Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3797 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3519 - Gibt es einen Versicherungsschutz für Ehrenamtliche in der Flüchtlingsbetreuung? Anfrage der Abgeordneten Frank Oesterhelweg, Ansgar Focke, Angelika Jahns, Thomas Adasch, Volker Meyer, Johann-Heinrich Ahlers, Rudolf Götz und Burkhard Jasper (CDU) an die Landesregierung, eingegangen am 19.05.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 27.05.2015 Antwort der Niedersächsischen Staatskanzlei namens der Landesregierung vom 29.06.2015, gezeichnet Dr. Jörg Mielke Chef der Staatskanzlei Vorbemerkung der Abgeordneten Die steigende Zahl von Flüchtlingen stellt Landkreise, Städte und Gemeinden vor immer größere Herausforderungen. Insbesondere die allseits gewünschte Betreuung von Flüchtlingen wird gegen- wärtig zu einem erheblichen Teil durch Vereine und Verbände, Flüchtlingsinitiativen und viele eh- renamtliche Privatleute gewährleistet. Ehrenamtliche stellen einen ganz wichtigen Teil der Flücht- lingsarbeit dar. Sie engagieren sich finanziell und ideell, bringen Zeit und Kraft in verschiedenste Projekte ein. Unterbringung und Wohnungseinrichtung, Beschaffung von Hausrat, Einkäufe, Arzt- besuche, Behördengänge oder Sprachunterricht sind ohne das ehrenamtliche Engagement vor Ort nach Aussagen der Kommunen kaum zu leisten. Unklar ist dabei der Versicherungsschutz für dieses zivilgesellschaftliche Engagement. In persönli- chen Gesprächen stellten sich auch kommunale Hauptverwaltungsbeamte hier noch Fragen, ob und gegebenenfalls wie Ehrenamtliche in der Flüchtlingsbetreuung über Berufsgenossenschaften, den Gemeindeunfallversicherungsverband, die Vereinbarung des Landes mit der VGH oder auf an- derem Wege versichert sind. Vorbemerkung der Landesregierung 2,8 Millionen Niedersachsen engagieren sich in ihrer Freizeit in unterschiedlichsten Bereichen für das Gemeinwohl. Ehrenamt, Vereine, Initiativen und bürgerschaftliche Projekte leisten heute einen wichtigen Beitrag und tragen zu einem menschlichen Miteinander in unserer Gesellschaft bei. Die Niedersächsische Landesregierung würdigt und unterstützt diese Tugenden durch zahlreiche Initia- tiven und Maßnahmen. Aus dieser positiven Bestärkung und Anerkennung erwächst das Engage- ment, um sich im Alltag für Mitmenschen in schwierigen Situationen einzusetzen. Hierzu zählen entsprechende Rahmenbedingungen, damit ein Engagement für möglichst viele Menschen attraktiv bleibt oder wird. Dazu trägt auch ein risikogerechter Versicherungsschutz bei, der die Aktiven bei ihrer Tätigkeit vor Unfall- und Haftungsrisiken schützt. Niedersachsen war bundesweit das zweite Land, das bereits vor zwölf Jahren den Unfall- und Haftpflichtversicherungsschutz für freiwillig Engagierte durch den Abschluss von zwei Rahmenver- trägen mit den VGH Versicherungen verbessert hat. Dabei wurde der bestehende und bewährte Versicherungsschutz im freiwilligen Bereich berücksichtigt. Dies bedeutet, dass die Trägerorganisa- tionen, Vereine oder Initiativen für den Versicherungsschutz der bei ihnen ehrenamtlich Tätigen weiterhin verantwortlich bleiben. Die Initiative des Landes stellt eine Auffanglösung dar. Sie soll keineswegs eine über den Träger oder privat bestehende Deckung ersetzen, ergänzen oder gar Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3797 2 überflüssig machen. Sie soll das Ausfallrisiko abdecken, also einen Unfall- oder Haftpflichtversiche- rungsschutz gewähren, wenn ehrenamtlich Tätige in Ausübung ihres Ehrenamtes einen Unfall er- leiden oder einen Haftungsschaden verursachen und sie keinen anderweitigen Versicherungs- schutz genießen. Vergleichbare Initiativen in weiteren Bundesländern gehen ebenfalls davon aus, dass die Vereine selbst Vorsorge treffen, also Vereinshaftpflicht- und Unfallversicherung etc. ab- schließen, und sie fordern die Vereine zum eigenständigen Abschluss auf. Wenn trotz dieser ei- genständigen Vorsorge ein Ehrenamtlicher nicht im Schadensfall abgesichert ist, soll der Schutz aus der Gruppenversicherung des jeweiligen Landes - wie in Niedersachsen - wirksam werden. 