Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3662 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3371 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Hans-Joachim Janßen und Miriam Staudte (GRÜNE), ein- gegangen am 16.04.2015 „Erst Brot und dann Schrot“ - Wie bewertet die Landesregierung kommerzielle Jagdgehege? „Erst Brot und dann Schrot“ betitelt die Tageszeitung taz ihren Beitrag vom 16.01.2015 über ein privat betriebenes Jagdgehege in Lüdersburg, Landkreis Lüneburg. Auf einem maximal 200 ha gro- ßen, eingezäunten Areal werden dort nach Angaben des Betreibers rund 100 Wildschweine, 50 Stück Damwild und bis zu 4 000 Enten gehalten, die ganzjährig gefüttert werden. „Für knapp 1 950 Euro pro Person konnten beispielsweise eine zweieinhalb bis dreistündige Treibjagd auf Sauen und weibliches Damwild am Vormittag und zwei Entenjagden am Nachmittag gebucht wer- den - Mittagessen, Apportierhunde, Bläser für Halali und 200 Enten pro Nase inklusive“, berichtet die taz über eine inzwischen von der Homepage des Betreibers verschwundene Werbung. Selbst ungeübte Jäger hätten kaum daneben schießen können, heißt es im genannten Bericht weiter. Offenkundig hat der massive Nährstoffeintrag u. a. der bis zu 4 000 Enten erhebliche Folgen: Die Wasserqualität der Teiche des Geländes gleiche ungeklärten häuslichen Abwässern, berichtete die taz unter Berufung auf Untersuchungen des NLWKN. Naturschützer beklagen zudem, dass im Um- feld der Anlage immer wieder getötete Greifvögel aufgefunden wurden, und vermuten, dass seitens des Betreibers lästige Konkurrenten der solventen Jagdkundschaft gezielt ausgeschaltet worden sind. Neben NABU und BUND kritisiert auch die Landesjägerschaft die Zustände im Lüdersburger Jagd- gehege: „Das ist Schießsport auf lebende Tiere, mit Jagd hat das nichts zu tun“, betonte ein Vize- präsident der Landesjägerschaft in einer auf der Homepage seines Verbandes veröffentlichten Pressemitteilung vom 29.10.2014. Wie die Lüneburger Landeszeitung am 15.02.2015 berichtete, hat die Landesregierung ebenfalls zu den „moralisch perversen“ (Pressemitteilung des BUND vom 22.10.2014) Vorgängen auf Anfrage des Landkreises Lüneburg Stellung genommen. Demnach handelt es sich in Lüdersburg nicht um ein Tier-, sondern um ein Jagdgehege, in dem die gleichen Restriktionen hinsichtlich der Fütterung der Tiere gelten wie in der freien Landschaft. Nach §§ 32 und 33 a des Niedersächsischen Jagdge- setzes darf somit grundsätzlich nur in der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. April gefüttert werden. Der Landkreis Lüneburg sei von der Landesregierung gebeten worden zu prüfen, ob die Zahl der bis zu 4 000 Enten die Lebensraumkapazität des Areals übersteigt. Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie sind die Verstöße gegen umwelt- und jagdrechtliche Bestimmungen im Jagdgehege Lü- dersburg strafrechtlich oder ordnungsrechtlich zu bewerten? 2. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung gegebenenfalls über die Tötung von Beu- tegreifern im Umfeld des Jagdgeheges Lüdersburg vor? 3. Kann den für die bisherigen Zustände im Jagdgehege Lüdersburg Verantwortlichen ange- sichts der Verstöße gegen jagd- und umweltrechtliche Bestimmungen der Jagdschein entzo- gen werden, und wäre dies gegebenenfalls nach Auffassung der Landesregierung angezeigt? 4. Inwieweit können auf Grundlage von Gesetzesverstößen erwirtschaftete Gewinne auch über Bußgelder hinaus abgeschöpft werden? 