Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3638 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3391 - Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dem Urteil des Bundesverwaltungsge- richtes zu unzulässiger altersabhängiger Besoldung von Beamten? Anfrage des Abgeordneten Reinhold Hilbers (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 27.04.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 30.04.2015 Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums namens der Landesregierung vom 02.06.2015, gezeichnet Peter-Jürgen Schneider Vorbemerkung des Abgeordneten In der Folge einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 19.06.2014 erkannte das Bundesverwaltungsgericht mit Entscheidung vom 30.10.2014 Beamtinnen und Beamten des Bundes und der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt ausweislich der Pressemitteilung Nr. 65/14 Ansprüche wegen unzulässiger altersabhängiger Besoldung in geringem Umfang zu. Nach den Ausführungen des Gerichts haben Beamtinnen und Beamte unter bestimmten Voraus- setzungen einen Anspruch auf Entschädigung, weil die Höhe ihrer Bezüge entgegen den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf „alleine von ihrem Lebensalter abhängt“. In Anwen- dung der vom EuGH skizzierten und vom Bundesverwaltungsgericht in dem benannten Urteil fort- entwickelten Grundsätze erkannte das Gericht den betroffenen Beamtinnen und Beamten eine pauschale Entschädigung von 100 Euro pro Monat für einen gewissen, je nach Land anderen Zeit- raum zu. 1. Ist das niedersächsische Besoldungsrecht frei von Altersdiskriminierung im Sinne des Urteils des Europäischen Gerichtshofes ausgestaltet? Bis zur Föderalismusreform I im Jahr 2006 lag das Besoldungsrecht in der Gesetzgebungskompe- tenz des Bundes. Seitdem gilt für Niedersachsen das Bundesbesoldungsgesetz in der Fassung vom 31.08.2006 fort, soweit dieses nicht in Teilbereichen der Besoldung durch Landesrecht ersetzt worden ist. Die Regelungen zum Besoldungsdienst- bzw. Besoldungslebensalter der §§ 27, 28 BBesG a. F. für Beamtinnen und Beamte und des § 38 BBesG a. F. für Richterinnen und Richter, Staatsanwältin- nen und Staatsanwälte gelten in Niedersachsen derzeit noch übergangsweise fort. Das nieder- sächsische Besoldungsrecht ist insoweit noch nicht altersdiskriminierungsfrei ausgestaltet. 2. Falls nein, wann erfolgt nach Einschätzung der Landesregierung eine Anpassung der geltenden Rechtslage an die europarechtlichen Vorgaben? Eine Anpassung an die europarechtlichen Vorgaben und die aktuelle Rechtsprechung des Bundes- verwaltungsgerichts erfolgt durch die Neufassung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes im Rahmen des Gesetzentwurfs zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften. Der Gesetzentwurf und dessen Einbringung in den Landtag unter Beantragung einer sofortigen Ausschussüberweisung ist von der Landesregierung am 19.05.2015 beschlossen worden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3638 2 3. Falls nein, warum ist eine altersdiskriminierungsfreie Anpassung des Besoldungs- rechts in Niedersachsen bisher unterblieben? Die in diesem Zusammenhang ergangenen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 19.06.2014 und - national darauf aufsetzend - des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2014 wa- ren abzuwarten. Die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts liegen in ausgefertigter Schriftform erst seit Mitte Februar 2015 vor und wurden gründlich ausgewertet. 4. Welche anderen Länder haben ihr Besoldungsrecht bisher nicht frei von Altersdiskri- minierung im Sinne des Urteils des Europäischen Gerichtshofes ausgestaltet? Die anderen Länder haben in ihrem jeweiligen Besoldungsrecht zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in unterschiedlicher Weise auf Erfahrungsstufenregelungen umgestellt. Die aktuellen Entschei- dungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2014 - 2 C 3.13 u. a. - betreffen den Bund und die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt. Ob und inwieweit die jeweiligen gesetzlichen Regelungen in anderen Ländern altersdiskriminie- rungsfrei sind, hat das Bundesverwaltungsgericht nicht entschieden. 5. Welche Auswirkungen hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2014 auf Zahlungsansprüche von niedersächsischen Beamtinnen und Beamten wegen unzulässiger altersabhängiger Besoldung in der Vergangenheit? Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Wirkung für den Bund und die Länder Sachsen und Sach- sen-Anhalt entschieden, dass dort Entschädigungsansprüche bestehen können, wenn die jeweili- gen Widersprüche bis zum 08.11.2011 (zwei Monate nach der Entscheidung des EuGH vom 08.09.2011 in Sachen Hennigs und Mai - C-297/10 u. a. -) eingelegt worden sind. Die Auswirkun- gen dieser Entscheidung sind für Niedersachsen einzelfallbezogen zu ermitteln. 6. Welche Auswirkungen hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2014 auf Zahlungsansprüche von niedersächsischen Beamtinnen und Beamten wegen unzulässiger altersabhängiger Besoldung in der Zukunft? Mit dem Inkrafttreten der Neufassung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes und der damit verbundenen Umstellung auf Erfahrungsstufen wird zukünftig ein altersdiskriminierungsfreies Be- soldungsrecht geschaffen. 7. Welcher Zeitpunkt ist nach Auffassung der Landesregierung im Lichte der Entschei- dung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2014 für die Bemessung eines etwai- gen Zahlungsanspruches entscheidungserheblich (bitte soweit nicht anders möglich Fallgruppen, etwa nach Zeitpunkt der Einlegung des Widerspruchs oder anderen sinn- vollen Kriterien bilden)? Das Bundesverwaltungsgericht hat für den Bund und die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt ent- schieden, dass die Einlegung des jeweiligen Widerspruchs bis zum 08.11.2011 als fristwahrend für die Geltendmachung von etwaigen Zahlungsansprüchen anzusehen ist. 8. Wird eine altersdiskriminierungsfreie Anpassung des Besoldungsrechts in Nieder- sachsen Auswirkungen auf die Besoldungsstruktur (beispielsweise Höhe der Ein- gangsbesoldung) haben, und, wenn ja, welche? Nach dem von der Landesregierung am 19.05.2015 beschlossenen Gesetzentwurf zur Neufassung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes sollen zur Vermeidung besonderer Härten für Einstei- gerinnen und Einsteiger in der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt, und dem gesamten Leh- rer- und Richterbereich im Vergleich zum bisherigen Recht zukünftig die bisherigen ersten Beträge Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3638 3 der Anfangsgrundgehälter in den Besoldungsgruppen A 12, A 13, A 14 und R 1 entfallen, sodass zukünftig der Einstieg in der nächsthöheren Stufe erfolgt. 9. Welche Auswirkungen wird die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2014 auf die nach Mitteilung des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 19.06.2014 in der Angelegenheit anhängigen 17 500 Widerspruchsverfahren haben? Über die anhängigen und ruhend gestellten Widersprüche wird im Einzelfall abhängig vom Zeit- punkt der Einlegung des jeweiligen Widerspruchs zu entscheiden sein. 10. Wie und wann beabsichtigt die Landesregierung, über diese 17 500 Widerspruchsver- fahren zu entscheiden? Es ist beabsichtigt, dass über die anhängigen und ruhend gestellten Widersprüche nach dem In- krafttreten der Neufassung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes entschieden wird. 11. Mit welchem Gesamtbetrag an Zahlungen rechnet die Landesregierung bezüglich der 17 500 Widerspruchsverfahren von Landesbeamtinnen und -beamten wegen unzulässi- ger altersabhängiger Besoldung? Der Gesamtbetrag an Zahlungen aus offenen Widerspruchsverfahren kann aufgrund noch ausste- hender weiterer Rechtsprechung zum Besoldungsdienstalters- bzw. Lebensaltersprinzip für Nieder- sachsen derzeit nicht prognostiziert werden. 12. Welche Auswirkungen werden diese Zahlungsansprüche auf den Landeshaushalt ha- ben? Eventuelle Auswirkungen auf den Landeshaushalt sind aufgrund noch weiterer ausstehender Rechtsprechung derzeit nicht bezifferbar. 13. Welche Auswirkungen wird die altersdiskriminierungsfreie Anpassung des Besol- dungsrechts in Niedersachsen insgesamt auf den Landeshaushalt haben? Die haushaltsmäßigen Auswirkungen der Umstellung vom Besoldungsdienst-/Besoldungslebens- alter auf Erfahrungsstufen werden auf rund 704 000 Euro/Jahr veranschlagt, da auch vorhandene Bestandsfälle der Besoldungsgruppen A 12, A 13, A 14 und R 1, die sich noch im jeweiligen An- fangsgrundgehalt befinden, durch die Überleitungsregelung der nächsthöheren ersten Erfahrungs- stufe zuzuordnen sind. (Ausgegeben am 10.06.2015) Drucksache 17/3638 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3391 - Welche Konsequenzen zieht die Landesregierung aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zu unzulässiger altersabhängiger Besoldung von Beamten? Anfrage des Abgeordneten Reinhold Hilbers (CDU),eingegangen am 27.04.2015 Antwort des Niedersächsischen Finanzministeriums