1. Unter welchen Voraussetzungen ist ehrenamtliches Engagement in der Flüchtlingsbe- treuung versichert (beispielsweise hinsichtlich der üblichen Tätigkeiten der Ehrenamt- lichen und der Versicherungsarten wie u. a. Unfall-, Haftpflicht- oder Rechtsschutzver- sicherung)? Unfallversicherungsschutz ist in großem Umfang bei der Ausübung von ehrenamtlicher oder freiwilliger Tätigkeit gegeben. Beispielsweise genießen freiwillig Engagierte kraft Gesetzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII) oder kraft Satzung (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII) bei einer Landesunfallkasse Unfallversicherungsschutz oder sie sind über ihre private Unfallversicherung abgesichert. Ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuer werden vom gesetzlichen Unfallversicherungsschutz erfasst, wenn diese Tätigkeit für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung von Gebietskörper- schaften ausgeübt wird (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 a SGB VII). Gleiches gilt für Menschen, die für öffentlich- rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisatio- nen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemein- schaften Flüchtlinge ehrenamtlich betreuen (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 b SGB VII). Darüber hinaus hat die Landesunfallkasse Niedersachsen (LUK) zum 01.07.2007 von der gesetzli- chen Möglichkeit des § 3 Abs. 1 Nr. 4 SGB VII Gebrauch gemacht und per Satzungsregelung den Unfallversicherungsschutz für ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftliche Engagierte erweitert. Laut § 4 Abs. 2 LUK-Satzung besteht seitdem Unfallversicherungsschutz bei der LUK für ehrenamtlich oder bürgerschaftlich engagierte Flüchtlingsbetreuer unter folgenden Voraussetzungen: 1. die Flüchtlingsbetreuer dürfen nicht bereits nach § 2 SGB VII gesetzlich unfallversichert sein, 2. der Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Flüchtlingsbetreuer sich nicht freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung versichern können, 3. die Tätigkeit muss unentgeltlich ausgeübt werden, dem Gemeinwohl dienen und 4. für eine Organisation erfolgen, die ohne Gewinnerzielungsabsicht Aufgaben ausführt, welche im öffentlichen Interesse liegen oder gemeinnützige bzw. mildtätige Zwecke fördern. Verbesserungen des Unfallversicherungsschutzes Der gesetzliche Unfallversicherungsschutz wurde in der letzten Zeit erweitert um a) Vorsorgeuntersuchungen und Nachsorgemaßnahmen anlässlich einer Blut-, Organ- oder Ge- webespende (§ 2 Abs. 1 Nr. 13b SGB VII) und b) vorschulische Sprachförderkurse für Kinder, wenn die Teilnahme aufgrund einer landesrechtli- chen Regelung erfolgt (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 a SGB VII). Die Unfallversicherung erfolgt bei dem für die jeweilige Einrichtung zuständigen Unfallversiche- rungsträger. Die Trägerorganisation muss sich dort anmelden. Private Eigenvorsorge durch den Abschluss einer Haftpflichtversicherung ist erforderlich, weil dieser Schutz ja alle Lebensbereiche umfasst und nicht nur den Zeitraum des Ehrenamtes. Nach Auskunft der privaten Versicherungswirtschaft verfügen 70 % der deutschen Bevölkerung über eine private Haftpflichtversicherung. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3797 3 Gleichfalls wird nicht der Schutz einer Vereinshaftpflichtversicherung durch den Rahmenvertrag des Landes ersetzt. Jeder Verein bzw. jede vereinsmäßig organisierte Initiative sollte sich durch den Abschluss einer Vereinshaftpflichtversicherung absichern, weil hierdurch alle Vereinsmitglieder versichert sind und auch eine Abwehr von ungerechtfertigten Ansprüchen mit der Vereinshaft- pflichtversicherung gewährleistet ist. Das Haushaltsrecht prägt den Grundsatz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 LHO). Er schließt aber mit ein, dass unter Beachtung des Besserstellungsverbotes Versicherungsprämien zur Absicherung von Restrisiken im Einzelfall in die zuwendungsfähigen Ausgaben einbezogen werden können, wenn sich diese Vorgehensweise als die wirtschaftlichste und sparsamste Lösung erweisen sollte. Zuwendungsempfänger sollten mit Bezug auf diesen Grundsatz die Zuwendungs- behörde auf die Berücksichtigung von Versicherungsprämien für einen angemessenen Haftpflicht- und Unfallversicherungsschutz für ehrenamtliche Funktionsträger, die sich in institutionell geförder- ten Vereinen und Verbänden verantwortlich betätigen, ansprechen. Dies wäre dann im Rahmen der Ermessensausübung von der Bewilligungsbehörde zu prüfen und zu entscheiden. In den Fällen, in denen kein anderweitiger Versicherungsschutz besteht, erhalten ehrenamtlich Tä- tige, die sich in Niedersachsen unentgeltlich oder nur gegen geringe Aufwandsentschädigung in Vereinigungen aller Art (organisierte Form) für Dritte engagieren, grundsätzlich über die Rahmen- verträge der Landesregierung mit den VGH Versicherungen einen Haftpflicht- und Unfallver- sicherungsschutz. 2. Falls es keinen oder nur geringen Versicherungsschutz gibt: Wie will die Landesregie- rung sicherstellen, dass die Ehrenamtlichen entsprechenden Schutz erhalten? Siehe Antwort zu Frage 1. Ehrenamtliche sollten sich grundsätzlich zu Beginn ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit bei der Trägeror- ganisation über den bestehenden Versicherungsschutz informieren und für weitergehende indivi- duelle Absicherung sorgen, falls dies aus persönlicher Einschätzung erforderlich sein sollte. 3. Falls es umfassenden Versicherungsschutz gibt: Wie gestaltet sich dieser Schutz, wel- che Bedingungen wie beispielsweise Anzeige- oder Meldepflichten der Ehrenamtlichen sind zu erfüllen, wie ist dabei vorzugehen? Trägerorganisationen sollten den Unfallversicherungsschutz für ehrenamtlich Tätige abklären und dazu mit der zuständigen Berufsgenossenschaft oder der Landesunfallkasse in Kontakt treten. Dies gilt auch für Personen, die nicht kraft Gesetzes unfallversichert sind (z. B. Kassenwart, Vereinsvor- stand), aber auf Antrag (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII) freiwillig versichert werden können. Soweit ein Haftpflichtversicherungsschutz durch die Trägerorganisation (Verein, Initiative, etc.) oder die beauftragte Stelle (Kommune) für die Ehrenamtlichen besteht, sollte der Ehrenamtliche dort den Schaden melden. Alles Weitere wäre dann von den Trägerorganisationen bzw. der Kommune zu veranlassen bzw. mit dem Geschädigten abzustimmen. Um den Schutz aus den Rahmenverträgen des Landes zu erlangen, ist keine persönliche Anmel- dung durch die Trägerorganisation bei den VGH Versicherungen erforderlich. Es reicht aus, wenn sich die Trägerorganisation, bei der der Ehrenamtliche tätig ist, oder die betroffene Person im Schadensfall direkt bei der VGH Versicherung in Hannover meldet. Die Fachleute des Versiche- rungsunternehmens werden zunächst prüfen, ob ein vorrangiger Unfall- bzw. Haftpflichtversiche- rungsschutz besteht. Über das Prüfergebnis wird die Antragstellerin/der Antragsteller informiert, damit - bei einem bestehenden vorrangigen Versicherungsschutz - die zuständige Stelle einbezo- gen werden kann. Falls sich ein Versicherungsschutz aus den Rahmenverträgen ergibt, wickelt die VGH Versicherung den Schadensfall mit der Antragstellerin/dem Antragsteller ab. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3797 4 4. Wird die Landesregierung bestehende Unklarheiten bei Kommunalverwaltungen, Ver- bänden und Ehrenamtlichen über Versicherungsfragen für Ehrenamtliche in der Flücht- lingsbetreuung beseitigen, gegebenenfalls wie? Die Landesregierung nutzt verschiedene Möglichkeiten, um über die Rahmenverträge zu informie- ren und über den Versicherungsschutz für ehrenamtlich Tätige aufzuklären. Dieses Informations- angebot ist für alle Engagierten von Interesse und bezieht alle Tätigkeitsbereiche ein. Bereits 2002 - vor Abschluss der Rahmenverträge - wurden auf Initiative der Landesregierung vier Telefonaktionen durchgeführt. Bei diesen vier Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit der regiona- len Presse in Oldenburg, Lüneburg, Braunschweig und Osnabrück haben Experten von Berufsge- nossenschaften, von der Landesunfallkasse und der privaten Versicherungsbranche telefonische Auskunft über den Versicherungsschutz für Ehrenamtliche gegeben. Dabei wurde gleichzeitig deut- lich, dass in den meisten Fällen ehrenamtlicher Tätigkeit ausreichender Versicherungsschutz vor Risiken und Schäden besteht. Allerdings sind die Informationen darüber nicht allgemein verbreitet. Um dies zu verbessern, hat die Landesregierung zusammen mit weiteren Akteuren verschiedene Initiativen zur Verbesserung der Informationslage ergriffen. So wurden beispielsweise seit 2003 insgesamt 145 000 Flyer „Mehr Sicherheit für freiwillig Engagierte im Ehrenamt“ an Interessierte, in Kommunen und an Trägerorganisationen verteilt. Auf Anforderung informieren seit 2003 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der VGH Versicherungen in Kommunen oder bei Veranstaltungen von Trägerorganisationen über den Versicherungsschutz für Ehrenamtliche. Jährlich wurden und werden die Mitarbeiter der VGH Versicherungen zu rund zehn Veranstaltungen in unterschiedliche niedersächsische Kommunen eingeladen. Daneben wird das Thema auch auf „Ehrenamtsbörsen“ oder „Ehrenamtsveranstaltungen“ behandelt. Weiterhin werden die Mitglieder des „Niedersachsen-Rings“ - gegenwärtig sind 38 Dachorganisati- onen der Zivilgesellschaft in dem landesweiten Beirat vertreten - über die Rahmenverträge des Landes und etwaige Änderungen beim Versicherungsschutz für Ehrenamtliche kontinuierlich infor- miert. Die Landesregierung wirbt bei den Trägerorganisationen und in den Kommunen dafür, dass jährlich die freiwillig Engagierten über das Thema Versicherungsschutz im Ehrenamt informiert werden. Aufgrund der Fluktuation bei Ehrenamtlichen ist diese kontinuierliche Informationsvermitt- lung sinnvoll und erforderlich. Die Landesregierung wird ihre Informationsvermittlung auch zukünftig fortsetzen und den Vereinen und zivilgesellschaftlichen Trägerorganisationen bei der Klärung von offenen Fragen beim Versi- cherungsschutz für Ehrenamtliche behilflich sein. (Ausgegeben am 07.07.2015) Drucksache 17/3797 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3519 - Gibt es einen Versicherungsschutz für Ehrenamtliche in der Flüchtlingsbetreuung? Anfrage der Abgeordneten Frank Oesterhelweg, Ansgar Focke, Angelika Jahns, Thomas Adasch, Volker Meyer, Johann-Heinrich Ahlers, Rudolf Götz und Burkhard Jasper (CDU), eingegangen am 19.05.2015 Antwort der Niedersächsischen Staatskanzlei