Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3650 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3395 - „Niedersachsen will Ausbeutung von Billiglöhnern stoppen“ - Aber wie? Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Bley (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 28.04.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 04.05.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr namens der Landesregierung vom 03.06.2015, gezeichnet Olaf Lies Vorbemerkung des Abgeordneten Unter der Überschrift „Niedersachsen will Ausbeutung von Billiglöhnern stoppen“ berichtet die Hannoversche Allgemeine Zeitung am 9. April 2015 von einem Treffen des Wirtschaftsministers Olaf Lies mit Vertretern der Gewerkschaften und der Ernährungswirtschaft am 8. April 2015. Wie die Zeitung weiter berichtet, sagte Olaf Lies nach dem Treffen, man habe sich auf eine deutliche Redu- zierung der Zahl von Werkvertragsnehmern und auf eine Aufstockung der Stammbelegschaft geei- nigt. Lies: „80 % Festangestellte innerhalb von drei Jahren halte ich für realistisch.“ Der Hauptge- schäftsführer des Verbandes der Ernährungswirtschaft in Niedersachsen wird hingegen zitiert: „Wir werden uns auf keine Quote festschreiben lassen, das ist ein Prozess.“ Vorbemerkung der Landesregierung In der Besprechung vom 8. April 2015, die auf Einladung der Minister für Ernährung, Landwirt- schaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung und für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr mit Ver- tretern der niedersächsischen Schlacht- und Zerlegeindustrie und der Gewerkschaft Nahrung-Ge- nuss-Gaststätten stattfand, standen zwei Themenbereiche im Mittelpunkt. Zum einen ging es um die Veränderungen, die sich seit der Aufnahme der Gespräche mit der Schlacht- und Zerlegein- dustrie im Jahr 2013 hinsichtlich des Einsatzes von Fremdpersonal in den Unternehmen ergeben hatten. Zum anderen wurde über die Erwartungen der Landesregierung im Interesse guter Arbeits- bedingungen in den Betrieben, aber auch hinsichtlich des Ansehens der niedersächsischen Schlacht- und Zerlegindustrie in der Öffentlichkeit diskutiert. So waren zum ersten Punkt die seit dem 30. Juli 2014 auf tarifvertraglicher Basis geltenden zwingenden Arbeitsbedingungen für die Fleischwirtschaft, daneben aber auch der mittlerweile vom Verband der Fleischwirtschaft und dem Bundesverband der Geflügelschlachtereien entwickelte Verhaltenskodex für die Fleischwirtschaft Gegenstand der Gespräche. Zum Zweiten wurden die Erwartungen der Landesregierung hinsicht- lich einer Verringerung der Zahl der Werkvertragsbeschäftigten in den Betrieben und einer Erhö- hung der Anzahl der Stammbeschäftigten erörtert. Dabei war im Ergebnis ein gemeinsamer Wille der Beteiligten erkennbar, die Zahl der Werkvertragsbeschäftigten in den Betrieben zugunsten von Stammbeschäftigten zu verringern. 1. Was beabsichtigt die Landesregierung administrativ zu veranlassen, um das von Minis- ter Lies propagierte politische Ziel, 80 % fest angestellter Arbeitnehmer im Bereich der Fleischindustrie zu haben, innerhalb der nächsten drei Jahre zu erreichen? Die Landesregierung setzt zur Lösung des Problems der zunehmenden Ersetzung von Stammbe- schäftigten in der niedersächsischen Schlacht- und Zerlegeindustrie durch insbesondere Werkver- Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3650 2 tragsbeschäftigte zunächst auf den intensiven Dialog mit der Branche. Soweit sich aus diesem Dia- log Anknüpfungspunkte ergeben, soll auch die Möglichkeit administrativer Maßnahmen und gesetz- licher Regelungen geprüft werden. Die Landesregierung ist überzeugt, wie in der dargestellten Un- terredung, dass die Beteiligten im Dialog zu überzeugen und auf diese Weise in absehbarer Zeit Änderungen zu erreichen sind. 2. Welche Kompetenzen hat Niedersachsen nach Auffassung der Landesregierung in die- sem Bereich des Arbeits- bzw. Werkvertragsrechts? Niedersachsen wirkt wie jedes andere Bundesland über den Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes - und damit auch des Arbeitsrechts - mit; beispielhaft hierfür ist der von Niedersachsen er- arbeitete „Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs von Werkverträgen und zur Verhinderung der Umgehung von arbeitsrechtlichen Verpflichtungen“, BR-Drs. 687/13. 