Niedersächsischer Landtag  17. Wahlperiode Drucksache 17/3819 1 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3647 - Verhindert der Zukunftsvertrag die Rückzahlung von Kindergartengebühren? Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung, eingegangen am 04.06.2015, an die Staatskanzlei übersandt am 11.06.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport namens der Landesregie- rung vom 01.07.2015, gezeichnet Boris Pistorius Vorbemerkung des Abgeordneten Zurzeit werden zahlreiche Kindertagesstätten bestreikt. Auch in der Stadt Einbeck wird über eine Rückerstattung der Gebühren an die betroffenen Eltern diskutiert. Von der Stadtverwaltung ist dies bisher mit Verweis auf den Zukunftsvertrag mit dem Land Niedersachsen abgelehnt worden. In die- sem sei ausgeschlossen, dass es zu einer Rückerstattung von Gebühren komme. Vorwort der Landesregierung Aus den Vorschriften des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) ergibt sich kei- ne direkte Rechtspflicht zur Erstattung von Kindergartengebühren bei fehlender Bereitstellung einer Betreuung wegen Streiks. Nach § 5 Abs. 1 NKAG werden Benutzungsgebühren für die Inanspruch- nahme öffentlicher Einrichtungen erhoben, die im Rahmen des Satzungsrechts zu konkretisieren sind. Ein Streik stellt eine Leistungsstörung des Nutzungsverhältnisses durch höhere Gewalt dar. Sofern in den Gebührensatzungen keine Regelungen zu Leistungsstörungen und der Rückerstat- tung von bereits geleisteten Benutzungsgebühren getroffen wurden, entsteht nach der zum Abga- benrecht vorliegenden Rechtsprechung ein Anspruch auf Minderung der Gebühr erst, wenn das Äquivalenzprinzip verletzt ist, d. h. das Ausgleichsverhältnis zwischen Gebühr und Wert der Leis- tung „gröblich“ gestört ist (BVerwG, Urt. vom 09.11.1984 - 8 C 37.82 - KStZ 1985, 107; OVG Saarland , Urt. vom 08.11.1985 - 2 R 48/85 - KStZ 1987, 54, 57; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. vom 09.02.2006 - 7 A 11037/05 -, zitiert nach juris: Nds. OVG, Beschl. vom 13.01.2010 - 9 LA 205/08 -, zitiert nach rechtsprechung.niedersachsen.de). Urteile zu den Leistungsstörungen bei den öffentli- chen Einrichtungen zur Kinderbetreuung liegen bisher nicht vor. Zu Straßenreinigungsgebühren haben die OVG Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz entschieden, dass Leistungsausfälle von einem bzw. zwei Monaten je Gebührenjahr noch mit dem gebührenrechtlichen Äquivalenzprinzip vereinbar sind (Rosenzweig/Freese/Waldthausen zu § 5 NKAG, Rn. 422). Darüber hinaus steht es den Kommunen frei, unter Beachtung der Haushaltsgrundsätze der Wirt- schaftlichkeit und Sparsamkeit nach § 110 Abs. 2 NKomVG eine Rückerstattung von Gebühren aufgrund einer geringfügigen Leistungsstörung oder aus familienpolitischen Gründen ohne Aner- kennung einer Rechtspflicht vorzunehmen. Es handelt sich dann um eine freiwillige Leistung. Ob eine solche für Kommunen vertretbar ist, die zur Aufstellung eines Haushaltssicherungskonzepts verpflichtet sind oder die sich im Rahmen von Entschuldungsverträgen zu besonders sparsamer Haushaltsführung verpflichtet haben, ist von der Kommunalaufsicht im Einzelfall zu beurteilen. Niedersächsischer Landtag – 17. Wahlperiode Drucksache 17/3819 2 Sind Gebührenerstattungen an die Eltern im Zuge des Kita-Streiks durch die Zukunftsver- träge mit den Städten Einbeck, Northeim, Dassel und Uslar ausgeschlossen, wenn ja, durch welche Passage? Die Städte Einbeck, Northeim, Dassel und Uslar haben mit dem Land Niedersachsen Zukunftsver- träge zur nachhaltigen Haushaltskonsolidierung nach § 14 a des Niedersächsischen Finanzaus- gleichsgesetzes abgeschlossen. Der Zukunftsvertrag mit der Stadt Dassel wurde inzwischen vor- zeitig beendet, da die Stadt die Vertragsziele und insbesondere die dauernde Leistungsfähigkeit frühzeitig erreicht hat; bei einer Entscheidung über die Erstattung von Kindergartengebühren sind die Regelungen des Zukunftsvertrages folglich nicht mehr von Belang. In den Zukunftsverträgen mit den Städten Einbeck, Northeim und Uslar wurden jeweils die Vertragsziele, die Höhe der Entschul- dungshilfen, die einhergehenden Konsolidierungsmaßnahmen und grundsätzliche Rahmenbedin- gungen für die Haushaltsbewirtschaftung vereinbart. Die Rahmenbedingungen wurden vertraglich unter § 3 geregelt und sehen jeweils eine vollständige Einnahmeerhebung in rechtlich zulässiger Höhe sowie eine Begrenzung der freiwilligen Leistungen vor. Abweichungen von diesen Rahmen- bedingungen werden vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Rechts auf kom- munale Selbstverwaltung im Rahmen des Vertragscontrollings ermöglicht, sind jedoch - soweit zur Sicherung der Zielerreichung des Zukunftsvertrages notwendig - gegebenenfalls an anderer Stelle zu kompensieren. Im vorliegenden Fall stehen der möglichen Erstattung von Kindergartengebühren streikbedingte Personalkosteneinsparungen gegenüber, sodass sich die Maßnahmen insgesamt haushaltsneutral darstellen und die Ziele der Zukunftsverträge nicht gefährdet werden. Das Innenministerium hat daher dem Landkreis Northeim als zuständiger Kommunalaufsichtsbehörde am 02.06.2015 mitge- teilt, dass im Rahmen des Zukunftsvertrages keine Bedenken bestehen, soweit die Städte Einbeck, Northeim und Uslar in eigener kommunaler Selbstverantwortung nach pflichtgemäßen Ermessen eine Erstattung der Kindergartengebühren beschließen. (Ausgegeben am 09.07.2015) Drucksache 17/3819 Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung mit Antwort der Landesregierung - Drucksache 17/3647 - Verhindert der Zukunftsvertrag die Rückzahlung von Kindergartengebühren? Anfrage des Abgeordneten Christian Grascha (FDP) an die Landesregierung,eingegangen am 04.06.2015 Antwort des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport