Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3653 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3373 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Dr. Marco Genthe, Christian Dürr, Christian Grascha und Jörg Bode (FDP), eingegangen am 22.04.2015 Ermittlungsverfahren gegen den Celler Generalstaatsanwalt - Misst die Landesregierung mit zweierlei Maß? In der 61. Plenarsitzung am 19. März 2015 antwortete Frau Ministerin Niewisch-Lennartz auf die Frage des Abgeordneten Christian Dürr (FDP), ob Herrn Generalstaatsanwalt Lüttig vor der Unter- richtung des Landtages durch Frau Ministerin Niewisch-Lennartz am 20. Februar 2015 darüber, dass ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Geheimnisverrats gegen den General- staatsanwalt eingeleitet worden ist, rechtliches Gehör gewährt worden sei, unmissverständlich: „Herrn Lüttig ist rechtliches Gehör gewährt worden.“ Später ergänzte die Ministerin ihre Antwort, in- dem sie ausführte: „Es ist ihm vorher mitgeteilt worden, dass es ein Ermittlungsverfahren gibt, und der Gegenstand der Vorwürfe gegen ihn ist ihm eröffnet worden.“ Auf die Frage nach der Identität der zweiten Person in dem besagten Ermittlungsverfahren hat die Justizministerin im Rahmen der Unterrichtung am 20. Februar 2015 zunächst geantwortet, sie kön- ne aus ermittlungstaktischen Gründen die Identität nicht preisgeben. Allerdings ließ die Justizminis- terin einen Tag später durch eine Pressemitteilung verkünden, dass es sich bei der zweiten Person nicht um einen Landtagsabgeordneten handelt. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Wie muss nach Ansicht der Landesregierung das genaue Verfahren der Gewährung des rechtlichen Gehörs verlaufen, und welche Bedeutung hat es im Rahmen eines nach recht- staatlichen Grundsätzen durchzuführenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens? 2. Ist dem Generalstaatsanwalt nach Ansicht der Landesregierung vor der Unterrichtung im Landtag rechtliches Gehör nach den in der Antwort zu Nr. 1 genannten Grundsätzen gewährt worden? 3. Auf welche Art und Weise und zu welchem Zeitpunkt ist dem Generalstaatsanwalt mitgeteilt worden, dass es ein Ermittlungsverfahren gibt und welchen Gegenstand es hat? 4. Weicht die Art und Weise der Mitteilung bzw. des rechtlichen Gehörs in diesem konkreten Fall von der üblichen Praxis ab? Falls ja, inwiefern und warum? 5. Warum hat die Justizministerin in der Unterrichtung am 20. Februar 2015 nicht den Namen der zweiten Person benannt, gegen die in dem fraglichen Verfahren ebenfalls ermittelt wurde? 6. Warum hat die Justizministerin am 20. Februar 2015 bei den aufgetauchten Nachfragen nicht direkt oder indirekt ausgeschlossen, dass es sich bei der zweiten Person um einen Landtags- abgeordneten handelt, sondern dies erst am 21. Februar 2015 getan? 7. Welche ermittlungstaktischen Gründe haben sich in der Zeit vom 20. Februar bis zum 21. Februar 2015 verändert? 8. Welche anderen Hinderungsgründe haben sich in der Zeit vom 20. Februar bis zum 21. Februar wie verändert? 9. Welche Anstrengungen wurden konkret unternommen, um dieser zweiten Person vorher mit- zuteilen, dass es ein Ermittlungsverfahren gibt, um auch diesen Namen dem Landtag mitteilen zu können? Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3653 2 10. Warum hat die Landesregierung im Hinblick auf ihre Fürsorgepflicht gegenüber dem General- staatsanwalt nicht andere, weniger öffentlichkeitswirksame Wege gesucht, das Parlament über das eröffnete Ermittlungsverfahren zu unterrichten, z. B. durch eine vertrauliche Sitzung des Rechtsausschusses, um so eine öffentliche Vorverurteilung des Beamten zu vermeiden? 11. Wie ist der Stand des Ermittlungsverfahrens gegen den Generalstaatsanwalt? 