5. Wäre mit einer Novelle des Niedersächsischen Jagdgesetzes ein grundsätzliches Verbot von Jagdgehegen möglich, die bisher zwar nach dem aktuellen Jagdrecht nicht mehr genehmigt werden, jedoch als Altanlagen weiterhin legal betrieben werden dürfen? (An die Staatskanzlei übersandt am 24.04.2015) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3662 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 09.06.2015 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 406-01425-567 - Jagdgehege zählen nicht zu den Tiergärten im Sinne von § 960 Abs. 1 BGB. Die Wildtiere darin sind daher nicht etwa Eigentum dessen, dem das Jagdgehege gehört, sondern „herrenlos“. Jagd- gehege bilden einen besonderen Eigenjagdbezirk. Seit 1973 bedarf die Anlage von Jagdgehegen einer Genehmigung; vor diesem Zeitpunkt existie- rende Jagdgehege gelten als genehmigt. Die Errichtung von Gehegen für wild lebende Tiere zum Zweck der Jagdausübung (Jagdgehege) in der freien Landschaft sind seit Verkündung des Niedersächsischen Gesetzes über den Wald und die Landschaftsordnung vom 21. März 2002 gemäß § 31 Abs. 2 unzulässig. Auf Jagdgehege, die bereits jagdrechtlich genehmigt sind oder als genehmigt gelten, findet gemäß § 42 Abs. 3 des Niedersächsischen Jagdgesetzes (NJagdG) Artikel 29 des Landesjagdgesetzes (Vorgänger zum NJagdG) weiterhin Anwendung. Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Es sind Verstöße gegen jagdrechtliche Vorschriften zu § 32 Abs. 3 Satz 1 NJagdG (Füttern) und § 3 Abs. 1 NJagdG (Hege und Ökologie) sowie gegen wasserrechtliche Vorschriften (Wasserhaus- haltsgesetz) festgestellt worden. Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Fütterung von Enten an den Teichen und auf den Flächen des Eigenjagdbezirks in der Gemarkung Lüdersburg sowie Untersagung des Aussetzens von Enten auf den Teichen und zur Sanierung dieser Teiche wurden vom Landkreis Lüneburg eingeleitet. Das Verwaltungsgericht Lüneburg hat im Eilverfahren mit Beschluss vom 12.02.2015 entschieden, dass die Anordnung der eingeleiteten Maßnahmen des Landkreises Lüneburg rechtmäßig gewesen ist. Seitens des Landkreises Lüneburg wurde am 15.04.2015 beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg beantragt, die Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschut- zes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg zurückzuweisen. Eine Entschei- dung im Hauptsacheverfahren steht noch aus. Des Weiteren wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Einreichung fehlerhafter Abschuss- listen gegen den Betreiber eingeleitet (§ 41 Abs. 1 Nr. 14 i. V. m. § 25 Abs. 6 Satz 2 NJagdG). Hinsichtlich des Jagdgeheges soll vor einer Anordnung von Maßnahmen zur Wildbestandsregulie- rung ein Gutachten zur ökologischen Tragfähigkeit des Jagdgeheges sowie einem maximalen Wildbestand in Auftrag gegeben werden. Zu 2: Im Zusammenhang mit der Anzeige des NABU aus Juli 2014 wurde der Jagdbehörde des Land- kreises Lüneburg von einem toten Greifvogel berichtet. Über eventuelle Tötungen von weiteren Beutegreifern im Umfeld des Jagdgeheges liegen keine Anzeigen vor. Zu 3: Die Prüfung eines Jagdscheinentzuges wird aufgrund der Ergebnisse der laufenden Verfahren durchgeführt werden. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3662 3 Zu 4: Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) darf eine verhängte Geldbuße das vorgesehene Höchstmaß übersteigen, wenn der wirtschaftliche Vorteil, den der Tä- ter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, höher liegt. Daneben kommt der Verfall des durch eine Ordnungswidrigkeit erlangten wirtschaftlichen Vorteils in Höhe eines Gelbetrages in Betracht (§ 29 a OWiG); dies kann auch dann geschehen, wenn ein Bußgeldtatbestand verwirklicht ist, aber von einem Bußgeld abgesehen wird. Zu 5: Grundsätzlich ist es möglich, die Übergangsregelung des § 42 Abs. 3 NJagdG aufzuheben. Christian Meyer (Ausgegeben am 17.06.2015) Drucksache 17/3662 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3371 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Hans-Joachim Janßen und Miriam Staudte (GRÜNE), eingegangen am 16.04.2015 „Erst Brot und dann Schrot“ - Wie bewertet die Landesregierung kommerzielle Jagdgehege? Antwort der Landesregierung