung äußern. Allergieauslö- sende Duftstoffe können sowohl natürlichen Ursprungs (pflanzliche Extrakte oder tierische Sekrete) als auch synthetisch hergestellt worden sein. In diesem Zusammenhang erwähnt werden sollte auch das Thema MCS (Multiple Chemikalien- überempfindlichkeit). Hierunter wird ein Beschwerdekomplex aus Allgemeinsymptomen wie Müdig- keit, Abgeschlagenheit, psychische Beeinträchtigungen und Störungen verschiedener Organsyste- me bezeichnet. Diese Symptome werden von den Betroffenen mit einem Kontakt gegenüber Che- mikalien unterschiedlicher Art in Verbindung gebracht, wobei Konzentrationen, die andere Men- schen ohne Schwierigkeiten vertragen, zu Beschwerden führen. Gesicherte Erkenntnisse, welche Ursachen dafür verantwortlich sind, existieren bisher nicht. Während die Wirkung von allergenen Duftstoffen bei Kontakt mit der Haut gut erforscht ist, ist bis- her offen, ob sie beim Einatmen sensibilisierend wirken und zur Entwicklung allergischer Erkran- kungen betragen können. So klagen zahlreiche Allergiepatienten nicht erst bei Hautkontakt mit die- sen Duftstoffen, sondern bereits bei starken Geruchseindrücken über Beschwerden. Dabei spielt es für die Auslösung allergischer Reaktionen keine Rolle, ob es sich bei dem Duft um ein natürliches oder ein künstlich hergestelltes Aroma handelt. Bisher konnte noch kein Fall nachgewiesen werden, der zeigt, dass allein das Einatmen eines al- lergenen Duftstoffes eine Allergie auslöst. Allerdings kann bei Allergikern eine bestehende Symp- tomatik verstärkt werden, wenn sie allergene Duftstoffe einatmen. Darüber hinaus haben sie zudem ein erhöhtes Risiko für Atemwegssymptome. Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Für kosmetische Mittel bestehen umfangreiche Deklarationsvorschriften. Die EU-Kosmetikverord- nung schreibt vor, dass die 26 vom Wissenschaftlichen Ausschuss Verbrauchersicherheit der EU als allergen eingestuften Duftstoffe bereits seit 2005 neben der allgemeinen Angabe „Parfum“ ex- plizit deklariert werden müssen, sobald sie bestimmte Gehalte in dem Produkt überschreiten. Im Jahr 2012 bewertete der Wissenschaftliche Ausschuss Verbrauchersicherheit der EU weitere Duft- stoffe. Die EU-Kommission hat daraufhin Mitte Februar 2014 einen Verordnungsvorschlag zur Kon- sultation veröffentlicht. Dieser sieht vor, dass die drei als „nicht sicher“ eingestuften Stoffe in kosmetischen Mitteln verboten werden sollen. Die Pflicht zur individuellen Angabe der allergenen Sub- stanzen in der Bestandteilsliste eines kosmetischen Mittels soll auf weitere 66 Duftstoffe bzw. Na- turextrakte ausgedehnt werden. Für kosmetische Mittel besteht außerdem die Pflicht, im Rahmen einer Liste der Bestandteile sämt- liche Inhaltsstoffe (inklusive Konservierungsmittel, UV-Filter) unter Verwendung einer einheitlichen Nomenklatur aufzulisten. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3613 3 Für Wasch- und Reinigungmittel (einschließlich Weichspüler) besteht ebenfalls eine Pflicht zur De- klaration der Inhaltsstoffe. Das Wasch- und Reinigungsmittelgesetz in Verbindung mit der EU-De- tergenzienverordnung schreibt in Anlehnung an die kosmetikrechtlichen Vorschriften die Angabe der allergenen Duftstoffe sowie die Kennzeichnung der verwendeten Konservierungsstoffe auf der Verpackung des Erzeugnisses vor. Sämtliche Inhaltsstoffe von Detergenzien müssen in Form eines „Datenblattes für die Öffentlichkeit“ aufgeführt und im Internet zur Verfügung gestellt werden. Die Website, auf der das Datenblatt zu finden ist, muss auf dem Erzeugnis angegeben werden. Für Erzeugnisse zur Raumbeduftung gibt es keine entsprechenden Deklarationspflichten wie für kosmetische Mittel oder Reinigungsmittel. In Abhängigkeit von der Zusammensetzung können sie jedoch unter die gefahrstoffrechtlichen Regelungen fallen. Hiernach müssen z. B. Zubereitungen, die als sensibilisierend eingestufte Stoffe enthalten (u. a. Limonen, Citral) bestimmte Warnhinweise tragen. Im Vergleich zur Anzahl der zu deklarierenden Duftstoffe bei kosmetischen Mitteln sind ge- fahrstoffrechtlich jedoch nur wenig Duftstoffe als sensibilisierend eingestuft, darüber hinaus ist die Angabe von Warnhinweisen erst ab höheren Gehalten vorgeschrieben. Im Hinblick darauf, dass bei Allergikern allergene Duftstoffe eine bestehende Systematik verstärken können, hält die Landesregierung es für sinnvoll, eine verbesserte Deklaration in Erzeugnissen zur Raumbeduftung zu prüfen. Darüber hinaus sollten die Inhaltsstoffe von Sprays verstärkt auf mögli- che Reaktionen der Atemwege getestet werden. Zu 2: Eine verbesserte Deklaration allergener Duftstoffe in Raumbeduftern könnte analog den Vorschrif- ten für kosmetische Mittel sowie Wasch- und Reinigungsmittel erfolgen. Zu 3: Die Beduftung öffentlicher Räume wie Kaufhäuser, Toiletten und Büros ist derzeit nicht geregelt. Wie unter 1. dargestellt, ist nach dem jetzigen Erkenntnisstand unklar, ob allergene Duftstoffe beim Einatmen zum Entstehen einer Allergie beitragen können. Da bei Allergikern durch diese Duftstoffe jedoch eine bestehende Systematik verstärkt werden kann und zudem ein erhöhtes Risiko für Atemwegssymptome besteht, wird bei diesem Personenkreis ein Schutzbedarf gesehen. Verbrau- cher sollten daher darüber informiert werden, wenn Duftstoffe in öffentlichen Räumen, etwa über die Klimaanlage, eingesetzt werden. Außerdem sollte hierbei auf den Einsatz hochallergener Duft- stoffe verzichtet werden, Hersteller solcher „Duftmarketing“-Verfahren sollten deshalb keine Duft- stoffe einsetzen, die bekanntermaßen Allergien auslösen. Zu 4: Es wird auf die Ausführungen unter Nummer 2 und 3 verwiesen. Christian Meyer (Ausgegeben am 09.06.2015) Drucksache 17/3613 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3336 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Annette Schwarz, Frank Oesterhelweg, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens, Gerda Hövel, Martin Bäumer, Karin Bertholdes-Sandrock, Karl-Heinz Bley, André Bock, Christian Calderone, Helmut Dammann-Tamke, Clemens Große Macke, Ingrid Klopp, Editha Lorberg, Gudrun Pieper und Heiner Schönecke (CDU), eingegangen am 15.04.2015 Raumbeduftungen und Kosmetika als versteckte Allergieauslöser? Antwort der Landesregierung