3. Liegen der Landesregierung Erkenntnisse darüber vor, inwieweit es vor dem Hinter- grund des für die Fleischindustrie vereinbarten Mindestentgelts überhaupt genügend potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für diesen Bereich in den fraglichen Regionen gibt? Der von den Tarifvertragsparteien für die Fleischwirtschaft vereinbarte und nach dem Arbeitneh- mer-Entsendegesetz als zwingende Arbeitsbedingung festgesetzte Mindestlohn stellt eine Unter- grenze für die Vergütung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dar. Sie hat das Ziel, Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer vor nicht mehr vertretbaren (Niedrig-)Löhnen zu schützen. Der Mindestlohn hat nicht das Ziel, potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die Branche, in der er gilt, zu interessieren. In der sozialen Marktwirtschaft liegt es im eigenen Interesse potenziel- ler Arbeitgeber, durch über Mindestentgeltregelungen hinausgehende Leistungen die Attraktivität bestimmter Tätigkeiten zu erhöhen und sich dadurch zusätzliche Arbeitskräftepotenziale zu er- schließen. 4. Wie beurteilt die Landesregierung die oben zitierte Einlassung des Verbandes der Er- nährungswirtschaft in Niedersachsen, man wolle sich auf keine Beschäftigtenquote festlegen lassen? Die Landesregierung bedauert, dass der Verband der Ernährungswirtschaft sich derzeit auf keine Quote für die dauerhafte Beschäftigung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den ihm an- geschlossenen Unternehmen festlegen möchte. Sie wird mit ihm und Unternehmen dieser Branche den Dialog zu dieser Frage fortführen. 5. Welche konkreten Maßnahmen gegen den Missbrauch von Werkverträgen in der Fleischindustrie sind auf dem Treffen am 8. April 2015 zwischen Minister Lies, den Ge- werkschaften und dem Verband verabredet worden? Auf die Vorbemerkung wird verwiesen. 6. Welche Indikatoren für die Erfolgskontrolle dieser Maßnahmen wurden vereinbart? Keine. Wie der Fragesteller in seiner Vorbemerkung zutreffend dargelegt hat, haben der Verband der Ernährungswirtschaft und die Unternehmen keine Verpflichtungen eingehen wollen. 7. Wird das Land kontrollieren, ob die Verabredungen eingehalten wurden? Siehe Antwort zu Frage 6. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3650 3 8. Wenn ja, wie, wenn nein warum nicht? Siehe Antwort zu Frage 6. 9. Wie beurteilt das zuständige Fachressort politisch die am 8. April 2015 getroffenen Ver- einbarungen? Das Gespräch vom 8. April wird positiv beurteilt. Schon infolge der im Jahr 2013 begonnenen Ge- spräche mit der Schlacht- und Zerlegeindustrie wurde sowohl ein Verband derartiger Unternehmen auf Landesebene ins Leben gerufen als auch auf Bundesebene ein Tarifvertrag über Mindestbe- dingungen für Arbeitnehmer in der Fleischwirtschaft geschlossen. Daher sieht die Landesregierung in der genannten Besprechung einen weiteren Schritt zu Erhöhung des Anteils der unmittelbar bei den Unternehmen der niedersächsischen Schlacht- und Zerlegeindustrie beschäftigten Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer und auch zu einer damit einhergehenden Verbesserung der Arbeits- bedingungen. (Ausgegeben am 11.06.2015) Drucksache 17/3650 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3395 - „Niedersachsen will Ausbeutung von Billiglöhnern stoppen“ - Aber wie? Anfrage des Abgeordneten Karl-Heinz Bley (CDU), eingegangen am 28.04.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr