Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3753 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3529 - Sind die Telekommunikationsdienstleistungen für die Gefangenen in den Justizvollzugsan- stalten und Jugendanstalten in Niedersachsen zu teuer? Anfrage des Abgeordneten Horst Schiesgeries (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 20.05.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 27.05.2015 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums namens der Landesregierung vom 23.06.2015, gezeichnet Antje Niewisch-Lennartz Vorbemerkung des Abgeordneten Das Land Niedersachsen hat in den 1990er-Jahren einen Rahmenvertrag über die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen für die Gefangenen in Niedersachsen mit der Telio Communi- cations GmbH mit Sitz in Hamburg geschlossen. Vorbemerkung der Landesregierung Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 NJVollzG soll den Gefangenen in dringenden Fällen gestattet werden, Telefongespräche zu führen. Gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 NJVollzG kann ihnen allgemein gestattet werden, Telefongespräche zu führen, wenn sie sich mit zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt von der Vollzugsbehörde erlassenen Nutzungsbedingungen einverstanden er- klären. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15.07.2010 - 2 BvR 328/07 - ist im Rahmen der Gefangenentelefonie die Missachtung wirtschaftlicher Interessen der Gefangenen nicht nur mit der Fürsorgepflicht der Vollzugsanstalt unvereinbar, sondern auch mit dem verfas- sungsrechtlichen Resozialisierungsgrundsatz. Aus Resozialisierungsgesichtspunkten sollen die Verhältnisse im Strafvollzug soweit wie möglich den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst werden (§ 2 Abs. 1 NJVollzG). Für Konstellationen, in denen die Anstalt im Zusammenhang mit ei- ner gesetzlichen Verpflichtung Leistungen durch einen privaten Betreiber erbringen lässt, auf den die Gefangenen ohne am Markt frei wählbare Alternativen angewiesen sind, ist dementsprechend anerkannt, dass die Anstalt sicherstellen muss, dass der auserwählte private Anbieter die Leistung zu marktgerechten Preisen erbringt. Unter Rückgriff auf die gesetzliche Ermächtigung aus § 33 Abs. 2 Satz 1 NJVollzG und unter Be- rücksichtigung der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung haben die Justizvollzugsein- richtungen in Niedersachsen in Abstimmung mit dem Justizministerium von ihrem Ermessen Ge- brauch gemacht und das Führen von Telefongesprächen allgemein gestattet. Dabei sind die Justiz- vollzugseinrichtungen des Landes zumeist Einzelverträge mit unterschiedlichen Telefondienstleis- tungsunternehmen (Telio Communications GmbH und Deutsche Telekom AG) eingegangen oder haben sich dem Rahmenvertrag des Landes Niedersachsen mit dem Unternehmen Deutsche Tele- kom AG (T-Systems) angeschlossen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3753 2 1. Zu welchen Preisen werden die Telekommunikationsdienstleistungen in den Justizvoll- zugsanstalten und Jugendarresten in Niedersachsen im Einzelnen angeboten? Die Preise der Telekommunikationsdienstleistungen in den einzelnen Justizvollzugseinrichtungen in Niedersachsen gestalten sich wie folgt: Dienstleister Orts- und Nahgespräche Ferngesprä - che Mobilgesprä - che Auslandsgespräche Vollzugseinrichtung Standort Änderungen in den letzten 3 Jah- ren Telio Taktung 60 Sek. 30 Sek. 8,6 Sek. 2,31 - 10 Sek. Bremervörde Hauptanstalt * Preis/ Taktung 0,10 € 0,10 € 0,10 € 0,10 € Wolfenbüttel Hauptanstalt Abt. Braunschweig * Hameln Hauptanstalt * 01.02.2013, seither um 20 % günstiger für Auslands- u. Mobilgespräche Hannover Hauptanstalt ./. Lingen Hauptanstalt