Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3799 1 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3097 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Ingrid Klopp, Frank Oesterhelweg, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens und Martin Bäumer (CDU), eingegangen am 03.03.2015 Führt der mögliche Verlust des „Ackerstatus“ zu einem erhöhten Nitrateintrag ins Grund- wasser? Die Trinkwasserschutz-Kooperation im Trinkwassergewinnungsgebiet im Bereich des Wasserwer- kes Rühen betreibt seit 2007 Grundwasserschutz auf austragungsgefährdeten Sandstandorten in Ostniedersachsen. Das Trinkwassergewinnungsgebiet (TGG) Rühen hat eine Gesamtgröße von 13 850 ha mit einem AL-Anteil von 5 307 ha. Auf einer Fläche von ca. 270 ha bewirtschaften Land- wirte ihre Ackerflächen im Rahmen von „Freiwilligen Vereinbarungen“ (FV) und bestellen diese mit Feldgräsern. Diese Flächen wurden bisher in den Agraranträgen als Brache (591) und Feldgras (424) angegeben. Mit dieser Art der Flächennutzung werden seit 2009 stabil und dauerhaft niedrige Nitratgehalte im Dränwasser erreicht (< 25mg/l). Die bisher vorgenommene Codierung führt dazu, dass die Fläche ab dem fünften Jahr der Feld- grasnutzung zwangsläufig einen Dauergrünlandstatus erhält und somit nicht mehr als Ackerland angesehen wird. Diese Regelung führt dazu, dass die betroffenen Flächen nahezu vollständig wie- der umgebrochen werden, um den Status „Ackerland“ zu erhalten. Dieser Umbruch wird von den Eigentümern und Bewirtschaftern als zwingend angesehen, weil es andernfalls zu einem massiven Wertverlust der Flächen kommt und auch die Freiwilligkeit des Ein- und Austritts für zukünftige FV nicht mehr gegeben ist. Dieser zu erwartende Umbruch der Brache- und Feldgrasflächen erhöht die Wahrscheinlichkeit ei- nes Nitrataustrages und würde nach Ansicht von Experten die bisherige gemeinsame Arbeit von Landwirten, Wasserversorger und Beratungsbüros ad absurdum führen. Bisher galt nach Ansicht der Kooperation die Aussage: „Flächen, die über eine FV als Brache/Feldgras genutzt werden, erhalten nach Auslaufen oder Kündigung der FV den Ackerstatus zurück“. Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung: 1. Warum haben die seit mehreren Jahren geforderten Ansätze zur Einführung einer ackersta- tussichernden WSG-Grasflächen-Codierung bisher kein Ergebnis gebracht? 2. Sind die Folgen eines Umbruches von Grasflächen zwischen dem MU, dem ML und dem NLWKN besprochen worden? 3. Wie sollen Landwirte zukünftig vom Nutzen der Anlage von Grasflächen auf Ackerstandorten überzeugt werden? 4. Warum wird eine so kritische Änderung der Maßnahmengrundsätze erst Anfang Februar, un- mittelbar vor dem Ausfüllen der Agraranträge, kommuniziert? 5. Gibt es Untersuchungen, im welchem Umfang landesweit Feldgrasflächen vor dem Umbruch stehen? 6. Gibt es eine übergreifende Ebene, um praxisnahe, verlässliche und grundwasserschonende FV zu entwickeln? 