12. Wann rechnet die Landesregierung mit dem Abschluss der Ermittlungen? (An die Staatskanzlei übersandt am 28.04.2015) Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Justizministerium Hannover, den 08.06.2015 - 4000 I - 402. 293 - Zu 1: Artikel 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) sowie das Rechtsstaatsprinzip in Artikel 20 Abs. 3 GG begründen den Anspruch auf rechtliches Gehör, ohne ihn indes zu definieren. Die Strafprozessord- nung (StPO) kennt eine allgemein geltende, einfachgesetzliche Ausgestaltung des rechtlichen Ge- hörs lediglich für das gerichtliche Verfahren (§§ 33, 33 a StPO), nicht aber für das staatsanwalt- schaftliche Ermittlungsverfahren. Gemäß § 163 a Abs. 1 Satz 1 StPO ist der Beschuldigte spätes- tens vor dem Abschluss des Ermittlungsverfahrens zu vernehmen, es sei denn, dass das Verfahren auch ohne diese Vernehmung zur Einstellung führt. Im Übrigen gilt für den Zeitpunkt der Verneh- mung der Grundsatz der freien Gestaltung des Ermittlungsverfahrens (Griesbaum, in: Karlsruher Kommentar, 7. Auflage 2013, § 163 a StPO, Rn. 7). Die Bedeutung des rechtlichen Gehörs ergibt sich bereits aus dem Verfassungsrang dieses Grund- satzes. Zu 2: Ja. Wie bereits ausgeführt, legt die StPO keine allgemein geltenden Grundsätze für das Verfahren der Gewährung rechtlichen Gehörs im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren fest. Zu 3: Generalstaatsanwalt Dr. Lüttig ist vom ermittelnden Staatsanwalt fernmündlich am 19.02.2015 ge- gen 15.00 Uhr über seine Beschuldigteneigenschaft sowie den Umfang des gegen ihn bestehen- den Anfangsverdachts informiert worden. Gegen 16.00 Uhr desselben Tages ist Generalstaatsan- walt Dr. Lüttig eine schriftliche Beschuldigtenanhörung sowie eine Zusammenfassung des Ermitt- lungsstandes und eine detaillierte Begründung des Anfangsverdachts per E-Mail übersandt wor- den. Zu 4: In den Fällen der in Rede stehenden Art werden dem Beschuldigten regelmäßig der Verfahrensge- genstand und der gegen ihn erhobene Tatvorwurf schriftlich mitgeteilt. Gleichzeitig wird er über die ihm zustehenden Rechte belehrt und ihm wird Gelegenheit gegeben, sich schriftlich oder mündlich zu äußern. Von dieser Praxis wurde mit Blick auf die erforderliche Unterrichtung des Parlaments in- soweit abgewichen, als der schriftlichen Anhörung eine telefonische Kontaktaufnahme vorausging. Zu 5: Auf die Antwort zur Dringlichen Anfrage der FDP-Fraktion (Drs. 17/3462) in der 63. Sitzung des Landtages wird verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3653 3 Zu 6: Zum Zeitpunkt der Unterrichtung des Parlaments am 20. Februar 2015 bestand für die Justizminis- terin kein Anlass dazu. Am 21. Februar 2015 wurde die Justizministerin von Journalisten gefragt und hat wahrheitsgemäß geantwortet. Zu 7. Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. ZU 8: Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Zu 9: Durch die Staatsanwaltschaft Göttingen sind keine Anstrengungen unternommen worden, um dem zweiten Beschuldigten noch vor dem 20.02.2015 mitzuteilen, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfah- ren wegen des Anfangsverdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses in einem Fall anhängig war. Zu 10: Auf die Antwort zur Dringlichen Anfrage der FDP-Fraktion (Drs. 17/3462) in der 63. Sitzung des Landtages wird verwiesen. Zu 11: Das Verfahren ist gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Zu 12: Auf die Antwort zu Frage 11 wird verwiesen. (Ausgegeben am 15.06.2015) Drucksache 17/3653 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3373 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Dr. Stefan Birkner, Dr. Marco Genthe, Christian Dürr, Christian Grascha und Jörg Bode (FDP), eingegangen am 22.04.2015 Ermittlungsverfahren gegen den Celler Generalstaatsanwalt - Misst die Landesregierung mit zweierlei Maß? Antwort der Landesregierung