Abt. Groß-Hesepe Abt. Kollegienwall * Meppen Hauptanstalt * Sehnde Hauptanstalt * Rosdorf Hauptanstalt * Vechta für Frauen Hauptanstalt und alle Abt. * Vechta Hauptanstalt *, vor dem 01.08.2014 Ta- rifstruktur der Telekom (Münze/Karte), s.u. Taktung 60 Sek. 60 Sek. 8,6 Sek. 2,31 - 10 Sek. Rosdorf Abt. für Sicherungsverwahrte ./. Preis/ Taktung 0,029 € 0,029 € 0,10 € 0,10 € Taktung 60 Sek. 30 Sek. 8,6 Sek. 2,31 - 10 Sek. Uelzen Hauptanstalt * Preis/ Taktung 0,10 € 0,20 € 0,69 € 0,60 - 2,59 € Taktung 60 Sek. 33,3 Sek. 15 Sek. 2,31 - 10 Sek. Oldenburg Hauptanstalt 01.02.2013, seither günstiger Preis/ Taktung 0,10 € 0,10 € 0,10 € 0,10 € * Die gekennzeichneten Justizvollzugseinrichtungen ermöglichen den Gefangenen die Zubuchung der sogenannten Flex-Option. Über diese können die Tarife vom Gefangenen selbst optimiert werden. Die Flex-Optionen werden seit dem 01.08.2014 in zwei Varianten angeboten und vermindern damit seit diesem Zeitpunkt die Kosten - insbesondere für Vieltelefonierer. Mit der Flex-Option25 reduziert der Gefangene den Einzelpreis/Taktung um 25 %, mit der Flex-Option50 um 50 %. Die Senkung des Tarifs gilt für alle Verbindungen sowohl im In- und Ausland. Die Flex-Option25 kostet 3,95 Euro die Flex-Option50 9,95 Euro (inklusive der gesetzlichen MwSt) und besitzt eine Gültigkeit von 30 Tagen ab dem Kaufdatum. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3753 3 Dienstleister Ortsund Nahgespräche Ferngespräche Mobilgesprä - che Auslandsgespräche Vollzugseinrichtung Standort Änderungen in den letzten 3 Jah- ren Telekom (Münze/ Karte) Taktung 60 Sek. 60 Sek. 15 Sek. 3 - 10 Sek. Oldenburg Abt. Nordenham Abt. Wilhelmshaven 13.11.2014, seither teurer auf- grund allgemeiner Gebührenerhöhung für öffent- liche Fernsprecher ; bei längeren Gesprächen indes günstiger Preis/ Taktung 0,10 € (1.Min.: 0,50 €) 0,10 € (1.Min.: 0,50 €) 0,10 € (1.Min.: 0,80 €) 0,10 € (1. Min.: ab 1,00 €) Sehnde Abt. Burgdorf dto. Rosdorf Abt. Duderstadt Abt. Einbeck dto. Vechta Abt. Delmenhorst dto. Taktung 60 Sek. 60 Sek. 17,2 Sek. 8,6 - 20 Sek. Uelzen Abt. Lüneburg 01.12.2014, seit- her um 50 % günstiger Preis/ Taktung 0,10 € 0,10 € 0,35 € 0,30 - 0,70 € Wolfenbüttel Abt. Goslar Abt. Helmstedt dto. Telekom (Münze) Taktung 60 Sek. 60 Sek. 9 Sek. 2 - 9 Sek. Hannover Abt. Langenhagen ./. Preis/ Taktung 0,23 € 0,34 € 0,10 € 0,10 € Taktung 60 Sek. 60 Sek. 60 Sek. 60 Sek. Lingen Abt. Schinkelstraße Abt. Damaschke 13.11.2014, seither günstiger bei längeren Gesprä- chen Preis/ Taktung 0,23 € 0,34 € 0,80 € 0,67 - 3,00 € Hameln Abt. Göttingen Abt. Hameln 01.11.2014, seither günstiger In der Justizvollzugsanstalt Hannover, Abteilung Langenhagen haben Abschiebungsgefangene die Möglichkeit durch die Einrichtung zur Verfügung gestellte Mobiltelefone mit persönlicher/eigener SIM-Karte zu nutzen. Die Tarife sind vom jeweils gewählten Telefonanbieter abhängig. In der Justizvollzugsanstalt Celle werden Telefongespräche für Gefangenen über eine von den Be- diensteten geführte PIN ermöglicht. Die Telefonate werden über einen Vertrag, den das Land Nie- dersachsen mit der Telefongesellschaft T-Systems International GmbH geschlossen hat, abge- rechnet. Es werden Gesprächskosten in Höhe von 0,06 Euro/Taktung erhoben. Die Telefonanlage verarbeitet dabei den Taktimpuls der Telekom, der je nach Verbindungstarif (Orts-/Nahgespräch, Ferngespräch, Mobilgespräch, Auslandsgespräch) und der weiteren Unterteilung in verschiedene Tages- und Wochenendtarife unterschiedlich ausfällt. Für die eher seltenen Ortsgespräche ins Festnetz zahlen die Gefangenen demnach pro Minute Echtzeit durchschnittlich 0,04 Euro und für Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3753 4 nationale Ferngespräche 