7. Sind zukünftig Zwangsmaßnahmen geplant, um „schützenswerte Ziele“ in der Landnutzung zu erreichen? (An die Staatskanzlei übersandt am 11.03.2015) Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3799 2 Antwort der Landesregierung Niedersächsisches Ministerium Hannover, den 28.06.2015 für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - 307-60161-227/6-07 (E) - Wie in der Kleinen Anfrage zutreffend dargestellt, werden im Rahmen von Trinkwasserschutz-Ko- operationen zwischen landwirtschaftlichen Betrieben und Wasserversorgungsunternehmen freiwilli- ge Vereinbarungen mit dem Ziel geschlossen, eine extensive Nutzung von landwirtschaftlichen Flä- chen in Trinkwassergewinnungsgebieten zu erreichen. Für die betroffenen Flächen werden im Regelfall auch EU-Direktzahlungen beantragt. Diese sind in den Sammelanträgen entsprechend ihrer Verwendung als aus der Erzeugung genommene Flächen (Code 591) oder als Ackergras (Code 424) auszuweisen und unterliegen in vollem Umfang den Regelungen der EU für die Gewährung von Direktzahlungen. Immer noch findet eine intensive Diskussion zwischen EU, Bund und Ländern sowie landwirtschaft- lichen Verbänden zur Einordnung solcher Flächen als Acker- oder Dauergrünland statt. Dies resul- tiert u. a. aus Äußerungen und Ankündigungen der EU-Kommission in Zusammenhang mit der Re- form der Gemeinsamen Agrarpolitik zu der Frage, welchen Status Flächen erhalten müssen, die über mehrere Jahre brach liegen bzw. aus der Erzeugung genommen wurden und mit Gras und/oder Grünfutterpflanzen bewachsen sind. Bislang erhalten diese Dauergrünlandstatus, sofern sie mehr als fünf Jahre mit Gras und/oder Grünfutterpflanzen bewachsen sind. In diesem Zusam- menhang ist auch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 02.10.2014 (Az.: C 47/13) zu nen- nen, nach dem Flächen den Dauergrünlandstatus erlangen, wenn auf diesen während des Fünfjah- reszeitraums wechselnde Gras- bzw. Grünfutterpflanzenkulturen angebaut und genutzt werden. Minister Meyer, Minister Wenzel und das Landvolk kritisieren diese starre Regelung seit langem, weil sie ökologisch kontraproduktiv ist. Die aktuellen Diskussionen haben zu einigen Klarstellungen und Verbesserungen geführt. Die Landesregierung setzt sich weiter für Änderungen im Sinne von Umwelt und Landwirten ein. Auch die EU-Kommission hat auf die anhaltende Kritik an der Definiti- on von Dauergrünland reagiert. Agrarkommissar Phil Hogan hat diesbezügliche Verbesserungen angekündigt und auch erste Vorschläge dazu unterbreitet. Auch die Bundesregierung wollte sich für Verbesserungen einsetzen. Eine verbindliche Umsetzung dieser Ankündigungen von EU und Bund steht bevor. Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt: Zu 1: Maßgeblich für die Gewährung von Direktzahlungen ist die tatsächliche Nutzung der betroffenen Flächen. Bei deren Angabe im Sammelantrag Agrarförderung und Agrarumweltmaßnahmen sind Codierungen zu verwenden, die auf Bund-/Länderebene festgelegt wurden. Davon kann auch nicht bei Flächen abgewichen werden, die Bestandteil der Freiwilligen Maßnahmen zum Trinkwasser- schutz sind. Die rot-grüne Landesregierung setzt sich jedoch für Verbesserungen ein. Erreicht wurde z. B. für Ackerflächen, die im Rahmen von freiwilligen Vereinbarungen zum Trink- wasserschutz (FV) in Grünland umgewandelt bzw. mit Gras bestellt wurden, dass bei der Umset- zung der Vorgaben zu Cross Compliance eine Rückumwandlung ohne die Bereitstellung einer Er- satzfläche möglich ist. Um den betroffenen Betriebsinhabern die Möglichkeit zu geben, auf die aktuellen Entwicklungen zu reagieren, besteht 2015 die Möglichkeit zu entscheiden, sie weiterhin als aus der Erzeugung ge- nommene Flächen zu codieren bzw. zu verwenden mit der Folge, dass diese 2015 Dauergrünland- status erlangen. Gleiches gilt für Flächen, die für den Anbau von Gras und/oder anderen Grünfut- terpflanzen mit wechselnden Codierungen in dem Fünfjahreszeitraum genutzt wurden. In diesen Fällen handelt es sich um Flächen, die nach dem 01.01.2015 zu Dauergrünland geworden sind. Dem entsprechend kann für diese gemäß § 16 des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes eine Genehmigung zur Umwandlung von Dauergrünland ohne die Verpflichtung zur Bereitstellung von Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3799 3 Ersatzflächen erteilt werden, sofern fachrechtliche Bestimmungen (z. B. Naturschutzrecht) dem nicht entgegenstehen und die neue Fünf-Prozent-Grenze für die Entwicklung des Dauergrünlan- danteils in Niedersachsen/Bremen nicht überschritten wird. Entscheidet sich der Betriebsinhaber, die mit Gras bzw. Grünfutterpflanzen bewachsenen aus der Erzeugung genommenen Flächen weiterhin z. B. aus Gründen des Trinkwasserschutzes als Bra- che zu verwenden und sie als ökologische Vorrangflächen zur Erfüllung seiner Greeningverpflich- tungen anzumelden, behalten diese gemäß Artikel 45 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 639/2014 grundsätzlich den Ackerstatus. Dieses kann er auch in den Folgejahren so tun. Der Ackerstatus kann aber für solche Bracheflächen nur so lange in Anspruch genommen werden, wie diese als Brache und ÖVF ausgewiesen werden. Daneben wären bei einer Umwandlung der Flächen in Acker andere extensive Nutzungsformen ohne negative Einflüsse auf das Grundwasser denkbar. Demnach gibt es für die betroffenen Betriebsinhaber verschiedene vertretbare Optionen, die einen sofortigen Umbruch der mehrjährig aus der Erzeugung genommenen oder genutzten und mit Gras und/oder Grünfutterpflanzen bewachsenen Flächen entbehrlich machen. Zu 2: Ja. Die Folgen eines Umbruches von Grasflächen sind zwischen dem MU, dem ML und dem NLWKN umfassend besprochen worden. Dabei wurde gemeinsam versucht, für die betroffenen Be- triebsinhaber akzeptable Lösungen zu finden. Zu 3: Die Umwandlung von Ackerflächen in Grünland bzw. in Feldgrasnutzung wird in Trinkwasserge- winnungsgebieten weiterhin als eine Maßnahme zur grundwasserschonenden Bewirtschaftung aus dem von der EU-Kommission notifizierten Katalog möglicher Maßnahmen gefördert. Auch der Er- halt bzw. die Extensivierung von Grünlandflächen wird über FV gefördert. Daneben gibt es im ge- nannten Maßnahmenkatalog eine Reihe weiterer freiwilliger Vereinbarungen, die unter Beachtung vorgegebener Mindestanforderungen gebietsspezifisch in der jeweiligen Kooperation des Trink- wassergewinnungsgebietes mit Beratung, Bewirtschaftern und Wasserversorgungsunternehmen ausgestaltet werden können. Ansonsten siehe Antwort zu Frage 1. Zu 4: Wie in der Vorbemerkung geäußert, waren zunächst die Auswirkungen der neuen Vorgaben zum Flächenstatus und deren Umsetzung mit der EU sowie auf Ebene von Bund und Ländern zu erör- tern, bevor diese kommuniziert werden konnten. Teilweise ist dieser Diskussionsprozess auch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht endgültig abgeschlossen und das Land setzt sich weiter für Verbesse- rungen ein. Alle Akteure im Kooperationsmodell inklusive der Wasserschutzberater und Wasserversorgungsun- ternehmen werden kurzfristig per E-Mail über den jeweils aktuellen Diskussionsstand bzw. die Neuerungen informiert. Die Flächenbewirtschafter werden über Rundschreiben der örtlichen Was- serschutzberater informiert. Daneben besteht für alle Flächenbewirtschafter die Möglichkeit, sich z. B. bei den Beratungsinstitu- tionen, in den einschlägigen Medien oder in der Broschüre des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik über die aktuellen Entwicklungen zu informieren. Zu 5: In den niedersächsischen Trinkwassergewinnungsgebieten sind auf einer Fläche von ca. 6 000 ha freiwillige Vereinbarungen für die Anlage von Grünland oder Brachen abgeschlossen, von denen ca. 4 980 ha aufgrund ihrer Einstufung als Dauergrünland bzw. potenzielles Dauergrünland von ei- nem vorsorglichen Umbruch zur Vermeidung des Dauergrünlandstatus bedroht sind. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3799 4 Es ist aber nach hiesiger Einschätzung davon auszugehen, dass sich für eine Vielzahl dieser Flä- chen aus den in der Antwort zu Frage 1 dargestellten Gründen ein Umbruch erübrigen dürfte. Die genaue Zahl der vom Umbruch bedrohten Flächen lässt sich nicht ermitteln, da im Rahmen von FV neben der Anlage von Grasflächen auch Fruchtfolgeumstellungen gefördert werden. Es ist aber von einem erheblichen Flächenumfang insbesondere in Südniedersachsen auszugehen. Zu 6: Freiwillige Vereinbarungen in den örtlichen Kooperationen der Trinkwasserschutzgebiete werden auf der Grundlage des von der EU-Kommission notifizierten Maßnahmenkataloges des Umweltmi- nisteriums abgeschlossen. Der Maßnahmenkatalog enthält sowohl fachliche Vorgaben/Mindestan- forderungen als auch Anweisungen zum Verfahren. Bei Beachtung der Mindestanforderungen kön- nen freiwillige Vereinbarungen in den örtlichen Kooperationen der Flächenbewirtschafter und Was- serversorgungsunternehmen gebietsspezifisch ausgestaltet werden, um im Sinne des Trinkwasser- schutzes effiziente, vor Ort abgestimmte Maßnahmen umzusetzen. Wenn wegen neuer beihilfe- rechtlicher Vorgaben oder Greening-Anforderungen Anpassungen der Rahmenbedingungen der freiwilligen Vereinbarungen notwendig sind, werden diese zwischen MU, ML und NLWKN abge- stimmt. Alle Akteure im Kooperationsmodell inklusive der Wasserschutzberater und Wasserversor- gungsunternehmen werden anschließend kurzfristig per E-Mail über die Neuerungen informiert. Die Flächenbewirtschafter werden über Rundschreiben der örtlichen Wasserschutzberater informiert. Zu 7: Die Landesregierung hat ein großes Interesse daran, dass bestehende Trinkwassergewinnungsge- biete als Wasserschutzgebiete ausgewiesen werden, um sie langfristig hoheitlich zu sichern. Darüber hinaus gilt die Verpflichtung zum flächendeckenden Grundwasserschutz im Zuge der Um- setzung der Wasserrahmenrichtlinie. Wenn es mit dem aktuellen Maßnahmenprogramm, das in erster Linie auf Freiwilligkeit beruht, nicht gelingt, die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie bis 2021 zu erreichen, wird die Landesregierung nicht umhin kommen, ordnungsrechtliche Maßnahmen zu er- greifen, um einem andernfalls drohenden Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU-Kommis- sion entgegenzuwirken. Christian Meyer (Ausgegeben am 07.07.2015) Drucksache 17/3799 Antwort auf eine Kleine schriftliche Anfrage - Drucksache 17/3097 - Wortlaut der Anfrage der Abgeordneten Ingrid Klopp, Frank Oesterhelweg, Dr. Hans-Joachim Deneke-Jöhrens und Martin Bäumer (CDU), eingegangen am 03.03.2015 Führt der mögliche Verlust des „Ackerstatus“ zu einem erhöhten Nitrateintrag ins Grundwasser? Antwort der Landesregierung