0,12 Euro. Die Gefangenen haben darüber hinaus die Möglichkeit, sich über die anstaltseigenen Telefonapparate anrufen zu lassen. In den Jugendarrestanstalten Emden, Verden, Nienburg und Neustadt können Arrestantinnen und Arrestanten notwendige Telefonate unentgeltlich über die Dienstanschlüsse führen. Ab dem 01.07.2015 werden die Tarife in allen Justizvollzugseinrichtungen, die Dienstleistungen der Telio Communications GmbH beziehen, vereinheitlicht. Es ergibt sich dann folgende Preisgestal- tung: Orts- und Nahgespräche Ferngespräche Mobilgespräche Auslandsgespräche Taktung 60 Sek. 60 Sek. 60 Sek. 60 Sek. Preis/ Taktung 0,05 € (1. Min.: 0,10 €) 0,15 € (1. Min.: 0,30 €) 0,25 € (1. Min.: 0,50 €) zum Festnetz: 0,19 – 0,59 € (1. Min.: 0,38 – 1,18 €) zum Mobiltelefon: 0.59 – 1,79 € (1. Min.: 1,18 – 3,59 €) 2. Wie haben sich die Preise für die Telekommunikation in den Gefängnissen in Nieder- sachsen in den letzten drei Jahren entwickelt? Auf die Übersicht zu Frage 1 wird verwiesen. 3. Stimmt es, dass gegen den Anbieter der Telekommunikationsdienstleistungen in den Justizvollzugsanstalten und Jugendanstalten in Niedersachsen Gerichtsurteile ergan- gen sind, die besagen, dass die von diesem erhobenen Preise bzw. Gebühren für die Telefongespräche deutlich zu hoch und nicht marktgerecht seien? Nein. Mit Beschluss vom 20.10.2014 - 1 Ws 427/14 (StrVollz) - hat das Oberlandesgericht Celle in einem Rechtsbeschwerdeverfahren die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Osnabrück (Be- schluss vom 08.08.2017 - 17 StVK 350/14 M) wegen mangelnder Sachverhaltsaufklärung aufgeho- ben. Der Antrag wurde im Ergebnis zu erneuten Entscheidung an die zuständige Justizvollzugsein- richtung zurück verwiesen. Dazu kam es nicht mehr, da der Antragsteller zwischenzeitlich in sein Heimatland abgeschoben worden war. Bei dem in den Vorbemerkungen angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts handelte es sich in der Anlasssache um ein Verfahren gegen die Telio Communications GmbH in einer Jus- tizvollzugseinrichtung im Saarland. Weiterhin ist ein Verfahren gegen die Firma Telio aus Sachsen Anhalt (Landgericht Stendal, Beschluss vom 30.12.2014 - 509 StVK 179/13) bekannt. 4. Stimmt es, dass gegen den genannten Anbieter ein strafrechtliches Ermittlungsverfah- ren wegen des Verdachts des Wuchers im Zusammenhang mit Telekommunikations- dienstleistungen in Gefängnissen anhängig ist? Wenn ja, wie bewertet dies die Landes- regierung? Zu strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Wuchers im Zusammenhang mit Telekommunikationsdienstleistungen in Gefängnissen liegen hier keine Informationen vor. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3753 5 5. Gab es vor oder nach Vertragsschluss des Landes mit dem genannten Anbieter Zah- lungen von diesem an das Land oder an eine JVA in Niedersachsen? Wenn ja, mit wel- chem Verwendungszweck? Nein, es gab vor oder nach Vertragsschluss des Landes mit der Telio Communications GmbH von diesem keine Zahlungen an das Land oder an eine Justizvollzugseinrichtung in Niedersachsen. 6. Wie sieht das Land Niedersachsen die weitere Zusammenarbeit mit dem Anbieter der Telekommunikationsdienstleistungen in den Justizvollzugsanstalten und Jugendan- stalten in Niedersachsen? Vor dem Hintergrund von Preis- und Technologieentwicklungen bei der Telekommunikation wird das Land die Dienstleistung der Gefangenentelefonie öffentlich ausschreiben. Zur Vorbereitung dieser Ausschreibung wurden bereits die unterschiedlichen Vertragslaufzeiten zwischen der Firma Telio und den jeweiligen Justizvollzugseinrichtungen zwischen dem Justizministerium und der Fa Telio neu verhandelt. Die Verträge enden nunmehr landesweit zum 31. Oktober 2017. Zurzeit wird in einer Arbeitsgruppe das der Ausschreibung zugrunde liegende Leistungsverzeichnis erarbeitet. 7. Sind diese Preise aus Sicht der Landesregierung als marktgerecht zu bewerten? Der Dienstleister für die Durchführung der Gefangenentelefonie in den niedersächsischen Justiz- vollzugseinrichtungen hat Leistungsmerkmale bezüglich der Begrenzung der Telefondienstleistun- gen u. a. nach Volumen (Dauer), Gesprächsanzahl oder Gesprächsabstand, Mithör- und Mitschnitt- funktionen, Beschränkung zulässiger Ziele (sogenannte Black-/White-List), manuelle Gesprächs- freigabe, Trennen/Not-Aus, Festlegung einer Betriebszeit und Erfassung von Verbindungsdaten zu erfüllen. Insofern ist der Leistungskatalog eines Telefonanbieters in Justizvollzugseinrichtungen nur eingeschränkt mit dem eines Anbieters auf dem freien Markt vergleichbar. Die Landesregierung hält vor diesem Hintergrund die Gebührengestaltung für angemessen, zumal Gefangene - anders als Personen in Freiheit - keine Grundgebühren für Telefonanlagen zahlen. Soweit die Gefangenentelefonie ohne externen Dienstleister durchgeführt wird, ist das Land mit den Kosten für Wartung und Reparatur der Telefonanlagen belastet und hat einen deutlich erhöh- ten Verwaltungsaufwand. Der Zugang zu den Telefonen in den Dienstzimmern ist in diesen Fällen auf Antrag des Gefangenen durch Bedienstete zu gewährleisten. Teilweise müssen die Ge- sprächsdauern einzeln vermerkt, an die Zahlstelle weitergeleitet und die Telefonkosten händisch gebucht werden. Soweit Telefongespräche über die Telio Communications GmbH durchgeführt werden, ist damit auch die Übernahme der Gewährleistung für die Aufstellung (für Gefangene zugänglich in den Un- terkunftsbereichen oder in den Hafträumen), Wartung und Reparatur der Telefonanlagen sowie die Abrechnung verbunden. 8. Wenn nein zu Frage 7: Welche Schritte hat die Landesregierung für marktgerechte Te- lekommunikationspreise in den Justizvollzugsanstalten eingeleitet? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. 9. Wenn ja bei Frage 7: Wie überwacht die Landesregierung die Preis- und Technologie- entwicklung bei der Telekommunikation, um auch für die Zukunft marktgerechte Preise in den Justizvollzugsanstalten sicherzustellen? Auf die Antwort zu Frage 6 wird verwiesen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3753 6 10. Welche Bedeutung bemisst die Landesregierung der Kommunikation von Häftlingen mit Angehörigen und anderen Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalten für die Resozialisierung bei? Die Landesregierung misst der Kommunikation von Gefangenen mit Angehörigen und anderen Personen außerhalb der Justizvollzugseinrichtungen eine hohe Bedeutung für die Resozialisierung bei. Neben dem Anspruch auf Telekommunikation sind das Recht auf Schriftwechsel (§ 29 NJVollzG) und das Recht auf Besuch (§ 25 NJVollzG) gesetzlich normiert. Dabei hat das Führen von Telefongesprächen ein besonderes Gewicht, da Kommunikationswege kurz gehalten und vergleichsweise finanziell weniger aufwändig sind. Insbesondere die Beziehun- gen zu Angehörigen und anderen für die Resozialisierung förderlichen Personen, denen ein Be- suchskontakt aus finanziellen Gründen oder wegen der weiten Entfernung nicht möglich ist, werden dadurch gefördert. (Ausgegeben am 06.07.2015) Drucksache 17/3753 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3529 - Sind die Telekommunikationsdienstleistungen für die Gefangenen in den Justizvollzugsan-stalten und Jugendanstalten in Niedersachsen zu teuer? Anfrage des Abgeordneten Horst Schiesgeries (CDU), eingegangen am 20.05.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 27.05.2015 Antwort des Niedersächsischen Justizministeriums